Endogene Regionalentwicklung - Dargestellt am Beispiel der touristischen Nutzung von Binnengewässern der Region Mecklenburg-Vorpommern / Nord-Brandenburg


Diplomarbeit, 2004

84 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Tourismus in Deutschland
2.1. Gästezahlen und Übernachtungen
2.2. Regionale Verteilung
2.3. Betriebe und Beschäftigung
2.4. Messung des Beitrages des Tourismus über die Ausgaben
2.5. Berücksichtigung von Tagesausflügen und Reisekosten
2.6. Zusammenfassung

3. Endogene Regionalentwicklung
3.1. Kritik an traditionellen Entwicklungskonzepten
3.2. Das Konzept der endogenen Entwicklungspotentiale
3.2.1. Definition des Begriffs „regionales Entwicklungspotential“
3.2.2. Arten von Entwicklungspotentialen
3.2.3. Strategien zur Aktivierung regionaler Entwicklungspotentiale
3.2.3.1. Begabungsförderung
3.2.3.2. Engpaßbeseitigung
3.2.3.3. Verflechtungsförderung
3.3. Tourismusförderung als endogene Strategie ?

4. Förderung der endogenen Regionalentwicklung durch touristische Nutzung von Binnengewässern
4.1. Wasserstraßennetz in Deutschland
4.2. Kommerzielle Nutzung von Binnengewässern
4.3. Touristische Nutzung und Freizeitnutzung
4.3.1. Definition Wassertourismus
4.3.2. Entwicklungstrends des Wassertourismus in Deutschland
4.3.2.1. Surfen
4.3.2.2. Tauchen
4.3.2.3. Segeln / Motorbootfahrten
4.3.2.4. Wasserwandern / Kanufahren
4.3.2.5. Wasserski
4.3.2.6. Angeln
4.3.3. Eignung des Wassertourismus zur endogenen Entwicklung
4.3.3.1. Arbeitskräftepotential
4.3.3.2. Kapitalpotential
4.3.3.3. Infrastrukturpotential
4.3.3.4. Markt- bzw. Nachfragepotential
4.3.3.5. Ökologisches Potential
4.3.3.6. Soziokulturelles Potential
4.3.3.7. Entscheidungspotential

5. Beispielregion Mecklenburg-Vorpommern und Nord-Brandenburg
5.1. Pilotprojekt Charterschein
5.2. Überblick über die Beispielregion
5.3. Die Potentiale der Region
5.3.1. Arbeitskräftepotential
5.3.2. Kapitalpotential
5.3.3. Infrastrukturpotential
5.3.4. Markt- bzw. Nachfragepotential
5.3.5. Ökologisches Potential
5.3.6. Soziokulturelles Potential
5.3.7. Entscheidungspotential

6. Zusammenfassung

Quellenverzeichnis

Eidesstattliche Erklärung

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 01: Ankünfte und Übernachtungen 1992-2002

Abbildung 02: Übernachtungen im Reiseverkehr nach Bundesländern

Abbildung 03: Beherbergungskapazitäten und Auslastung

Abbildung 04: Prozentuale Veränderung von Wachstum, Umsatz und Beschäf- tigung gegenüber dem Vorjahr 2000-2002.

Abbildung 05: Ausgaben der Übernachtungsgäste in Deutschland

Abbildung 06: Touristischer Beitrag zum deutschen Volkseinkommen 1993

Abbildung 07: Gewässer in Deutschland

Abbildung 08: Wassertourismus in Deutschland

Abbildung 09: Abstände von Versorgungseinrichtungen in Wassersport- gebieten

Abbildung 10: 2004 neu aufgenommene Wasserstraßen

Abbildung 11: Wasserstraßen, die seit 2000 mit Charterschein befahren werden dürfen

Abbildung 12: Einwohnerzahl und Arbeitslosenquote

Abbildung 13: Stör-Wasserstraße

Abbildung 14: Müritz-Elde-Wasserstraße

Abbildung 15: Müritz-Havel-Wasserstraße

Abbildung 16: Obere-Havel-Wasserstraße

Abbildung 17: Wirtschaftsdaten Landkreise

Abbildung 18: Arbeitsmarktdaten Ostdeutschland 2001-2003

Abbildung 19: Ausgaben der Übernachtungsgäste

Abbildung 20: Gewerbeanmeldungen neue Bundesländer

Abbildung 21: Studien zu den Potentialen des Wassertourismus

1. Einleitung

Auch vierzehn Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands haben sich die Lebensverhältnisse beider Landesteile noch nicht angeglichen. Besonders die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern und die damit verbundenen finanziellen Belastungen, lassen mittelfristig kein Ende der Abhängigkeit von Transferzahlungen erkennen.

Mit dem Strukturwandel in dem Gebiet der ehemaligen DDR stellt sich die Frage nach der Förderung von Wirtschaftszweigen, mit denen zukünftig Einkommen und Beschäftigung gesichert werden kann. Speziell Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg versuchen sich als Tourismusdestinationen im allgemeinen und als Wassersportregionen im besonderen zu positionieren.

Diese Arbeit befaßt sich mit dem Thema der regionalen Entwicklungsmöglichkeiten durch endogene Faktoren, d.h. durch Einflüsse aus der Region selbst. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf dem Teilbereich des Wassertourismus auf Binnengewässern, in der Region Mecklenburg-Vorpommern/Nord-Brandenburg.

Nach dieser Einleitung folgt im zweiten Kapitel ein Überblick über den deutschen Tourismusmarkt und seinen Einfluß auf die deutsche Volkswirtschaft.

Das dritte Kapitel stellt die Theorie der endogenen Entwicklungspotentiale vor. Entgegen den traditionellen Entwicklungstheorien haben hierbei nicht die exogenen Faktoren, und damit eine tendenziöse Exportorientierung, Priorität, sondern es wird sich auf die in der Region selbst vorhandenen Möglichkeiten und Ressourcen konzentriert.

Im vierten Kapitel wird ein Überblick über aktuelle und zukünftige Trends, auf den Wassertouristik- und Wassersportmärkten in Deutschland sowie die Eignung dieser für die Entwicklung endogener Potentiale, gegeben.

Das fünfte Kapitel nimmt als konkretes Beispiel die Einführung der Charterscheinregelung für bestimmte Gewässer in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern auf und analysiert deren Einfluß auf die Entwicklung der endogenen Potentiale dieser Region.

Am Schluß der Arbeit folgt eine Zusammenfassung der Ergebnisse und eine Einschätzung, ob die Entwicklung der Region anhand endogener Strategien sinnvoll ist.

2. Tourismus in Deutschland

Um die Bedeutung des Wirtschaftsfaktors „Tourismus“ für die Bundesrepublik Deutschland einschätzen zu können, werden in diesem Abschnitt einige wichtige Kennzahlen vorgestellt und in Relation zur Gesamtwirtschaft gesetzt.

2.1. Gästezahlen und Übernachtungen

Das Statistische Bundesamt zählte für 2003 in seiner Beherbergungsstatistik 112,6 Mio. Gäste und 338,6 Mio. Übernachtungen (Statistisches Bundesamt 2004a, S. 1).

In der Beherbergungsstatistik werden nur Betriebe mit 9 oder mehr Betten erfaßt. Bauernhöfe, Ferienwohnungen oder die Vermietung von Privatzimmern bleiben unberücksichtigt. Erhebungen, die von Harrer und Scherr für das Deutsche Wirtschaftswissenschaftliche Institut für Fremdenverkehr e.V. (DWIF) durchgeführt wurden, errechneten für das Jahr 2001 94,6 Millionen Übernachtungen in Herbergen unter 9 Betten. Dies sind im bundesweiten Durchschnitt 29% Übernachtungen mehr, als in der amtlichen Statistik erfaßt werden. In Niedersachsen und Schleswig Holstein, mit den großen Tourismusregionen an Nord- und Ostseeküste, steigt die Anzahl der Übernachtungen im Bundesland gegenüber der amtlichen Statistik sogar um 63,8% bzw. 55,1% (Harrer/Scherr 2002, S. 130-131).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 01: Ankünfte und Übernachtungen 1992-2002

Quelle: Eigene Darstellung, basierend auf Daten des Statistischen Bundesamtes: <http://www.destatis.de/basis/d/tour/tourtab8.htm>, abgerufen am 11.12.2003 um 15:00 Uhr

Bei der Betrachtung der gesamtdeutschen Werte ab 1992, in Abbildung 01, stellt man fest, daß der Anteil der ausländischen Gäste sowie die Anzahl der Übernachtungen von Ausländern nur in geringem Maße schwankt und bei etwa 16% bzw. 11% des Gesamtvolumens liegt. Im Umkehrschluß bedeutet dies, daß Urlaub in Deutschland zum größten Teil von Inländern verbracht wird.

2.2. Regionale Verteilung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 02: Übernachtungen im Reiseverkehr nach Bundesländern

Quelle: Statistisches Bundesamt: <http://www.destatis.de/basis/d/tour/tourtab3.php>, abgerufen am 29.07.2004 um 15:50 Uhr

Wie aus Abbildung 02 hervorgeht, liegt Bayern, in absoluten Zahlen, an der Spitze und vereinigt zusammen mit seinem Nachbarland Baden-Württemberg knapp 35% der gesamten Übernachtungen. Betrachtet man die Tourismusintensität, die die Zahl der Übernachtungen pro 1000 Einwohner angibt, zeigt sich ein anderes Bild. Hier liegt Mecklenburg-Vorpommern mit 13.911 Übernachtungen pro 1000 Einwohner klar vor Schleswig-Holstein (8.149) und Bayern (6.074) (Statistisches Bundesamt 2003a, S. 3).

Während die Bedeutung der Tourismusindustrie im Bundesdurchschnitt eher gering ist, ergeben sich bei regionaler Betrachtung deutliche Unterschiede. So sind in der Alpenregion und in den Kur- und Badeorten ein Großteil der Einwohner im Tourismusbereich tätig, während die Metropolen, trotz zum Teil höherer Besucherzahlen, nur eine geringe tourismusinduzierte Beschäftigungsquote aufweisen (Althof 2000, S. 172).

Vom Rückgang der Übernachtungszahlen waren vor allem die alten Bundesländer betroffen. Nur Metropolen wie z.B. Hamburg konnten sich dem negativen Trend entziehen und eine Steigerung der Übernachtungszahlen verbuchen. Spitzenreiter mit einem Wachstum von 6% ist dabei Mecklenburg-Vorpommern, welches schon in den Vorjahren gegen den allgemeinen Trend eine Steigerung der Urlauberzahlen verbuchen konnte (Statistisches Bundesamt 2004a, S. 3).

2.3. Betriebe und Beschäftigung

Es gibt in Deutschland circa 54.000 vom Statistischen Bundesamt erfaßte Beherbergungsbetriebe, mit einer Kapazität von etwa 2,5 Millionen Schlafgelegenheiten, die im Durchschnitt nur zu etwa 37% ausgelastet wird. Die Entwicklung dieser Kennzahlen, in den Jahren 2001 bis 2003, veranschaulicht die folgende Abbildung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 03: Beherbergungskapazitäten und Auslastung

Quelle: Statistisches Bundesamt: <http://www.destatis.de/basis/d/tour/tourtab2.php>, abgerufen am 18.08.04 um 10:35 Uhr

Abbildung 04 zeigt, daß Umsatz und Beschäftigung in der betrachteten Periode stark schwanken und veranschaulicht die besondere Saison- und Trendabhängigkeit des Gastgewerbes.

Der Rückgang fast aller Kennzahlen wird mit der allgemeinen Verunsicherung nach der Lungenkrankheit SARS, dem Irakkrieg sowie der schwachen Konjunktur begründet (Statistisches Bundesamt 2004a, S.1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 04: Prozentuale Veränderung von Wachstum, Umsatz und Beschäf-tigung gegenüber dem Vorjahr 2000-2002.

Quelle: Eigene Darstellung, basierend auf folgenden Daten:

1 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtdeutschen Wirtschaft – Pressemitteilung Jahresgutachten 2003/2004 <http://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/gutacht/03_pre.pdf > abgerufen am 19.12.2003 um 13:00 Uhr

2 Statistisches Bundesamt: <http://www.destatis.de/basis/d/tour/tourtab1.php>, abgerufen am 15.08.04 um 10:55 Uhr

Laut Bundesagentur für Arbeit waren im September 2003 im Bereich Gastgewerbe 770.917 Personen beschäftigt. Insgesamt lag die Zahl der als sozialversicherungspflichtig gemeldeten Beschäftigten im gleichen Zeitraum bei 27.204.384 Personen (Bundesagentur für Arbeit 2004b).

Unter Beschäftigungsgesichtspunkten ist das Gastgewerbe, mit seinem Anteil von 2,83% der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, eine kleine Branche. Nicht erfaßt sind hierbei die Personen, bei denen die Beherbergung von Touristen nur einen Nebenerwerb darstellt. Da der Tourismus auch ein Saisongeschäft ist, wird ein Teil der Arbeiten von Aushilfskräften und Wanderarbeitern erledigt. Das Beschäftigungsniveau schwankt somit auch im Verlaufe des Jahres stark (Althof 2000, S. 173). Bereits im Dezember 2003, d.h. in der Nebensaison, waren 50.312 oder 6,5% weniger Personen als sozialversicherungspflichtig beschäftigt gemeldet (Bundesanstalt für Arbeit, 2004).

Die statistische Erfassung des Tourismusbereiches wird besonders durch das Problem der genauen Abgrenzung des Sektors erschwert. Die Trennung zwischen rein vom Tourismus induzierter Leistungserstellung und „normaler“ Geschäftstätigkeit ist vielfach nicht genau möglich. So ist z.B. ein Einzelhändler in einer Feriensiedlung extrem vom Konsum der Touristen abhängig, wird aber in der Beschäftigungsstatistik nicht im Bereich Fremdenverkehr erfaßt.

Der genaue Beschäftigungseffekt, der vom Fremdenverkehr ausgeht, kann nur geschätzt werden. Versuche, einer Erfassung der Tourismusabhängigkeit der Beschäftigung der Bundesrepublik, gehen auf Untersuchungen aus den Jahren 1975 und 1982 zurück und kommen zu dem Ergebnis, daß etwa 10% aller Beschäftigten in Deutschland direkt oder indirekt vom Tourismus abhängig sind (Freyer 1990, S. 342f.).

2.4. Messung des Beitrages des Tourismus über die Ausgaben

Aufgrund der Probleme bei der Abgrenzung des Tourismussektors in der amtlichen Statistik, soll die Bedeutung des Tourismussektors über den Einfluß der Ausgaben der Touristen auf das Volkseinkommen beschrieben werden.

Eine von Harrer und Scherr im Jahre 2002 veröffentlichte Untersuchung ermittelt folgende Ausgaben für Übernachtungsgäste in Deutschland:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 05: Ausgaben der Übernachtungsgäste in Deutschland

Quelle: Eigene Darstellung, basierend auf Harrer/Scherr 2002, S. 96, 99 und 101

Der Transfer der obigen Zahlen zum Einfluß auf das Volkseinkommen erfolgt in mehreren Schritten mit Hilfe der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung:

- Ermittlung der Bruttoumsätze
- Ermittlung der Nettoumsätze
- Ermittlung der Einkommenswirkungen der 1. Umsatzstufe
- Ermittlung der Einkommenswirkungen der 2. Umsatzstufe
- Einkommenswirkungen insgesamt

Die Bruttoumsätze erhält man, indem man die Anzahl der Übernachtungen mit den Tagesausgaben multipliziert. Hierbei ergibt sich deutschlandweit ein Wert von 36.505,3 Mio. Euro (Harrer/Scherr 2002, S 133ff.).

Um vergleichbare Ergebnisse der Messung des Volkseinkommens zu erhalten, müssen die Bruttoumsätze um die Umsatzsteuer bereinigt werden. Die Schwierigkeit besteht hierbei in der Mischung verschiedener Steuersätze. Während der normale Steuersatz bei momentan 16% liegt, gelten für bestimmte Warengruppen, wie z.B. Zeitungen oder öffentlichem Personennahverkehr, ermäßigte Sätze von zur Zeit 7%. Einige Leistungen, wie Museums- und Konzertbesuche oder die Übernachtung in einer Jugendherberge, sind komplett steuerfrei. Die Aufschlüsselung der Umsätze nach den verschiedenen Steuersätzen ergibt einen durchschnittlichen Steuersatz für alle Leistungen von 11,49%, so daß sich Nettoumsätze von 32.743,1 Mio. Euro ergeben (Harrer/Scherr 2002, S. 138f.).

Von dem so ermittelten Produktionswert müssen die Vorleistungen abgezogen werden, da es sonst zu Doppelzählungen des Volkseinkommens kommen würde. Den um diese Vorleistungen bereinigten Wert, bezeichnet man als Wertschöpfung (Siebert 1996, S. 233f.).

Auf der ersten Umsatzstufe werden die direkten Ausgaben der Übernachtungsgäste mit der Wertschöpfungsquote multipliziert, um zu ermitteln, wieviel Geld zu Löhnen, Gehältern und Gewinnen wird. Im Bundesdurchschnitt wurde eine Wertschöpfungsquote von 41,26% ermittelt, was einer Einkommenswirkung von 13.508,5 Mio. Euro entspricht (Harrer/Scherr 2002, S. 144f.).

Die Vorleistungen der ersten Umsatzstufe führen bei den erbringenden Unternehmen ebenfalls zu Einkommen in Höhe ihrer individuellen Wertschöpfungsquoten. Diese sind jedoch schwierig zu erfassen und werden pauschal mit 30% berücksichtigt, so daß sich bei 19.234,6 Mio. Euro Vorleistungen ein Einkommen der zweiten Umsatzstufe von 5.770,6 Mio. Euro ergibt (Harrer/Scherr 2002, S. 146f.).

Aus der Addition der Einkommen beider Umsatzstufen ergibt sich:

13.508,5 Mio. Euro + 5.770,6 Mio. Euro = 19.279,1 Mio. Euro

Im Verhältnis zum gesamten Volkseinkommen der Bundesrepublik Deutschland des Jahres 2000 von 1.506 Mrd. Euro macht der Beitrag des Übernachtungstourismus etwa 1,3% aus (Harrer/Scherr 2002, S. 148f.).

2.5. Berücksichtigung von Tagesausflügen und Reisekosten

Zwei weitere Aspekte des Tourismus, die von der amtlichen Statistik nur unzureichend erfaßt werden, sind die Bedeutung von Tagestouristen und die Berücksichtigung der anfallenden Fahrtkosten.

Während sich die Daten der Tagestouristen, ähnlich wie die der Übernachtungsgäste, erheben lassen und somit auch regional differenziert vorliegen, ist die Auswertung der Fahrtkosten problematischer.

Eine genaue regionale Zuordnung der Fahrtkosten ist nicht möglich. So ist z.B. nicht klar, an welchen Orten Benzin getankt wird bzw. ob der Umsatz direkt am Ort einer Betankung oder dem Sitz der Mineralölgesellschaft zugeschrieben wird. Ebenso haben Kraftstoffe in der Regel einen hohen Anteil an Bundessteuern (Harrer 1995, S. 188 und Harrer/Scherr 2002, S. 140).

Während sich die Fahrtkosten bei Bussen, Bahnen und Luftverkehr relativ gut erfassen lassen, sind die Kosten, die bei Selbstfahrern im PKW anfallen, nur approximierbar. Es werden in der Berechnung die durchschnittlichen Reisekilometer, die durchschnittliche Fahrzeugbesetzung und die steuerlich absetzbaren Kosten pro Kilometer angesetzt. Mit dieser Methode wurden durchschnittliche Fahrtkosten für 2000 von 98 Euro pro Person und ein daraus resultierender Umsatz von 13,23 Mrd. Euro für Transportkosten insgesamt errechnet (Harrer/Scherr 2002, S. 140f.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 06: Touristischer Beitrag zum deutschen Volkseinkommen 1993

Quelle: Harrer 1995, S. 191

Wie in Abbildung 06 zu sehen ist, betrug 1993 der gesamte touristische Beitrag zum Volkseinkommen 4,21%. Im Gegensatz zur DWIF-Studie von Harrer, Zeiner, Maschke und Scherr von 1995 sind in der Studie von 2002 keine vergleichenden Daten zu Tagesreisenden und Fahrtkosten enthalten, so daß nur die Werte der Ausgaben am Aufenthaltsort bei Übernachtungsgästen direkt verglichen werden können.

2.6. Zusammenfassung

Die genaue Erfassung und Quantifizierung des Einflusses des Tourismus auf die Entwicklung Deutschlands ist schwierig und nicht exakt durchführbar.

Sicher ist jedoch, daß der Fremdenverkehr einen Einfluß auf das jeweilige Volkseinkommen hat und als personalintensive Dienstleistungsbranche geeignet ist, die Arbeitslosigkeit in einer Region zu verringern.

Die regionale Verteilung der Tourismusaktivitäten ist sehr unterschiedlich, außerdem durch hohe saisonale Volatilität gekennzeichnet und aufgrund der teilweise sehr hohen Werte für Privatvermietungen nicht immer mit der Schaffung von Vollzeitarbeitsplätzen verbunden.

Diese Merkmale lassen kein generelles Urteil über die Vorteilhaftigkeit einer Entwicklungsstrategie, die auf die Förderung der Tourismusaktivitäten abzielt, zu. Vielmehr muß für jede Region einzeln geprüft werden, ob und welche Maßnahmen der Tourismusförderung für die Regionalentwicklung geeignet sind.

3. Endogene Regionalentwicklung

Ein theoretisches Gerüst, mit dessen Hilfe die Vorteilhaftigkeit einer auf Tourismusförderung basierenden Entwicklung geprüft werden kann, ist das Konzept der endogenen Regionalentwicklung, welches im folgenden Abschnitt vorgestellt und analysiert werden soll.

3.1. Kritik an traditionellen Entwicklungskonzepten

In den 70er und Anfang der 80er Jahre wurden die bisherigen regionalen Entwicklungsstrategien, die „von oben“ initiiert waren, kritisch hinterfragt.

Die bis dahin gebräuchlichen Ansätze, sowohl der neoklassischen, als auch der keynesianischen sowie der wachstumspolorientieren Theorie, sahen alle primär die exogenen Faktoren als wichtig für die Entwicklung einer Region an.

Um die vorhandenen Disparitäten zwischen den einzelnen Regionen abzubauen, sollten von außen Betriebe, Kapital, Know-how und Infrastruktur in die Region getragen werden. Die Bereitstellung von Anreizen zur Wanderung der mobilen Faktoren Arbeit und Kapital in die Region erfolgte dabei durch die übergeordneten Organisationseinheiten, wie z.B. die Nationalstaaten oder die Europäische Gemeinschaft (Maier/Tödtling 1996, S. 185 und Sternberg 2003, S. 4f.).

Die Kritik an dieser Art von Steuerung von außerhalb der Region (auch „top down“ Ansätze oder Entwicklung „von oben“ genannt) äußert sich in mehreren Punkten.

Die zunehmende Kontrolle, der übergeordneten Ebenen, bei der Vergabe von Fördermitteln, führte zu einer weitgehenden Zentralisierung der Entscheidungen und damit verbunden, auch zu einer Entfremdung zwischen den Entscheidern am Standort der Regierung und den Betroffenen in den Empfängerregionen. Wegen ihrer Nähe zu den zentralen Entscheidungszirkeln profitierten besonders Großunternehmen von dieser Entwicklung und konnten viele Staatsaufträge für sich gewinnen. Als Folge sanken die Multiplikatorwirkungen in den Peripherieregionen (Stöhr/Tödtling 1982, S. 50) und die Verflechtungen innerhalb der Region gingen zurück (Maier/Tödtling 1996, S. 184).

Die Ansiedlung von Zweigbetrieben multiregionaler Unternehmen führt zwar kurzfristig zu einem Anstieg von Beschäftigung und Einkommen in der Region, gilt aber langfristig als mit Problemen behaftet.

Wenn die neu angesiedelten Betriebe hauptsächlich als „verlängerte Werkbänke“ dazu dienen, mit standardisierten Fertigungstechniken etablierte Produkte herzustellen oder Nachfragespitzen auszugleichen, sind die Stabilität und der langfristige Bestand der geschaffenen Arbeitsplätze fraglich.

Durch die externe Kontrolle von angesiedelten Zweigbetrieben werden Strategie- und Planungsentscheidungen außerhalb, ohne Beteiligung der betroffenen Region festgelegt, so daß intern keine Möglichkeit besteht, eigenständig auf Umweltveränderungen zu reagieren. Bei einer Krise des Mutterunternehmens oder dem Rückgang der Konjunktur, werden in der Regel zuerst die Aktivitäten in den Randregionen zurückgefahren, bevor die Stammwerke Einschnitte hinnehmen müssen.

Aufgrund der Fremdsteuerung und standardisierter Produktion sind nur wenig hochqualifizierte Management- und Ingenieurfähigkeiten am Standort nötig. Der Großteil der Belegschaft braucht nur - relativ zur Zentralregion gesehen - geringe Qualifikationen. Als Folge bleibt das Niveau der Löhne auch weiterhin gegenüber der Zentralregion zurück. (Maier/Tödtling 1995, S. 79 und 1996, S. 184 sowie Schultz 1995, S. 10).

3.2. Das Konzept der endogenen Entwicklungspotentiale

Als Folge der im vorherigen Abschnitt genannten Probleme der Konzentration auf regionsexogene Faktoren, wurden Konzepte entwickelt, die die Aktivierung innerregionaler Potentiale zur sozioökonomischen Entwicklung benachteiligter Regionen anstreben. Die Überwindung von Disparitäten hängt somit primär an den in einer Region vorhandenen bzw. aktivierbaren Ressourcen (Schätzl 2003, S. 155).

Um eine ganzheitliche Betrachtung zu gewährleisten, sollen alle Planungselemente in ein Gesamtkonzept eingegliedert werden, wobei nicht allwissende Planung und Steuerung, sondern eine verbesserte Abstimmung zwischen den verschiedenen Sektoren angestrebt wird. Der Zeithorizont ist hierbei auf langfristig tragfähige Konzepte ausgelegt (Hahne/Stackelberg 1994, S. 79).

Eine geschlossene Theorie der endogenen Regionalentwicklung gibt es bislang nicht. Vielmehr existieren dazu eine Anzahl von partiellen Lösungsansätzen, wobei die Arbeiten von Hahne (1984 und 1985) eine besondere Berücksichtigung finden. (Wolf 1994, S. 24, Schultz 1995, S. 13-14 und Schätzl 2003, S. 155).

Zusammenfassend ist endogene Regionalentwicklung also „...das eigenständige Erarbeiten von Zielen, Strategien und Maßnahmen bei Beachtung der bestehenden Strukturen und Potentiale in der Region selbst.“ (Hahne/Stackelberg 1994, S. 79)

3.2.1. Definition des Begriffs „regionales Entwicklungspotential“

„Eine Region ist ein sozialökonomisches Interaktions- und Kooperationsfeld.“ (Hahne/Stackelberg 1994, S. 85)

Die traditionellen Entwicklungstheorien, mit ihrer Fixierung auf exogene und ökonomische Faktoren, haben nicht die gewünschten langfristigen Erfolge erbracht. Eine Ausweitung der Betrachtung auf die endogenen Potentiale einer Region sowie deren Einbettung in das soziale und ökologische Umfeld, sollen für bessere Entwicklungschancen sorgen.

Die operative Bestimmung des regionalen Entwicklungspotentials kann sowohl über das potentiell erreichbare Outputniveau, als auch anhand der in der Region zu aktivierenden Inputfaktoren erfolgen (Schätzl 2003, S. 156).

Giersch (1963, S. 393) definiert das regionale Entwicklungspotential, in Anlehnung an die Investitionstheorie, als: "...jene maximale zusätzliche Nettoausbringung, die dieses Unternehmen mit Hilfe von kapazitätserweiternden Investitionen erzeugen könnte, ohne daß die Grenzproduktivität des eingesetzten Kapitals dadurch unter das herrschende Zinsniveau sinkt.“

Ebenso outputorientiert, aber in Abgrenzung zu Giersch, gehen Biehl und Mitarbeiter (1975, S. 22) vor: „Das regionale Entwicklungspotential kann nun definiert werden als dasjenige potentielle Pro-Kopf-Produkt (Regionalprodukt), das in einer einzugs- und wirkungsbereichsadäquat abgegrenzten Region mit Hilfe der bei dem gewählten Zeithorizont relativ immobilen, unteilbaren und polyvalenten Ressourcen (Potentialfaktoren) und bei optimaler Auslastung durch mobilere, teilbarere und spezialisiertere Ressourcen [...] erreicht werden kann.“

Definitionen, die das regionale Entwicklungspotential von der Inputseite aus betrachten, versuchen die jeweiligen Potentialfaktoren qualitativ und quantitativ zu erfassen und in Teilpotentiale aufzuspalten (Schätzl 2003, S. 156).

„Der Begriff „Entwicklungspotential“ ist ein zusammenfassender Ausdruck für die in einer Region zu einem Zeitpunkt vorhandenen Faktoren, die in dieser Region Aktivitäten zur Erzeugung von Wohlfahrt (im Sinne von Zufriedenheit der oder Nutzen für die Bevölkerung) ermöglichen. Diese Faktoren stiften teils selbst Nutzen [...], teils müssen sie zuvor in wirtschaftliche Güter und Dienstleistungen umgewandelt werden. Diese verschiedenen Bestandteile des Potentials heißen „Potentialfaktoren““. (Thoss 1984, S. 21)

Weiter gefaßt als Thoss definiert Hahne (1985, S. 63): „Unter dem Begriff „Potential“ sollen hier zusätzliche und alternative Ausbringungsmöglichkeiten verstanden werden, die sich auf einzelwirtschaftlicher Ebene ergeben können.“

Hahnes Definition bleibt nicht nur auf ökonomische Faktoren beschränkt, sondern schließt auch soziale und ökologische Aktivitäten mit ein (Hahne 1984, S. 4).

Um den Begriff Entwicklungspotential direkt in einen regionalen Zusammenhang zu bringen, müssen noch weitere Zusatzbedingungen erfüllt werden:

- Räumliche Abgrenzung: Um zwischen endogenen und exogenen Größen und Einflüssen zu unterscheiden, muß die Region vom Rest der Umwelt klar abgegrenzt werden. Sowohl die Menge der Potentialfaktoren, als auch das Ausmaß der interregionalen Interdependenzbeziehungen werden durch die Wahl der Regionsgrenzen beeinflußt (Hahne 1984, S. 5).
- Zeitliche Abgrenzung: „Der regionale Entwicklungsstand läßt sich als historisches Stadium der Vollendung e i n e s potentiellen Entwicklungs-weges interpretieren.“ (Hahne 1984, S. 5)
- Möglichkeiten der Entwicklung ergeben sich sowohl aus der Aktivierung momentan nicht ausgelasteter Faktoren, als auch aus zukünftig nutzbaren Ressourcen. Mit steigendem Zeitrahmen vergrößern sich die Möglichkeiten, wie die einzelnen Potentiale aktiviert und miteinander zu unterschiedlichen Entwicklungsprozessen kombiniert werden können. Nachteilig wirken sich dabei die möglichen Veränderungen der Potentialmengen aus. Veränderungen in Politik, gesellschaftlichen Normen oder technischer Fortschritt können eine Neubewertung einzelner Teilpotentiale erfordern, oder deren Bestände verändern (Hahne 1984, S. 5-6).
- Die Berücksichtigung und Antizipierung dieser Veränderungsprozesse in einem Entwicklungsmodell sind allerdings kompliziert. (Zu den Schwierigkeiten der Modellierung von technischem Fortschritt in Wachstumsmodellen siehe z.B. Unkelbach 1996)
- Selbststeuerung: Der Schwerpunkt der Entwicklung liegt auf den endogenen Kräften der Region. Da die Entwicklung aus der Region selbst vorangetrieben werden soll, kann nur der Teil des gesamten Potentials betrachtet werden, der auch wirklich dem Steuerungseinfluß der regionalen Entscheidungsträger unterliegt (Hahne 1984, S. 10-14).
- Die Fähigkeit zur Selbststeuerung hat hierbei zwei Dimensionen:
- Zum einen muß die Fähigkeit zur lokalen Kontrolle und Entscheidung vorhanden sein (Colletis 1994, S. 165 und 169). Dies soll dadurch erreicht werden, daß regionale Entscheidungs- und Management-Strukturen gestärkt werden und die zentralen Entscheidungsstellen Kompetenzen im Zuge von Dezentralisierung an die Regionen abgeben (Hartke 1984, S. 78-81, Cortolezis-Schlager/Kofler 1993, S.123 und Hahne/Stackelberg 1994, S. 79-80).
- Andererseits muß auch der Wille zur Selbststeuerung bei den Betroffenen in der Region vorhanden sein und gefördert werden. Die „aktive Einbeziehung“ und die Aufstellung von „Entwicklungsleitbildern“ (Scheer 1993, S. 127-128), „Hearings“ mit „Fachleuten“ (Hanser/Kaufmann/Vogler 1993, S 89) und die Erstellung von „Leitbildern“ sollen dafür sorgen, daß sich die betroffenen Bürger mit dem Entwicklungsprozeß identifizieren und sich engagieren (Zepf 1993, S. 194-199).

3.2.2. Arten von Entwicklungspotentialen

Um mit dem allgemeinen regionalen Potentialbegriff arbeiten zu können, wird das gesamte regional vorhandene Entwicklungspotential in Teilpotentiale oder einzelne Potentialfaktoren zerlegt und abgegrenzt. Diese Systematisierung soll später die Identifizierung geeigneter Aktivierungsstrategien erleichtern.

Hierbei stellt sich die Frage, wie eng oder wie weit ein Teilpotential abgegrenzt werden soll. Bei zu allgemeiner Betrachtung können wichtige Wechselwirkungen übersehen werden, während bei zu feiner Detailierung, die Komplexität für eine sinnvolle Problembearbeitung zu hoch wird.

Thoss (1984, S. 22) definiert die folgenden Teilpotentiale und faßt sie in drei Gruppen zusammen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die im Angebots- und Nachfragepotential gebündelten Teilpotentiale sind sogenannte „anthropogene Potentialfaktoren“, da ihre Bestände durch menschliche Arbeit oder Konsumverzicht der Bürger entstanden sind und nur dann Nutzen stiften, wenn sie zur Erstellung von Gütern und Einkommen wirtschaftlich aktiviert werden. Dagegen sind Umwelt-, Landschafts- und Flächenpotential „natürliche Potentialfaktoren“, die auch dann Nutzen stiften können, wenn sie nicht zur Produktion verwendet werden. Umweltschutz bzw. die komplette Nichtverwendung einzelner Teilpotentiale stellen somit ebenfalls eine mögliche Nutzungsart dar (Thoss 1984, S. 22).

Zusätzlich zu dieser, eng an ökonomischen Überlegungen gekoppelten Klassifizierung, schließt Hahne noch zwei zusätzliche Teilpotentiale in seine Betrachtung mit ein.

Hierbei handelt es sich um das soziokulturelle Potential sowie das Entscheidungspotential einer Region.

Da bei der Aktivierung endogener Potentiale die Entwicklung „von unten“, also die Mitwirkung der regionalen Bevölkerung eine wichtige Rolle spielt, ist es wichtig, die politischen, sozialen und kulturellen Besonderheiten zu berücksichtigen. Aufgrund der regional unterschiedlichen Ausprägungen der soziokulturellen Faktoren (Risikofreudigkeit, Tabus, Traditionen etc.) können gleichartige Entwicklungsprojekte in einer Region limitierend und in anderen Regionen besonders fördernd wirken.

Innovationen und Unternehmen, die für Entwicklungsschübe verantwortlich sind, profitieren nicht nur von der internen Firmenkultur, sondern können auch das Produkt ihrer Umwelt sein. Das regionale Milieu kann für Verflechtungs-, Netzwerk- und Synergieeffekte sorgen und ist somit bei den Entwicklungschancen einer Region zu berücksichtigen (Hahne/Stackelberg 1994, S. 83-84).

Auf der anderen Seite ist die Entwicklung aus der Region heraus nur dann möglich, wenn die Region selbständig Problemlösungen erarbeiten und innerregionale Konflikte durch Kompromisse lösen kann. Diese theoretischen Fähigkeiten müssen durch die praktische Durchsetzungskompetenz der regionalen Entscheidungsträger ergänzt werden (Hahne 1985, S. 59-60).

In der Literatur finden sich noch zahlreiche weitere Vorschläge, wie eine Abgrenzung der Potentialfaktoren vorgenommen werden kann. Diese Potentialkataloge anderer Autoren sind nach der Auffassung von Thoss und Hahne jedoch zumeist unvollständig und werden von ihnen in die obige Auswahl eingegliedert (Thoss 1984, S. 22 und Hahne 1985, S. 56-61).

In neueren Betrachtungen spielen auch die innovativen Fähigkeiten einer Region eine wichtige Rolle. Besonders für die Volkswirtschaften der Industrieländer sind Innovationen ein wichtiger Motor der Entwicklung.

Unter Innovationspotentialen werden häufig Entwicklungen im High-Tech-Bereich sowie die Intensität von Forschung, Entwicklung und den Aktivitäten der Universitäten verstanden, deren Einfluß auf die regionale Entwicklung als besonders wichtig erachtet wird (z.B. Wolf 1994, Colletis 1994 oder Friedrich-Ebert-Stiftung 1998).

Unter Innovationen werden aber auch ausdrücklich Produkte und Prozesse aus weniger technologielastigen Bereichen berücksichtigt. Als Beispiele sind hier die Direktvermarktung regionaler, landwirtschaftlicher Güter oder touristisch wertvoller Landschaften und Traditionen genannt (Hahne/Stackelberg 1994, S. 81).

Sternberg erwägt, das „Innovationspotential“ als Teilpotential in den Katalog mit aufzunehmen. Für allgemeine Darstellungen kann hierauf jedoch verzichtet werden, da sich die Fähigkeit zur Innovation auch im Arbeitskräftepotential, dem soziokulturellen Potential sowie der Infrastruktur ausdrücken läßt (Sternberg 2003, S. 5-6).

3.2.3. Strategien zur Aktivierung regionaler Entwicklungspotentiale

Nachdem die einzelnen regionalen Entwicklungspotentiale identifiziert worden sind, stellt sich die Frage, wie diese aktiviert werden können.

Hahne sieht hierbei drei theoretische Hintergründe, die geeignet erscheinen, als Strategie zur Nutzung vorhandener regionaler Potentiale zu dienen. In den folgenden Abschnitten werden Begabungsförderung, in Verbindung mit dem Theorem der komparativen Kostenvorteile, das produktionstheoretische Modell der Engpaßbeseitigung sowie die Initiierung innerregionaler Multiplikatorwirkungen durch bessere Verknüpfung der regionalen Aktivitäten beschrieben und auf ihre Anwendbarkeit bei der regionalen Entwicklung überprüft (Hahne 1984, S.26).

3.2.3.1. Begabungsförderung

Das Kriterium der Begabungsförderung geht auf die Theorie der komparativen Kosten zurück. Die Region soll die Produktion und den Einsatz ihrer Potentialfaktoren auf diejenigen Produkte lenken, die sie zu geringeren Kosten als andere Regionen herstellen kann. Die Überschüsse werden exportiert und alle anderen Güter importiert. (Zur Theorie der komparativen Kosten siehe z.B. Maennig/Wilfling 1998 oder Rose/Sauernheimer 1999).

Ein Ausgangspunkt dieser Theorie ist die Annahme, daß die Regionen unterschiedlich mit Produktionsfaktoren, Ressourcen und „Begabungen“ ausgestattet sind. Endogene Strategien sollen auf diese Vorteile fokussiert werden (Sternberg 2003, S.15).

Kritisch wird an diesem Modell betrachtet, daß die Spezialisierung auf nur wenige Produkte zu einer „...Verfestigung der Raumstruktur führt und so mögliche Alternativentwicklungen verschüttet“ (Hahne 1984, S. 34). Die Export-orientierung dieser Strategie bedeutet ebenfalls, daß die Region mit steigender Spezialisierung, im Extremfall bis hin zu einer reinen Monokultur, ihre Abhängigkeit von exogenen Nachfragedeterminanten erhöht. Das eigentliche Ziel der Stabilisierung einer Region gegenüber exogenen Einflüssen kann so nicht erreicht werden. Die Vorteile von Skalenerträgen bei Massenproduktion müssen gegen die Nachteile der mangelnden Diversifizierung abgewogen werden.

Weitere Kritik ergibt sich aus der komparativ-statischen Natur des Theorems der komparativen Kostenvorteile. Aufgrund der fehlenden Modellierung von Wachstumsprozessen, sind Aussagen über die zukünftige Vorteilhaftigkeit von Spezialisierungsstrategien nicht möglich. Um langfristig eine ideale Spezialisierung zu finden, müssen wichtige Determinanten wie z.B. Innovationen oder Nachfrageentwicklungen schon ex ante bekannt sein.

Die Auswahl von besonderen „Begabungen“ der Region sollte sich nicht, wie in der reinen Theorie der komparativen Kosten, an der Anfangsausstattung der Faktoren orientieren, sondern zukünftige Chancen auf den Exportmärkten identifizieren und durch rechtzeitigen Strukturwandel nutzen (Hahne 1984, S. 30-34).

[...]

Ende der Leseprobe aus 84 Seiten

Details

Titel
Endogene Regionalentwicklung - Dargestellt am Beispiel der touristischen Nutzung von Binnengewässern der Region Mecklenburg-Vorpommern / Nord-Brandenburg
Hochschule
Universität Hamburg  (Institut für Verkehrswissenschaft)
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
84
Katalognummer
V36094
ISBN (eBook)
9783638358231
ISBN (Buch)
9783638704915
Dateigröße
1615 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Endogene, Regionalentwicklung, Dargestellt, Beispiel, Nutzung, Binnengewässern, Region, Mecklenburg-Vorpommern, Nord-Brandenburg
Arbeit zitieren
Knut Heykena (Autor:in), 2004, Endogene Regionalentwicklung - Dargestellt am Beispiel der touristischen Nutzung von Binnengewässern der Region Mecklenburg-Vorpommern / Nord-Brandenburg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36094

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