Wolfgang Klafki - Von der geisteswissenschaftlichen zur kritisch-konstruktiven Didaktik


Hausarbeit, 2003

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Terminologische Vorbemerkungen
2.1 Klafkis Didaktikbegriff
2.1.1 Klafkis geisteswissenschaftlicher Didaktikbegriff
2.1.2 Klafkis kritisch-konstruktiver Didaktikbegriff
2.2 Klafkis Bildungsbegriff
2.2.1 Klafkis geisteswissenschaftlicher Bildungsbegriff
2.2.2 Klafkis kritisch-konstruktiver Bildungsbegriff

III. Die Struktur des didaktischen Feldes
3.1 Die Struktur des didaktischen Feldes in Klafkis älteren Studien zur Bildungstheorie und Didaktik
3.2 Die Struktur des didaktischen (Problem-)Feldes in Klafkis neuen Studien zur Bildungstheorie und Didaktik

IV. Schlußbetrachtung

V. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Wolfgang Klafki gilt als einer der großen Didaktiker des 20. Jahrhunderts. Seine Studien zur Bildungstheorie und Didaktik sind als wertvolle Beiträge zur Didaktik bzw. als große didaktische Modelle zu bewerten, weshalb sich folgende Arbeit mit der Fragestellung auseinandersetzt, welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten Klafkis Studien zur Bildungstheorie und Didaktik und seine neuen Studien zur Bildungstheorie und Didaktik besitzen.[1] Die Zentralkategorie beider Studien ist der Begriff der Bildung, der in einer unauflösbaren Beziehung zu jeder Didaktik steht, ja als deren Ziel betrachtet werden muß. Ziel dieser Arbeit ist daher, anhand einer vergleichenden Analyse der Frage nachzugehen, welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten die jeweiligen Didaktik- und Bildungsbegriffe bzw. die didaktischen Felder besitzen. Um solch eine vergleichende Untersuchung systematisch durchführen zu können, bedarf es unter Punkt zwei zunächst einiger terminologischer Vorerörterungen, die in einer vergleichenden Analyse bereits die bildungstheoretischen Grundlagen liefern, die für die Gegenüberstellung der didaktischen Felder in Kapitel drei unerläßlich sind.

Als Grundlage für die Erarbeitung der Fragestellung dienen zum einen Klafkis Studien zur Bildungstheorie und Didaktik, erschienen in 10. Auflage 1975 sowie seine neuen Studien zur Bildungstheorie und Didaktik, erschienen in 3. Auflage 1993. Die Verwendung weiterer Literatur ist für die Beantwortung der Fragestellung wenig hilfreich, da lediglich die Perspektiven der beiden Klafkischen Studien Gegenstand dieser Arbeit sind.

II. Terminologische Vorbemerkungen

2.1 Klafkis Didaktikbegriff

2.1.1 Klafkis geisteswissenschaftlicher Didaktikbegriff

Was versteht man unter Didaktik? Geht es nach Dolch, Hausmann und Hamelsbeck, dann ist unter Didaktik die „Wissenschaft vom Lehren und Lernen“[2] zu verstehen, während Sperber dagegen Didaktik als die „Theorie der bildenden Begegnung von Person und Sache bzw. von Sache und Person“[3] bezeichnet. Didaktik im Sinne der Bildungslehre wird durch Siewerth als „Wissenschaft vom Wesen bildender Lehre“[4] ausgelegt, während Schulz, Schwerdt, Fiege, u.a. Didaktik als „Theorie der Bildungsinhalte und des Lehrplans[5] “ definieren. All diese Sinngebungen des didaktischen Begriffs sind legitim und begrifflich korrekt. Betrachtet man das Wort Didaktik vom seinen griechischen Ursprung didaskein her, so läßt sich jene Vielzahl von Bedeutungsmöglichkeiten durch die Vielzahl von Übersetzungsmöglichkeiten erklären. Betrachtet man die Schnittmenge der skizzierten Definitionsmöglichkeiten, so läßt sich folgende terminologische Eingrenzung herausarbeiten: „Didaktik meint die Theorie der Bildungsaufgaben und Bildungsinhalte bzw. der Bildungskategorien.“[6] Klafki stellt mit dieser Definition die Forderung auf, inhaltlichen Fragen der Bildung und Erziehung in den Mittelpunkt zu stellen. Was bedeutete solch ein Didaktikverständnis für die Methodik des Unterrichts? Methoden beschreiben zunächst einen bestimmten Weg zu einem konkreten Ziel. Ob ein Weg bzw. eine Methode richtig oder falsch, angemessen oder unangemessen ist, kann nur daran gemessen werden, ob er zum Ziel führt oder nicht. Dies bedeutet wiederum, daß man erst einmal das Ziel kennen muß, um dann eine Entscheidung über den Weg treffen zu können. Für das didaktische Verständnis bedeutet dies, daß die Bewältigung und Aneignung von Bildungsaufgaben und -inhalten durch Kinder und Jugendliche als Ziel betrachtet und in angemessenen Methoden umgesetzt werden müssen, weshalb die Methodik als eine Dimension der Didaktik gelten muß.[7]

Nach dieser Begriffsklärung auf der Seite des „Wie“ – der Methodik - betrachten wir nun die Fragen des „Was“, – also des Bildungsinhalts – die die Auswahl der Methoden bedingen. Aus dieser Perspektive betrachtet hat die Didaktik ihren Mittelpunkt in der Auswahl und der Ordnung jener Aufgaben und Inhalte, die dem jungen Menschen das ihm individuell erreichbare Welt- und Selbstverständnis erschließen lassen. Didaktik konzentriert sich demnach auf jene „Gesamtverfassung des Menschen“,[8] die durch die Aneignung eines Welt- und Selbstverständnisses ermöglicht werden soll, die wir Bildung nennen. Dies bedeutet letztendlich, daß jede didaktische Erwägung einen Definitionsbeitrag zum Bildungsbegriff liefert, bzw. umgekehrt jede bildungstheoretische Aussage didaktische Erwägungen in sich birgt und somit Didaktik und Bildung in einer wechselseitigen Korrelation zueinander stehen. Diese unauflösbare Beziehung der Didaktik zur Bildungstheorie verlangt eine eindringliche Klärung der bildungstheoretischen Voraussetzungen didaktischer Entscheidungen, die nach der folgenden Analyse des kritisch-konstruktiven Didaktikverständnisses erfolgen wird.[9]

2.1.2 Klafkis kritisch-konstruktiver Didaktikbegriff

Klafki bezeichnet seinen neuen Didaktikbegriff als kritisch-konstruktiv. Was bedeutet dies im Vergleich mit seinem alten Didaktikverständnis? Kritisch meint hier zunächst, daß sich eine kritische Didaktik am Ziel der Befähigung aller Kinder und Jugendlichen, aber auch aller Erwachsenen zu einer wachsenden „Selbstbestimmungs-, Mitbestimmungs- und Solidaritätsfähigkeit“[10] orientiert, während konstruktiv als Forderung nach einem strikten Praxisbezug verstanden wird. Was bedeutet nun eine Fähigkeit zur Selbstbestimmung, Mitbestimmung und Solidarität vor dem Hintergrund jenes Didaktikverständnisses? Die Fähigkeit zur Selbstbestimmung bezieht sich auf die eigenen und persönlichen Beziehungen des Menschen, egal ob sie zwischenmenschlicher, religiöser oder beruflicher Art sind. Mitbestimmungsfähigkeit meint jeden Anspruch, jede Möglichkeit und auch jede Verantwortung, die der Einzelne für die Gestaltung der gesamtgesellschaftlichen und politischen Verhältnisse trägt. Unter Solidaritätsfähigkeit ist neben dem eigenen Anspruch auf Selbst- und Mitbestimmung eine Unterstützung derjenigen zu verstehen, deren Selbst- und Mitbestimmungsmöglichkeiten aufgrund der gesellschaftlichen Verhältnisse, aufgrund von Unterprivilegierung, politischer Einschränkung oder Unterdrückung eingeschränkt oder gänzlich versagt werden. Der faktische Bezug des Begriffs Didaktik wurde Mitte des 20. Jahrhunderts vorwiegend im Hinblick auf Schule, Hochschule und Unterricht, also auf Lehren und Lernen in schulähnlichen Institutionen gesehen, was Klafki zwar nicht ablehnt, jedoch einen übergreifenderen Begriff verwendet: Didaktik sieht er als übergreifende Bezeichnung für erziehungswissenschaftliche Forschung, Theorie- und Konzeptbildung in Bezug auf alle erdenklichen Lehr- und Lernformen. Jede didaktische Praxis bezieht sich dabei zum einen auf Entscheidungen – bzw. auf die ihnen zugrundeliegenden Begründungen und Prozesse – über allgemeine und besondere Ziele des Lehrens und Lernens, über die Auswahl der Inhalte und Themen, über die Methoden und Verfahren, über die Medien und über die Kontroll-, Beurteilungs- und Sanktionsmaßnahmen. Zum anderen bezieht sich jegliche didaktische Praxis auf die in den jeweiligen Lehr- und Lerninstitutionen (Schule, Hochschule, etc.) tatsächlich ablaufenden Prozesse hinsichtlich der vereinbarten Ziele, Themen, Methoden und Medien. Da Klafkis kritisch-konstruktive Didaktik ebenfalls auf einem bildungstheoretischem Fundament fußt und sich daher als bildungstheoretische Didaktik versteht, bedarf es nun einer eindringlichen Klärung der Klafkischen Bildungstheorie, an der sie sich orientiert.[11]

2.2 Klafkis Bildungsbegriff

2.2.1 Klafkis geisteswissenschaftlicher Bildungsbegriff

In Anlehnung an die Aufklärung legt Klafki seinem Bildungsbegriff einen Anspruch zugrunde, der jedem Menschen die prinzipielle Möglichkeit eröffnet, zur Selbstbestimmung zu gelangen, um somit nach Kant „den Ausgang […] aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“[12] zu erlangen. Bildung betrachtet in der Perspektive der Didaktik meint folglich nichts anderes als den Inbegriff einer „Gesamtverfassung des Menschen“[13], die durch die Aneignung eines Welt- und Selbstverständnisses ermöglicht werden soll. In Anlehnung an diese Definition versteht Litt unter Bildung eine Verfassung des Menschen, „die ihn in den Stand setzt, sowohl sich selbst als auch seine Beziehungen zur Welt in Ordnung zu bringen“[14], während Weniger Bildung als Zustand begreift, „in dem man Verantwortung übernehmen und zugleich dort, wo man sich nicht sachverständig weiß, Vertrauen schenken kann“[15] und Dietz Bildung als die Fähigkeit, „im Gespräch der Gesellschaft mündig mitzusprechen“[16], bestimmt. All jene Bildungsbegriffe beschreiben Erkenntnisse einer Bildungstheorie, die unabdingbare Voraussetzungen der Didaktik gelten müssen. Doch wie läßt sich solch eine Vielzahl von Definitionen auf einen Nenner bringen? Klafki hat hierfür folgende sieben Thesen aufgestellt:[17]

Erstens: Bildung kann keinesfalls „individualistisch oder subjektivistisch“[18] verstanden werden, da sie vom Ursprung her auf die Mitmenschen, die Gesellschaft und die politische Existenz des Menschen bezogen werden muß, ohne den Eigenwert und das Eigenrecht jedes Individuums außer Acht zu lassen.[19]

Zweitens bedeutet Bildung eine „innere Haltung und Geformtheit des Menschen.“[20] Allerdings muß auch diese These in Relation zur äußeren Welt gesetzt werden, d.h., daß Bildung weder aus der inhaltlichen Perspektive noch aus der Sicht des zu Bildenden betrachtet und andererseits auch nicht zwischen Allgemein- und Spezial- bzw. Berufsbildung unterschieden werden darf, da sie immer von vornherein auch auf einen Beruf bezogen ist. Diese Berufsbezogenheit ist in jedem Bildungsweg, beginnend mit der grundlegenden Bildung bis hin zur schrittweisen Spezialisierung, enthalten. Für die Schule bedeutet dies, daß ihr Selbstverständnis konsequent auf das außerschulische Leben ausgerichtet sein muß, weshalb sie als Ort der Sammlung und Konzentration des außerschulischen Lebens zu verstehen ist. Das in der Schule exemplarisch Gelernte soll schließlich vom gebildeten Menschen außerhalb der Schule angewandt werden.[21]

Drittens: Bildung muß als Haltung verstanden werden, die dem Menschen hilft, schwierige Situationen, die verschiedene Wirklichkeitsbezüge von uns fordern, zu bewältigen. Der Mensch muß dazu in die Lage versetzt werden, jegliche Emotionalität in der Auseinandersetzung mit der Natur auszuschalten. Dies bedeutet auf der einen Seite, daß der Mensch im Bereich der wirtschaftlichen und sozialen Institutionen Härte und Taktik walten lassen soll, während er andererseits in den persönlich-individuellen Beziehungen, wie z.B. in der Familie Rücksichtnahme, Taktgefühl und Verzicht im menschlichen Umgang bewahren soll.[22]

[...]


[1] Vgl. Gudjons 2001, S. 235.

[2] Dolch, Hausmann, Hamelsbeck zitiert nach Klafki 1975, S. 85.

[3] Sperber zitiert nach ebd.

[4] Siewerth zitiert nach ebd.

[5] Fiege, Schulz, Schwerdt zitiert nach ebd.

[6] Ebd., S. 84.

[7] Vgl. ebd., S. 83-86.

[8] Ebd., S. 89.

[9] Vgl. ebd.

[10] Klafki 1993, S. 90.

[11] Vgl. ebd., S. 91-94, S. 97-98.

[12] Kant zitiert nach Klafki 1975, S. 93.

[13] Ebd., S. 89.

[14] Litt zitiert nach ebd., S. 93.

[15] Weniger zitiert nach ebd.

[16] Dietz zitiert nach ebd.

[17] Vgl. ebd., S. 92-94.

[18] Ebd., S. 94.

[19] Vgl. ebd.

[20] Ebd., S. 95.

[21] Vgl. ebd., S. 96.

[22] Vgl. ebd.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Wolfgang Klafki - Von der geisteswissenschaftlichen zur kritisch-konstruktiven Didaktik
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Pädagogisches Institut)
Note
1,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
18
Katalognummer
V36015
ISBN (eBook)
9783638357685
Dateigröße
558 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wolfgang, Klafki, Didaktik
Arbeit zitieren
Marc Philipp (Autor:in), 2003, Wolfgang Klafki - Von der geisteswissenschaftlichen zur kritisch-konstruktiven Didaktik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36015

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