Brahms, Liszt und die ungarische Volksmusik - die Analyse zweier Stücke


Hausarbeit, 2003

19 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltverzeichnis

1. Einleitung

2. Stilmerkmale der Zigeunermusik

3. Analyse unter Aspekten der Zigeunermusik
3.1. Der ungarischer Tanz Nr.1 von Johannes Brahms
3.2. Die VI. ungarische Rhapsodie von Franz Liszt

4. Resümee

5. Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Zur Zeit Johannes Brahms’ (1833-97) und Franz Liszts (1811-86) fuhren Zigeunerkapellen, die ihren Ursprung in Ungarn hatten, auf Konzerttouren durch Europa und hatten eine große Zahl von Zuhörern.

Aus welchen Intentionen heraus und mit welchen Mitteln Brahms und Liszt diese Musik in ihr kompositorisches Schaffen aufnahmen, werde ich anhand der Analyse zweier Stücke versuchen herauszuarbeiten.

Beide Stücke greifen die typischen Stilmittel der Zigeunermusik auf, die im 2. Kapitel von mir erläutert werden.

Die Bearbeitung für Orchester des ersten ungarischen Tanzes von Johannes Brahms wird heute noch in vielen Konzertsälen aufgeführt und ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Beeinflussung durch die Zigeunermusik nichts von ihrer Ausstrahlung eingebüsst hat. Mit welchen Mitteln Brahms dies erreicht, werde ich im Kapitel 3.1. erläutern.

In der VI. ungarischen Rhapsodie verwendet Franz Liszt zwar ähnliche Techniken wie Brahms, verfolgt aber ein gänzlich anderes Ziel und eine abweichende Musikvorstellung. Dies werde ich im Kapitel 3.2. beschreiben.

Aspekte der Harmonik und satztechnische Besonderheiten werden in der Analyse eine untergeordnete Stellung erhalten, da sie meist nicht dem Untersuchungsgesichtspunkt des Einflusses der Zigeunermusik unterliegen. In den Notenauszügen unter Kapitel 6 finden sich in den Analysen beschriebene Sachverhalte graphisch fixiert.

Ergebnisse der Analysen und ein Vergleich der beiden Werke werde ich im 4. Kapitel resümieren.

2. Stilmerkmale der Zigeunermusik

Anfang des 19. Jahrhunderts zogen viele Zigeuner aus Ungarn in das benachbarte Österreich nach Wien. Dort erfreuten sich in den Kaffeehäusern die Zigeunerkapellen mit ihren fremd anmutenden Klängen einer großen Beliebtheit.

Leiter und Dirigent, der sogenannte Prima, der Kapelle ist der Geiger, der durchweg die Melodie spielt. Er spielt das Hauptthema und improvisiert anschließend darüber. Um anzuzeigen, wann das restliche Orchester spielen soll, betont er große Auftakte. Er verstärkt bestimmte Klänge, entscheidet über das Tempo und akzentuiert die typischen Rhythmen.[1] Die restlichen Instrumente haben eine den Prima unterstützende Funktion.

Zweites Instrument ist das Zymbal oder Cimbalo, eine Art Hackbrett, deren wichtigstes Charakteristikum die Tonrepetitionen über längeren Tönen ist, da die Saiten mit Holzschlägeln angeschlagen werden..

Außerdem gehören Klarinette, Cello und Bass zum Zigeunerorchesters. Die gesamte Kapelle spielt in Gruppenimprovisationen.

In der Schrift ‚Die Zigeuner und ihre Musik in Ungarn’ von 1883 von Franz Liszt, die als wichtigste Quelle für die Zigeunermusik angesehen werden kann, beschreibt er Stilmittel und Techniken der Zigeunermusiker, die er in seinen Rhapsodien auf das Klavier überträgt.

Modulationssystem: Hinter der Harmonik der Zigeunerkapellen stehe keine gesonderte Wissenschaft, die Improvisation sei im Mittelpunkt, so Liszt. Das Gefallen werde zur Hauptsache, so dass keine Prinzipien oder Disziplin erkennbar seien. Er betont besonders die mystische, aber trotzdem klare Gefühlswelt der Zigeuner, die nicht in strenge Regeln gefasst werden könne.

Plötzliche Übergänge von einer Tonart in eine weit entfernte und das auslassen von Übergangsakkorden erinneren an das Tonsystem der Hindus. ‚Normale’ Hörer würden ruckartig in verschiedene unbekannte Gefühlswelten entführt, beschreibt Liszt.

Motivik: Liszt charakterisiert die Themen der Zigeunerkapelle als erotisch und geheimnisvoll. Die Motive seien einfach und schlicht, unterlägen aber einem vielfältigen Rhythmus. Durch Ornamentierungen und Improvisationen erreichen diese Themen allerdings eine neue Ebene.

Skalen: Der Zigeunermusik liegen hauptsächlich zwei Skalen zugrunde, das sogenannte Zigeunerdur und das Zigeunermoll, mit dem charakteristischem Intervall, der übermäßigen Sekunde.[2]

Ornamentik: Liszt stellt fest, dass die stete Verzierung der Melodie ihren Ursprung in Asien haben müsse. Der Prima verwende diese Ornamentik, die eine völlig freie Anlage habe, meist bei der Improvisation.

Rhythmik: Wie bei den anderen Merkmalen beschreibt Liszt die Rhythmik als regelfrei. Der Zigeuner sei der Meister der Synkope, so dass die Musik zur farbigsten überhaupt werde. Mehrere Rhythmen werden übereinander-geschichtet und variiert.

Improvisation: Der Prima umschweife das Thema fantasievoll, so Liszt, aber er verliere nie die Gestalt einer musikalischen Ideen, auch wenn diese extrem ausgedehnt werde. Er nennt mehrere besondere Stilmittel, die während der Gruppenimprovisation angewendet werden. Rasante Läufe, Appogiaturen, Tremoli, Arpeggios, diatonische und chromatische Passagen und unvermutete Orgelpunkte formen die irreleitende Gestalt.

Liszt unterlief bei seinen Studien über die Musik Ungarns der Fehler, dass er Irrtümlicherweise ungarische Musik mit Zigeunermusik gleichsetzte. Trotzdem stimmen seine Ausführungen mit anderen Quellen überein und bieten eine ausführliche, authentische Erläuterung über das Leben und die Musik der Zigeuner.

3. Analyse unter Aspekten der Zigeunermusik

3.1. Der ungarischer Tanz Nr.1 von Johannes Brahms

Johannes Brahms, geboren 1833 in Hamburg, kam als Wunderkind am Klavier zu Robert und Clara Schumann, von denen er viele musikalische Vorstellung übernahm. Er starb 1897 in Wien.

Die 21 ungarischen Tänze, ohne Opuszahl, sind zwischen 1868 und 1880 zunächst für Klavier zu vier Händen geschrieben worden und erschienen 1880 auch in einer Fassung für zwei Hände.

Ich werde mich im Folgendem auf die Version für Klavier zu vier Händen beziehen. Brahms arrangierte die Tänze Nr. 1 in g-moll, Nr.3 in F-Dur und Nr. 10 in F-Dur selbst für Orchester und veröffentlichte sie 1874. Die anderen wurden später von verschiedenen Brahmsschülern hinzugefügt. Zunächst waren sie allerdings als Hausmusikstücke und Gesellschaftsmusiken konzipiert worden, erlangten aber durch die Bearbeitungen einen größeren Bekanntheitsgrad und waren mitverantwortlich für Brahms’ Durchbruch im Wien des 19. Jahrhunderts.

Die Tänze haben einen lyrischen, poetischen Charakter und können als Charakterstücke bezeichnet werden.[3] Sie unterliegen weniger der logischen Ausarbeitung eines formalen Konzepts als vielmehr der Repräsentation einer Stimmung. Brahms übernimmt zwar einige Stilmerkmale der Zigeunermusik, allerdings nicht um diese nachzuahmen, sondern um mit ihrer Hilfe einen Eindruck von ‚Exotik’ zu erzeugen.

[...]


[1] Liszt, Franz: Die Zigeuner und ihre Musik in Ungarn. – Nachdruck der Ausgabe. Leipzig, 1883. Hildesheim: Olms, 1978.

[2] Brockhaus: Enzyklopädie in 24 Bänden, neue überarbeitete Ausgabe. Mannheim: F.A. Brockhaus, 1994.

[3] Finscher, Ludwig (Hrsg.): Musik in Geschichte und Gegenwart. Kassel: Bärenreiter, 1994.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Brahms, Liszt und die ungarische Volksmusik - die Analyse zweier Stücke
Hochschule
Universität Osnabrück
Veranstaltung
Musik und Exotik
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2003
Seiten
19
Katalognummer
V35891
ISBN (eBook)
9783638356763
ISBN (Buch)
9783638790048
Dateigröße
551 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Analyse des ungarischen Tanzes Nr.1 von Johannes Brahms und der VI. ungarischen Rhapsodie von Franz Liszt nach Aspekten der unagrischen Zigeunermusik
Schlagworte
Brahms, Liszt, Volksmusik, Analyse, Stücke, Musik, Exotik
Arbeit zitieren
Rüdiger Bültmann (Autor:in), 2003, Brahms, Liszt und die ungarische Volksmusik - die Analyse zweier Stücke, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/35891

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