Der Einfluss von transnationalen nichtstaatlichen Akteuren auf die Menschenrechtspolitik der indonesischen Regierung (aus konstruktivistischer Sicht)


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

21 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretische Grundlage: Der Konstruktivismus
2.1 Das Verhältnis vom Individuum zur Gesellschaft
2.2 Staat und Staatensystem
2.3 Nichtstaatliche Akteure

3. Empirische Analyse: Ein Spiralmodell des Menschenrechtswandels
3.1 Erste Phase: Repression
3.2 Zweite Phase: Leugnen
3.3 Dritte Phase: Taktische Konzessionen
3.4 Vierte Phase: Präskriptiver Status
3.5 Fünfte Phase: Normengeleitetes Verhalten

4. Zusammenfassung

5. Literaturangaben

1. Einleitung

Seit der Entlassung Osttimors in die Unabhängigkeit ist Indonesien in Sachen Menschenrechtspolitik aus dem Blickpunkt der Öffentlichkeit verschwunden. Dabei ist leider nicht davon auszugehen, dass die indonesische Demokratie sich vollständig stabilisiert hat und dass die Menschenrechts-verletzungen ein Ende gefunden haben. Trotz allem hat die Inselgruppe in den letzten 15 Jahren enorme Fortschritte von einem totalitären Staat zu einer mehr oder minder stabilen Demokratie gemacht (vgl. ai 2004: 1). In der vorliegenden Arbeit werde ich diesen Prozess des Menschenrechtswandels in Indonesien näher beleuchten und dabei mit Hilfe eines konstruktivistischen Ansatzes vor allem die Frage behandeln, welche Rolle internationale nichtstaatliche Organisationen innerhalb dieses Prozesses gespielt haben.

Die vorliegende Arbeit ist in drei Teile untergliedert. Im ersten Teil stelle ich die Theorie vor, mit der ich in der Folge arbeite: Den Konstruktivismus. In Folge des begrenzten Rahmens dieser Arbeit konzentriere ich mich hier auf die Hauptthesen, liefere also nur einen mehr oder weniger groben Überblick. Als Ausgangspunkt aller weiteren Überlegungen gehe ich dabei zuerst auf das konstruktivistische Verständnis vom Individuum und dessen Verhältnis zur Gesellschaft ein. Danach behandele ich kurz das konstruktivistische Bild vom Staat und der Beziehung der Staaten untereinander, um mich dann mit einem der wichtigsten Aspekte für das Verständnis dieser Arbeit, der Rolle von nichtstaatlichen Akteuren im internationalen System, zu befassen.

Im zweiten Teil konzentriere ich mich dann auf die empirische Analyse der Fragestellung. Hierbei lehne ich mich an das Spiralmodell des Menschenrechtswandels von Risse et al an und vergleiche es mit den tatsächlichen Vorgängen in Indonesien. Die Unterteilung in fünf Kapitel entspricht der Einteilung des Spiralmodells in verschiedene Phasen. Am Ende jedes Kapitels ziehe ich ein kurzes Resümee bezüglich der Anwendbarkeit des Modells in der untersuchten Phase.

Im letzten Teil meiner Arbeit fasse ich die Hauptargumente der beiden vorangehenden Kapitel zusammen und beurteile kurz die Anwendbarkeit der konstruktivistischen Theorie auf die hier behandelte Fragestellung.

2. Theoretische Grundlage: Der Konstruktivismus

Der Konstruktivismus ist keine Theorie, die sich aus dem Bereich der Internationalen Beziehungen entwickelt hat. Vielmehr ist er eine Metatheorie, die Aussagen allgemeinerer Natur trifft. Diese Aussagen können jedoch explizit auf die Politikwissenschaft angewandt werden und eignen sich folglich auch als Erklärungsmuster für Problemstellungen im Bereich der Internationalen Beziehungen. Von einer konstruktivistischen Theorie als solcher zu sprechen ist jedoch nicht ganz unproblematisch, da sich seit den 90er Jahren zahlreiche unterschiedliche Strömungen innerhalb dieses Theoriekonstrukts heraus gebildet haben (vgl. Fearon/Wendt 2001: 56). Ich werde mich folglich in der hier vorgenommenen Darstellung auf die zentralen Thesen des Konstruktivismus beschränken, wie sie sich auch in allen seinen Unterströmungen wieder finden.

2.1 Das Verhältnis vom Individuum zur Gesellschaft

Das Hauptinteresse des Konstruktivismus liegt in der Frage, wie Handlungen im sozialen Leben zustande kommen und wie Identitäten von gesellschaftlichen Akteuren entstehen (vgl. Fearon/Wendt 2001: 57). Ganz allgemein geht der Konstruktivismus davon aus, dass die Welt nicht nur aus materiellen Realitäten, sondern vor allem aus sozialen Konstruktionen besteht. Verschiedene Menschen nehmen die sie umgebende Welt unterschiedlich wahr, auch wenn sie sich ihnen scheinbar gleich präsentiert.

Eine zentrale Annahme des Konstruktivismus ist es weiterhin, dass Akteure fest in ihrer Umgebung und deren sozialen Strukturen verankert sind. All ihre Entscheidungen und Handlungen sind von ihrer Sozialisation in diese Umgebung und von ihrer momentanen Rolle in ihr abhängig. Durch ihre Handlungen bestätigen die Akteure die Normen und Regeln ihrer Umgebung permanent neu und gestalten sie zum Teil um. Individuelles Handeln findet folglich immer in einem vorgegebenen sozialen Rahmen statt, von dem es ständig beeinflusst wird. Es existieren keine „vorsozialen Nutzenfunktionen“ (Risse et al 2002: 17), wie sie z. B. die Rational Choice-Theorie postuliert. Vielmehr richten sich die Handlungen der Akteure nach ihren jeweiligen Präferenzen, die sie auf der Grundlage der gesellschaftlichen Normen gebildet haben (vgl. Fearon/Wendt 2001: 59). Den Begriff der sozialen Normen definiert Jepperson hierbei als „kollektive Erwartungen über angemessenes Verhalten auf der Grundlage einer gegebenen Identität“, die Erwartung der Gesellschaft also an eine Person, in einer bestimmten Situation gemäß vorgegebener Muster zu handeln (nach Risse et al 2002: 17). Soziale Normen bedingen so nicht nur das Handeln, sondern zwangsläufig auch die Identität der Akteure, die sich selbst entlang dieser Normen bewerten. Risse et al halten diesbezüglich fest, dass „kollektive Normen und Bedeutungsgehalte soziale Identitäten von Akteuren konstituieren und zugleich die Spielregeln definieren, die ihnen die sozialen Interaktionen ermöglichen“ (Risse et al 2002: 18). Der Konstruktivismus bestreitet also nicht, dass sich Akteure gemäß ihrer Interessenslage und ihrer Präferenzen entscheiden. Er geht nur davon aus, dass eben diese Interessen und Präferenzen gesellschaftlich bedingt und somit weder rational gewählt noch von vorneherein festgelegt sind. Die Identität von Akteuren ist also sozial konstituiert, die bestimmende Größe in der Identitätsbildung ist nicht das Individuum, sondern die Gesellschaft (vgl. Fearon/Wendt 2001: 57 f).

Der Konstruktivismus unterscheidet prinzipiell zwischen Werten materieller und Werten ideeller Natur (vgl. Wendt 1999: 309, Fearon/Wendt 2001: 58). Der Einfluss materieller Werte auf die Entscheidungsfindung von Akteuren wird als vergleichsweise minimal angesehen. Dies soll nicht heißen, dass materielle Dinge überhaupt keine Rolle spielen. In welcher Ausprägung und mit welchen Implikationen sie dies tun, hängt jedoch von der ideellen Ausrichtung und den Normen der Akteure ab: „Material factors matter at the limit, but how they matter depends on ideas“ (Fearon/Wendt 2001: 58).

2.2. Staat und Staatensystem

Das Zusammenleben innerhalb einer Gesellschaft basiert nach konstruktivistischer Vorstellung nicht primär auf Unterdrückungs- und Herrschaftsmechanismen, sondern auf der Übereinstimmung von Normen und Idealen. Dass diese Normen möglicherweise unterdrückerische Herrschaftsstrukturen begünstigen und zum Teil auch befürworten (wie dies zum Beispiel in Indonesien der Fall ist[1] ), widerlegt diese These nicht (vgl. Fearon/Wendt 2001: 57). Wendt sagt hierzu: „Power and interest explanations presuppose ideas, and to that extent are not rivals to ideational explanations at all“ (Wendt 1999: 135).

Durch die Übereinstimmung grundlegender Normen gewinnt jeder Staat eine Identität (vgl. Wendt 1999: 244). Diese setzt sich aus materiellen Faktoren (wie zum Beispiel Militärmacht) und kulturellen Faktoren (wie zum Beispiel Wertesystem) zusammen. Dabei ist von einer Dominanz der kulturellen Faktoren auszugehen, weil die Bedeutung von materiellen Dingen immer nur mit Hilfe der kulturellen Faktoren definiert werden kann. Die Bedeutung von materiellen Faktoren hängt also immer davon ab, nach welchen kulturellen Kriterien sie bewertet werden (vgl. Wendt 1998: 385 f und Wendt 1999: 309).

Zwischen einem Staat und den Akteuren in ihm herrscht eine wechselseitige Beziehung. Einerseits ist die Struktur des Staates abhängig von den Eigenschaften und Interessen der einzelnen Akteure. Andererseits hat der Staat als Abstraktum eine bestimmte Identität, es herrschen bestimmte Normen vor, von denen die Akteure geprägt werden.

Die Beziehung zwischen einem Staat und dem Staatensystem ähnelt der von einem Individuum zur Gesellschaft. Als Mitglied einer Staatenwelt (ob als anerkannter Partner oder als geschasster Außenseiter) ist der Einzelstaat nur als Teil des ganzen Systems zu verstehen, das von diesem in seiner Entstehung und Entwicklung geprägt und beeinflusst ist. Dies ist auch im negativen Sinne, also zum Beispiel als Abgrenzung von der Staatengemeinschaft, denkbar. Wendt meint hierzu, dass „die Herausbildung von staatlichen Eigenschaften stets die Struktur des Staatensystems voraussetzt, bzw. durch sie konstituiert ist“ (Wendt 1998: 386). Neben der Eigenidentität, die die Akteure innerhalb des Staates diesem zuschreiben, spricht Wendt in Anlehnung an Talcot Parsson von einer sozialen Identität, dem sogenannten „Mich“. Dieser Begriff umfasst die verschiedenen Rollen, die ein Staat annimmt, wenn er mit unterschiedlichen Partner in Kontakt steht, das Agieren also gemäß den Rollen, die ihm von den anderen Akteuren im Staatensystem zugeschrieben werden (vgl. Wendt 1998: 387).

2.3 Nichtstaatliche Akteure

Innerhalb des internationalen Systems sind aber nicht nur staatliche Akteure von Bedeutung. Der Konstruktivismus legt großen Wert auf die prägende Rolle der nichtstaatlichen Organisationen (NGOs und INGOs), denen gerade im Bereich der Internationalen Beziehungen eine immer höhere Bedeutung zukommt (vgl. Risse et al 2002: 28 f).

Zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren kommt es oft zu Koalitionsbildungen. Die entstehenden Netzwerke werden als soziale Netzwerke bezeichnet. Besonders hervorzuheben sind dabei die sogenannten advocacy coalitions, d.h. Netzwerke, die gemeinsame Werte teilen, einen gemeinsamen Kurs verfolgen und Informationen und Dienstleistungen austauschen (vgl. Risse et al 2002: 27). Die Durchsetzungsfähigkeit der transnationalen Netzwerke hängt hierbei hauptsächlich ab von den innenpolitischen Strukturen und den Möglichkeiten der Staaten, diese für sich nutzbar zu machen beziehungsweise sie gegebenenfalls zu umgehen (vgl. Risse et al 2002: 28).

Während Staaten im Verhältnis miteinander eher mit Hilfe materieller Faktoren ihre Ziele zu erreichen versuchen (zum Beispiel mittels Sanktionen, wirtschaftlichen Investitionen und ähnlichem), agieren NGOs und INGOs mehr auf der kulturellen Ebene, d.h. sie versuchen, durch eine Mobilisierung und Aufklärung innerhalb der Gesellschaft zu einem Wertewandel beizutragen. So können internationale Organisationen bewirken, dass in bestimmten Feldern der internationalen Politik ähnliche Ideen über die Ursachen eines Problems und über mögliche Lösungsstrategien durchgesetzt werden, und so der kooperativen Bearbeitung des Problems eine Basis geben (vgl. Risse et al 2002: 56 ff).

[...]


[1] Die indonesische Gesellschaft ist hauptsächlich vom Buddhismus geprägt. Ein zentraler Aspekt im Buddhismus ist der Glaube, dass Unstimmigkeiten zwischen Menschen Unstimmigkeiten in der Natur hervorrufen. Wenn sich viele Menschen streiten, kann dies zum Beispiel zu Wirbelstürmen und ähnlichem führen. Aufgrund diesen Glaubens hat sich in Indonesien beispielsweise statt eines Föderalismus der Zentralismus entwickelt. Außerdem war es lange Zeit üblich, dass im Parlament nicht diskutiert, sondern nur über vorgefasste Beschlüsse abgestimmt wurde. Dieses Vorgehen war natürlich primär im Sinne der Regierung, seine Akzeptanz in der Bevölkerung jedoch lässt sich auf die buddhistischen Werte zurückführen (vgl. Münch- Heubner 2000: 33 ff).

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Der Einfluss von transnationalen nichtstaatlichen Akteuren auf die Menschenrechtspolitik der indonesischen Regierung (aus konstruktivistischer Sicht)
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Internationale Beziehungen
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
21
Katalognummer
V35847
ISBN (eBook)
9783638356480
Dateigröße
541 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Eine etwas theoretisch klingende Arbeit, die jedoch sehr leicht verständlich und mit vielen praktischen Beispielen versehen ist. Auch für "Indonesien- Nichtkenner", da alle wichtigen nationalen Ereignisse in diesem Zusammenhang noch einmal erklärt werden. Die Darstellung des Konstruktivismus ist nicht zu ausufernd und beschränkt sich auf die für dieses Thema relevanten Thesen. Das Spiralmodell der Menschenrechte lässt sich leicht auch auf andere Nationen übertragen. Viel Spaß beim Lesen!
Schlagworte
Einfluss, Akteuren, Menschenrechtspolitik, Regierung, Sicht), Internationale, Beziehungen
Arbeit zitieren
Marion Klotz (Autor:in), 2004, Der Einfluss von transnationalen nichtstaatlichen Akteuren auf die Menschenrechtspolitik der indonesischen Regierung (aus konstruktivistischer Sicht), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/35847

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