Das Leistungsspektrum des Sozialstaates in der Sucht- und Drogenhilfe

Drogenpolitik – Kellerkind der Sozialpolitik?


Hausarbeit, 2014

22 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung
1.1 Historische Entwicklung der Drogenhilfe- (Politik) im Überblick
1.2 Begriffsbestimmung „Sucht- und Drogenmittelabhängigkeit“
1.3 Aktuelle Struktur der Drogenhilfepolitik der Bundesregierung

2 Leistungsspektrum des Sozialstaates in der Sucht- und Drogenhilfe
2.1 Problembeschreibung in Daten und Zahlen
2.2 Versorgungssystem der Suchtkranken- und Drogenabhängigenhilfe in Deutschland

3. Leistungsträger der Suchthilfe
3.1 Sozialleistungsträger der Sucht- und Drogenhilfe
3.2 Kosten der Sucht- und Drogenhilfe

4. Zusammenfassung

5.. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1 Einleitung

„Die Suche der Menschheit nach Rauscherfahrungen hat eine ebenso lange Geschichte wie die Menschheit selbst. Somit gehört auch der Gebrauch von Rauschmitteln jeglicher Art (...) zur Entwicklung und zum Leben der Menschen“ (Reim1998, S. 6).

Setzt man sich mit den statistischen Daten und Zahlen über den Umfang des Sucht- und Drogenmittelkonsums und den gesundheitlichen, ökonomischen und gesellschaftlichen Folgen in Deutschland auseinander, so stellt man nach aktuellen Ergebnissen des Epidemiologischen Suchtsurveys 2013 (ESA) aus dem Jahr 2012 erschreckend fest, dass über ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland Erfahrungen mit Drogen hat. Der Sucht- und Drogenmittelkonsum hat sich zu einem gesamtgesellschaftlichen Problem entwickelt. Es ist schon lange kein Problem der Randgruppen mehr, wie es gerne politisch und publizistisch immer wieder dargestellt wird. Mehrere Millionen Kinder, Jugendliche und Erwachsene sowie Familien sind von Sucht- und Drogenabhängigkeiten und deren gesundheitlichen, ökonomischen, strafrechtlichen und sozialpolitischen Folgeerscheinungen wie Krankheiten (Hepatitis, HIV und Tod), Armut (Obdachlosigkeit, Arbeitslosigkeit), Kriminalität (Drogenmarkt, Beschaffungskriminalität, Schwarzmarkt) und nicht zuletzt volkswirtschaftlichen Folgekosten betroffen.

Die Reaktion des Staates auf diese Situation kann als Drogenpolitik definiert werden, deren Legitimation in der Absicht der Kontrolle des Konsums und des Handels von Sucht- und Drogenmitteln in der Gesellschaft zu sehen ist (vgl. Jungblut 2004, Drogenhilfe, S. 57).

In Deutschland wird die Drogenpolitik als Teil der Sozialpolitik durch das Sozialgesetzbuch (SGB) als „System der Sicherung gegen soziale Grundrisiken“ insbesondere als Aufgabe der Gesundheits- und Jugendhilfe definiert.

Auf der anderen Seite wird die Drogenpolitik als „generalpräventiver Ansatz“ im Strafrecht eingeordnet und durch das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) geregelt (vgl. Jungblut 2004, Drogenhilfe, S. 59).

Der sozialpolitische Beitrag des Staates war und ist nicht immer unstrittig. Während der Staat durch die Versteuerung des legalen und weitverbreiteten Suchtmitteln jährlich mehrere Mrd. Euro Steuern kassiert, Übersicht sie die volkswirtschaftliche Folgekosten.

Kritiker wie Prof. Dr. Stefan Sell, Direktor des Instituts für Bildungs- und Sozialpolitik der Hochschule Koblenz (IBUS), bezeichnen die Drogenpolitik in Deutschland als das „Kellerkind“ der Sozialpolitik und kritisiert nicht nur die repressionspolitische Grundhaltung, sondern bemängelt auch die sozialen Staatsausgaben (vgl. unter http://aktuelle-sozialpolitik.blogspot.de/2013_12_01_archive.html).

Das Hausarbeitsthema „Drogenpolitik, Kellerkind der Sozialpolitik? Das Leistungsspektrum des Sozialstaates in der Sucht- und Drogenhilfe“ setzt sich unter Berücksichtigung des Umfangs der Probleme des Sucht- und Drogenhilfesystems mit den Ausgaben durch die Öffentliche Hand (Versorgungs- und Versicherungsleistungen) sowie die Gebietskörperschaften (Bund, Länder und Kommunen) auseinander.

In dieser Arbeit sollen den aufgeworfenen Fragen nachgegangen und unter sozialpolitischem Blickwinkel die Leistungen des Sozialstaats im Bereich der Sucht- und Drogenhilfe analysiert werden.

Mit Hilfe von Informationen, Daten und statistischen Angaben werden die sozialpolitische Entwicklungsgeschichte der Drogenhilfe beschrieben. Die aktuellen staatlichen Sozialversicherungsleistungen (Leistungsspektrum: Abbildung 2, Hilfeangebote für Abhängigkeitskranke in Deutschland), werden -orientiert an dem ‚Haus der sozialen Sicherung‘ (Kantel 2008)- nach ökonomischer Umfang der Sucht- und Drogenhilfe in Deutschland, für Suchtkranke und Drogenabhängige übersichtlich dargestellt.

1.1 Historische Entwicklung der Drogenhilfe- (Politik) im Überblick

Der Begriff „Drogenpolitik“ kommt ursprünglich aus der Zeit der Regulierung des Opiumhandels und der Sanktionierung des Opiumkonsums Ende der 20 er Jahre, u.a. durch die USA, China, Großbritannien und den Völkerbund die sich zunächst nur auf illegale Drogenmittel bezog. (vgl. Jungblut 2004, S. 81 ff.).

Bis in die 60-er Jahre waren Sucht und Drogen kein gesellschaftspolitisches Thema in Deutschland (vgl. Schwendtke /Krapp1972, S. 57). Die Grundlage der gesetzlichen Regelungen umfasste das Opiumgesetz aus dem Jahr 1929, das sich mit der Verabschiedung des „Gesetzes zur Änderung der Gesetze über den Verkehr mit Betäubungsmitteln“ im Jahre 1931, bis heute in den Grundzügen (Prävention, Therapie und Strafe) (vgl. Jungblut 2004, S. 82) erhalten hat. Mit der Studentenbewegung in den späteren 60 er Jahren führte das Thema, bedingt auch durch den sehr stark steigenden Konsum und die Beschaffungsmöglichkeiten u.a. von Cannabis, synthetischen Halluzinogenen und später auch Heroin zu gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen und Reaktionen.

Die Vereinten Nationen (UN) verabschiedeten 1961 die Drogenkonvention (Single Convention on Narcotic Drugs) und erklärten alle Drogen (u.a. Heroin, Kokain, Cannabis) weltweit für verboten (vgl. Drogen- und Suchtbericht 2013, S. 195). Die Sozialdemokraten (SPD) und Christdemokraten (CDU) einigten sich sehr schnell auf eine Reform des bis dahin geltenden alten Opiumgesetzes. Am 12. November 1970 wurde von der damaligen Bundesregierung unter Federführung der damaligen SPD Gesundheitsministerin das erste „Aktionsprogramm zur Bekämpfung des Drogen- und Rauschmittelmissbrauchs im Bundestag verabschiedet . Ziel des Aktionsprogramms war, eine politische Reaktion durch ein neues Betäubungsmittelgesetz (BtMG) u.a. mit einem sog. Maßnahmenkatalog auf den steigenden Konsum zu reagieren und eine Abschreckung zu erzielen. Am 10.01.1972 trat das Gesetz in Kraft und löste das alte Opiumgesetz aus dem Jahr 1929 ab (vgl. Jungblut 2004, Drogenhilfe, S. 47 ff.).

Parallel zu diesen „repressiven“ Entwicklungen erreichte zuvor die Deutsche Hauptstelle gegen Suchtgefahren (DHS) 1968, dass „Sucht als Krankheit“ im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung durch das Bundessozialgericht anerkannt wurde. Dies war auch u.a. gleichzeitig der Start für einen systematischen Aufbau des Versorgungssystems (Hilfesystems), zunächst für Alkoholkranke und später für alle Drogenabhängigen in Deutschland. Da die staatlichen Einrichtungen der Gesundheitsvorsorge (Kliniken) sich mit therapeutischen Maßnahmen bis auf die Errichtung von Entgiftungsstationen zurückhielten, kam es 1969/1970 zur Gründung der ersten sogenannten Selbsthilfeeinrichtungen („Release-Gruppen“) für von Opiaten abhängigen Jugendlichen. Sie erhielten allerdings aus finanziellen und politischen Gründen (regierungskritisch) keine staatlichen oder fachlichen Hilfen mehr, konsumierten zum Teil selbst und gerieten auch nach einer kurzen Blütezeit schnell in Vergessenheit (vgl. Schmid/Vogt 1998, S. 39).

1971 setzte die sozial-liberale Bundesregierung - SPD/FDP Koalition unter Willy Brandt- in Absprache mit den Ländern das sog. `Großmodell des Bundes` unter Beteiligung der Wohlfahrtsverbände mit 118 Einzelmaßnahmen (Drogenberatungsstellen, Entzugskliniken, therapeutische Wohngemeinschaften und Nachsorgeeinrichtungen), mit einem finanziellen Umfang von 32 Millionen DM, für einen Zeitraum von sieben Jahren unter wissenschaftlicher Begleitung um. Als Ergebnis der wissenschaftlichen Begleitung des Modells entstanden mit der Zeit „Mindestkriterien und Standards“ für das Personal und die Ausstattung der Einrichtungen. Nach einer fast dreijährigen Diskussion unter der Sozial-Liberalen Koalitionsregierung unter Helmut Schmidt, trat am 01.01.1982, mit der Überführung des internationalen Suchtstoffabkommens, in nationales Recht, das neue BTMG in Kraft. Neu war hier u.a. die bis heute gültige gesetzliche Regelung zu Gunsten der straffällig gewordenen Drogenabhängigen durch den § 35 BTMG, der auch als „Therapie statt Strafe“ bekannt ist und unter bestimmen Voraussetzungen die Möglichkeit bietet, eine Therapie (bis 1992 nur stationär, danach auch ambulant) anzutreten anstatt eine Haftstrafe.

Ende der 80-er Jahre in der sogenannten „Helmuth Kohl Ära“ 1982 - 1998“ begann ein Umdenken in der Drogenpolitik. Mit dem Start der ersten Substitutionsprojekte durch das Land Nordrhein Westfalen wurde der bis dahin gültige Konsens zwischen den Ländern und dem Bund aufgekündigt. Andere Bundesländer folgten mit weiteren Projekten und Maßnahmen. Die damalige CDU/CSU-Bundespolitik setzte stärker auf Repression und weniger auf Prävention (Nationaler Rauschgiftbekämpfungsplan, 1990) und folgte dem Weg der Länder nicht. Bedingt u.a. durch die Ausbreitung von HIV/AIDS und die Gründung der AIDS-Hilfe entwickelten sich viele neue niedrigschwellige Angebote wie Spritzentausch und preiswerte Mahlzeiten für Drogenabhängige in den Ländern und Kommunen (vgl. Schmid / Vogt 1998, S.41 ff.). Ab Mitte/Ende der 90 er Jahre entwickelte sich das Drogenhilfesystem zu einer modernen Dienstleistung mit seinen sehr breit gefächerten und spezialisierten ambulanten und stationären Angeboten zur flächendeckenden Versorgung der Suchtkranken und Drogenabhängigen in Deutschland.

1.2 Begriffsbestimmung „Sucht- und Drogenmittelabhängigkeit“

Es gibt in der Fachliteratur unterschiedliche Definitionen (körperliche, psychische oder Polytoxikomanie) von Sucht- und Drogenmittelabhängigkeiten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert die Sucht als:

„einen Zustand periodischer oder chronischer Vergiftung, hervorgerufen durch den wiederholten Gebrauch einer natürlichen oder synthetischen Droge “ (Winter 2013, S. 178).

Die aktuelle Definition des Bundesgesundheitsministeriums (Homepage Bundesministerium für Gesundheit, 2014) schließt sich dem an und beschreibt dies als ein unabweisbares, starkes, substanzbezogenes oder verhaltensbezogenes Verlangen nach einem bestimmten Erlebniszustand. Dabei kann es sich um legale (Alkohol, Tabak) oder illegale Suchtstoffe (Heroin, Cannabis, Kokain) und um stoffungebundene Verhaltensweisen handeln (pathologische Spiel- und Internetsucht).

1.3 Aktuelle Struktur der Drogenhilfepolitik der Bundesregierung

Mit der Verabschiedung der „Nationalen Strategie der Drogen- und Suchtpolitik“ vom 15.02.2012 legte die Bundesregierung neue Schwerpunkte und Herausforderungen in der Sucht- und Drogenhilfe in Deutschland fest.

- Sucht wird dabei als ein komplexes und umfassendes Krankheitsbild im breiten Verständnis der Weltgesundheitsorganisation (WHO) betrachtet, das mit Störungen auf der psychischen, somatischen und sozialen Ebene einhergeht und der Behandlung bedarf. Die vorhandenen Maßnahmen gegen die Sucht sollen so frühzeitig und umfassend wie möglich zur Verfügung gestellt werden. Suchtprävention hat einen herausragenden Stellenwert. Riskanter Konsum, schädlicher Gebrauch und Abhängigkeit von Suchtmitteln sollen verhütet oder zumindest deutlich reduziert werden.“ (REITOX Report 2013, S. 19).

Für die Koordination der Sucht- und Drogenhilfe des Bundes ist die Drogenbeauftragte zuständig. Sie ist dem Bundesministerium für Gesundheit unterstellt. Die aktuelle Suchtpolitik der Bundesregierung basiert auf einem sog. „Vier-Säulen-Modell“, das aus unterschiedlichen Versorgungsansätzen und Maßnahmen besteht und je nach Bundesland auch unterschiedliche Angebote beinhaltet. Die vier Säulen der aktuellen nationalen Drogen- und Suchtpolitik sind:

- Prävention (Aufklärung)
- Beratung und Behandlung, Hilfe zum Ausstieg
- Maßnahmen zur Schadensreduzierung (Überlebenshilfen)
- Repression (Maßnahmen zur Angebotsreduzierung sowie die Bekämpfung der Drogenkriminalität) (Vgl. REITOX Report 2013, S. 19)

In Deutschland ist die Zuständigkeit für die Sucht- und Drogenpolitik zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Die Gesetzgebungskompetenz, entsprechend des Grundgesetzes hat der Bund. Er ist für das Recht der sozialen Sicherung, das Strafrecht und dementsprechend auch für das Betäubungsmittelrecht zuständig. Ausgehend von diesem rechtlichen Rahmen gibt der Bund auch die Standards für die Sucht- und Drogenpolitik des Staates vor. Die Länder haben die Aufgabe, die Bundesgesetze auszuführen. Die konkrete Umsetzung und damit auch die Verantwortung der Finanzierung von Sucht- und Drogenpolitik liegt somit in den Zuständigkeitsbereichen der Länder und letztendlich der Kommunen. Dadurch können auch die Schwerpunkte der Sucht- und Drogenarbeit und die Finanzierungsmöglichkeiten von Bundesland zu Bundesland und Kommune zu Kommune sehr unterschiedlich sein (Vgl. REITOX-Report 2013, Teil 1, S. 1 ff.).

2 Leistungsspektrum des Sozialstaates in der Sucht- und Drogenhilfe

In Artikel 20 des Grundgesetzes ist das Sozialstaatsgebot der Bundesrepublik definiert:

„Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“ (zitiert nach Dietz 2012, S. 7).

Die Sozialstaatlichkeit im Bereich der Sucht- und Drogenhilfe begann quasi mit der Anerkennung der Sucht als Krankheit im Jahr 1968 und somit auch als Versicherungsleistung. Seitdem hat sich, wie bereits unter 1.3 beschrieben, ein großes ‚Haus der sozialen Sicherung‘ für Suchtkranke und Drogenabhängige in Deutschland entwickelt bzw. entwickeln müssen, da sich die Zahl der Betroffenen auch stark erhöht hat. Es gibt aber auch Kritik an dem „Haus der sozialen Sicherung“, indem die Leistungen des Staates in der Sucht- und Drogenhilfe als unzureichend bezeichnet werden.

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Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Das Leistungsspektrum des Sozialstaates in der Sucht- und Drogenhilfe
Untertitel
Drogenpolitik – Kellerkind der Sozialpolitik?
Note
2,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
22
Katalognummer
V358315
ISBN (eBook)
9783668439993
ISBN (Buch)
9783668440005
Dateigröße
1230 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Sozialpolitik / Drogenpolitik Deutschland
Arbeit zitieren
Mustafa Arslan (Autor:in), 2014, Das Leistungsspektrum des Sozialstaates in der Sucht- und Drogenhilfe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/358315

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