Welchen Einfluss hat Facebook auf Digital Natives?


Facharbeit (Schule), 2016

23 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Nutzung

3 Ursachen der Nutzung
3.1 FOMO
3.2 Eskapismus
3.3 Suchtpotential
3.4 Soziale Anerkennung und der Gefällt-Mir Button

4 Auswirkungen der Nutzung
4.1 Neid
4.2 Wohlbefinden

5 Freundschaften/Beziehungen
5.1 Bedeutungsveränderung von Facebook-Freundschaften
5.2 Nutzen von Facebook-Freundschaften
5.3 Freundschaft und sozialer Vergleich

6 Zusammenfassung

7 Ausblick

8. Quellenverzeichnis

Literatur

1 Einleitung

Es gab schon immer viele Fachexperten und Journalisten, die SON (Soziale Online-Netzwerke) wie Facebook kritisch beäugten. Die Behauptung, dass „Digital Natives“, Kinder oder Jugendliche, die digital sozialisiert wurden, vor ihren Bildschirmen oder Touchscreens verblöden, liegt in aller Munde. Insbesondere Digital Immigrants, Menschen, welche die digitale Welt erst im erwachsenen Alter oder gar nicht kennen gelernt haben, teilen diese Ansicht. Mit der Verbreitung von Smartphones, die bereits bei sehr jungen Menschen vertreten sind, verstärkt sich dieser Eindruck. Das Internet befindet sich in unserer Hosentasche und sorgt dafür, dass man zeit- und ortsunabhängig erreichbar ist. Ein Mausklick oder ein schneller Griff am Handy genügen, um mit Freunden oder Bekannten in Kontakt zu treten. Nie zuvor war Kommunikation und Vernetzung so schnell und einfach. Ein Rückgang oder Stopp der Entwicklung ist nicht in Sicht. Was vor 10 Jahren noch unvorstellbar war, ist mittlerweile Realität geworden. Facebook ist mit rund einer Milliarde Mitgliedern zum Medium der Massenkommunikation und für viele ein unverzichtbarer Teil ihres Lebens geworden.

Im Rahmen dieser Arbeit gehe ich der Frage nach, welchen Einfluss Facebook auf Digital Natives ausübt. Das Augenmerk wird dabei bewusst auf Digital Natives gerichtet, da ihr soziales Miteinander sehr stark durch SON eprägt ist, denn sie sind ein integrierter Bestandteil ihres Lebens.

Ziel der Arbeit ist herauszufinden, welche Ursachen die so hohe Importanz für Digital Natives und welche Auswirkungen die intensive Nutzung des sozialen Netzwerkes für sie haben. Die inhaltliche Analyse erfolgt dabei hauptsächlich unter Berücksichtigung qualitativer Studien von Fachexperten und deren Auswertung. Andere thematische Schwerpunkte sind, neben den Ursachen und den Auswirkungen der Facebook-Nutzung, die Nutzung an sich, sowie Freundschaften und Beziehungen, die durch das soziale Medium geprägt und neu definiert werden. Im weiteren Sinne werden aber auch Themen, wie Selbstinszenierung, Kommunikation oder soziale Anerkennung berücksichtigt. Unter der großen Auswahl an Themen, die Facebook bietet, wird diese Arbeit auf die eben genannten Themengebiete beschränkt, da sie charakteristisch für Digital Natives und ausschlaggebend für eine große Veränderung ihres Lebens sind. Die Facebook-Nutzung wird mit einer kritischen Grundhaltung hinterfragt. Es wird davon ausgegangen, dass die Nutzung neben der sozialen Vernetzung nicht nur positive Aspekte, sondern auch Kehrseiten mit sich bringt.

primär wurde für diese Arbeit Literatur verwendet, die den Umgang von Digital Natives mit Facebook und deren Erfahrungen thematisiert. Bücher, mit den Titeln „Gemeinsam Einsam“ oder „Vernetzt und zugemailt“ umschreiben bereits pointiert diese Thematik, die von Online-Artikeln ergänzt wurden.

2 Nutzung

Um den Einfluss von Facebook auf Digital Natives zu beurteilen, ist es zunächst erforderlich, die Facebook-Nutzung zu analysieren.

Seit 16 Jahren führt der Medienpädagogische Forschungsverband Südwest jährlich sogenannte JIM-Studien durch (Jugendliche, I nformation, (Multi)Media), die den Umgang von 12- bis 19-Jährigen Digital Natives, mit Medien und Information untersuchen. Ergebnisse dieses Langzeitprojekts zeigen eine deutlich steigende Tendenz der Facebook-Nutzung von Jugendlichen. Die JIM-Studie des Jahres 2012 belegt, dass ca. 87 % der deutschen Jugendlichen in SON angemeldet sind. Mädchen besuchen diese Communities etwas häufiger als Jungen, unter den regelmäßigen Nutzern sind 16-bis 17- Jährige besonders häufig vertreten. Etwa 81 % haben ein profil auf Facebook. Davon benutzen 57 % der Jugendlichen Facebook täglich und sogar mehr als 1/3 mehrfach täglich. Die durchschnittliche Nutzungsdauer beträgt 77 Minuten. (vgl. Trost 2013: S. 65) Insgesamt hat Facebook über 1 Milliarde Mitglieder und ist weltweit durchschnittlich die 5. meistbesuchte Website, in Deutschland sogar die zweitmeiste, hinter Google (Ball 2014: S. 59).

Die Zahlen offenbaren, dass Facebook gegenüber anderen SON, und auch gegenüber anderen Kommunikationsmitteln im Internet, bevorzugt wird. Der Grund hierfür liegt in der Vielseitigkeit von Facebook und seinen mit inbegriffenen Funktionen. Gemeint sind Kommunikation (Chat), pflege von Sozialbeziehungen (Freunde), Selbstdarstellung (profil, alias Chronik), Interessens- austausch (Gruppen), Ortsangaben (Orte), Suche (Suchfunktion), Eventmanagement (Veranstaltungen), Statusmitteilungen (in Form von Texten, Links, Bildern oder Videos), Gefällt-Mir Angaben („Like Button“) und das Newsfeed (akkumuliert Statusmitteilungen der Freunde, oder der mit Gefällt-Mir gekennzeichneten Fotos und Seiten, sprich Informationsgewinnung). (vgl. Trost 2013: S. 66).

In Facebook gibt es keine Betriebs- oder Nachtruhe. Es ist ein paradebeispiel des digitalem permanenzverständnisses. Mit der Facebook App ist man immer und überall „on“ und erhält Updates. Facebook bietet etliche und unkomplizierte, integrierte Möglichkeiten der Vernetzung und der Information. Niemand muss Facebook mehr verlassen, um E-mails zu verschicken, Informationen zu suchen, Texte zu schreiben, Bilder und Videos auszutauschen. (vgl. Ball 2014: S. 59)

Die oben genannten Funktionalitäten befriedigen das Bedürfnis von Kommunikation und Informationserhalt, sowie fundamentale Befriedigungen wie das Streben nach Anerkennung durch Selbstpräsentation und die Herstellung eines sozialem Vergleiches und sind der Grund für die Attraktivität Facebooks. Nutzer sind produzenten und Konsumenten zugleich. Über neue Formen der Vergemeinschaftung können sie teilnehmen und teilhaben. Im Mittelpunkt stehen dabei soziale Interaktionen, aber auch die Schaffung neuer Inhalte. (vgl. Trost 2013: S. 48)

Zu den beliebtesten Funktionen auf Facebook gehört bei Jugendlichen daher die Kommunikation, über persönliche Nachrichten oder Einträge auf die pinnwand. Kommunikative und publizistische Aktivitäten (Statusmeldungen verfassen, Bearbeitung des profils, Kommentare oder Beiträge in Gruppen schreiben, etc..) überwiegen gegenüber der Information oder bildungsspezifischen Tätigkeiten. Beliebt ist außerdem das Anschauen anderer profile (vgl. Trost 2013: S. 66).

Allein die nüchterne Betrachtung der Verbreitung von Facebook, der Anzahl ihrer Mitglieder und deren Nutzungsdauer impliziert, dass Facebook starke Auswirkungen auf ihre Nutzer haben muss, da es so scheint, als ob Facebook für sehr viele Menschen ein unverzichtbarer Bestandteil ihres Lebens geworden ist. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Facebook eine sehr hohe Bedeutung für Jugendliche und somit einen enormen Einfluss auf ihr Leben hat, da dessen Funktionalitäten auf essenzielle, menschliche Bedürfnisse angepasst sind

3 Ursachen der Nutzung

Um herauszufinden, weshalb Facebook für viele Digital Natives einen so hohen Stellenwert hat, ist es notwendig, die Ursachen für die verstärkte Nutzung zu betrachten.

Im folgenden Kapitel wird versucht, diese Ursachen vielfältig zu benennen und sie zu erläutern.

3.1 FOMO

Die Angst etwas zu verpassen wird vielen Leuten bekannt sein. Solange Menschen sich in Gruppen organisieren, sind sie nur temporär Teil davon. In ihrer Abwesenheit entsteht das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Man möchte sofort alles wissen und wünscht sich man wäre auch bei dem tollen Erlebnis dabei gewesen. Während der Abwesenheit fragt man sich was die Freunde gerade erleben und möchte am liebsten die Zeit mit ihnen verbringen. Es besteht die Vermutung, diese Angst etwas zu verpassen, habe sich in den letzten Jahre aufgrund SON wie Facebook und mobiler Kommunikationsmöglichkeiten verstärkt. Die Facebook App bieten den Menschen die Möglichkeit auch unterwegs mit den Freunden in Kontakt bleiben zu können. So kann man trotz physischer Abwesenheit immer informiert bleiben. Es entsteht das Gefühl, immer auf dem neusten Stand bleiben zu müssen, ja nichts verpassen zu wollen. Auch während der Autofahrt, während dem Lernen oder in einer Warteschlange kann deshalb nicht auf einen kurzen Blick auf Facebook verzichtet werden. Diese Angst hat bereits einen Namen erhalten: „Fear Of Missing Out“ oder kurz„FOMO“ (vgl. Wampfler 2014: S. 111 f ).

Ein Team englischer und amerikanischer psychologen um Andrew przybylski hat diese Angst bereits intensiv untersucht. Bei einem Test fanden sie heraus, dass junge Menschen stärker von Fomo betroffen sind als ältere und unter ihnen wiederum Männer stärker als Frauen. Von den unter 35-Jährigen gestanden rund 40 % unter FOMO zu leiden. Ihre Untersuchungen zeigten, dass FOMO der Auslöser für eine übermäßige Social Media-Nutzung ist. FOMO wiederum ist auf psychische Bedingungen zurückzuführen. Wer mit seinem Leben unzufrieden ist und sich schlecht und einsam fühlt, empfindet verstärkt FOMO. So entsteht eine Spirale. Wer mit seinem Leben unzufrieden ist verspürt FOMO und nutzt SON, um sich anderen Menschen näher zu fühlen und sozial anerkannt zu werden. Allerdings reduziert die Mediennutzung das Gefühl von FOMO nicht, sondern intensiviert es. Dies wiederum hat weiteres Engagement in sozialen Netzwerken zu Folge, denn das Leben anderer in SON scheint stets besser als das eigene zu sein, da sie sich gewöhnlich nur von ihrer besten Seite in SON präsentieren. Wer das Leben der anderen verfolgt und beispielsweise ihre tollen Fotos vom Urlaub anschaut, kann sich nur schlechter fühlen und unzufrieden mit dem eigenen Leben sein. Folglich ist FOMO auch eine entscheidende Ursache für eine Social Media-Sucht und führt dazu, dass Menschen Facebook oder Twitter vor allem nach dem Erwachen und vor dem Einschlafen aufsuchen. Social Media-User können beispielsweise auch während anderer Tätigkeiten, wie beim Lernen oder beim Autofahren, nicht auf einen Blick auf Facebook verzichten. Schuld daran ist ein verstärktes Ablenkungspotenzial (vgl. Wampfler 2014: S. 112 f ).

FOMO hat mittlerweile bereits eine Ergänzung erhalten: „ F ear O f B eing M issed“ oder kurz „FOBM“. Mit dem ständigen Konsum von Informationen (verbunden mit FOMO) ist logischerweise auch die Angst, nicht genug Informationen für die Freunde bereitstellen zu können und unter dem dem riesigen Haufen von Statusmitteilungen vergessen zu werden (FOBM) verbunden (vgl. Wampfler 2014: S. 113).

Hierbei lässt sich Facebook auch mit den Nachrichten oder der Tageszeitung vergleichen und zeigt auf, dass der Mensch „informationsgierig“ und „sensationsgeil“ ist. Man möchte nichts verpassen, um bei der Zusammenkunft mit anderen Menschen mitreden zu können und auf einem gleichen „Informationsstand“ zu sein. Während Digital Immigrants eher auf die Nachrichten, Tageszeitungen oder online Magazine zurückzugreifen, um informiert zu werden, präferieren Digital Natives das Internet rund um Facebook und Youtube.

3.2 Eskapismus

Ein Großteil der Jugendlichen benutzt Facebook sehr häufig, doch was steckt wirklich hinter der Anziehung die Facebook auf Digital Natives ausübt? Dient das portal eher der Lebensgestaltung oder ist die Nutzung auf eskapistische Motive zurückzuführen? Diesem Thema hat sich bereits Sebastian Trepesch gewidmet, der seine Studien in „Vernetzt und zugemailt“ veröffentlicht hat.

Der Autor setzt die Begriffe Eskapismus und Lebensgestaltung in seinem Buch mit Alltagsflucht gleich und definiert sie wie folgt: „ Alltagsflucht bedeutet einen zumindest zeitweisen Rückzug aus dem Alltag in eine andere, virtuelle, um sich von den problemen der Realität oder Missstimmung abzulenken.“ Lebensgestaltung meint „ organisatorische Maßnahmen, die auf das persönliche, reale Leben direkten Bezug nehmen.“ (Trepesch 2010: S. 13f)

Seine Thesen gehen davon aus, dass die Mediennutzung die problemlösung und die Informationsverarbeitung für ein Bedürfnis bedeutet und bewusst aufgrund der Erfahrungen mit früherer Mediennutzung erfolgt (vgl. Trepesch 2010: S. 18). Trepesch vermutet, dass es sich um Alltagsflucht handelt, wenn die sich reale Identität von der virtuellen unterscheidet, da auf diese Weise ein Bezug zur realen Welt und zu Freunden und Familie nicht durchgeführt werden kann. Entspricht die reale Identität der virtuellen, so kann es sich um Lebensgestaltung oder auch Alltagsflucht handeln. (vgl. Trepesch 2010: S. 10)

In seiner Studie begleitet er 13 probanden im Alter von 16-19 Jahren, darunter sechs männliche und sieben weibliche Teilnehmer von Hauptschülern zu Gymnasiasten, bis hin zu Studierenden. Mittels einer Zustimmungs-Batterie wurden die probanden für das Motiv des Logins gefragt. Insgesamt gab es 117 Logins. Die Skala hatte Bewertungen von 1 („stimme gar nicht zu“) - 7 („stimme voll und ganz zu“). Mithilfe von SpSS (ein programm zur Auswertung und Analyse von Statistiken) wurden die Mittelwerte errechnet. Das Motiv mit dem höchsten Mittelwert war „um mich zu informieren“ (4,10), gefolgt von „um mich zu entspannen“ (4,01) und „um mich abzulenken“ (3,94). Wenn man „informieren“ dem Bereich Lebensgestaltung und „entspannen“ und „ablenken“ dem Bereich Eskapismus zuordnet, zeigt sich bereits, dass die beiden Motive Eskapismus und Lebensgestaltung eine wichtige Rolle für Motivdimensionen spielen. Auffallend ist auch, dass „um in eine andere Welt einzutauchen“ mit einem Mittelwert von 2,45 und einem Extremwert von 7 noch in der oberen Hälfte genannt wurde. In 36 Fällen wurde „ziellos in der Community gesurft“ angegeben, weshalb als Motiv auch Langeweile in Betracht gezogen werden muss. Es konnte herausgefunden werden, dass die Höhe eskapistischer Motive mit der Nähe zum Schultag zusammenhängt, denn die Mittelwertkurve von Vormittag (3,5) nahm bis zum Abend nahezu linear ab (3,0). Verglichen mit dem Wochenende und den Ferien konnte man an den freien Tagen ebenfalls einen Rückgang feststellen. (vgl. Trepesch 2011: S. 81 f)

Es wird deutlich, dass die Menschen Facebook aufsuchen, um sich sich zu entspannen und sich vom Alltag abzulenken oder auch, um sich zu informieren und den Alltag sinnvoll zu ergänzen. Insofern hat Facebook etwas verändert, da es eine sinnvolle Alltagsergänzung bietet und es benutzt werden kann, um sich vom Alltag abzulenken oder entspannen. Man würde vermuten, Facebook könne gar keine eigene Welt darstellen, in die man fliehen könnte, da man nur über die Suche nach dem Namen gefunden werden kann, was bereits einen Grund liefert ,sich selbst real darzustellen.

Vielmehr dient es als ein Kommunikations-Werkzeug der realen Welt, um mit Freunden und Bekannten in Kontakt bleiben zu können. Jedoch lassen sich auch eskapistisch motivierte Nutzungsgründe finden, wenn man sich beispielsweise zur Ablenkung zur Entspannung oder um nicht einsam zu sein, einloggt (vgl. Trepesch 2011: S. 102). Mit der Entstehung von Facebook ist also gleichzeitig eine neue Rückzugsmöglichkeit, sowie eine neue Option, das Leben erweitert zu gestalten und sich zu informieren, entstanden.

3.3 Suchtpotential

Einer Studie der Universität Chicago zufolge kann Facebook süchtig machen. Das potential ist sogar größer als bei Alkohol oder Nikotin. Zu ihren Ergebnissen kamen die Wissenschaftler, in dem sie an 205 probanden im Alter von 18-25 Smartphones verteilten, damit diese ihren Wunsch nach Social Media aufzeichnen konnten. Innerhalb von 14 Stunden bekamen die probanden 7 mal eine Nachricht zugeschickt, in der sie gefragt wurden, ob sie gerade Lust hätten sich bei Facebook, Twitter oder einem anderen Netzwerk einzuloggen. Des weiteren sollten sie hinzufügen, wie stark der Wunsch ist, wie lange er schon andauert und ob er im Konflikt zu anderen Tätigkeiten steht. Insgesamt wurde in den 10.558 Antworten 7.827 Mal der Wunsch nach SON geäußert. Erschreckend war, dass die probanden bereit waren, andere Dinge oder Tätigkeiten für Social Media zu vernachlässigen. Lediglich der Wunsch nach Schlaf und Sex war größer.

Studienleiter Wilhelm Hoffman erklärte im Interview mit dem Guardian, dass es so schwer ist, sich von Facebook fern zu halten, da es im Vergleich zu Zigaretten und Alkohol, eine einfache Zugangsmöglichkeit und einen geringen Aufwand an der Teilhabe hat. Während Zigaretten und Alkohol finanzielle und körperlich schadende Folgen mitbringen, trägt der Social-Media-Konsum lediglich zu der Häufigkeit der Nutzung und der Menge an verlorener Zeit bei. (vgl. Welt online2012:S.1)

Um die eigentlichen Ursachen für eine Social-Media Sucht zu verstehen, ist es erforderlich

einen Blick auf die biologische Ebene zu werfen. In einem weiteren „Die Welt“- Artikel von Shari Langemak wird das phänomen der Facebook-Sucht genauer erläutert.

Schuld daran ist ein komplexes Neuronennetzwerk im Gehirn, das für Menschen und Tiere lebensnotwendig ist. In diesem Belohnungssystem wird alles, was Spaß macht gespeichert.

Beim Menschen und auch bei vielen Tieren werden insbesondere Essen, Sex und soziale Kontakte belohnt. Letztere dienen dem eigenen Überleben und dem Erhalt unsere Spezies.

Damit das ausgelöste Glücksgefühl nicht wieder verschwindet, wird es im Gehirn von unserem Belohnungssystem makiert. (vgl. Langemak 2012: S. 1) Diese Aufzeichnung geschieht durch den wichtigen Botenstoff Dopamin, welcher bei jeder positiven Erfahrung ausgeschüttet wird und für das dabei entstehende Glücksgefühl verantwortlich ist. Der Reiz und die Situation werden markiert. Kurz: „Der Ort der uns nach Anerkennung lechzen lässt ist der gleiche, der auch Menschen nach Drogen süchtig werden lässt: eine Struktur in der Mitte des Hirns, deren Nervenzellen Dopamin ausschütten lässt“. Suchterkrankungen, wie Alkoholabhängikeit, Nikotin-Sucht oder Glücksspielsucht, basieren auf dem oben genannten Belohnungssystem. (vgl. Langemak 2012: S. 2)

3.4 Soziale Anerkennung und der Gefällt-Mir Button

Eine weitere Rolle bei der Anziehung von Facebook auf Digital Natives spielt der Like- Button. Er befriedigt ein bestimmtes Grundverlangen und Bedürfnis: soziale Anerkennung. Mittels des „Gefällt-mir Knopfes“gelangt es dem Menschen soziale Anerkennung und Zuneigung zu beziehen. Dieser wirkt dabei als „Feedback-Instrument“ und signalisiert, dass man noch Teil seiner sozialen Gruppe ist und ob man gut ankommt. (vgl. Seitz 2014: S. 1). Als Facebook Nutzer kann der Like-Button aber auch negative Auswirkungen haben. Anhand der Gefällt-Mir-Angaben, die sich aus der Summer der Likes verschiedener Nutzer ergeben, ist der Nutzer dem ständigen Vergleich mit anderen ausgesetzt und wird somit enorm unter Druck gesetzt. Dies kann zu Neid führen, wenn man beispielsweise weniger Likes auf einem Foto bekommt als andere. Man fühlt sich unbeliebt und zweifelt an seinem Aussehen. Von den Freunden wird bereits erwartet, dass die eigenen Bilder „gelikt“ werden, als Zeichen der Freundschaft und der Anerkennung. Ist dies nicht der Fall, kann dies zu großer Enttäuschung führen.

Facebook bietet bei der Suche nach Anerkennung einen wichtigen Vorteil: Es ist viel leichter online gemocht zu werden und Zuneigung zu bekommen, welche sich durch eine „Gefällt-Mir-Angabe“ definiert. Andersrum ist es auch leichter, andere zu mögen und anzuerkennen, da dies mit nur einem Mausklick geschehen kann. In der realen Welt allerdings ist dies allerdings viel schwieriger und komplexer (vgl. Seitz 2014: S. 1).

Häufig ist zu beobachten, dass Menschen, denen es schwer fällt in der realen Welt anerkannt zu werden und soziale Kontakte zu knüpfen, online das Gegenteil der Fall ist. In Facebook stellen sie sich meist expressiv von ihrer positiven Seite da und haben oft die meisten Likes, so dass man annehmen möchte, diese personen seien sehr beliebt. Meistens ist aber genau das Gegenteil der Fall. Weil diese Menschen in der realen Welt nicht das bekommen können, was sie bekommen möchten, ziehen sie sich zunehmend zurück, um ihre soziale Anerkennung online zu beziehen.

4 Auswirkungen der Nutzung

Um herauszufinden, ob Facebook das Leben der Menschen verändert hat, ist sehr wichtig die Auswirkungen der Social-Media-Nutzung in Betracht zu beziehen. Die wohl am gravierendsten Auswirkungen von häufiger bis sehr häufiger Facebook-Nutzung, sind neben der bereits erwähnten potentiellen Sucht, seelische Auswirkungen. Bereits diverse Studien zeigen, dass trotz der zahlreichen Kontaktmöglichkeiten und Formen der Vernetzung, die Facebook bietet, überwiegend negative Gefühle durch die Nutzung von Facebook entstehen. Auf den ersten Blick mag dies sehr merkwürdig erscheinen, da Facebook ja eigentlich eine soziale Gemeinschaft darstellen soll, in der die User sich austauschen und miteinander in Verbindung treten können. Es gewährleistet ein fundamentales menschliches Grundbedürfnis: soziale Interaktion. Folglich würde man nicht vermuten, dass sich Menschen während oder nach der Nutzung von Facebook schlechter fühlen. Diese negativen Gefühle durch Facebook stehen im Zusammenhang zu Selbstinszenierung und werden im folgenden beschrieben.

4.1 Neid

2013 führten 2 Forscherinnen der Technischen Universität Darmstadt und der Humboldt-Universität zu Berlin eine Studie durch, die die Rolle von Neid als Ursache für negative Gefühle auf Facebook untersuchte. 600 Deutsche wurden gefragt, ob sie sich aufgrund von Facebook schlechter fühlen. Dabei konnten mehr als ein Drittel aller User während oder nach der Facebook-Nutzung ein schlechteres Wohlbefinden bei sich feststellen. Sie gaben an einsam, traurig, müde oder frustriert zu sein, nachdem sie die positiven Nachrichten der Facebook-Freunde gelesen hatten. Das passive Verfolgen von anderen Usern führt zu Neid, das wiederum zu einer geringeren Zufriedenheit führt. Die Forscher sprachen sogar von einer „Neidspirale“. Um negative Gefühle auf Facebook zu verhindern bzw. auszugleichen, kommt es bei vielen Usern zu einer ausgeprägten Selbstpräsentation, um im Vergleich mit den anderen profilen mithalten zu können. Die Selbstinszenierung führt wiederum zu Neidgefühlen bei anderen personen, die Selbstpräsentation beginnt von neuem. (vgl. Str/Js 2014: S. 2)

Auch die psycholgin „Silvia Hart Frejd“ hat dieses phänomen bereits treffend beschrieben: „Das Gefühl, im Leben etwas zu verpassen, ist bei Facebook-Nutzern weit verbreitet und wird als „Facebook-Fassade“ bezeichnet. Nur die positiven, erfolgreichen und interessanten Fassaden werden gepostet, sodass man den Eindruck bekommt, alle anderen würden ein beneidenswerteres Leben führen, nur ich nicht“. (vgl. Str/Js 2014: S. 2)

Der langjährige Jugendforscher Bernhard Heinzlmeier teilt die Selbe Ansicht. „Das Ego steht im Mittelpunkt und nicht die Beziehung zu anderen. Es dreht sich alles ums eigene Ich.“ Auf Facebook sei man aber nicht man selbst, sondern reduziere sich auf ein angelegtes profil, das immer verzerrt ist. Die problematik an der Inszenierung sei, dass man sich stets mit den anderen vergleiche, die anscheinend immer ein besseres Leben führen als man selber. „Gleichzeitig sitzt man alleine vor dem Bildschirm. Am Ende des Tages bleibt die eigene Defiziterfahrung“, betont Heinzlmaier. Digital Natives säßen vor ihren Bildschirmen, um auf ein Feedback zum eigenen Leben zu warten.(vgl. Hamburger Morgenpost online 2013: S. 1)

4.2 Wohlbefinden

Anwendungen wie Facebook, Whatsapp oder Instagram lassen sich mobil öffnen. Man ist immer und überall erreichbar. Selten war Kommunikation so leicht und unkompliziert. Trotzdem fühlen sich viele Jugendliche einsam, wie Forscher der Universität Michigan um den Leiter und Sozialpsychologen Ethan Kross berichten.

Bei einer Studie mit 82 Versuchspersonen fanden sie heraus: Je mehr die Befragten Facebook nutzen, desto schlechter fühlen sie sich. Ethan Kross erklärte: „Auf den ersten Blick erscheint Facebook wie ein unerlässliches Werkzeug, um das menschliche Grundbedürfnis nach sozialer Interaktion zu befriedigen. Aber anstatt das Wohlbefinden zu erhöhen, fanden wir das gegenteilige Ergebnis: Facebook untergräbt das Wohlbefinden.“ Die Lebenszufriedenheit der probanden nahm also mit wachsender Nutzung ab. (vgl. str/js, 2014: S. 1 f)

Zu ähnlichen Ergebnissen kam die psychologin Sagioglou. Sie befragte 123 probanden, direkt nach dem Log-Out bezüglich ihres Wohlbefindens. Das Ergebnis: Je länger sich die Befragten Urlaubsbilder oder andere Inhalte in Facebook angesehen hatten, desto schlechter fühlten sie sich anschließend. Laut den Forschern war der Grund für das ständige Rückkehren der Nutzer in Facebook, dass sie erwarteten, zufriedener zu werden, nachdem sie etwas Zeit mit ihren Online- Freunden verbracht haben. (vgl. str/js, 2014: S. 1)

Der Literaturwissenschaftler und Journalist „Tomasz Kurianowicz“ hat 2013 einen sehr interessanten Artikel in der Neuen Zürcher Zeitung geschrieben, indem er erklärt „warum Facebook unglücklich macht“.

Insbesondere klagt er über die fatalen Auswirkungen des „Newsfeeds“, (Neuigkeiten), also über die Startseite von Facebook. Verständnishalber: Der Newsfeed akkumuliert alle Statusmeldungen der Freunde, sprich Bilder und Status-Updates oder deren mit „Gefällt-mir“ makierte Angaben von anderen Usern. Er vergleicht den Newsfeed-Bereich mit einem „rasenden Karussell in Endlosschleife“ und einem „rastlosen, schizophrenen System“. Das liege daran, dass man aufgefordert werde „Beobachter und Autor zugleich“ zu sein und Relevanz zu erzeugen, was sich letztendlich in einem „Gefühl der Überforderung“ bemerkbare mache. Nicht jede Information sei es wert, wahr genommen zu werden. (vgl. Kurianowicz 2013: S. 1) Täglich werde man mit Unmengen an „visuellem Abfall“ konfrontiert, der uns die Fähigkeit raube, Bilder in ihrer Manipulationskraft kritisch zu deuten. Facebook sei ein Spiegelbild „geschickter Inszenierungen“ und werde viel zu oft mit der Realität verwechselt, sodass man sein kleines Leben zwanghaft mit dem großen der anderen verwechsle und sich in einem Strom aus Scheinwelten verliere, anstatt sich vernetzt zu fühlen. Einsamkeit breitet sich aus. Er spricht von einer Spirale, die zwischen dem Bedürfnis, so leben zu wollen wie die anderen und der Gier nach mehr Informationen über die Mitmenschen in eine rezeptive Gier führe. (vgl. Kurianowicz 2013: S. 1)

Allerdings habe dies trotz den negativen Gefühlen keinen Facebook-Verzicht zur Folge. Das Verhalten ließe sich mit dem eines Drogensüchtigen vergleichen. Die New York Times beschriebe diese Spirale bereits als „Facebook-Hassliebe“: Man möchte einerseits das obsessive Ausspionieren von Bildern und Nachrichten unterlassen, aber anderseits ist man vom Leben anderer wie hypnotisiert. Kurianowicz verdeutlicht: „Ein partybild wird bevor es entsteht, schon mit der Intention für das Einstellen bei Facebook arrangiert. (….) Wer Facebook posts für bare Münze nimmt, läuft Gefahr, die digitale Realität mit der analogen zu verwechseln.“ (Kurianowicz 2013: S. 3)

In einer Studie der Humboldt Universität zu Berlin konnte die sich Forscherin Hanna Krasnova bereits erklären, warum Facebook viele Digital Natives so unglücklich mache. Facebook begünstige aufgrund der gleich ausgerichteten profile einen enormen Vergleichsdruck. Als Nutzer bekomme man stets den Eindruck, die anderen würden ein besseres Leben führen als man selbst, da man fast ausschließlich mit inszenierten Fotos oder Texten konfrontiert werde. Dies resultiere in Eifersuchts- und Minderwertigkeitsgefühle. Besonders betroffen von diesen Zuständen sein Nutzer, die Facebook überwiegend passiv verwendeten und das Leben der anderen verfolgen. (Kurianowicz 2013: S. 2)

Ihre Studienergebnisse liegen nahe, da man als Facebook-Nutzer beobachten kann, wie sich die Facebook-Freunde stets von ihrer besten Seite präsentieren. Häufig werden Bilder vom Urlaub, partys oder anderen tollen Events gepostet. Status-Updates lauten häufig: „Abitur geschafft“, „Führerschein bestanden“ oder ähnliches. Wenn man also gelangweilt und alleine auf seinem Bett liegt, wird schnell der Eindruck erweckt, die anderen führten ein besseres Leben als man selbst.

Negative Gefühle durch das SON lassen sich also nur vermeiden wenn man sich bewusst ist, dass Facebook genau wie andere programme, wie zum Beispiel Instagram, nur ein Ausdruck eines Trends ist, der Inszenierungsbedürfnisse befriedigt (vgl. Kurianowicz 2013: S. 3).

Man muss sich bewusst werden, dass Digital Natives dazu tendieren, sich von der besten Seite darzustellen, sprich als glücklicher, erfolgreicher und beliebter Mensch. Wenn jeder Mensch seine schönsten Erlebnisse, Momente oder Errungenschaften in Form von Fotos und Status Updates in Facebook festhalte, so würden alle User zumindest laut Facebook ein perfektes Leben führen. Besonders gilt dies für passive User zu beachten, die Facebook hauptsächlich benutzen, um sich zu informieren und die Startseite „durchscrollen“, um auf dem neusten Stand zu bleiben.

Mit der Omnipräsenz von Smartphones und somit der ständigen mobilen Erreichbarkeit steigt die digitale Abhängigkeit und der Vergleichsdruck nimmt enorm zu. Was wirklich hinter diesem Inszenierungstrend steckt hat der amerikanische Komiker Louis C.K. bereits treffend formuliert: Er verriet bei einem Besuch bei einer Late-Night-Show, warum er sich weigert seinen beiden Kindern ein Smartphone zu schenken: „Jeder Mensch hat dieses Ding, dieses leere Ding in sich, das für immer bleibt. Dieses Wissen, das alles für nichts ist und dass man allein ist. Manchmal kommt dieses Gefühl der Einsamkeit ganz unerwartet über uns. Etwa im Auto oder in der U-Bahn. Dann zücken wir unsere Smartphones und texten wie wild drauf los. Wir haben es verlernt für Sekunden allein zu sein. Wir wollen uns ablenken. Dabei ist jenes Gefühl genau das, was uns zu emphatischen Menschen macht. Ein Gefühl, dass uns alle vereint“. (vgl. Kurianowicz 2013: S. 3)

Wie bereits im vorherigen Kapitel „Suchtpotential“ erwähnt wurde, kann ein posting im Belohnungszentrum im Gehirn aufgrund der Dopaminausschüttung ähnliche Reaktionen wie Essen, Geld oder Sex auslösen. Zu diesen Ergebnissen kamen auch die Berliner psychologin Fenne große Deters und der professor Matthias Kehl von der Universität Arizona. Je öfter ein Mensch sein Facebook-Status aktualisiere, desto weniger einsam fühlt er sich. Die Reaktion, die man auf den Status erhält, spielt dabei eine weniger bedeutende Rolle, viel mehr alleine die Tatsache, sich den anderen mitgeteilt zu haben. Das Ergebnis ist allerdings mit Vorsicht zu beachten. Das Gefühl ist nur von kurzer Dauer. Bei so vielen Statusmitteilungen ist es nämlich nur eine Frage der Zeit, bis die eigene Mitteilung älter wird und durch neuere ersetzt wird. Die Forscher der Haward Univeristy haben dem vorübergehenden guten Gefühl, das man verspürt, wenn man eine Nachricht schreibt, bereits einen Namen gegeben: „Social-Snacking“. Jenes Gefühl wird mit einem Snack verglichen, da die Einsamkeit schnell wieder zurückkehrt und nicht wie eine sättigende Mahlzeit wirkt. (vgl. strg/js 2014: S. 2)

Auch die amerikanische Soziologin Sherry Turkle spricht im Interview mit der Süddeutschen Zeitung von Einsamkeit. Sie vertritt die Ansicht, dass es anstrengend für Digital Natives sei, immer ihr bestes zeigen zu müssen: „Es ist ein bisschen "Ich poste, also bin ich." Hier hat sich etwas verändert: Früher hieß es "Ich habe ein Gefühl, also rufe ich jemanden an." Nun heißt es: "Ich möchte ein Gefühl auslösen, also poste ich oder schreibe eine SMS." Und all das passiert, während wir alleine mit einem beleuchteten Bildschirm interagieren. Für diese Einsamkeit, die damit verbunden ist, haben wir noch kein Wort gefunden“ (Kuhn 2011: S. 2).

Rückblickend auf die Kapitel „Neid“ und „Wohlbefinden“ wird deutlich, dass viele Forscher und Wissenschaftler den sozialen Netzwerken kritisch gegenüberstehen. Im Grunde teilen sie die selbe Meinung: Die Selbstinszenierung und das ständige „sich selber mit anderen vergleichen“ ruft vor allem bei passiven User negative Gefühle hervor. Sie sprechen von Eifersucht, Minderwertigkeits- gefühlen und Unzufriedenheit. Die Gefahr liegt hierbei besonders bei jungen und unerfahrenen Digital Natives, die nicht in der Lage sind, die Bilder und die Mitteilungen kritisch zu hinterfragen, also den „Inszenierungstrend“ nicht erkennen.

Mit der Einsamkeit ist man sich allerdings noch unstrittig: „Einsame Menschen mögen zwar vorübergehend positive Gefühle erfahren, wenn sie Facebook verstärkt nutzen, jedoch hält es sie gleichzeitig davon ab, reale Beziehungen aufzubauen“, so eine Studie der Universität Mannheim (vgl. str/js, 2014: S.2)

5 Freundschaften/Beziehungen

Ergebnisse einer repräsentativen Nutzerstudie zu Facebook zeigten, dass der durchschnittliche Facebook-User 342 Freunde hat. (vgl. Weck 2013: S. 1) 342 ist jedoch nur ein Mittelwert. Digital Natives haben im Durchschnitt sogar deutlich mehr Freunde als Digital Immigrants. 342 ist eine gigantische Zahl. Da es offensichtlich ist, dass diese Anzahl unmöglich die wahrhafte Anzahl der Freundschaften darstellen kann, stellt sich die Frage warum Facebook-Nutzer so viele Online-Freundschaften pflegen und ob sie sie sich der Definition einer wirklichen Freundschaft überhaupt noch bewusst sind. Beschäftigen sich Nutzer zu viel mit Facebook-Bekanntschaften, anstatt mit den Freunden aus dem realen Leben oder werden diese sogar ersetzt? In den vorherigen Kapiteln wurde bereits über Selbstinszenierung gesprochen. Gibt es einen Zusammenhang zwischen Selbstinszenierung und mediatisierter Freundschaft? Dieses Kapitel versucht folgenden Fragen mit kritischer Betrachtung auf den Grund zu gehen.

5.1 Bedeutungsveränderung von Facebook-Freundschaften

Forscher oder Journalisten spekulieren auf Grund der im Umlauf stehenden Fragen bereits über verheerende Auswirkungen wie Befürchtungen von sozialer Isolation des einzelnen und der Substitution des Face-to-Face Kontaktes. Empirische Beweise dafür liegen jedoch nicht vor.

Das Veränderungen von Sozialbeziehungen auftreten, ist allerdings schlichtweg nicht von der Hand zu weisen. Zum einen sind Sozialbeziehungen durch Facebook und den „Smartphonetrend“ räumlich verteilter und zum anderen elektronisch gepflegt. Kai Erik Trost spricht von einer „Mediatisierung“. Damit ist die Veränderung der Kommunikation und die wachsende Bedeutung von Medien für Sozialbeziehungen gemeint. Ferner sind aber auch „medialvermittelte(n) Sozialbeziehungen und Freundschaften“ gemeint (vgl. Trost 2013: S. 46)

Formal wird eine Freundschaft auf Facebook durch das Senden und Annehmen einer Freundschaftsanfrage definiert. Im Vergleich zum echten Leben, wo es lange Zeit dauert eine auf Vertrauen gegründete und auf Sympathie beruhende Freundschaft zu Jemandem zu entwickeln, genügt in SON ein Klick, die gewünschte person ist in der Rubrik „Freunde“ zu finden. So gesehen ist es offensichtlich, dass eine Freundschaft auf Facebook nicht mit einer echten Freundschaft im realen Leben zu vergleichen ist.

Allein die Tatsache, dass der durchschnittliche Facebook-User so viele Facebook-Freunde besitzt, impliziert, dass bei der formalen Vernetzung und dem medialen Kommunikationsakt die Existenz und die Quantität deutlich schwerer gewichtet wird als die Qualität und der Inhalt. Im Zentrum der „Freundschaft“ steht nicht die emotionale Verbundenheit, die persönliche Nähe oder die Identität, sondern viel mehr die die Vernetzung und die Anzahl an sozialen Verbindungen. Inhalte innerhalb einer Facebook-Freundschaft ist Kommunikation vorwiegend informationell, kurzlebig, trivial, können aber auch von emotionaler Intensität geprägt sein. (vgl. Trost 2013: S: 52) Chats verlaufen bei Digital Natives vor allem zu Beginn sehr schematisch ab. Zunächst sind sie nicht mehr als die Bestätigung, dass man andere personen wahrnimmt und ihnen Aufmerksamkeit schenkt. Mit „Ich bin da und denke an dich, bist du auch noch da und denkst an mich“ könnte man die meisten Wortmeldungen übersetzen. (vgl. Trost 2013)

Die kurze und oberflächliche mediale Vernetzung verdrängt zunehmend die auf Vertrauen gegründete Kommunikation innerhalb einer Freundschaft. Der gleichen Ansicht ist die US-amerikanische Soziologin Sherry Turkle. Sie erklärt sich die weit verzweigte mediale Vernetzung durch Exklusionsangst, also die Angst ausgeschlossen oder ausgegrenzt zu werden. Digital Natives haben Angst vor zu großer Nähe. In dem sie in die „mediale Form der Vernetzung“ fliehen und sich ein dickes „Beziehungsgeflecht“ aufbauen, können sie Verunsicherung und Entäuschungsangst mit persönlichen Beziehungen vermeiden. Da der Mensch Angst vor der Exklusion hat, also nicht Teil des Netzwerkes zu sein oder eineVerbindungen nicht aufrecht erhalten zu können, schützt er sich durch den Aufbau ein soziales Netzwerkes und mit expressiver Darstellung. (vgl. Trost 2013: S. 52)

In einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung erklärt sie außerdem: „Eine Entschuldigung per E-Mail oder SMS erlaubt mir, die damit verbundenen Emotionen auszuklammern, also die Kommunikation zu kontrollieren. Aber zu einer Entschuldigung gehört auch die Reaktion des anderen, die Konfrontation mit Gefühlen, Reaktionen, Konsequenzen. Unsere neue Art der Kommunikation ist effizient, aber was passiert, wenn diese Effizienz plötzlich unsere zwischenmenschlichen Beziehungen bestimmt?“, setzt sie fort. (Kuhn 2011: S. 1) Damit unterstützt sie die oben genannte Behauptung, dass oberflächliche mediale Kontakte auf Vertrauen gegründete Kommunikation innerhalb einer Freundschaft verdrängen. Auf dem Buchrücken ihres Buches „Verloren unter 100 Freunden“ schreibt sie: „Wenn insbesondere junge Leute hemmungslos in Blogs, Chats, Kontaktforen und Onlinewelten abtauchen, hat das einen tieferen psychologischen Grund: Menschliche Beziehungen erscheinen zunehmend kompliziert und verletzend. Dafür bietet das Netz Kontakt ohne wahre Intimität, Gemeinschaft ohne Risiko, Nähe mit ausreichendem Sicherheitsabstand. Der moderne Mensch hat oft 100 Facebook-Friends, aber keinen einzigen echten Freund. Computer und Internet geben uns die Freiheit, überall zu arbeiten – in Wahrheit sind wir überall „gemeinsam einsam“.

Turkles Gedanken implizieren einen Wandel der Bedeutung von Freundschaft. „Intime auf Vertrauen aufgebaute Sozialbeziehungen werden zu bloßen Verbindungen degradiert, zu einer qualitativen Ressource hoher Dichte aber geringer inhaltlicher Tiefe“ (Trost 2013: S. 53).

Der Medienpädagogischer Forschungsverband Südwest konnte dieErgebnisse von Kai Erik Trost und Sherry Turkle in seiner JIM -Studie (J ugendliche, I nformation, (Multi) M edia) im Jahre 2011 nachweisen. 74 % der Befragten Jugendlichen gaben an ihre Freundschaften seien oberflächlicher geworden (vgl. Trost 2013: S. 53).

Kai Erik Trost verweißt zusätzlich auf repräsentative Studien, die einen Rückgang von engen freundschaftlichen Bindungen aufzeigt. Bei amerikanischen Erwachsenen z.B., soll die prozentzahl enger Freunde von 4% zu 2% gesunken, der prozentsatz loser Bekannte von 10 % auf 24,6 % gestiegen sein.

Jedoch ist dieses Ergebnis kritisch zu betrachten und für diese wissenschaftliche Arbeit weniger relevant, da die Befragten in dem Fall Digital Immigrants darstellen und keine Digital Natives.

Trotz allem verdient das Resultat in dieser Arbeit erwähnt zu werden, da es Interpretationsspielräume öffnen kann, sodass sich der Leser eine eigene Meinung zu der Studie bilden kann.

Forschungen über die Auswirkungen der Internetnutzung für das gesellschaftliche Leben (offline) beschreiben das phänomen der Freundschaften im Internet wie folgt: Die Internetnutzung und die Interaktion im Social Web ersetze nicht die physischen Kontakte/ Face-To-Face Kommunikation und reduziere nicht das „ Zeitbudget für sozialkommunikative Tätigkeiten (offline)“. Vielmehr werde das Zeitbudget für unsoziale Tätigkeiten, wie Schlafen, Lesen oder Telefonieren in Anspruch genommen. Dies sei dadurch zu erklären, dass Internet eine neue Form der Kommunikation biete, die die bereits bestehenden Kontakte ausdehne, weshalb investierte Zeit mit sozialen Netzwerken steige. Vor allem stärke das Internet aber auch den Kontakt zu schwachen Bindungen und mache den Aufbau von lockeren Sozialbeziehungen leichter. Die Intensität der Internetnutzung reduziere also nicht die sozialen Offline-Tätigkeiten, sondern die Kontaktaufnahme und die Kontaktdauer von Freundschaften steige an. Befürchtungen von sozialer Isolation des einzelnen und der Substitution des Face-to-Face Kontaktes können also ausgeschlossen werden. (vgl. Trost 2013: S. 58)

5.2 Nutzen von Facebook-Freundschaften

Da in dieser Arbeit von einem Bedeutungsunterschied und einem qualitativen Wandel von Freundschaften auf SON ausgegangen wird, ist es erforderlich herauszufinden, welchen Nutzen diese haben, um ein genaueres Fazit über deren Auswirkungen machen zu können. Das ist allerdings gar nicht so leicht, da Online-Freundschaften von Typ zu Typ einen unterschiedlichen Stellenwert einnehmen.

Ein Studie, die sich mit dem emotionalen Nutzen von Online-Beziehungen beschäftigte, fand heraus, dass Online-Beziehungen für sozial- kommunikative und extrovertierte Jugendliche kein Mehrwert oder alternativen Weg, sich auszudrücken, biete. Ihre Freundschaften werden offline initiiert und gepflegt. Die Online-Kommunikation ist also keine Alternative sondern lediglich eine sinnvolle Ergänzung. Bei Jugendlichen, die Angst vor Ablehnung, ein negatives Selbstbild oder wenig Erfahrungen mit Freundschaften haben, können online, anders als offline, länger über Nachrichten nachdenken und diese kognitiv bearbeiten. Im Social Web finden sie mehr Anerkennung, Sicherheit und Wertschätzung, sodass sie neue Freundschaften initiieren können, die für sie einen hohen Wert haben. (vgl. Trost 2013: S. 70)

Mittels einer anderen Studie gelang es die Importanz des Beziehungsnetzes auf Facebook für Digital Natives zu untersuchen. Diese konnte in 3 verschiedene Gruppen eingeteilt werden: „Familienersatz“, „Cliquenerweiterung“ und „Familienerweiterung“. Familienersatz bedeutet, dass der User offline ein stabiles Beziehungsnetz, mit engen Freundschaften und Kommunikationsakten führt, während Facebook lediglich bei trivialen Fragen des Alltags, zur Unterhaltung und des habitualisierten Zeitvertreibs dient. Mit Cliquenerweiterung ist gemeint, dass der Digital Native offline über eine stabiles Beziehungsnetz verfügt, wobei enge Freundschaften und Kommunikationsakte sowohl offline als auch online vorhanden sind. Demnach erweitert Facebook das Beziehungsnetz (offline) über eine neue Kommunikationsmöglichkeit (online). Die letzte Gruppe „Familienerweiterung“ unterscheidet sich stark von den ersten beiden Gruppen. Das Beziehungsnetz offline ist instabil. Online-Freundschaften sind eine zentrale Ergänzung. Sie übernehmen die „echten“ Freunde. Identitätskonstruktion und Beziehungspflege erfolgt online, wo auch sehr private Themen besprochen werden. Das SON nimmt hier die höchste Importanz ein. (Trost 2013: S. 69)

Es wird deutlich, dass Beziehungen innerhalb sozialer Netzwerke für Digital Natives von verschiedener Bedeutung sind. Während sie für den einen keinen Mehrwert einnehmen, sind sie für den anderen ein unverzichtbarer Bestandteil ihres Lebens.

5.3 Freundschaft und sozialer Vergleich

In Facebook hat man zu fast allen Menschen in seiner Umgebung Informationen und kann somit sein Umfeld besser einordnen, schneller mit Menschen in Kontakt treten oder in Kontakt bleiben.

Das hat allerdings aber auch Nachteile. Menschen können sich von anderen ein Bild machen und so Vorurteile entwickeln, bevor sie diese im echten Leben kennen gelernt haben. Von anderen Leuten wird ein Bild geschaffen, dass anhand ihres Facebook-profils und ihren Facebook-Tätigkeiten entsteht. Dieses Bild spiegelt aber oftmals nicht die wirkliche Identität einer person dar, da User in SON dazu neigen, sich so zu präsentieren, wie sie von anderen wahrgenommen werden wollen und nicht, wie sie wirklich sind.

Das hat Auswirkungen auf Freundschafts- und Sozialbeziehungen, da Leute nun eher mit anderen Menschen in Kontakt treten, die ihnen im Netz aufgrund ihrer eigenen Angaben symphatisch erscheinen. Anderen die im Netz nicht den eigenen Vorstellungen eines Freundes entsprechen, wird somit die Chance genommen, mit einander in Kontakt zu treten, ein ausgelassenes Gespräch zu führen, geschweige denn die durch SON entstandenen Vorurteile zu revidieren.

Standartisierte profilelemente sorgen für kompetitive Dynamik. Es entstehen Kriterien, die soziale Vergleichsdimensionen ermöglichen. Damit sind die Anzahl aller Kontakte, die Summe aller erhaltener Likes und Kommentare, die Inhalte von Gesprächen, die Teilnahme an Veranstaltungen, oder die Attraktivität von Bildern gemeint. (vgl. Trost, Kai Erik. 2013: S. 53) Wenn man beispielsweise wenige Freunde hat ist man ein „Opfer“, gleichzeitig wirkt es sehr unglaubwürdig, wenn man überdurchschnittlich viele Freunde hat. Ähnlich verhält es sich mit der Anzahl an Geällt-Mir Angaben. Wenn man wenige Likes aufzuweisen hat, gilt man als unattraktiv, unbeliebt oder hat keine Freunde, wer viele Likes hat gilt als „Like-Geil“ oder als „Famehure“.

Letztendlich entwickelt sich der soziale Vergleich zu einem riesigen Wettbewerb. Der Kampf nach sozialer Anerkennung ist groß. Jeder will beliebt, am coolsten oder am schönsten sein. Leute werden anhand ihrer Selbstdarstellung bewertet, Nutzer benutzen „fremdgenerierte Informationen“, um sie anhand dieser einzuschätzen. (vgl. Trost 2013: S. 53 ) Es erfolgt „positive Identitätskonstruktion, durch strategisch kluge, wirksame Selbstdarstellung bis hin zu einer Inszenierung“ (Trost 2013: S.55).

Freundschaften werden einem qualitativen und quantitativem Vergleich ausgesetzt. Daraus folgt die Intendierung einer positiven Erscheinung, bezüglich der eigenen Sozial- und Freundschafts- beziehungen. Am Schluss stellt sich die Frage: Hat die mediatisierte Freundschaftsbeziehung nur eine positive Selbstdarstellung als Ziel? Wer am meisten Kontakte pflegt, gilt als am beliebtesten.

Demnach strebt der Mensch also nach mediatisierten Sozialbeziehungen um sich selber positiver darstellen zu können. (vgl. Trost 2013: S. 55)

Gleichzeitig wird er durch soziale Netzwerke oberflächlicher. Der neutrale Blick auf andere personen entschwindet. personen werden im Netz rausgefiltert und unter die Lupe genommen.Vorurteile entstehen, die sich im echten Leben bemerkbar machen: Menschen lassen sich nur noch auf bestimmte personen ein, die den eigenen Vorstellungen entsprechen. Anderen wird die Chance sich als netter Mensch zu entpuppen genommen.

Rückblickend auf das Kapitel betrachtend lässt sich sagen, dass Digital Natives einen hohen Bedarf an Freundschaften haben. Sie bieten ein „Substitut eines Sozialstaates und einer Familie. Außerdem gewährleisten sie Sicherheit und Rückhalt, sowie emotionale Unterstützung, sprich: eine immer wichtigere Rolle in der Sozialisation. Ganz egal ob online oder offline, ob die Freundschaft körperlich präsent, räumlich entfernt oder zeitlich synchron ist. Social Media bietet in jeder Hinsicht eine neue Form der Kommunikation und pflege von Sozialbeziehungen dar. (vgl. Trost 2013: S.161)

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Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Welchen Einfluss hat Facebook auf Digital Natives?
Autor
Jahr
2016
Seiten
23
Katalognummer
V358049
ISBN (eBook)
9783668430259
ISBN (Buch)
9783668430266
Dateigröße
788 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
facebook, digital, natives, social media, soziale Netzwerke, FOMO, Smartphone, Eskapismus, Soziale Anerkennung, Generation Facebook, Neid, FOBM, soziale Medien Inszenierung Sucht
Arbeit zitieren
Jonas Lemminger (Autor:in), 2016, Welchen Einfluss hat Facebook auf Digital Natives?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/358049

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