Verwaltung und Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft. Ein Leitfaden


Fachbuch, 2017

102 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort I

Inhaltsverzeichnis ... IV

Einleitung ... 1

A. Entstehen der Erbengemeinschaft – Gesamtnachfolge in das gesamte Vermögen – wie entsteht die Erbengemeinschaft? ... 3

B. Mitglieder der Erbengemeinschaft – Wer gehört zur Erbengemeinschaft? ... 4
I. Gesetzliche Erben ... 4
1. Verwandte ... 4
2. Ehegatte ... 7
a. Gültige Ehe – kein begründeter Scheidungsantrag ... 7
b. Ehegattenvoraus – gesetzliches Vermächtnis zugunsten des überlebenden Ehegatten ... 7
3. Umfang des Ehegattenerbrechts ... 8
a. Zugewinngemeinschaft - Ausgleich des Zugewinns im Erbfall ... 8
b. Erbrechtliche Quote des überlebenden Ehegatten bei Zugewinngemeinschaft ... 9
c. Quote des Ehegattenerbrechts bei Gütertrennung ... 10
d. Gütergemeinschaft ... 11
e. Wahl-Zugewinngemeinschaft ... 11
f. Ausländisches Erbrecht und Zugewinn ... 11
II. Gewillkürte Erbfolge - Erben nach dem Willen des Erblassers ... 13
III. Feststellung der Erben in Anwendung gesetzlicher Auslegungsregeln ... 13
IV. Veränderungen in der Erbengemeinschaft ... 15
1. Wandelbarkeit und Änderungen ... 15
2. Ausschlagung ... 15
3. Anfechtung der Erbschaftsannahme – Anfechtung der Ausschlagung ... 16
4. Tod eines Miterben ... 16
5. Verkauf Erbteil ... 17
a. Anteil am Nachlass – Anteil am Nachlassgegenstand ... 17
b. Vorkaufsrecht der Miterben bei Verkauf eines Miterbenanteils ... 17
c. Verfügung über einzelne Nachlassgegenstände ... 17
6. Eintritt eines Nacherbfalls ... 18
7. Wiederverheiratungsklausel ... 18
8. Änderung der rechtlichen Beurteilung ... 18
9. Bekanntwerden neuer Tatsachen ... 19
V. Zwischenergebnis ... 19

C. Der Nachlassbestand – Ermittlung – Was gehört zum Nachlass ... 20
I. Tatsächliche und rechtliche Klärung des Bestands ... 20
II. Auskunft ... 21
III. Belegvorlage ... 23
IV. Anforderung von Urkunden im Prozess ... 23
V. Einzelne Sachen und Rechte im Nachlass ... 24
1. Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis ... 24
2. Bankkonten ... 25
3. Bürgschaft und Grundschuld im Fremdinteresse ... 26
4. Digitaler Nachlass ... 26
5. Immobilien ... 27
6. Kunstgegenstände, Sammlungen ... 28
7. Mietverhältnis ... 28
8. Nutzungsentschädigung ... 30
9. Unternehmen oder Unternehmensbeteiligung im Nachlass ... 31
a. Allgemeines ... 31
b. Rechtsform ... 31
c. Gesellschaftsvertrag – Erbfolge ... 31
d. Steuern bei Unternehmen im Nachlass ... 33
10. Verträge zu Gunsten Dritter ... 35
a. Lebensversicherungen ... 35
(1) Allgemeines ... 35
(2) Widerruf des Botenauftrags und Widerruf des Schenkungsangebots ... 36
(3) Bewertung der Leistung aus einer Lebensversicherung ... 37
(3.1) Widerrufliches Bezugsrecht ... 37
(3.2) Unwiderruflichen Bezugsrecht ... 37
b. Sparguthaben auf den Namen Dritter ... 37
11. Vermögen im Ausland ... 38
12. Sonstige Rechte ... 38
VI. Bewertung von Nachlassgegenständen ... 39
VII. Surrogation von Rechten und Gegenständen ... 40

D. Grundsatz der Eigenverwaltung und deren Schranken – wer verwaltet den Nachlass? ... 41
I. Grundsatz der Eigenverwaltung ... 41
II. Erblasser setzt Grenzen – wie kann der Erblasser die Eigenverwaltung der Erben ausschließen oder einschränken? ... 41
1. Erblasser begrenzt Eigenverwaltung durch letztwillige Verfügung ... 42
a. Testamentsvollstreckung ... 42
b. Auflage ... 44
c. Bedingte Zuwendung – Straf- und Verwirkungsklauseln ... 45
d. Ausschluss der Erbauseinandersetzung – Teilungsverbot ... 45
e. Übernahmerecht ... 46
f. Vermächtnis ... 46
2. Erblasser begrenzt Verwaltung und Auseinandersetzung durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden ... 47
a. Erblasser begründet gegen jeden wirkende dingliche Rechte ... 47
b. Schuldrechtliche Vereinbarungen – Bindung der Erben als Rechtsnachfolger ... 47
c. Ausschlagung des Erbes bei Testamentsvollstreckung und Teilungsausschluss ... 48
d. Zwischenergebnis ... 49
III. Wie können Erben oder Dritte die Eigenverwaltung der Erben ausschließen oder einschränken? Nachlassverwaltung durch bestellten Verwalter – Nachlassinsolvenz ... 50
1. Antrag Dritter ... 50
2. Antragspflicht der Erben ... 50
3. Zwischenergebnis ... 50

E. Haftung der Miterben gegenüber Dritten – wann und wie haften Erben? ... 51
I. Haftung der Erben bis zur Teilung – nach der Teilung ... 51
II. Nachlassinsolvenz bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ... 52
III. Nachlassverwaltung durch gerichtlich bestellten Nachlassverwalter ... 53
IV. Dürftigkeitseinrede ... 53

F. Verwaltung der Erbengemeinschaft - einzelne Maßnahmen – wie verwalten die Erben den Nachlass? ... 54
I. Entscheidungen in der Erbengemeinschaft ... 54
II. Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung - wann wird Einstimmigkeit verlangt? ... 56
III. Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung - wann wird Mehrheit benötigt? ... 57
1. Der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Gegenstands entsprechende Entscheidung beabsichtigt? ... 57
2. Kündigung eines Mietverhältnisses durch Erbengemeinschaft ... 58
3. Kündigung eines Darlehens ... 59
4. Veräußerung eines Grundstücks durch Erbengemeinschaft ... 59
IV. Wann handelt ein Erbe mit Wirkung für alle? Notwendige Verwaltung (Notverwaltung) – keine Entscheidung Erbengemeinschaft erforderlich ... 60
V. Verwaltung, Nutzung und Verteilung der Früchte und Nachlassgegenstände bei laufender Verwaltung ... 60
VI. Nachlassforderungen - Geltendmachung der Ansprüche des Nachlasses ... 61
VII. Teilungsversteigerung ... 62

G. Beendigung der Erbengemeinschaft – wer verteilt den Nachlass? ... 63
I. Miterben bestimmen Form und Inhalt der Auseinandersetzung ... 63
II. Anspruch der Miterben auf Auseinandersetzung ausgeschlossen oder eingeschränkt? ... 65

H. Welche Regeln gelten bei der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft? ... 66
I. Form der Auseinandersetzung ... 66
1. Auseinandersetzungsvertrag ... 66
2. Abschichtung ... 66
3. Vermittlungsverfahren nach § 363 ff FamFG ... 67
4. Teilungsklage ... 67
5. Übertragung der Erbteile auf einen Miterben ... 68
6. Gerichtliche Zuweisung eines landwirtschaftlichen Betriebes ... 68
7. Mediationsverfahren ... 69
a. Verstehen von Bedürfnissen und Interessen ... 69
b. Phasen der Mediation ... 69
c. Unterschied zu Gerichtsverfahren ... 70
d. Rechtliche Schranken im Erbrecht ... 70
(1) Nichtbeachtung der Form – unwirksame Verfügung ... 71
(2) Blockade der Erbengemeinschaft wegen fehlendem Konsens ... 71
(3) Konflikte ohne gesetzliches Lösungsprogramm ... 73
(4) Entscheidung für Rechtsstreit kann Konflikt eskalieren ... 73
e. Tatsächliche Schranken bei Verwaltung und Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft ... 74
f. Chancen des Mediationsverfahrens ... 74
g. Rechtliche Risiken im Mediationsverfahren ... 75
h. Abschlussvereinbarung ... 75
II. Inhaltliche Vorgaben zur Nachlassauseinandersetzung – Schranken des materiellen Rechts ... 76
1. Anordnungen des Erblassers und Vereinbarungen der Erben gehen vor ... 76
2. Gesetzliche Schranken ... 76
a. Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten § 2046 BGB ... 76
b. Erblasserschulden ... 76
c. Erbfallschulden ... 77
(1) Pflichtteil ... 77
(2) Vermächtnisse, Auflagen ... 77
d. Erbschaftsverwaltungs- oder Nachlasskostenschulden ... 77
3. Berücksichtigung lebzeitiger Zuwendungen des Erblassers – Schenkungen und Vermögensübertragungen an Kinder und deren Kinder – Ausgleichung ... 78
a. Zuwendungen, Ausstattung ... 78
b. Ausgleichungspflicht bei besonderen Leistungen eines Abkömmlings ... 79
III. Eckpunkte der Auseinandersetzungsvereinbarung ... 81
1. Darstellung des Bestands - Transparenz der Bewertung von Nachlassgegenständen ... 81
2. Wechselseitige Verpflichtungen ... 82
3. Gewährleistung – Haftung ... 82
4. Erledigungsklausel ... 82
5. Kosten ... 82

I. Was tun bei Meinungsverschiedenheiten? ... 83
I. Meinungsverschiedenheiten in der Erbengemeinschaft ... 83
1. Wer ist Erbe? ... 83
a. Erbscheinverfahren ... 83
(1) Erbschein bei gesetzlicher Erbfolge ... 84
(2) Erbschein bei letztwilliger Verfügung ... 84
(3) Erforderliche Nachweise ... 84
b. Feststellungsklage ... 85
2. Meinungsverschiedenheiten zur Verwaltung des Nachlasses - Wie wird der Nachlass verwaltet? ... 85
a. Rechtsstreit eines Erben gegen einen Miterben ... 85
3. Wie wird der Nachlass auseinandergesetzt? ... 86
II. Meinungsverschiedenheiten mit Dritten ... 86
1. Nachweis der Erbenstellung ... 86
2. Ansprüche des Erblassers – Erben oder Erbengemeinschaft als Kläger ... 87
3. Forderungen gegen den Erblasser - Erben oder Erbengemeinschaft als Beklagter ... 87
a. Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung im Prozess ... 87
b. Beschränkte Erbenhaftung in der Zwangsvollstreckung ... 88
c. Keine Haftungsbeschränkung bei durch Vormerkung gesicherten Anspruch ... 88
III. Gerichtliches Verfahren oder Mediation? ... 88

Schlussbemerkung ... 89

Literatur ... 90

Einleitung

In der Regel möchten wir selbst entscheiden, mit wem wir wirtschaftlich oder persönlich verbunden sein wollen. Entscheidungen zur Verwaltung eigenen Vermögens wollen wir selbst treffen. Dritte werden nur eingebunden, wenn wir dies selbst so wollen. Privatautonomie und persönliche Souveränität sind für uns selbstverständlich.

Anders ist dies bei der Erbengemeinschaft. Sie entsteht zu einem nicht selbst bestimmten Zeitpunkt – dem Erbfall. Mit dem Erbfall befindet man sich in einer auf Dauer angelegten Gemeinschaft mit anderen Menschen, die der Gesetzgeber oder der Erblasser [1] festgelegt haben. Oft steht bis zu einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung nicht fest, wer zum Kreis der Erben gehört. Teilweise melden sich erst Jahre nach dem Erbfall Personen, die ein Recht am Nachlass behaupten. Oft ist nicht bekannt, welches Vermögen zum Nachlass gehört.

Unterschiedlichste Vorstellungen und Interessen der Erben oder auch vermeintlicher Erben können aufeinanderprallen. Bei Beteiligung minderjähriger Erben oder von Erben, die unter Betreuung stehen, sind viele Entscheidungen von der Zustimmung des Vormundschaftsgerichts abhängig.

Immer muss geprüft werden, welches Recht zur Anwendung kommt. Die Anwendbarkeit von deutschem oder ausländischem Recht kann zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen. Vorliegend wird davon ausgegangen, dass deutsches Recht zur Anwendung kommt. Für Erbfälle, die sich nach dem 17.08.2015 ereignet haben muss geprüft werden, welche Rechtsfolgen sich aus der Europäischen Erbrechtsverordnung ergeben.

Ziel dieses Leitfadens ist es, wichtige Regelungen dieser gesetzlichen Regelungen und den in letztwilligen Verfügungen formulierten Vorstellungendes Erblassers folgenden Zufalls- und Zwangsgemeinschaft darzustellen - von der Entstehung bis zur Auseinandersetzung. Der Leitfaden soll einen kurzen Einstieg in die Rechtswelt der Erbengemeinschaft ermöglichen.

Mit Entstehen der Erbengemeinschaft der Erbengemeinschaft treten zahlreiche Fragen auf. Wer gehört zur Erbengemeinschaft? Was gehört zum Nachlass? Wie wird der Bestand des Nachlasses ermittelt? Wer verwaltet die Erbengemeinschaft? Wann ist die Verwaltung der Erbengemeinschaft durch die Erben und ihre Auseinandersetzung ausgeschlossen? Wie erfolgt die Verwaltung? Welche Pflichten haben die Erben? Wie haften Erben gegenüber Dritten? Wer ist berechtigt, Ansprüche für den Nachlass geltend zu machen? Welche Möglichkeiten zur Beendigung der Erbengemeinschaft gibt es?

Der vorliegende Leitfaden sucht Antworten im Gesetz und in gerichtlichen Entscheidungen. Grundlage ist die Anwendung deutschen Rechts. Bei Auslandsbezug muss geklärt werden, welches Recht zur Anwendung kommt und welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben.

Der Gesetzeswortlaut der jeweiligen Normen ist oft wörtlich wiedergegeben. Fußnoten verweisen auf die genannten Paragrafen und ermöglichen die weitere Recherche. Wichtige Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und der Obergerichte werden zitiert. Hinweise auf weiterführende Literatur sollen eine Vertiefung ermöglichen.

Die Arbeit ist aus der täglichen Arbeit in der Beratung, Vertretung und Prozessführung zahlreicher erbrechtlicher Mandate und aus meiner Vortragstätigkeit entstanden.

Hans-Jürgen Kleinert

A. Entstehen der Erbengemeinschaft – Gesamtnachfolge in das gesamte Vermögen – wie entsteht die Erbengemeinschaft?

Eine Erbengemeinschaft entsteht von Gesetzes wegen mit dem Erbfall, wenn mindestens zwei Erben vorhanden sind. Mit dem Tode einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über. [2] Hinterlässt der Erblasser mehrere Erben, so wird der Nachlass gemeinschaftliches Vermögen der Erben.[3]

Die Erbengemeinschaft ist weder rechtsfähig noch parteifähig. Die Grundsätze zur Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und zur Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sind nicht auf die Erbengemeinschaft zu übertragen. [4]

Die Erbengemeinschaft ist nicht auf Dauer angelegt. Sie ist auf Auseinandersetzung gerichtet. Sie verfügt über keine eigenen Organe, durch die sie im Rechtsverkehr handeln könnte.

Die Erbengemeinschaft ist daher kein eigenständiges, handlungsfähiges Rechtssubjekt, sondern lediglich eine gesamthänderisch verbundene Personenmehrheit, der mit dem Nachlass ein Sondervermögen zugeordnet ist.[5]

B. Mitglieder der Erbengemeinschaft – Wer gehört zur Erbengemeinschaft?

I. Gesetzliche Erben

Wer Erbe wird bestimmen Erblasser und Gesetz. Vorrang vor den gesetzlichen Vorschriften hat der formwirksam geäußerte Wille des Erblassers. Hat der Erblasser keine wirksame letztwillige Verfügung hinterlassen, gilt die gesetzliche Erbfolge. Zunächst ist deshalb zu klären, ob der Erblasser ein Testament oder einen Erbvertrag hinterlassen hat. Auskunft kann die beim Nachlassgericht geführte Nachlassakte geben. Es sollte immer Einsicht in die Nachlassakte genommen werden. Ist kein Testament vorhanden, ist zu fragen, wer nach den gesetzlichen Regeln Erbe geworden ist.

Gesetzliche Erben sind die Verwandten und der Ehegatte/Lebenspartner. [6]Bei der gesetzlichen Erbfolge muss geklärt werden, wer mit dem Erblasser verwandt ist und welche Urkunden die Verwandtenstellung belegen. Steht fest, wer Erbe geworden ist, ist zu klären, ob die Erben berechtigt sind, für den Nachlass zu handeln.

Die gesetzlichen Erben bestimmt der Gesetzgeber aus dem Kreis der Familienangehörigen. Es sind die Verwandten und der Ehegatte. Der Gesetzgeber bestimmt auch mit welchem Anteil jeder Erbe am Nachlass beteiligt ist. Der Umfang des Ehegattenerbrechts ist davon abhängig, neben wem der Ehegatte (Kinder, Eltern, Großeltern ...) erbt. Eine Rolle spielt außerdem, in welchem Güterstand die Eheleute gelebt haben.

1. Verwandte

Verwandt sind Personen, wenn eine von der anderen abstammt (§ 1589 BGB). Personen sind auch verwandt, wenn sie von einer dritten Person abstammen.

Durch Adoption kann Verwandtschaft im rechtlichen Sinn begründet werden.[7] Das Adoptionsrecht kennt die Adoption des Minderjährigen und die Adoption des Volljährigen. Die Adoption des Volljährigen kann mit und ohne Wirkung der Adoption eines Minderjährigen erfolgen. Die Unterschiede sind erheblich. Bei der Adoption eines Minderjährigen erlischt das Eltern-Kind-Verhältnis zu den eigenen Eltern, bei der Adoption eines Volljährigen nur, wenn die Wirkung der Adoption eines Minderjährigen angeordnet ist. Ob eine Adoption erfolgt ist, ist auf der beim Standesamt geführten Geburtsurkunde vermerkt. Eine abschließende rechtliche Bewertung der Wirkung einer Adoption ist nach Einsicht in die Adoptionsakte möglich. Wenn ausgeschlossen sein soll, dass ein nach Adoption nicht mehr verwandter Abkömmling erbt, muss beim Standesamt eine aktuelle Abschrift der Geburtsurkunde verlangt werden.

Als verwandt gilt auch das Kind, das während der Ehe des Mannes mit der Mutter geboren wird und deren Ehemann, auch wenn der Vater nicht der leibliche Vater ist. Der Ehemann der Mutter gilt bis zur Anfechtung der Vaterschaft als Vater des Kindes. [8] Vater ist auch, wer die Vaterschaft anerkannt hat. [9]

Ist ausländisches Recht anzuwenden, kann die Bewertung von deutschem Recht abweichen. In einer Entscheidung vom 20.04.2016 hatte der Bundesgerichtshof zu klären, ob die bei Anwendung von südafrikanischem Recht gegebene Elternstellung der Ehefrau der Mutter eines während der Partnerschaft geborenen Kindes gegen deutsche ordre public verstößt, oder anzuerkennen ist. [10] Der Bundesgerichtshof kam in einer ausführlich begründeten Entscheidung zu dem Ergebnis, dass die Elternstellung der Ehefrau der Mutter anzuerkennen ist.[11] Im deutschen Recht werden unter den Themen rechtliche, biologische und soziale Elternschaft eine Reihe von Thesen zur Elternschaft diskutiert, [12] die in langfristige Erwägungen einbezogen werden sollten.

In Deutschland galten nichteheliche Kinder, die vor dem 01.07.1949 geboren wurden, als nicht mit dem Vater verwandt. Eine Gleichstellung der vor dem 01.07.1949 geborenen nichtehelichen Kinder mit ehelichen Kindern erfolgte für Erbfälle ab dem 29.05.2009. Für frühere Erbfälle bleibt es nach derzeitiger gesetzlicher Regelung bei der Sichtweise, dass zwischen Vater und nichtehelichem Kind kein Verwandtschaftsverhältnis besteht. [13] Das Bundesverfassungsgericht hält dies für verfassungsgemäß. [14] Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte teilt dies Auffassung nicht. Er bestätigt die grundsätzliche Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder. [15] Er hat die Bundesrepublik Deutschland im Februar 2017 erneut wegen einer Diskriminierung nichtehelicher Kinder im Erbrecht verurteilt. [16]

Nicht verwandt sind Ehegatten, Verschwägerte (Eltern des Ehegatten, Schwager, Schwägerin etc.) und die Verwandten des Ehegatten des Erblassers.

Die Verwandten sind in verschiedene Ordnungen eingeteilt. Gesetzliche Erben der ersten Ordnung sind die Kinder des Erblassers und deren Kinder.[17] Gesetzliche Erben der zweiten Ordnung sind die Eltern des Erblassers und deren Kinder. [18] Der Gesetzgeber verwendet statt des Begriffs „Kinder“ das Wort „Abkömmlinge“. Entscheidend ist das familienrechtliche Verständnis. [19]Es wird also nicht auf die biologische Abstammung, sondern auf die familienrechtlichen Bestimmungen abgestellt. [20]

Zu den gesetzlichen Erben der zweiten Ordnung gehören auch Geschwister, Neffen und Nichten. Gesetzliche Erben der dritten Ordnung sind die Großeltern des Erblassers und deren Kinder und Kindeskinder. Regelungen hat der Gesetzgeber auch für die vierten und ferneren Ordnungen getroffen. Die Rangfolge der Ordnungen ist wie folgt geregelt:

Ein Verwandter ist nicht zur Erbfolge berufen, solange ein Verwandter einer vorhergehenden Ordnung vorhanden ist. [21] Ein Kind, das zum Zeitpunkt des Erbfalls lebt, schließt die durch das Kind mit dem Erblasser verwandten Personen von der Erbfolge aus. [22] An die Stelle eines nicht mehr lebenden Kindes treten dessen Kinder. Kinder erben zu gleichen Teilen. Sind keine Erben der ersten Ordnung vorhanden, so sind die Erben der zweiten Ordnung Erben. Leben zum Zeitpunkt des Erbfalles die Eltern des Erblassers, so erben sie als Erben der zweiten Ordnung allein und zu gleichen Teilen. Lebt ein Elternteil nicht mehr, treten an seine Stelle seine Kinder.

2. Ehegatte

a. Gültige Ehe – kein begründeter Scheidungsantrag

Das gesetzliche Ehegattenerbrecht setzt das Bestehen einer Ehe voraus. Wurde eine frühere Ehe eines der Ehegatten nicht rechtskräftig geschieden[23] oder erfolgte die Eheschließung nicht wirksam, so kommt ein Ehegattenerbrecht nicht in Betracht.

Trotz bestehender wirksam geschlossener Ehe kann das Ehegattenerbrecht ausgeschlossen sein, wenn die Voraussetzungen für eine Scheidung der Ehe vorgelegen haben und der Erblasser die Scheidung der Ehe beantragt hat[24] oder dem Scheidungsantrag zugestimmt hat. [25] Die Zustimmung muss in prozessual wirksamer Form erfolgen. Als Zustimmung zum Scheidungsantrag des anderen Ehegatten genügt der Zugang einer vom Erblasser eigenhändig unterschriebenen Erklärung bei Gericht. [26]

b. Ehegattenvoraus – gesetzliches Vermächtnis zugunsten des überlebenden Ehegatten

Der überlebende Ehegatte hat neben den Verwandten der zweiten Ordnung ein Vorausvermächtnis, das sich auf die zum ehelichen Haushalt gehörenden Gegenstände und die Hochzeitsgeschenke richtet. [27] Neben Verwandten der ersten Ordnung gebühren ihm die Gegenstände die er zur Führung eines angemessenen Haushalts benötigt. [28]Voraussetzung ist jeweils, dass der überlebende Ehegatte gesetzlicher Erbe ist. [29]

3. Umfang des Ehegattenerbrechts

Der Umfang des Ehegattenerbrechts ist zum einen vom gesetzlichen Güterstand abhängig, in dem die Eheleute leben, zum anderen davon, neben welchen Verwandten der überlebende Ehegatte erbt. Möglich sind folgende Güterstände:

- Zugewinngemeinschaft

- Wahl-Zugewinngemeinschaft

- Gütertrennung

- Gütergemeinschaft.

Wenn zwischen den Eheleuten kein notarieller Ehevertrag geschlossen wurde, gilt der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Bei der Zugewinngemeinschaft wird bei Beendigung des Güterstandes das Vermögen, das die Eheleute während der Ehe erwirtschaftet haben nach gesetzlichen Vorschriften ausgeglichen. Der Güterstand der Zugewinngemeinschaft kann durch Vertrag, Ehescheidung und Tod eines Ehegatten beendet werden. Für den Fall, dass der Güterstand durch den Tod eines Ehegatten endet, gibt es vom Güterstand abhängige Alternativen.

Der überlebende Ehegatte des Erblassers ist neben Verwandten der ersten Ordnung zu einem Viertel, neben Verwandten der zweiten Ordnung oder neben Großeltern zur Hälfte der Erbschaft als gesetzlicher Erbe berufen. Treffen mit Großeltern Abkömmlinge von Großeltern zusammen, so erhält der Ehegatte auch von der anderen Hälfte den Anteil, der nach § 1926 BGB den Abkömmlingen zufallen würde. [30] Sind weder Verwandte der ersten oder der zweiten Ordnung noch Großeltern vorhanden, so erhält der überlebende Ehegatte die ganze Erbschaft. [31]

a. Zugewinngemeinschaft - Ausgleich des Zugewinns im Erbfall

Wird der überlebende Ehegatte Erbe, wird der Ausgleich des Zugewinns dadurch verwirklicht, dass sich der Erbteil des überlebenden Ehegatten um ein Viertel erhöht.

Wird der überlebende Ehegatte nicht Erbe und steht ihm auch kein Vermächtnis zu, erhält der überlebende Ehegatte den Pflichtteil. Der Ausgleich des Zugewinns wird nach den Vorschriften durchgeführt, die auch im Fall der Scheidung einer Ehe gelten. [32] Der Pflichtteil des überlebenden Ehegatten oder eines anderen Pflichtteilsberechtigten bestimmt sich in diesem Falle nach dem nicht erhöhten gesetzlichen Erbteil des Ehegatten. [33]

Schlägt der überlebende Ehegatte die Erbschaft aus, kann er Ausgleich des Zugewinns und des Pflichtteils verlangen.

Allerdings gilt dies nicht, wenn er durch Vertrag mit dem Ehegatten auf sein gesetzliches Erbrecht oder den Pflichtteil verzichtet hat.

b. Erbrechtliche Quote des überlebenden Ehegatten bei Zugewinngemeinschaft

Neben Kindern und Kindeskindern erhält der überlebende Ehegatte im Güterstand der Zugewinngemeinschaft die Hälfte: Der überlebende Ehegatte erbt neben Verwandten der ersten Ordnung zu einem Viertel. Hinzu kommt das Viertel, das er im Rahmen des Zugewinnausgleichs erhält.

Neben Eltern, Geschwistern und deren Kinder und Kindeskindern ist er zu drei Vierteln am Erbe beteiligt: Der überlebende Ehegatte erbt neben Verwandten der zweiten Ordnung zur Hälfte. Hinzu kommt das Viertel, das er im Rahmen des Zugewinnausgleichs erhält.

Der Pflichtteil des überlebenden Ehegatten, der unabhängig von der Höhe Erbe oder Vermächtnisnehmer ist, bemisst sich neben Abkömmlingen des Erblassers grundsätzlich auf ein Viertel des Nachlasses (sog. großer Pflichtteil), da nach § 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB der Pflichtteil in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils besteht, während die Pflichtteilsrechte der Abkömmlinge sich insgesamt ebenfalls auf ein Viertel des Nachlasses beschränken. [34]

Für den Fall, dass der überlebende Ehegatte nicht Erbe wird und kein Vermächtnis erhält, beträgt sein Pflichtteil neben Kindern und Kindeskindern ein Achtel des Nachlasses. [35] Hinzu kommt der Zugewinnausgleichsanspruch. Neben Eltern, Geschwistern und deren Kinder beträgt der Pflichtteil ein Viertel. Auch hier kommt der Zugewinnausgleichsanspruch hinzu.

Sind weder Verwandte der ersten oder zweiten Ordnung noch Großeltern vorhanden, so erbt der überlebende Ehegatte alles (§ 1931 II BGB).

Schenkungssteuerlich gilt der Erwerb von Vermögen durch Ausgleich des Zugewinns nicht als Schenkung. Im Fall des Ausgleichs des Zugewinns durch pauschale Erhöhung des Erbteils um ein Viertelgilt ein Betrag in Höhe des tatsächlich sich ergebenden Zugewinns nicht als Erwerb von Todes wegen gilt und ist steuerfrei (§ 5 ErbStG).

c. Quote des Ehegattenerbrechts bei Gütertrennung

Bestand beim Erbfall Gütertrennung und sind als gesetzliche Erben neben dem überlebenden Ehegatten ein oder zwei Kinder des Erblassers berufen, so erben der überlebende Ehegatte und jedes Kind zu gleichen Teilen. An die Stelle eines zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebenden Abkömmlings treten die durch ihn mit dem Erblasser verwandten Abkömmlinge (Erbfolge nach Stämmen).[36]

Für den Fall, dass die Ehegatten durch notariellen Ehevertrag den Güterstand der Gütertrennung vereinbart haben, findet ein Zugewinnausgleich nicht statt. Das bedeutet, dass im Fall der Beendigung des Güterstandes durch Tod eines Ehegatten der gesetzliche Erbteil nicht um ein Viertel erhöht wird. Im Einzelnen bedeutet dies:

Erbt der Ehegatte neben einem Kind, zwei oder drei Kindern, erben der überlebende Ehegatte und die Kinder zu gleichen Teilen. Bei einem Kind erben Ehegatte und Kind je zur Hälfte, bei zwei Kindern je zu einem Drittel, bei drei Kindern zu einem Viertel. Bei mehr als drei Kindern bleibt es bei einem Ehegattenerbrecht von einem Viertel.

Erbt der überlebende Ehegatte neben Eltern oder Geschwistern des Erblassers bzw. deren Kinder, erbt er zur Hälfte.

Für den Fall, dass der überlebende Ehegatte nicht Erbe wird, bleibt er auf den Pflichtteil, also den halben gesetzlichen Erbteil beschränkt. Ein weiterer Ausgleich findet nicht statt.

d. Gütergemeinschaft

Der Güterstand der Gütergemeinschaft muss ebenfalls in notarieller Form vereinbart sein. Die Gütergemeinschaft kennt fünf verschiedene Vermögensmassen: Das Gesamtgut der Eheleute, Vorbehaltsgut und Sondergut der Ehefrau sowie Vorbehalts- und Sondergut des Ehemannes. Der Anteil des Erblassers am Gesamtgut, sein Sondergut, soweit er vererblich und das Vorbehaltsgut gehören zum Nachlass. Nach der gesetzlichen Erbfolge erbt der überlebende Ehegatte ein Viertel des aus dem Anteil am Gesamtgut und dem Vorbehaltsgut sowie verderblichen Sondergut bestehenden Nachlass.

Die Ehegatten können durch notarielle Vereinbarung bestimmen, dass die Gütergemeinschaft zwischen dem überlebenden Ehegatten und den gemeinschaftlichen Abkömmlingen fortgesetzt wird (§§ 1483 ff BGB)

e. Wahl-Zugewinngemeinschaft

Bei der Wahl-Zugewinngemeinschaft ist im Fall der gesetzlichen Erbfolge keine Erhöhung des Ehegattenviertels um ein Viertel vorgesehen. Es bleibt bei der Quote von einem Viertel neben Kindern und einer Hälfte neben Eltern. Der überlebende Ehegatte kann den Ausgleich des Zugewinns verlangen.[37]

f. Ausländisches Erbrecht und Zugewinn

Die Anwendbarkeit von ausländischem Erbrecht neben deutschem Güterrecht bereitet seit Jahren Schwierigkeiten. [38] Ist die Erbquote des überlebenden Ehegatten aufgrund ausländischen Erbrechts größer als ein Viertel, erhält der überlebende Ehegatte in der Zugewinngemeinschaft über die Erhöhung des Erbteils um ein Viertel einen Erbteil, der über die Hälfte des Nachlasses ausmacht. Seit Jahrzehnten wird diskutiert, wie eine Lösung aussehen muss. Im Zentrum steht die Frage, ob § 1371 Absatz 1 BGB, der bei Anwendung von deutschem Erbrecht zu der Erhöhung der Erbquote um ein Viertel führt, erbrechtlich oder güterrechtlich zu qualifizieren ist. Handelt es sich um eine Norm des Erbrechts, kommt es zu keiner Erhöhung, weil in diesem Fall die Erbquote nach ausländischem Recht bestimmt wird. Im Falle der güterrechtlichen Qualifizierung wird die Erbquote um das güterrechtliche Viertel erhöht.

Der Bundesgerichtshof qualifiziert das in § 1371 Absatz 1 BGB geregelte Viertel in einer Entscheidung vom 13.05.2015 güterrechtlich. [39] Der BGH:

„(2) § 1371 Abs. 1 BGB ist i. S. der Art. 15 , 25 EGBGB rein güterrechtlich zu qualifizieren.

[26] (a) Zweck der Vorschrift ist es, den Güterstand als Sonderordnung des Vermögens der Eheleute während und aufgrund ihrer Ehe abzuwickeln, nicht aber den Längstlebenden kraft seiner nahen Verbundenheit mit dem Verstorbenen an dessen Vermögen zu beteiligen (vgl. Kegel/ Schurig, Internationales Privatrecht 9. Aufl. S. 853 f.). Der Gesetzgeber hatte bei Einführung des gesetzlichen Güterstandes der Zugewinngemeinschaft erkannt, dass der Ausgleich des Zugewinns durch Gewährung einer Ausgleichsforderung auf die Schwierigkeit stößt, exakte Feststellungen über Bestand und Wert des Anfangs- sowie des Endvermögens zu treffen, und diese Schwierigkeit besonders groß ist, wenn ein Ehegatte verstorben ist, da die Erben über den Bestand des Anfangs- und Endvermögens des Erblassers gemeinhin nicht Bescheid wissen und der Eintritt des Güterstandes in diesen Fällen nicht selten längere Zeit zurückliegt (vgl. Massfeller/Reinicke, Das Gleichberechtigungsgesetz 1958 § 1371 BGB unter 1). Die damit einhergehenden Probleme sollten durch die Pauschalierung des § 1371 Abs. 1 BGB vermieden werden, von welcher der Gesetzgeber annahm, dass sie tendenziell der güterrechtlichen Lage entspricht (Muscheler, Erbrecht I 2010 Rn. 1423).

[27] Rechtstechnisch wählte er hierzu den Weg der Erhöhung des gesetzlichen Erbteils, die zu einer Erweiterung der unmittelbaren Beteiligung des Längstlebenden am Vermögen des Erstversterbenden führt, jedoch nichts an ihrer Einordnung als "besondere Art des Zugewinnausgleichs" (Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht, BT-Drucks. 2/3409, S. 16 f., 20, sowie des Unterausschusses "Familienrechtsgesetz" BAnz. Nr. 154 vom 10. August 1956 S. 11, 13) ändert, die der Gesetzgeber durch die Wahl des Worts "verwirklicht" zum Ausdruck gebracht hat (Massfeller/Reinicke aaO unter 2).“

Dem entsprechend ist künftig bei der Anwendung von deutschem Güterrecht neben ausländischem Erbrecht der Erbteil des überlebenden Ehegatten um ein Viertel zu erhöhen.

Dies wird wichtig, wenn nach der Europäischen Erbrechtsverordnung bei deutschen Ehegatten ausländisches Erbrecht anzuwenden ist, weil sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland verlegt haben.

II. Gewillkürte Erbfolge - Erben nach dem Willen des Erblassers

Der Erblasser kann durch formwirksame Verfügung von Todes wegen einen oder mehrere Personen zu seinen Erben bestimmen. Die Bestimmung des Erblassers geht der gesetzlichen Erbfolge vor. Keiner der gesetzlichen Erben wird Erbe, wenn der Erbe dies nicht will und diesen Willen formwirksam erklärt hat. Das deutsche Erbrecht kennt zwar Pflichtteilsrechte naher Angehöriger und des Ehegatten. Der Pflichtteilsberechtigte nach deutschem Recht ist aber nicht Mitglied der Erbengemeinschaft. Der Pflichtteilsberechtigte hat nur einen auf Zahlung gerichteten Anspruch.

III. Feststellung der Erben in Anwendung gesetzlicher Auslegungsregeln

Führt die Auslegung einer letztwilligen Verfügung zu keinem eindeutig feststellbaren Willen des Erblassers, sind gesetzlichen Auslegungsregeln anzuwenden.

Hat der Erblasser seine gesetzlichen Erben ohne nähere Bestimmung bedacht, so sind diejenigen, welche zur Zeit des Erbfalls seine gesetzlichen Erben sein würden, nach dem Verhältnis ihrer gesetzlichen Erbteile bedacht. Ist die Zuwendung unter einer aufschiebenden Bedingung oder unter Bestimmung eines Anfangstermins gemacht und tritt die Bedingung oder der Termin erst nach dem Erbfall ein, so sind im Zweifel diejenigen als bedacht anzusehen, welche die gesetzlichen Erben sein würden, wenn der Erblasser zur Zeit des Eintritts der Bedingung oder des Termins gestorben wäre. [40]

Hat der Erblasser seine Verwandten oder seine nächsten Verwandten ohne nähere Bestimmung bedacht, so sind im Zweifel diejenigen Verwandten, welche zur Zeit des Erbfalls seine gesetzlichen Erben sein würden, als nach dem Verhältnis ihrer gesetzlichen Erbteile bedacht anzusehen. [41]

Hat der Erblasser seine Kinder ohne nähere Bestimmung bedacht und ist ein Kind vor der Errichtung des Testaments mit Hinterlassung von Abkömmlingen gestorben, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an die Stelle des Kindes treten würden. [42]

Hat der Erblasser einen seiner Abkömmlinge bedacht und fällt dieser nach der Errichtung des Testaments weg, so ist im Zweifel anzunehmen, dass dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten würden. [43]Hat der Erblasser die Abkömmlinge eines Dritten ohne nähere Bestimmung bedacht, so ist im Zweifel anzunehmen, dass diejenigen Abkömmlinge nicht bedacht sind, welche zur Zeit des Erbfalls oder, wenn die Zuwendung unter einer aufschiebenden Bedingung oder unter Bestimmung eines Anfangstermins gemacht ist und die Bedingung oder der Termin erst nach dem Erbfall eintritt, zur Zeit des Eintritts der Bedingung oder des Termins noch nicht gezeugt sind.[44]

Zur Abgrenzung von Erbe und Vermächtnis gilt ist die Verfügung als Erbeinsetzung anzusehen, auch wenn der Bedachte nicht als Erbe bezeichnet ist, wenn der Erblasser sein Vermögen oder einen Bruchteil seines Vermögens dem Bedachten zugewendet hat. [45]Andererseits ist im Zweifel nicht anzunehmen, dass der Bedachte Erbe sein soll, auch wenn er als Erbe bezeichnet ist, wenn ihm nur einzelne Gegenstände zugewendet sind.[46]

IV. Veränderungen in der Erbengemeinschaft

1. Wandelbarkeit und Änderungen

Der einmal festgestellte Bestand der Erbengemeinschaft unterliegt Wandlungen und ist wandelbar. Es kann Veränderungen im Mitgliederbestand der Erbengemeinschaft geben weil

- ein Erbe ausschlägt,

- ein Erbe die Annahme der Erbschaft oder die Ausschlagung der Erbschaft anficht,

- ein Erbe stirbt und an seine Stelle seine Erben treten,

- ein Erbe seinen Erbteil verkauft,

- ein Nacherbfall eintritt,

- aufgrund geänderter rechtlicher Beurteilung feststeht, dass nicht der diejenigen Erben geworden sind, die zunächst als Erbe angesehen worden sind, sondern Dritte.

Die Annahme einer bestimmten Erbfolge aufgrund eines konkreten Sachverhalts ist nur bei gerichtlicher Feststellung bindend. Das Nachlassgericht ist an dieses Urteil gebunden.[47] Eine gerichtliche Feststellung bindet aber nur die am Prozess Beteiligten. [48] Eine abschließende gerichtliche Klärung setzt voraus, dass diejenigen am Prozess beteiligt werden, die ein Erbrecht behaupten; können sie das Erbrecht nicht darlegen und beweisen, wird dies mit Rechtskraft festgestellt. Die bindende Wirkung des Urteils kann nur durch ein Restitutionsverfahren beseitigt werden. [49]

2. Ausschlagung

Wird die Erbschaft ausgeschlagen, so gilt der Anfall an den Ausschlagenden als nicht erfolgt.[50] Die Erbschaft fällt demjenigen an, welcher berufen sein würde, wenn der Ausschlagende zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte; der Anfall gilt als mit dem Erbfall erfolgt. [51] Das Nachlassgericht soll die Ausschlagung demjenigen mitteilen, welchem die Erbschaft infolge der Ausschlagung angefallen ist. Es hat die Einsicht der Erklärung jedem zu gestatten, der ein rechtliches Interesse glaubhaft macht. [52]

Der Erbe kann die Erbschaft annehmen oder ausschlagen, sobald der Erbfall eingetreten ist.[53] Der Erbe kann die Erbschaft nicht mehr ausschlagen, wenn er sie angenommen hat oder wenn die für die Ausschlagung vorgeschriebene Frist verstrichen ist; mit dem Ablauf der Frist gilt die Erbschaft als angenommen. [54] Die Ausschlagung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht; die Erklärung ist zur Niederschrift des Nachlassgerichts oder in öffentlich beglaubigter Form abzugeben.[55]

3. Anfechtung der Erbschaftsannahme – Anfechtung der Ausschlagung

Die Anfechtung der Erbschaftsannahme oder die Anfechtung der Ausschlagung führen zu einer anderen Zusammensetzung der Erbengemeinschaft. Ein Erbe kann die Annahme der Erbschaft oder die Versäumung der Ausschlagungsfrist anfechten, wenn er sich in einem Irrtum befunden hat. Die Unkenntnis der Ausschlagungsfrist kann zu Anfechtung berechtigen. [56] War die Frist zur Ausschlagung der Erbschaft nichts bekannt, liegt darin ein beachtlicher Anfechtungsgrund im Sinne des § 1956 BGB in Gestalt eines Erklärungsirrtums nach § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB.[57]Auch eine Anfechtungserklärung gemäß §§1954, 1956 BGB kann angefochten werden.[58]

Ebenso kann ein Irrtum zu Wert bildenden Eigenschaften des Nachlasses ein Anfechtungsrecht begründen. [59]

Hat der Erbe ausgeschlagen, kommt eine Anfechtung der Ausschlagungserklärung in Betracht.

4. Tod eines Miterben

Stirbt ein Erbe, so treten seine Erben an seine Stelle. Fehlt eine letztwillige Verfügung des verstorbenen Miterben, sind dies die gesetzlichen Erben. Hatte den Miterben eine letztwillige Verfügung errichtet, werden die vom Miterben bestimmten Personen Mitglieder der Erbengemeinschaft.

5. Verkauf Erbteil

a. Anteil am Nachlass – Anteil am Nachlassgegenstand

Jeder Miterbe kann aus der Erbengemeinschaft ausscheiden, wenn ein Miterbe oder Miterbe seinen Anteil am Nachlass erwirbt. Es wird zwischen dem Anteil des Miterben am gesamten Nachlass und dem Anteil des Miterben am einzelnen Nachlassgegenstand unterschieden. Jeder Miterbe kann über seinen Anteil an dem Nachlass verfügen;[60] er kann seinen Erbteil verkaufen oder zur Besicherung eines Darlehens abtreten. Über seinen Anteil an den einzelnen Nachlassgegenständen kann ein Miterbe nicht verfügen.[61] Der Vertrag, durch den ein Miterbe über seinen Anteil verfügt, bedarf der notariellen Beurkundung.

b. Vorkaufsrecht der Miterben bei Verkauf eines Miterbenanteils

Verkauft ein Miterbe seinen Anteil an einen Dritten, so sind die übrigen Miterben zum Vorkauf berechtigt. [62] Erfasst sind auch Umgehungsgeschäfte, die einem Kauf nahekommen. [63] Die Frist für die Ausübung des Vorkaufsrechts beträgt zwei Monate. Sie beginnt für jeden Vorkaufsberechtigten individuell mit Zugang der Mitteilung über den Abschluss des Kaufvertrages über den Erbteil. Die Zweimonatsfrist läuft nicht vom Datum des Kaufvertrags mit dem Dritten oder von dem Zeitpunkt an, in dem die übrigen Miterben davon in irgendeiner Weise Kenntnis erlangt haben, sondern ab Zugang der Mitteilung über diesen Vertrag bei jedem einzelnen aller übrigen Miterben. [64] Das Vorkaufsrecht ist vererblich.

c. Verfügung über einzelne Nachlassgegenstände

Ein Miterbe kann über seinen Anteil an den einzelnen Nachlassgegenständen nicht verfügen.[65] Die Erben können über einen Nachlassgegenstand nur gemeinschaftlich verfügen. Gegen eine zum Nachlass gehörende Forderung kann der Schuldner nicht eine ihm gegen einen einzelnen Miterben zustehende Forderung aufrechnen.


[1] Wegen der besseren Lesbarkeit wird die männliche Variante verwendet. Sie steht für Personen jedweden Geschlechts.

[2] § 1922 I BGB.

[3] § 2032 I BGB.

[4] BGH, 17.10.2006 - VIII ZB 94/05 Leitsatz.

[5] BGH, 17.10.2006 - VIII ZB 94/05 Randziffer 11.

[6] Wegen der besseren Lesbarkeit wird künftig von Ehegatten gesprochen.

[7] § 1741 – 1772 BGB. Der BGH hat am 10.12.2014 im Verfahren XII ZB 463/13 entschieden, dass eine ausländische Entscheidung, die im Fall der Leihmutterschaft die rechtliche Elternschaft zu dem Kind den Wunscheltern zuweist in Deutschland anerkannt werden kann, wenn ein Wunschelternteil - im Unterschied zur Leihmutter - mit dem Kind genetisch verwandt ist.

[8] § 1592 Nr. 1 BGB.

[9] § 1592 Nr. 2 BGB.

[10] BGH, Beschluss vom 20.04.2016 – XII ZB 15/15.

[11] BGH, Beschluss vom 20.04.2016 – XII ZB 15/15; Ebenso Coester-Waltjen, Die Mitmutterschaft nach südafrikanischem Recht im deutschen Geburtsregister, IPRAX 2016, 132 -139.

[12] Helms, Rechtliche, biologische und soziale Elternschaft – Herausforderungen durch neue Familienformen in: Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages Essen 2016, Gutachten F.

[13] Weidlich in: Palandt, Bürgerliches Recht § 1924 BGB Randziffer 8.

[14] Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 18.03.2013, ZEV 2013, 326ff.

[15] EGMR, Urteil vom 07.02.2013, CASE OF FABRIS v. FRANCE, Application no. 16574/08.

[16] EGMR, Urteil vom 09.02.2017, MITZINGER / GERMANY, Application no. 29762/10

[17] § 1924 BGB.

[18] § 1925 I BGB.

[19] Karczweski, Der Begriff des Abkömmlings im Erbrecht, ZEV 2014, 641ff.

[20] Karczweski, Der Begriff des Abkömmlings im Erbrecht, ZEV 2014, 641ff.

[21] § 1930 BGB.

[22] § 1924 II BGB.

[23] Das geltende Rechtsmittelsystem im Scheidungsverbund enthält Fehlerquellen, die zu einem falschen Rechtskraftzeugnis führen können, obwohl die Ehe noch nicht rechtskräftig geschieden ist. Dies kann zu Doppelehen führen. Im Einzelnen: Burghardt, Neufassung des § 145 FamFG – Ziel verfehlt!?, FamRZ 2015, 12ff.

[24] Zustellung des Antrags ist erforderlich.

[25] § 1933 BGB.

[26] OLG Köln, 11.03.2013 - I-2 Wx 64/13, 2 Wx 64/13, FamRZ 2013, 1762 ; Lorenz in: Zöller § 134 FamFG Randziffer 1.

[27] § 1932 1 BGB.

[28] § 1932 2 BGB.

[29] § 1932 BGB.

[30] § 1931 I BGB.

[31] § 1931 II BGB.

[32] § 1371 II BGB.

[33] § 1371 II 2. Halbsatz BGB

[34] BGH, Urt. v. 25.6.1964, III ZR 90/63, NJW 1964, 2404; Weidlich in: Palandt § 2303 BGB Randziffer 13.

[35] Brudermüller in: Palandt§ 1371 BGB Randziffer 14f.

[36] § 1924 III BGB.

[37] Weidlich , Ehegattenzuwendung und Pflichtteilsergänzung in der Zugewinngemeinschaft, ZEV 2014, 345ff.

[38] Mankowsk i, Das erbrechtliche Viertel nach § 1371 Absatz 1 BGB im deutschen und europäischen Internationalen Privatrecht, ZEV 2014, 1021ff.

[39] BGH, Beschluss vom 13.05.2015 – IV ZB 30/2014, FamRZ 2015, 1180ff.

[40] § 2066 BGB.

[41] § 2067 BGB.

[42] § 2068 BGB.

[43] § 2069 BGB.

[44] § 2070 BGB.

[45] § 2087 I BGB.

[46] § 2087 II BGB.

[47] Roth , Nachlassgericht an zivilrechtliches Feststellungsurteil gebunden zu OLG München, Beschluss vom 08.03.2016 – 31 Wx 386/15, NJW-Spezial, 2016, 296.

[48] Roth , Nachlassgericht an zivilrechtliches Feststellungsurteil gebunden zu OLG München, Beschluss vom 08.03.2016 – 31 Wx 386/15, NJW-Spezial, 2016, 296.

[49] Roth , Nachlassgericht an zivilrechtliches Feststellungsurteil gebunden zu OLG München, Beschluss vom 08.03.2016 – 31 Wx 386/15, NJW-Spezial, 2016, 296.

[50] § 1953 I BGB.

[51] § 1953 II BGB.

[52] § 1953 III BGB.

[53] § 1946 BGB.

[54] § 1943 BGB.

[55] § 1945 I BGB.

[56] BGH, Beschluss vom 10. 6. 2015 – IV ZB 39/14, ZEV 2015, 468; RGZ 143, 419, 423 f.

[57] BGH, Beschluss vom 10. 6. 2015 – IV ZB 39/14, ZEV 2015, 468; RGZ 143, 419, 423 f.

[58] BGH, Beschluss vom 10. 6. 2015 – IV ZB 39/14, ZEV 2015, 468f; OLG Hamm ZErb 2009, 137 Rn. 33.

[59] Musielak, Der Irrtum des Erblassers und der Erben, ZEV 2016, 353, 345.

[60] § 2033 I BGB.

[61] § 2033 II BGB.

[62] § 2034 BGB.

[63] Rißmann in: Damrau/Tanck § 2034 Randziffer 3.

[64] BGH, Urteil vom 31. 10. 2001 - IV ZR 268/00, NJW 2002, 820, 821.

[65] §§ 2033, Abs. 2, 2040 Abs. 1 BGB.

Ende der Leseprobe aus 102 Seiten

Details

Titel
Verwaltung und Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft. Ein Leitfaden
Autor
Jahr
2017
Seiten
102
Katalognummer
V358014
ISBN (eBook)
9783668439047
ISBN (Buch)
9783668439054
Dateigröße
898 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Auseinadersetzung, Erbengemeinschaft, Nachlass, Nachlassverwaltung, Verteilung, Meinungsverschiedenheit, Meinungsverschiedenheiten, Erben, Mediation, Erbsachen
Arbeit zitieren
Dr. Hans-Jürgen Kleinert (Autor:in), 2017, Verwaltung und Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft. Ein Leitfaden, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/358014

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Verwaltung und Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft. Ein Leitfaden



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden