Moses Maimonides und die Almohaden. Ein komplexes Verhältnis


Ausarbeitung, 2011

29 Seiten


Leseprobe


Einleitende Gedanken

Diese Arbeit soll sich mit den Einflüssen befassen, die das Leben und das Werk des MOSES MAIMONIDES (Rambam) von Seiten der Almohaden empfangen haben könnte, der Bewegung der al-Muwaḥḥidūn, die während seiner Lebenszeit den Maghreb und al-Andalus eroberten bzw. beherrschten. Dass eine solche Beeinflussung existiert haben könnte, ist eine These, die von SARAH STROUMSA in ihrem jüngst (2009) erschienenen Werk Maimonides in His World vertreten worden ist [1].

Auf den ersten Blick könnte man auf den Gedanken kommen, eine solche Vermutung als absurd oder polemisch abzutun: Der hochgelehrte „Adler der Synagoge“ beeinflusst von „islamischen Fundamentalisten“? [2] Scheinbar undenkbar. Doch erstens – um einer verständlichen Sorge vorzubeugen – soll diese Arbeit ausdrücklich keinem apologetischen Zweck dienen, und zweitens ist eine derartige Beeinflussung angesichts der Biographie des Maimonides nicht so abwegig wie vielleicht angenommen: Schließlich musste Maimonides mindestens fünf Jahre (von 1160-65), vermutlich noch deutlich länger, unter der Herrschaft der Almohaden verbringen und sich aller Wahrscheinlichkeit nach auch den größten Teil dieser Zeit als Muslim ausgeben. Dass solche Erfahrungen nicht ohne Einfluss auf die Persönlichkeit bleiben, dürfte verständlich sein – vor allem, wenn man bedenkt, dass auch eine explizite Abgrenzung von einer Sache eine (lediglich weniger offensichtliche) Beeinflussung durch diese bedeuten kann.

Schließlich bin ich überzeugt, dass eine wissenschaftliche Aufarbeitung dieses delikaten Verhältnisses dem exakten Gegenteil der religiösen Apologetik – nämlich einer Aufhellung der das Verhältnis zwischen den beiden Religionen Judentum und Islam pflasternden wechselseitigen Missverständnisse – potentiell dienlich sein kann.

Im Gegensatz zur hervorragenden Arbeit von STROUMSA, der von den Ergebnissen her wohl kaum etwas hinzuzufügen sein dürfte, möchte ich eine andere Art der Darstellung wählen: Nämlich eine Erarbeitung der möglichen Parallelen sowie der damit zusammenhängenden Fragen anhand von Zitaten aus den edierten Originalquellen sowie den Schlussfolgerungen, die man unmittelbar aus diesen ziehen kann. Diese Originalquellen sollen bevorzugt die arabischen Schriften des Maimonides – wo es sich thematisch anbietet, auch die primär hebräischen – sowie almohadische Quellen darstellen.

Doch sollte in dieser Hinsicht auch nicht vergessen werden, dass der große islamische Philosoph und Zeitgenosse von Maimonides Ibn Rušd [3] zugleich almohadischer Richter war, dass also das Phänomen der Almohaden vielschichtiger gewesen sein muss, als dass man es vollständig auf „primitiven Fanatismus“ reduzieren könnte. Vielmehr enthielt die Bewegung der Almohaden auch den Aspekt eines Schubs in Richtung der „Rationalisierung“ des maghrebinischen Islams, so sehr das auch mit dem aus der modernen Perspektive dazu in krassem Widerspruch stehenden „totalitären“ Aspekt untrennbar verbunden war.

Einen prinzipiell ähnlichen Widerspruch – wenn auch nicht im Entferntesten so extrem zugespitzt – findet man nun auch im Lebenswerk des Maimonides. Ich möchte in Übereinstimmung mit S. STROUMSA die These aufstellen, dass dies keineswegs Zufall ist oder einfach auf parallelen Eigenschaften sämtlicher religiösen Systeme beruht (wie ein expliziter Religionskritiker möglicherweise apologetisch argumentieren würde). Vielmehr erscheint es möglich, anhand von Passagen aus Maimonides[1] Schriften plausible biographische An-knüpfungspunkte zu rekonstruieren. Der erwähnte Widerspruch zwischen einem „rationalen“ und einem „totalitären“ Aspekt könnte z.T. durchaus auch für einige „dunkle“ Punkte in der Wirkungsgeschichte des Maimonides mitverantwortlich sein (wobei dies eine komplexe Fragestellung ist). [4]

Außer dem erwähnten Werk von SARAH STROUMSA lassen sich u.a. besonders zwei weitere reichhaltige Sekundärquellen heranziehen, nämlich Die Konzeption des Messias bei Maimonides und die frühmittelalterliche islamische Philosophie von FRANCESCA YARDENIT ALBERTINI (Berlin 2009) und Moses Maimonides, The Man and His Works von HERBERT A. DAVIDSON (Oxford 2005).

Es scheint, dass die überwiegende Zahl der inhaltlichen Parallelen zu almohadischen Anschauungen in den Schriften des Maimonides zu finden sind, die für die breitere Masse bestimmt sind, nämlich im Sefer ha-Miswot, den 13 Iqqarim (Teil seines Mischna-Kommentars) sowie der Mišne Tora. Die beiden erstgenannten Werke wurden ursprünglich in Judäo-Arabisch abgefasst, auch wenn die hebräischen Übersetzungen einen ungleich höheren Bekanntheitsgrad aufweisen. Jedoch sind natürlich die arabischen Originale für den Vergleich mit almohadischen Anschauungen deutlich geeigneter.

[...]


[1] Sarah Stroumsa, Maimonides in his world: portrait of a Mediterranean thinker, Princeton 2009; Chapter Three: An Almohad “Fundamentalist”?

[2] Die spezifisch modern Beziehung “Fundamentalist” ist hier nicht ernsthaft verwendbar.

[3] Dessen Einfluss auf Maimonides, selbst war m.E. oft überschätzt wird, während ein starker Einfluss auf die Anhänger in den Generationen nach ihm natürlich nicht zu leugnen ist.

[4] Die Partei seiner rabbinischen Gegner kritisierte zunächst seine Tendenz, abweichende halachische Positionen nicht zu berücksichtigen, machte sich aber später diese antipluralistische Tendenz bei der Ablehnung von philosophischem Gedankengut selbst zu Eigen.

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Moses Maimonides und die Almohaden. Ein komplexes Verhältnis
Autor
Jahr
2011
Seiten
29
Katalognummer
V357900
ISBN (eBook)
9783668428089
ISBN (Buch)
9783668428096
Dateigröße
666 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Ausarbeitung eines Kapitels aus der Magisterarbeit des Autors über Maimonides.
Schlagworte
Kalam, Fundamentalismus, Islam, Judentum
Arbeit zitieren
Matthias Stumpf (Autor:in), 2011, Moses Maimonides und die Almohaden. Ein komplexes Verhältnis, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/357900

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