"Der Prozess" von Orson Welles im Vergleich mit der Literaturvorlage von Franz Kafka

Psychologische und philosophische Betrachtungen und deren Umsetzung


Facharbeit (Schule), 2017

15 Seiten, Note: 13


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Franz Kafka und seine heutige Bedeutung

II. Inhaltsangabe zu „Der Prozess“

III. Psychologische Ansätze
1. Josef K. als Opfer der Gesellschaft - Die Schuld im „Prozess“
2. „Der Prozess“ als absurde Traumvorstellung

IV. Philosophisch - soziologische Ansätze - Das Motiv der Entfremdung

V. Vergleichendes Gesamturteil von Film und Adaption anhand der oben angeführten Analyseergebnisse

VI. Das Kafkaeske in der heutigen Konsumgesellschaft

VII. Quellen
1. Literaturverzeichnis
2. Internetverzeichnis
3. Abbildungs- und Videoverzeichnis

VIII.Anhang

I. Franz Kafka und seine heutige Bedeutung

Kafka steht für sich: Er nimmt ein eigenes Kapitel in der Geschichte der deutschsprachigen Literatur ein.

Wodurch lässt sich die heutige Bedeutung seines Werkes erklären? Beschäftigt man sich mit dem Prager Schriftsteller, dann stolpert man über eine Vielzahl von Biographien, Studien und Interpretationen. Kafka ist heute „in“, seine Person und sein literarisches Werk sind auch im 21. Jahrhundert Gegenstand von literaturwissenschaftlichen und historischen Arbeiten. Sein Stil ist außergewöhnlich, er schreibt mit der „kühlen Distanz eines Bürokraten“1 und lässt sich, im Gegensatz zu vielen anderen Literaten seiner Zeit, nicht eindeutig in eine charakteristische Literaturepoche einordnen. Sein langjähriger Freund Max Brod veröffentlichte postthum, gegen den testamentarischen Willen von Kafka, seine drei Romanfragmente2, sowie unzählige, kurze Prosatexte. Die Beweggründe Brods und die „moralische“ Legitimation der Veröffentlichung sind bis heute umstritten.

Als Angehöriger einer deutschsprechenden, jüdischen Minderheit wurde er 1883 in Prag geboren und besuchte dort ein ebenfalls deutschsprachiges Gymnasium. Auf das Abitur folgte das Studium der Rechtswissenschaften an der geschichtsträchtigen Karlsuniversität, welches er mit der Promotion beendete. Schon zu seiner Studienzeit interessierte er sich für Kunstgeschichte und besonders für Literatur, woraufhin er auch in seiner Freizeit Vorlesungen zu diesen Themen besuchte. Vor seinem frühen Tod im Jahre 1924 arbeitete er für eine halbstaatliche Versicherungsgesellschaft im Prager Zentrum und konnte aufgrund seines Berufes den Schrecken des Ersten Weltkriegs entkommen.

„Ein Rätsel, das immer modern bleibt“3 - Kafkas Œuvre, dass von einer spannenden, mysthischen Unergründlichkeit durchzogen ist, wirft die Frage auf, wie man sein literarisches Schaffen kontextualisiert: Gibt es interpretatorische Motive, sprich Konstanten, die sich durch sein Gesamtwerk ziehen? Und was macht Kafka gerade für unsere heutige digitalisierte Konsumgesellschaft bedeutsam?

Kafkas Roman „ Der Prozess “ und die Filmadaption des britischen Regisseurs Orson Welles aus dem Jahr 1962 sind die zentralen Analysegegenstände meiner Seminararbeit und wurden im Laufe der Zeit schon Objekt unzähliger literaturwissenschaftlicher, filmischer Untersuchungen, weshalb sie bereits nach den meisten Interpretationsmustern untersucht worden sind. Bei der Analyse, sowie dem Vergleich von Literaturvorlage und Verfilmung handelt es sich jedoch um eine aktuellere Studie, denn sie unterliegt dem Anspruch Verbindungen aufzuzeigen: zwischen der Philosophie und der Psychologie,zwischen Kafka und Welles, zwischen Literaturvorlage und Film, zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

II. Inhaltsangabe zu „Der Prozess“

Franz Kafka’s Roman „Der Prozess“, entstanden im Zeitraum zwischen den Sommermonaten 1914 und Januar 1915, beleuchtet die persönliche Tragödie des Protagonisten Josef K.. Dieser wird am frühen Morgen seines 30. Geburtstages von Gerichtsbeamten, die sich ohne Vorankündigung Zutritt zu seiner Wohnung verschafft haben, verhaftet. „Wir sind nicht dazu bestellt, Ihnen das zu sagen“4, so antworten die drei Personen in seinem Zimmer über die Gründe ihres Eindringen in die Privatssphäre K’s. Über das Warum der Verhaftung wird der Leser auch nicht im weiteren Verlauf des Romanfragments aufgeklärt, lediglich die Anfangsvermutung, dass jemand K. verleumdet haben mußte5, bleibt bestehen. Nicht nur die Art der Verhaftung ist absurd, sondern auch die Durchführung seiner Haft, denn K. soll in seiner „gewöhnlichen Lebensweise“6 nicht gehindert werden, er kann sich also weiterhin frei bewegen und wird nicht festgehalten. Die Gerichtsräume sind untypischerweise „in muffigen Dachbodenkanzleien, wo zwischen Stapeln verstaubter Gerichtsdossiers intrigiert, bestochen und gehurt wird“7.

Der Bankprokurist Josef K. , „ein erfolgreicher, auf der gesellschaftlichen Leiter aufstrebender Städter“8, versucht im Laufe des Romans vergebens die Gerichtsbehörden zu ergründen, um herauszufinden, weswegen er angeklagt wurde und wie er seinem unendlich scheinenden Prozess ein Ende setzen kann. K. befindet sich in einem Labyrinth von unsichtbaren Mächten und Interessen und schafft es nicht, das Wesen seines Verfahrens zu ergründen. Er versucht mittels eines Advokaten einen Freispruch zu erreichen, doch auch der kann ihm nicht helfen und wird daraufhin gekündigt. „Am Vorabend seines einunddreißigsten Geburtstages“9 stirbt der Protagonist „wie ein Hund“10 ohne sich zur Wehr zu setzten, erdolcht von zwei Gerichtsdienern mit einem Fleischermesser. „Wo war der Richter den er nie gesehen hatte? Wo war das hohe Gericht bis zu dem er nie gekommen war?“11 Diese Fragen bleiben unbeantwortet. Orson Welles folgt in seiner filmischen Umsetzung der wagen Struktur des Romans und verändert nicht die Haupthandlung, nimmt aber Änderungen an Handlungsraum und - zeit vor. Außerdem setzt er das Herzstück des Romans, die Parabel „Vor dem Gesetz“ an den Anfang des Films, während sie im Roman im vorletzten Kapitel zu finden ist. Die schauspielerische Besetzung ist international, die Rolle K.s wurde von dem US- amerikanischen Schauspieler Anthony Perkins übernommen und Romy Schneider spielt die Affäre K.s, Leni die Haushälterin des Advokaten Huld12.

III. Psychologische Ansätze

1. Josef K. als Opfer der Gesellschaft - Die Schuld im „Prozess“

„Die totalitäre Realität der bürokratisch verwalteten Welt stürzt gleichermaßen Albtraumhaft auf einen unbedarften Einzelnen ein, wodurch dieser nach anfänglichem Widerstand unweigerlich zu Grunde geht.“13

Die Schuldfrage, ob Josef K. nun schuldig ist oder nicht, ist ein zentraler thematischer Aspekt, der sich durch den ganzen Roman bzw. Film zieht. Von Beginn an besteht die Fragwürdigkeit der Schuld, die auch im Laufe des Verfahrens weder bestätigt noch verneint wird. Ist jedoch für das Gericht und seine Diener die Schuld erwiesen, so ist sich K. unsicher: In der Verfilmung stellt er gegenüber Fräulein Bürstner, seiner Zimmernachbarin fest, dass „es wohl nie einen Sinn macht sich zu entschuldigen“14. „Und es wohl noch schlimmer als wenn man gar nichts getan hat und sich trotzdem schuldig fühlt“15, führt Josef K. fort. Er hegt teilweise unbewusste Schuldgefühle dadurch, dass jeder ihn für schuldig erachtet. Hier siegt das Kollektiv über das Individuum, denn letztendlich laufen K. und seine zwei Mörder „in vollem Einverständnis“16. Schuld ist hierbei das System, dass es unmöglich macht frei und selbstbestimmt zu leben. Die Hauptaussage trifft ein Geistlicher im Dom, der zu K.s Verfahren feststellt: „Man hält Dich für schuldig. Dein Proceß wird vielleicht über ein niedriges Gericht gar nicht hinauskommen. Man hält wenigstens vorläufig Deine Schuld für erwiesen.“17 Hier gilt der strafprozessuale Grundsatz in dubio pro reo - „Im Zweifel für den Angeklagten“ nicht, er wird umgekehrt und zeigt den unterdrückenden Charakter des Gerichts.

K. ist eindeutig ein Aussenseiter, ein intelligenter, junger Kerl, der in einer großen Bank Karriere gemacht hat, jedoch immer im Kontrast zur Masse steht. Er erfüllt den Typus des Opfers, scheint es fast so als würde er vom Schicksal verfolgt werden, ist er aber gleichzeitig ein Rebell, der kein Blatt vor den Mund nimmt. So hält er vor Gericht ein Plädoyer, indem er dem Richter bzw. dem Gericht vorwirft ein „lüderliches Verfahren“18 zu führen und eine „öffentliche Besprechung eines öffentlichen Mißstandes“19 fordert. Befremdlich ist die Reaktion der männlichen, in Anzügen gekleideten Zuhörer: Sie lachen und klatschen amüsiert. Vor allem im Film hat dieses Lachen der Zuhörer etwas überhebliches, als würde K. vorne stehen und reden, während ihn niemand ernst nimmt und er von allen Seiten ausgelacht wird. Diese Demütigungen brechen seinen Widerstand, seine kritische Auseinandersetzung mit dem Gericht und folglich erscheint er als hilfloser Rebell, der keinen Ausweg kennt und nur noch ein Opfer der Gesellschaft ist.

[...]


1 Murrenhoff 2015

2 Anm.: Der Prozess, Das Schloss, Der Verschollene/ Amerika

3 Murrenhoff 2015

4 Kafka 2011, S.8

5 vgl. ebd. S.7

6 ebd. S.19

7 Spiegel 1962

8 Nicolai 1986, S.9

9 Kafka, S.206

10 ebd. S.211

11 ebd. S.210 f.

12 Anm.: Schauspieler: Orson Welles

13 Heim, 2015

14 Welles 1962, TC: 00:21:34 - 00:21:37

15 Welles 1962, TC: 00:21:37 - 00:21:42

16 Kafka, S.208

17 ebd, S.194

18 ebd. S.44

19 ebd. S.45

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
"Der Prozess" von Orson Welles im Vergleich mit der Literaturvorlage von Franz Kafka
Untertitel
Psychologische und philosophische Betrachtungen und deren Umsetzung
Veranstaltung
„Deutsche Literatur im Film - Vergleich zwischen literarischer Vorlage und filmischer Adaption“
Note
13
Autor
Jahr
2017
Seiten
15
Katalognummer
V357885
ISBN (eBook)
9783668427853
ISBN (Buch)
9783668427860
Dateigröße
574 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kafka, Der Prozess, Orson Welles, Philosophie, Psychologie, Schuld, Traumvorstellung, Entfremdung, Kafkaesk, Konsumgesellschaft
Arbeit zitieren
Julius Häret (Autor:in), 2017, "Der Prozess" von Orson Welles im Vergleich mit der Literaturvorlage von Franz Kafka, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/357885

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