Posttraumatische Belastungsstörung. Eine Wunde der Seele?

Der Einfluss von Traumata auf physiologischer Ebene, Vererbbarkeit und Behandlungsmöglichkeiten


Hausarbeit, 2016

14 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

2 Einleitung

3 Die Posttraumatische Belastungsstörung
3.1 Was ist ein Trauma?
3.2 Was ist eine Posttraumatische Belastungsstörung?

4 „Nur“ eine seelische Wunde? Physiologische Auffälligkeiten bei PTBS-Patienten
4.1 Assoziierte Hirnregionen
4.2 Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse

5 Ererbtes Trauma – was ist dran?
5.1 Veränderungen der DNA
5.2 Veränderungen der Genexpression
5.3 Vererbungswege epigenetischer Veränderungen

6 Kann Psychotherapie traumabedingte DNA-Schäden lindern?

7 Fazit und Ausblick

8 Literatur

2 Einleitung

Was ist ein Trauma? Was ist eine posttraumatische Belastungsstörung? Welche physiologischen Korrelate gehen mit dieser Diagnose einher? Und sind diese Korrelate vererb- und behandelbar? Diesen Fragen möchte die folgende Arbeit nachgehen und einen Einblick geben in die enge Verknüpfung der Diagnose PTBS und physiologischer Auffälligkeiten, die sich bis in den epigenetischen und genetischen Bereich erstrecken.

3 Die Posttraumatische Belastungsstörung

3.1 Was ist ein Trauma?

Umgangssprachlich wird eine Vielzahl von Situationen als ‚traumatisch’ bezeichnet, wie beispielsweise der Verlust des Arbeitsplatzes oder eine Scheidung, welche jedoch selten eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) nach sich ziehen (Wittchen & Hoyer, 2011; Ehlers, 1999). Unter einem traumatischen Erlebnis im eigentlichen Sinne versteht man laut ICD-10 „ein belastendes Ereignis oder eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes (kurz oder langanhaltend), die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde“ (Dilling, Mombour & Schmidt, 2015, S. 207). Beispiele für solche Ereignisse sind Verkehrsunfälle, Naturkatastrophen, Kriegserfahrungen und körperliche oder sexuelle Gewalt (Ehlers, 1999).

Die Häufigkeit, mit der eine PTBS nach einem traumatischen Ereignis auftritt, ist abhängig von der Art des Traumas (Ehlers, 1999; Maercker, 2009; Wittchen & Hoyer, 2011). So führen willentlich durch Menschen verursachte Traumata wie zum Beispiel Vergewaltigungen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zu einer PTBS als akzidentelle (z.B. Verkehrsunfälle). Auch die Länge das Traumas ist entscheidend: Länger andauernde Traumata (z.B. Geiselhaft) führen mit höherer Wahrscheinlichkeit zu einer PTBS als einmalige Ereignisse. Wichtig zu beachten ist, dass nicht jeder Mensch der eine trauma-tische Erfahrung macht daraufhin auch eine PTBS entwickelt (Wittchen & Hoyer, 2011).

3.2 Was ist eine Posttraumatische Belastungsstörung?

Im Kapitel V (Psychische und Verhaltensstörungen) der ICD-10 findet sich die PTBS im Abschnitt F4 bei den „Neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen“, genauer gesagt im Abschnitt F43 „Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen“. Die diagnostischen Kriterien der mit F43.1 kodierten Störung finden sich in der nachfolgenden Tabelle.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wie der Tabelle zu entnehmen ist, gilt der Stressor, also das katastrophale Ereignis, dem der Betroffene ausgesetzt ist, als wichtiges Diagnosekriterium. Man geht davon aus, dass das belastende Ereignis, also das Trauma, den ausschlaggebenden Kausalfaktor für die Entstehung der PTBS darstellt (Ehlers, 1999; Fast & Markowitsch, 2004; Lux, 2014).

Zu den typischen Symptomen zählen anhaltende Erinnerungen oder das ungewollte Wiedererleben des traumatischen Ereignisses, beispielsweise in Form von Träumen, das Vermeiden von Stimuli (z.B. Plätze, Personen, Aktivitäten), die mit dem Trauma in Verbindungen stehen, die teilweise oder vollständige Unfähigkeit, sich an wichtige Aspekte des Traumas zu erinnern, sowie Ein- und Durchschlafstörungen und weitere Symptome einer erhöhten psychischen Empfindlichkeit. Auch emotionale Taubheit, sowie Angst und Depression können im Zuge einer PTBS auftreten. Das entscheidende zeitliche Kriterium der PTBS laut ICD-10 ist, dass die Symptome innerhalb von 6 Monaten nach dem belastenden Ereignis aufgetreten sind. In einigen Fällen kann eine PTBS jedoch auch mit Verzögerung auftreten. Eine PTBS kann vorübergehend sein oder einen chronischen Verlauf nehmen (Maercker, 2009; Ehlers, 1999; Dilling, Mombour & Schmidt, 2015; Dilling, Mombour, Schmidt & Schulte-Markwort, 2011; Fast & Markowitsch, 2004).

Wie man anhand der charakteristischen Symptome, wie beispielsweise der Störung des Schlafrhythmus, bereits erahnen kann, geht die PTBS auch mit Veränderungen auf der physiologischen Ebene einher, auf die nachfolgend näher eingegangen wird.

4 „Nur“ eine seelische Wunde? Physiologische Auffälligkeiten bei PTBS-Patienten

Traumata gehen mit einer Reihe von Besonderheiten im Gehirn einher, wobei noch nicht abschließend geklärt ist, ob diese Besonderheiten einen Risikofaktor für PTBS darstellen oder eine Folge der Traumatisierung sind (Steil & Rosner, 2009; Schmahl, 2009). Angesichts des inzwischen sehr umfangreichen Gebiets der Neurobiologie der PTBS kann aufgrund der Kürze der Arbeit nur überblicksartig auf verschiedene Aspekte der neurobiologischen Veränderungen bei PTBS eingegangen werden.

4.1 Assoziierte Hirnregionen

Wie bereits erwähnt, geht die PTBS häufig mit dem Verlust der Fähigkeit einher, sich an wichtige Aspekte des Traumas zu erinnern (Dilling, Mombour, Schmidt & Schulte-Markwort, 2011). Und tatsächlich ist es so, dass PTBS-Patienten auch allgemein Defizite in verschiedenen Gedächtnisbereichen zeigen (Schmahl, 2009). Hirnregionen, die mit diesen Defiziten in Verbindungen gebracht werden, sind unter anderem der präfrontale Kortex, der Hippocampus und die Amygdala – Regionen, die allesamt sensibel auf Stress reagieren und spezifische Veränderungen bei PTBS-Patienten zeigen (Schmahl, 2009; Wittchen & Hoyer, 2011): Der Hippocampus weist bei PTBS-Patienten ein geringeres Volumen auf. Solche verminderten Volumina werden teilweise auch bei der Amygdala und im anterioren cingulären Kortex (ACC) von PTBS-Patienten beobachtet, wobei letzterer unter anderem mit der Regulation emotionaler Prozesse in Verbindungen gebracht wird. Die Ergebnisse zu Veränderungen der Anatomie sind jedoch nicht eindeutig.

In eine klarere Richtung weist die Befundlage zur funktionellen Ebene. Vieles spricht dafür, dass bei PTBS-Patienten Dysfunktionen des medialen präfrontalen Kortex und der Amygdala vorliegen (Schmahl, 2009). Die Amygdala zeigt eine allgemein erhöhte Aktivität bei PTBS-Patienten und reagiert in deutlich stärkerem Ausmaß als bei gesunden Menschen auf die Darbietung negativer und traumaassoziierter Stimuli – sogar dann, wenn diese nur unbewusst wahrgenommen werden (Schmahl, 2009). Die Aktivität im präfrontalen Kortex kann bei PTBS-Patienten allgemein vermindert oder erhöht sein. Während eine verringerte Aktivität im ACC mit starken emotionalen Reaktionen auf traumaassoziierte Reize, Flashbacks und Intrusionen in Verbindungen gebracht wird, ist die Hyperaktivität des ACC ein mögliches physiologisches Korrelat von Dissoziation (Schmahl, 2009).

4.2 Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse

Auch eine Veränderung einer der beiden Stressachsen des Menschen, nämlich der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HPA-Achse), wird als Korrelat oder Folge der PTBS diskutiert (Schmahl, 2009; Schmidt, 2010; Wittchen & Hoyer, 2011).

Ihr Ausgangspunkt ist der Hypothalamus, das oberste Integrationsorgan vegetativer Funktionen. Über die Ausschüttung der Hormone CRH (Kortikotropin-Releasing Hormon) und ADH (antidiuretisches Hormon) aktiviert der Hypothalamus in Stresssituationen die Hypophyse, die wiederum ein Hormon, ACTH (adrenokortikotropes Hormon), ausschüttet, wodurch die Nebennierenrinde angeregt wird Glukokortikoide (darunter Kortisol) zu produzieren (Schandry, 2011). Glukokortikoide dienen in Stresssituationen in erster Linie der Energiebereitstellung, wirken sich aber auch noch an anderer Stelle im Körper aus (Schandry, 2011): Zum einen verknüpfen sie die HPA-Achse mit dem Immunsystem, zum anderen haben sie auch einen direkten Einfluss im Gehirn, der über eine negative Rückkopplung hinaus geht. Für Glukokortikoide, welche die Blut-Hirn-Schranke überwinden können, gibt es im Gehirn zwei Rezeptorsysteme. Diese modulieren Emotionen (z.B. Angst) und kognitive Prozesse (z.B. Lernen & Gedächtnis) (Schandry, 2011). Somit können sich Glukokortikoide direkt auf Lernen und Gedächtnis auswirken und beispielsweise zu einem schlechteren Abruf von Gedächtnisinhalten führen (Schmahl, 2009). Eine dauerhaft erhöhte Glukokortikoidkonzentration scheint eine schädigende Wirkung auf das Immunsystem (Hemmung) und den Hippocampus (Untergang hippocampaler Neuronen) zu haben (Schmahl, 2009; Schandry, 2011).

PTBS-Patienten zeigen eine Veränderung in der HPA-Achsen-Aktivität, und zwar in dem Sinne, dass sie mit einer gesteigerten Kortisolantwort auf unspezifischen und durch Erinnerungen an das Trauma ausgelösten Stress reagieren (Schmahl, 2009; Wittchen & Hoyer, 2011). Außerdem zeigen viele PTBS-Patienten auch einen dauerhaft veränderten Kortisolspiegel, wobei widersprüchliche Befunde dazu vorliegen, ob dieser dauerhaft erhöht oder vermindert ist (Schmahl, 2009; Schmidt, 2010). Einige Autoren sehen in einem verminderten Kortisolspiegel beispielweise ein physiologisches Korrelat des enthemmten Abrufs von Traumaerinnerungen, also dem intrusiven Erleben bei PTBS (Schmahl, 2009). Andere bringen einen erhöhten Kortisolspiegel, der zu einer Schädigung hippocampaler Neuronen führen kann, mit der für PTBS charakteristischen Hippocampusatrophie in Verbindung (Schandry, 2011; Schmahl, 2009).

Ein weiteres wichtiges Hormon der HPA-Achse ist das CRH, das auch im Gehirn aktiv wird. Wie im Tierexperiment gezeigt werden konnte, bewirkt chronischer Stress einen Anstieg von CRH und die Gabe von CRH wiederum stress- und angstassoziierte Verhaltensweisen (Schmahl, 2009; Schandry, 2011). Eine dauerhafte Veränderung der CRH-Konzentration führt außerdem zu einer Destabilisierung des Schlaf-Wach-Rhythmus und einer verringerten Merkfähigkeit (Schandry, 2011). Bei PTBS-Patienten konnte eine gesteigerte Konzentration von CRH im Liquor nachgewiesen werden (Schmahl, 2009; Wittchen & Hoyer, 2011).

Zusammenfassend scheint die HPA-Achse wohl eine zentrale Rolle bei den für PTBS charakteristischen Symptomen zu spielen.

5 Ererbtes Trauma – was ist dran?

Es stellt sich die Frage, ob die beschriebenen physiologischen Korrelate der PTBS vererbbar sind. Für die Vererbbarkeit von Traumata spricht in erster Linie, dass Nachkommen von traumatisierten Personen, die – ohne jemals selbst eine traumatische Erfahrung gemacht zu haben – traumaspezifische Symptome zeigen. Solche trauma-spezifischen Symptome sind beispielsweise bei Kindern von Holocaust-Überlebenden oder Kindern von Überlebenden des Genozids in Ruanda zu beobachten (Lux, 2014).

[...]

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Posttraumatische Belastungsstörung. Eine Wunde der Seele?
Untertitel
Der Einfluss von Traumata auf physiologischer Ebene, Vererbbarkeit und Behandlungsmöglichkeiten
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin
Note
1,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
14
Katalognummer
V357251
ISBN (eBook)
9783668429079
ISBN (Buch)
9783668429086
Dateigröße
644 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Posttraumatische Belastungsstörung, PTBS, Epigenetik, Trauma, Psychophysiologie, DNA, Vererbung
Arbeit zitieren
Sarah Mayr (Autor:in), 2016, Posttraumatische Belastungsstörung. Eine Wunde der Seele?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/357251

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