Intersexualität und sexuelle Identität in der filmischen Verarbeitung. Der Film "XXY" im Kontext der Gender Studies


Hausarbeit, 2015

17 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Analysekontext des Films „XXY“
2.1. Die Gender Studies als Perspektive der Filmanalyse
2.1.1. Denkerinnen der Gendertheorie
2.1.2. Gendertheorie und Film
2.2. Lateinamerika und die sexuelle Revolution
2.3. Das XXY-Syndrom
2.3.1. Definition des XXY-Syndroms
2.3.2. Der Umgang der lateinamerikanischen Gesellschaft mit den Trägern des XXY- Syndroms

3. Analyse des Films „XXY“ aus der Perspektive der Gender Studies
3.1. Geschehen und Geschichte
3.2. Szenen der Probleme und Konflikte
3.3. Die Figuren
3.4. Filmographische Daten
3.5. Rezeption und Kritische Würdigung des Films

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Das Proseminar „Lateinamerikanische Regisseurinnen und ihr aktuelles Filmschaffen“ beschäftigt sich lateinamerikanischen Regisseurinnen im Hinblick auf die aktuellen Debatten der Gesellschaften Lateinamerikas. Auf der grundsätzlich mit den Gender Studies und den Filmen der Grundlage dieses Proseminar kam ich zu dem Entschluss einen sehr bewegenden und zum Thema passenden Film namens „XXY“ zu analysieren. In dieser Arbeit möchte ich speziell auf die Frage eingehen, ab welchem Zeitpunkt wir als Mann oder Frau gelten und welche Faktoren dies beeinflussen.

Hierzu eine kurze Filmbeschreibung: Dieser Film handelt von einem Mädchen, das eigentlich kein Mädchen ist, sondern ein Zwitter. Die 15-jährige Alex ist aufgrund einer Stoffwechselerkrankung, die sich „XXY-Syndrom“ nennt Junge und Mädchen zugleich. Sie muss Medikamente nehmen, um auszusehen wie ein Mädchen. Ihre Eltern sind mit ihr von Argentinien nach Uruguay gezogen, um sie vor physischen und mentalen Demütigungen zu schützen. Daraufhin lädt Alex Mutter einen Schönheitschirurgen mit seiner Familie zu sich nach Hause ein und erhofft sich somit, dass Alex sich auf eine Operation einlässt, um somit ein „normales“ Leben führen zu können. Doch Alex interessiert sich mehr für den gleichaltrigen Sohn des Chirurgen, der offensichtlich auf der Suche seiner sexuellen Identität ist. Somit gelingt es Alex mit dem Sohn namens Alvaro Geschlechtsverkehr auszuüben. Jedoch nicht auf übliche Weise, denn sie penetriert ihn anal. Nach vielen dramatischen Szenen, entscheidet sich Alex dennoch für keine Operation. Sie möchte einfach, dass alles so bleibt wie es ist.

In meiner Arbeit spreche ich von einer „Sie“, da Alex im Film ein Mädchen darstellt. Die Perspektive dieser Filmanalyse richtet sich vor allem an die Gender Studies. Die Gender Studies beschäftigen sich hauptsächlich damit, das Verhältnis von Geschlecht, Kultur, Gesellschaft und Wissenschaften zu erforschen. In dieser Arbeit spielt Verhältnis zwischen Gendertheorie und Film eine große Rolle. In dieser Arbeit geht es mir besonders darum, was uns als „Frau“ oder „Mann“ definiert. Dazu sind Insbesondere die Aspekte und Argumentationen von Simone de Beauvoir und Judith Butler relevant die noch einmal aufgegriffen und analysiert werden. Auf die Gender Studies bezogen, möchte des Weiteren näher darauf eingehen, wie der Konflikt mit der Identität als Junge oder Mädchen zustande kommt und wie Alex und auch viele andere Menschen mit diesem Syndrom umzugehen haben.

Da dieser Film ein argentinischer Film ist und die Regisseurin Lucía Puenzo ebenfalls aus Argentinien stammt, möchte ich den Kampf um die sexuelle Freiheit in Argentinien, sowie die sexuelle Revolution näher betrachten. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Umgang der lateinamerikanischen Gesellschaft mit den Trägern des XXY-Syndroms und dazu eine kleine Definition dieser Krankheit. Zuletzt werde ich die Analyse des Films „XXY“ aus der Perspektive der Gender Studies durchführen.

2. nalysekontext des Films „XXY“

Der Analysekontext des Films „XXY“ bezieht sich grundsätzlich auf das Klinefelter- Syndrom, auch bekannt als XXY-Syndrom, das Männer mit einem zusätzlichen X- Chromosom beschreibt. Es handelt sich um ein Thema, dass in unserer heutigen Gesellschaft eigentlich als selbstverständlich gelten sollte: Toleranz. In diesem Film kann man sehr gut erkennen, dass Alex kein so unglückliches Mädchen gewesen wäre, wenn sie nicht jeder angestarrt oder gar diskriminiert hätte. Da Alex in einer Szene „analen Geschlechtsverkehr“ mit einem Jungen ausübte, beschäftige ich auch mit der Homosexualität in Argentinien. Diese ist heute erlaubt. Auch die gleichgeschlechtliche Ehe wurde anerkannt. Sogar als erstes lateinamerikanisches Land hat Argentinien die Homo-Ehe eingeführt. Aber war das immer so einfach? Leider Nein. Denn homosexuelle Menschen wurden bis in die 1980er Jahre in Argentinien unterdrückt und waren Schikanen der Polizei ausgesetzt. In den folgenden Kapiteln gehe ich noch näher auf die Veränderungen zum Thema „Sex“ in Lateinamerika ein.1 Dieser Film ist ein Film zum Nachdenken und ein Aufruf, neue Wege zu beschreiten, um zu mehr Toleranz zu gelangen.

2.1. Die Gender Studies als Perspektive der Filmanalyse

Der Begriff Gender hat sich als Fachbegriff für „Geschlecht“ im deutschsprachigen Raum etabliert. Er ist das soziale Geschlecht. Die wissenschaftliche Disziplin, die sich mit Gender befasst, sind die Gender Studies (Geschlechterforschung). Sie analysieren Geschlechterdifferenzen und Geschlechterverhältnisse sowie den Unterschied zwischen den sozial und kulturell konstruierten Geschlechtern.2 Es sind auch vor allem kulturelle Akte, die einen Mann zum Mann machen und eine Frau zur Frau machen. Zum Beispiel spielen Kleidercodes oder Verhaltensrepertoires eine große Rolle. Mimik und Gestik stellen Weiblichkeit oder Männlichkeit her. Lautes Lachen galt eine lange Zeit als unweiblich. Ebenso das Betrinken in der Öffentlichkeit. (Franziska Schößler: Einführung in die Gender Studies, Berlin 2008, S.10f.)

„Die Trennung zwischen dem biologischen Geschlecht (engl. sex) und dem sozialen/kulturellen Geschlecht (Gender) ist einer der grundlegenden Ausgangspunkte der Gender Studies. Das soziale/kulturelle Geschlecht wird als ein von einer bestimmten Gesellschaft konstruiertes Geschlecht angesehen. Die jeweilige Geschlechterrolle (Gender role) mit bestimmten „männlichen“ oder „weiblichen“ Eigenschaften ist demnach kulturbedingt bzw. anerzogen und nicht biologisch determiniert. Gender schlägt sich in Stereotypen nieder und manifestiert sich in gesellschaftlich wirksamen Männer- und Frauenbildern.“3

Gleichgültig ob in der Familie, in der Schule oder am Arbeitsplatz. (Unbewusste) Handlungen und Aussagen sowie kulturelle Konventionen führen dazu, dass Mann und Frau oft nicht gleichberechtigt gefördert und sozialisiert werden. „Gender“ bezeichnet also das Geschlecht als ein Zusammenspiel aus biologischen Faktoren, wie z.B. einem Chromosomensatz.

2.1.1. Denkerinnen der Gendertheorie

Ein Mensch erfüllt die Erwartungen, die man in ihn als Mann bzw. in sie als Frau in der Gesellschaft (Familie, Schule, Arbeit, Freundeskreis etc.) setzt. Dadurch wird die Geschlechterzugehörigkeit vor allem durch die Tätigkeiten bestimmt, die von einem Mann/einer Frau erwartet werden.

Bereits die französische Schriftstellerin und Philosophin Simone de Beauvoir betonte diesen Gedanken in ihrem Werk „Das andere Geschlecht“ mit den Worten: „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es. Kein biologisches, psychisches, wirtschaftliches Schicksal bestimmt die Gestalt, die das weibliche Menschenwesen im Schoß der Gesellschaft annimmt.“ (Simone de Beauvoir: Das Andere Geschlecht, Hamburg 1968: S. 265) Sie betont, dass wir Menschen uns ständig von anderen unterscheiden und beschreibt somit „Das Andere“:

„ Das Andere ist eine grundlegende Kategorie des menschlichen Denkens. Keine Gemeinschaft definiert sich jemand als das Eine, ohne sofort das Andere sich entgegenzusetzen. Es genügt, dass sich drei Reisende zufällig in einem Eisenbahnabteil zusammenfinden, damit alsbald alle übrigen Reisenden in undefinierbarer Weise feindliche „Andere“ werden. Für den Dörfler sind alle Leute, die nicht zu seinem Dorfe gehören, verdächtige „Andere“; dem Eingeborenen eines Landes erscheinen die Bewohner von Ländern, die nicht das seine sind, als „Fremd“; die Juden sind „anders“ für die Antisemiten, die Schwarzen für den amerikanischen Verfechter des Rassegedankens[…]“ (Simone de Beauvoir: Das Andere Geschlecht, Hamburg 1968: S. 50f.)

Simone weist außerdem darauf hin, dass Individuen und Gruppen gezwungen sind, die Wechselseitigkeit ihrer Beziehungen anzuerkennen und das wir Geschlechter dies nicht tun. Sie greift die Frage auf, woran das wohl liegen könnte. Außerdem fragt sie sich, woher die Unterwerfung in dem Falle der Frau komme und wieso Frauen sich nicht dagegen wehren. Sie sagt, dass oft numerische Ungleichheit ein Übergewicht begünstigt. Also, dass die Mehrheit ihr Gesetz der Minderheit aufzwingt oder sie verfolgt. Dies stellt sie in Frage mit den Worten, dass Frauen nicht wie die Schwarzen in Amerika sind oder wie die Juden eine Minderheit: „Es gibt ebenso viele Frauen auf der Erde wie Männer.“ Simone appelliert, dass jeder dieser Gruppen durch historische Entwicklungen gegangen sind. Die Frau jedoch, war schon immer „dem Manne untergeordnet“ gewesen. (Simone de Beauvoir: Das Andere Geschlecht, Hamburg 1968: S. 50f.)

Das Buch „Das andere Geschlecht“ beinhaltet viele interessante Aspekte, die für die Gender Studies und vor allem für den Feminismus von großer Bedeutung sind, denn mit ihrem Werk trat der englische Begriff des „Gender“ (das soziale Geschlecht), erstmals in das breite Bewusstsein und wurde zu einem der wichtigsten Denkanstöße des Feminismus.

Darin zeigte Simone auch, dass die geschlechtliche Identität eine sozial erworbene ist und keine angeborene. Wie auch ihr Zitat sehr gut zur Situation von Alex, der Hauptfigur passt: „Das Glück besteht darin, zu leben wie alle Welt und doch wie kein anderer zu sein.“ (Simone de Beauvoir: Das Andere Geschlecht, Hamburg 1968: S. 265) Dieses Zitat besagt, dass wir als Menschen zu unserer Identität kommen sollten und trotzdem andere Menschen zu akzeptieren, um mit ihnen friedlich leben zu können. Menschen brauchen die persönliche Freiheit und Unabhängigkeit vom Wohlwollen der anderen.

Eine der bedeutendsten Vertreterinnen der Gender Studies ist die US-amerikanische Kulturphilosophin Judith Butler (geb. 1956), die in ihrem Buch „Gender Trouble“ (New York 1990, dt. Übersetzung: „Das Unbehagen der Geschlechter“, Frankfurt/Main 1991) ebenfalls dafür plädiert, die geschlechtliche Identität als etwas Performatives (durch Tätigkeit Ausgelöstes) anzusehen. Nach Judith Butler ist nicht nur das soziale Geschlecht eine Konstruktion, auch das biologische Geschlecht könne als hinterfragbare Wahrheit bzw. als eine kulturelle Interpretation des Körperlichen angesehen werden. Es wird zwischen Geschlecht und Geschlechtsidentität nicht unterschieden, das heißt, dass z.B. ein männlicher Körper auch als Frau fühlen, d.h. eine weibliche Geschlechtsidentität haben, Biologie muss also nicht Schicksal sein. Butler weist jedoch darauf hin, dass aus einem binären Erscheinen des biologischen Geschlechts nicht eine ebenfalls eine binäre Geschlechtsidentität geschlossen werden kann.

So definiert sie das Geschlecht: „Ein Werden und Konstruieren, von dem man nie rechtmäßig sagen kann, dass es gerade beginnt oder zu Ende geht. Als fortdauernde diskursive Praxis ist dieser Prozess stets offen für Eingriffe und neue Bedeutungen“(Butler 1991:60).

2.1.2. Gendertheorie und Film

Die Vorstellungen von dem „idealen Mann“ oder der „idealen Frau“ stehen in unmittelbarer Beziehung zu den Erscheinungen in Filmen. Besonders junge Leute prägen sich diese Erscheinungen, die in jeglichen audiovisuellen Medien (Filme, Videospiele, das Internet) gezeigt werden, schnell ein. Daraus lässt sich erschließen, dass Medien im Schulunterricht, den Jungen und Mädchen im jungen Alter nicht effizient thematisiert werden. Außerdem ist „Der Mensch'' in vielen dieser filmtheoretischen Untersuchungen ausschließlich männlich. Dadurch konzentriert sich der Feminismus auf die Unterdrückung der Frauen.

„Durch die Auseinandersetzung mit medial Dargebotenem lernen Schülerinnen und Schüler die Wirkungsweisen und Funktionen von Bildern, Musik und Sprache kennen und können für genderspezifische Themen (wie z.B. Geschlechtsidentität, Homosexualität, gesellschaftliche Toleranz etc.) sensibilisiert werden.“4

Viele Theorien besagen auch, dass Frauen oft und vor Allem in Filmen auf ihren Körper reduziert werden, da Männer sich dies gerne ansehen. Eine solche Projektion der Schaulust auf den weiblichen Körper wurde von Katrin Schrader-Klebert treffend charakterisiert: „Der Körper der Frau ist nur das, als was der Mann ihn anschaut. Der (weibliche) Körper ist nicht für sie da, nicht in ihrer eignen Anschauung bestimmt, durch sie nicht als Körper reflektierbar, sondern er ist der Spiegel dessen, was der Mann über ihn denkt.“ Eine solche Schaulust erörtert auch Laura Mulvey:

„In einer Welt, die von sexueller Ungleichheit bestimmt ist, wird die Lust am Schauen in aktiv - Männlich - und passiv - weiblich - geteilt. Der bestimmende männliche Blick projiziert seine Phantasie auf die weibliche Gestalt, die dementsprechend geformt wird.

[...]


1 http://www.spiegel.de/politik/ausland/trotz-protest-der-kirche-argentinien-erlaubt-die-homo-ehe-a- 706708.html

2 https://www.apa.org/pi/lgbt/resources/sexuality-definitions.pdf 3

3 http://www.mediamanual.at/mediamanual/workshop/gender/grundlagen.php

4 http://www.mediamanual.at/mediamanual/workshop/gender/

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Intersexualität und sexuelle Identität in der filmischen Verarbeitung. Der Film "XXY" im Kontext der Gender Studies
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Fachbereich Sprach-, Kultur und Translationswissenschaften)
Note
2,3
Autor
Jahr
2015
Seiten
17
Katalognummer
V356367
ISBN (eBook)
9783668421806
ISBN (Buch)
9783668421813
Dateigröße
1026 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Intersexualität, Sexualität, Homosexualität, XXY, Gender Studies, Geschlechterforschung, Filmwissenschaft
Arbeit zitieren
Nadeen Al-Oubaidi (Autor:in), 2015, Intersexualität und sexuelle Identität in der filmischen Verarbeitung. Der Film "XXY" im Kontext der Gender Studies, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/356367

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