Motivation von Selbstmordterroristen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

38 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Das Gesicht des Todes: Wer wird zum Selbstmordattentäter?

2. Der Weg in den Tod: Rekrutierung von Selbstmordattentätern

3. Das Leben mit dem Tod: Vorbereitung auf den Selbstmord
3.1 Märtyrertum: Ein Leben nach dem Tod
3.2 Abspaltung
3.3 Der Feind: Die Opfer als Täter
3.4 Point of no Return
Exkurs: Verehrung der Märtyrer
3.5 Die Nähe zu Gott: Umbau der Denkprozesse

4. Das Leben vor dem Tod: Die letzten Momente

5. Strategie der Selbstmordanschläge

6. Gegenmaßnahmen

Literaturverzeichnis

Einleitung

Friedlich war der Mensch noch nie. Ganz im Gegenteil. Im Laufe der Geschichte hat er eine ungeahnte Kreativität an den Tag gelegt, wenn es darum ging, neue Formen der Gewalt hervorzubringen. Gerade gegenüber einer großen Masse scheint es dem Mensch nie an Möglichkeiten der Gewaltanwendung gefehlt zu haben: Minderheitenverfolgung, von der „ethnische Säuberung“ bis hin zum Holocaust, Staatsterror, Krieg, etc.. Doch wie unterschiedlich diese Gewalt gegenüber einer Masse in ihrer Form und dem Grad der Grausamkeit auch sein mag, eins ist ihnen doch fast allen gemein: Die Berechenbarkeit ihres Auftretens.

Aufgrund seiner Erfahrung mit diesen Phänomenen weiß der Einzelne in welcher Situation ihm von wem Gewalt droht, und welches Ausmaß sie annehmen wird. Jene Ordnung im Chaos macht es dem betroffenen Menschen sicherlich etwas einfacher mit der Massengewalt umzugehen.

Bei terroristischer Gewalt[1] fehlt dieses beruhigende Merkmal jedoch völlig. Terrorismus kann im Prinzip jederzeit alle Mitglieder der betroffenen Gesellschaft erfassen. Keine persönlichen Merkmale, Handlungen oder Schutzmaßnahmen kann den Einzelnen vor den Terrorismus bewahren. Das Erscheinen dieser Gewaltform ist nicht mehr antizipierbar! Diese Tatsache stellt somit die Quelle der schockierenden Wirkung des Terrorismus dar.

Verbinden wir dieses gesellschaftliche Tabu der Gewaltanwendung, in ihrer extremsten Ausprägung also Mord, mit dem Tabu des Suizids, so ergibt sich die „Faszination“ und außerordentliche Wirkung, die von den Selbstmordattentaten ausgeht.

Auch büßte der moderne Selbstmordterrorismus bisher in seiner Geschichte nichts an Aktualität ein. Orientierungslose Menschen, Rettungshelfer, zerfetzte Körper und Häuser - mittlerweile sind die Bilder der Folgen eines Selbstmordattentats jedem vertraut. Fast im wöchentlichen Rhythmus werden sie in den Nachrichtenmedien gezeigt. Insbesondere im Konflikt mit dem Staat Israel sind Selbstmordanschläge für die Palästinenser scheinbar die Terrorismusform Nummer eins.

Im Verlauf dieser Arbeit soll nun versucht werden, diesem Phänomen des Selbstmordanschlages etwas näher zu kommen. Insbesondere die Person des Selbstmordattentäters steht im Zentrum der Arbeit. Welche Persönlichkeiten entschließen sich dazu, ihr eigenes und fremdes Leben für ein angeblich höheres Ziel zu opfern? Welche Gründe und Motivationen haben sie hierfür? Welche Wege führen zum Selbstmordattentat? Wie bewältigen diese Menschen den immensen psychischen Streß, der mit der Überwindung des urmenschlichsten Triebes der Selbsterhaltung unzertrennlich verbunden ist? Dies sind im Kern die Hauptfragen, mit denen ich mich im Folgenden beschäftigen möchte.

Selbstmordterroristen gibt es nahezu in allen Regionen dieser Welt. Sie sind unterschiedlich motiviert und verfolgen verschiedenste Ziele. Dennoch wird in dieser Arbeit zum größten Teil von moslemischen Selbstmordattentätern im Nahen Osten die Rede sein. Diese Konzentration ergibt sich aus der verfügbaren Literatur zu diesem Thema. Selbstmordattentate im islamischen Kontext wurden in der Vergangenheit schlicht und ergreifend am häufigsten und besten untersucht. Somit besitzt diese Arbeit natürlich auch eine eingeschränkte Aussagekraft bei nicht religiös, bzw. nicht islamisch motivierten Selbstmordterrorismus.

Weiterhin möchte ich darauf hinweisen, dass im Zusammenhang mit dem Thema dieser Arbeit nicht von dem Islam an sich die Rede sein wird. Es liegt mir fern, diese Religion zu verurteilen, noch alle anderen Religionen von ihrer eventuellen Mitschuld an Terrorismus freizusprechen. Der Nahe Osten stellt nun mal ein Sonderfall dar. Aufgrund geographischer, gesellschaftlicher und politischer Faktoren entstand dort im Zusammenspiel mit der islamischen Tradition ein Klima, dass sich geradezu als perfekter Nährboden für Selbstmordattentate erwies.

Bei der Bedeutung des Islams für diese Arbeit bleibt noch zu erwähnen, dass fast alle zitierten Werke aus der Feder westlicher Autoren stammt. Aufgrund der Unterschiede zwischen der christlichen/jüdischen und der islamischen Kultur ist es somit fast unmöglich, diese Arbeit von latenten und eventuell negativen Bewertungen völlig frei zu halten. Falls solche Bewertungen im Text vorkommen sollten, lag dies nicht in meiner Absicht.

1. Das Gesicht des Todes: Wer wird zum Selbstmord- attentäter?

Im Vergleich zum normalen Terrorismus sind beim Selbstmordterrorismus die soziologischen und psychologischen Merkmale des Terroristen weitaus interessanter. Schließlich ist die Bereitschaft zur bloßen Tötung an sich nichts außergewöhnliches und auch nicht nur dem Terrorismus vorbehalten. Dagegen stellt der terroristische Selbstmord eine Besonderheit dar. Denn der Selbstmordattentäter handelt nicht aufgrund Depressionen oder ähnliches wie beim normalen Suizid, sondern aus Überzeugung. Wollen wir uns also dem Phänomen der Selbstmordanschläge nähern, müssen wir zunächst den Akteur näher betrachten. Welcher Typus von Mensch ist bereit sein Leben für ein bestimmtes Ziel zu opfern? In diesem Kapitel soll versucht werden, jene Frage zu klären.

Ernüchternd wirkt da zunächst die Einsicht, dass es einen Selbstmordattentäter an sich nicht gibt! Das Erscheinungsbild dieses Phänomens ist zu diffus, als das man ein einheitliches Personenprofil erstellen könnte. Selbstmordattentäter entspringen eben nicht überdurchschnittlich oft einer bestimmten sozio-ökonomischen Gruppe der Gesellschaft. Unter den Tätern finden sich sowohl Akademiker wie Analphabeten, vermögende Menschen wie verarmte Arbeitslose.[2] Noch nie hatte das Sprichwort „Vor dem Tod sind alle gleich“ solch einen Anspruch auf Gültigkeit.

Auch über die genauen Ursachen der Entscheidung zum Selbstmordattentat wissen wir eigentlich so gut wie nichts. Wir sehen mit dem Anschlag selbst immer nur den kurzen Schluß einer langen Entwicklung.[3]

Trotz des Fehlens eines eindeutigen Täterprofils kennen wir doch einige Gemeinsamkeiten, die die meisten Selbstmordattentäter aufweisen. Allerdings handelt es sich dabei weder um hinreichende, noch notwendige Kriterien. Selbstmordattentäter weisen weder alle der folgenden Merkmale auf, noch wird man automatisch zu einem, falls man alle erfüllt.

Gesellschaftliches Klima

Ein ausschlaggebender Faktor ist sicherlich der kulturelle, bzw. gesellschaftliche Rahmen, in dem der Attentäter aufwächst eine starke Rolle. Denn schließlich liefert dieser die Werte und Normen, aus denen sich alle weiteren Handlungen ableiten.[4]

Der Attentäter wächst in einem gesellschaftlichem Klima auf, in dem Selbstmordanschläge als legitim angesehen werden. Dies zeigt sich am Beispiel des Israel-Palästina-Konflikts. In diesem Konflikt wurde und werden immer wieder von palästinensischer Seite Selbstmordanschläge verübt. Dies geht einher mit einer entsprechender Unterstützung dieser Form des Terrorismus in der Gesellschaft. Anfang 1996 sprachen sich 20 Prozent der örtlichen palästinensischen Bevölkerung für Selbstmordanschläge als Waffe im Kampf gegen die Israelis aus, im Jahr 2000 waren es sogar knapp 40 Prozent.[5] Bei diesen Zahlen kann man geradezu von einem breiten gesellschaftlichen Konsens über die Legitimität von Selbstmordanschlägen sprechen.

Das unter den 40 Prozent auch viele Mütter und Väter sind, die das Risiko eingehen, auch ihre eigene Kinder an den Selbstmordterrorismus zu verlieren, demonstriert nochmals deren Entschlossenheit und Glaube in dieser Hinsicht.

Somit durchläuft man in solchen Gesellschaften mit dem Sozialisationsprozeß automatisch auch eine latente Vorbereitung zum Selbstmordterroristen. Alle an der Sozialisation beteiligten Personen (Eltern, Freunde, Lehrer, Prominente, etc.) tragen somit, ob bewußt oder unbewußt, zur Entscheidung des Attentäters zu seiner zukünftigen Tat, dem Selbstmordattentat, bei.[6]

Diese vorbehaltlose Unterstützung des Selbstmordterrorismus durch die palästinensische Bevölkerung war jedoch nicht immer vorhanden. Vielmehr ist diese gesellschaftliche Entwicklung sogar noch relativ jung. Als sich nämlich Mitte der Achtziger Jahre der moderne Selbstmordterrorismus langsam vom Libanon in den gesamten Nahen Osten ausbreitete, distanzierten sich die meisten einheimischen Araber von diesem Phänomen. Nicht zuletzt aufgrund des religiösen Verbots von Suizid sah man die Selbstmordterroristen als psychisch Kranke Menschen an. Dies ging sogar soweit, dass die Terrororganisationen die Identität der Attentäter geheimhielten und sogar jeden Kontakt mit ihnen abstritten.[7]

An dieser Tatsache läßt sich auch leicht erkennen, dass der heutige Kult um den Selbstmordterrorismus nicht in der Natur des Islam selbst liegt, sondern von den Terrororganisationen durch verschiedenste Propaganda erst erschaffen wurde. Wie dieser Meinungswandel der Bevölkerung im Detail von statten ging, wird später in dieser Arbeit noch genauer beschrieben (siehe Kapitel 3.1)

Dagegen wird eine Gesellschaft, in der eine tief verwurzelte Abneigung gegen diese Form des Terrorismus herrscht, eher weniger Selbstmordattentäter hervorbringen. Schließlich läßt sich Terrorismus und seine Mittel nur noch schwerlich legitimieren, wenn die eigenen Anhänger diesen nicht mehr unterstützen. Ein Problem mit dem seit längerem zum Beispiel die baskische ETA zu kämpfen hat. Beim Selbstmordterrorismus, der mit viel stärkeren Emotionen bei allen beteiligten Parteien verbunden ist, zeigt solch eine Entwicklung natürlich eine noch stärkere Wirkung.

Einer der wichtigsten Gründe für den Rückhalt des Selbstmordterrorismus in der Bevölkerung mag sicherlich der Grad der eigenen Unterdrückung sein. Greift ein feindlicher Aggressor, wie der Staat Israel aus der Sicht der Palästinenser, immer wieder mit erheblichen militärischen Mitteln maßgeblich in die Freiheit der eigenen Gruppe ein, so sieht man fast jedes Mittel zur Verteidigung als legitim an. Auch Selbstmordterrorismus.

So erscheint es nur logisch, wenn in diesem Umfeld aus Gewalt, Forderungen nach extremen Mitteln der Verteidigung und der Verherrlichung von Suizidbombern neue Selbstmordattentäter heran gezüchtet werden.[8]

Vor diesem Einfluß der gewaltbehafteteten Umwelt auf potentielle Selbstmordattentäter resigniert auch eine palästinensische Mutter:

„Wir erziehen unsere Kinder nicht mehr, der Krieg erzieht sie.“[9]

Geschlechts- und Altersstruktur

Selbstmordanschläge werden zumeist von Männern begangen, die Anfang 20 sind.[10] Bei palästinensischen Selbstmordattentätern liegt das Durchschnittsalter sogar bei 21,3 Jahren.[11] Ein Anhäufung dieser beiden Merkmale läßt sich relativ einfach erklären. In diesem Alter ist man als Mann bereits aus der Familie herausgewachsen. Die Familienstruktur ist so ausgerichtet, dass sie nicht mehr auf den jungen Mann angewiesen ist. Weiterhin ist auch noch keine neue, eigenen Familie gegründet worden. Der Attentäter ist also somit relativ ungebunden und hinterläßt keine für die Hinterbliebenen sich eventuell schmerzhaft auswirkenden sozialen Lücken.[12] Aus dem gleichen Grund werden im weiteren Verlauf des Trainings, bzw. der Vorbereitung auf den Selbstmordanschlag alle anderen sozialen Bindungen von Seiten des Selbstmordattentäters gekappt.[13] Diese völlige Isolation macht es sicherlich auch einfacher für ihn, sich endgültig für die Tat zu entscheiden.

Eine Ausnahme zu diesem Alters- und Geschlechtsschema stellt die tamilische Terrorgruppe LTTE dar. Diese Organisation, welche bisher die meisten Selbstmordanschläge verübte, bedienen sich bei ihrer Planung überdurchschnittlich oft junger Frauen unter 20.[14] Dies geschieht wohl auch aus dem einfachen pragmatischen Grund, dass junge Frauen weniger den Verdacht von Ordnungskräften auf sich ziehen und somit zumeist mit ihrer tödlichen Fracht unbehelligt Sicherheitskontrollen passieren können.

Aber auch im arabischen Raum finden sich in letzter Zeit häufiger weibliche Selbstmordattentäter als noch vor einigen Jahren.[15] Auch bei den Anschlägen des 11. September 2001 passen nicht alle Täterbeschreibungen in das oben genannte Muster. Von den vier bekannten Gruppen aus 19 Terroristen waren zwar alle männlich und einige auch Anfang 20, doch nach all dem was wir heute wissen, ist davon auszugehen, dass diese Männer nichts von einer Selbstmordmission wußten. Die Drahtzieher der Anschläge, die das Vorgehen koordinierten, wie zum Beispiel Muhammed Atta, waren dagegen über 30 und teilweise sogar verheiratet.

Ob es sich hierbei um Ausnahmen oder um eine neue Entwicklung bei den Selbstmordterroristen handelt, bleibt abzuwarten.

Psychische Faktoren

Auffällig bei Selbstmordattentäter ist auch der vorhandene Dogmatismus und Fundamentalismus.[16] Dies muß jedoch nicht an eine Religion gebunden sein. Die bereits weiter oben erwähnte Organisation LTTE zieht ihre Motivation aus ihren rein ethnisch-nationalen Ziele.[17] Von ihren Selbstmordattentätern weiß man eben auch, dass sie sehr dogmatisch und fundamentalistisch veranlagt waren. Das diese Veranlagung sehr wichtig für den Umgang mit dem eigenen Selbstmord ist, wird später in dieser Arbeit noch eingehender beschrieben (siehe Kapitel 3).

Auch finden sich in der Gruppe der Selbstmordattentäter überdurchschnittlich oft Menschen, die sich zu wenig geliebt fühlen. Sie fühlen sie dadurch tief in ihrem Innersten gekränkt. Allerdings tragen sie diese Gefühle nicht offen aus, oder versuchen sie in irgend einer Form zu kompensieren. Vielmehr speichern sie dies genau wie jede andere seelische Verletzungen nahezu unverarbeitet in sich ab.[18] Sie fressen förmlich jede Beleidigung und Kränkung in sich rein, wodurch ein immens starker psychischer Druck entsteht, der nach einem Ventil sucht. Dieses wird unter anderem in Form eines Selbstmordanschlages angeboten.

Grad der Diskriminierung und Frustration

Abgesehen vom gesellschaftlichem Klima sind die bereits erwähnten Faktoren zwar oftmals charakteristisch für Selbstmordattentäter, jedoch sind sie bei der Entschlußfassung zur Tat wohl eher von schwacher Bedeutung. Nur weil ein junger Mann fundamentalistisch veranlagt ist und sich unzureichend von seiner Umwelt geliebt fühlt, schnallt er sich noch lang keine Bombe um den Bauch. Die weiteren Lebensumstände eines potentiellen Selbstmordterroristen müssen daher auch beachtet werden. Somit ist der Grad an Diskriminierung und/oder Frustration sehr wichtig.[19]

Diese Diskriminierung und Frustration kann zum einem auf einer kollektiv historischen Ebene erfahren werden.

So sehen die Araber und Palästinenser die jüngste Geschichte als endlose Demütigung ihrer Kultur an. Dies begann mit dem Einmarsch Napoleons in Ägypten vor gut 200 Jahren. Seit diesem Zeitpunkt sehen sie sich mit einem technisch, wirtschaftlich und militärisch überlegenem Europa konfrontiert. Später kamen noch die USA und Israel mit der gleichen Rolle hinzu. Im 20 Jahrhundert waren die Araber darüber hinaus auch noch einer der Verlierer der Modernisierung. Wirtschaftlich ging es in der gesamten Region bergab. Eine um so schmerzlichere Erfahrungen, da dass Goldene Zeitalter des Islams noch relativ frisch im Bewusstsein ist.[20]

Diese kollektiv traumatischen Entwicklungen führten gleichzeitig auch zu einer Wiederbelebung und Verstärkung religiöser und ethnischer Bewegungen.[21] Wenn alles weltliche mehr oder weniger erfolglos bleibt, wendet man sich eben der Religion zu.[22]

Frustration und Diskriminierung wird aber natürlich auch individuell und alltäglich erlebt. Palästinenser erfahren relativ früh in ihrem Leben ein Umfeld aus Gewalt und Gegengewalt. Er wird vom angeblichen Aggressor Israel in seiner freien Entfaltung erheblich eingeschränkt.[23] Oftmals haben Selbstmordterroristen auch einen Freund oder Verwandten durch den Besatzer verloren, sei es durch Festnahmen oder dem Tod bei Straßenschlachten, bzw. während der Intifada.[24]

Interessant ist auch, dass einige palästinensische Selbstmordattentäter während der ersten Intifada nicht aktiv an den Straßenkämpfen teilgenommen haben. Dies korrespondiert auch mit der weiter oben bereits dargelegten psychischen Lage der Terroristen. Sie sind in ihrer Art eben eher ruhig und unauffällig. Doch eben dieses Fernbleiben von den Kämpfen wird als persönliche Scham wahrgenommen, die auch in einer starken persönlichen Frustration gipfelt.[25]

Potentielle Selbstmordattentäter wachsen also in einem Klima anhaltender kollektiver Ohnmacht und Wut auf. Sie erleben die durch den Aggressor ausgelöste Diskriminierung wiederholt im eigenen Leben. Diese „kulturelle Bedrohung“[26] ruft zusammen mit unterschiedlichsten individuellen Kränkungen und Perspektivenlosigkeit eine starke Frustration hervor. Dies geht einher mit einer unablässigen Existenzbedrohung und der Gefahr eines kulturellen wie auch individuellen Identitätsverlust. Zur Kompensation muß der potentielle Selbstmordterrorist sich selbst und allen anderen beweisen, dass er noch existiert und genügend Kraft besitzt, die Dinge noch zu verändern. Dies kann zu dem psychischen Zustand der sogenannten fanatischen Persönlichkeit führen. Eng damit verbunden sind Größenwahn und rücksichtsloses Verhalten.[27] Beides Charakterzüge, die fast unerlässlich sind, um sich über einen längeren Zeitraum auf sein Selbstmordattentat vorzubereiten und mit dem damit verbundenen Stress umgehen zu können.

Der vormals gedemütigte, diskriminierte und frustrierte Selbstmordterrorist entwickelt nun starke Triumphgefühle, da er um die Macht seiner aus der Ohnmacht entstandener Tat weiß.[28]

[...]


[1] In dieser Arbeit wird der Terrorismus-Begriff von Peter Waldmann benutzt:

„Terrorismus sind planmäßig vorbereitete, schockierende Gewalt gegen eine politische Ordnung aus dem Untergrund. Sie sollen allgemeine Unsicherheit und Schrecken, daneben aber auch Sympathie und Unterstützungsbereitschaft erzeugen.“ (Waldmann (1998), S. 10)

[2] vgl. Kucklick & Luczak & Reuter (2001), S. 112;Albrecht & Etzold & Schuh (2001), S. 41;

Kast & Wewetzer (2001)

[3] Albrecht & Etzold & Schuh (2001), S. 39

[4] Merari (1990), S. 197

[5] House of Representatives (2000); vgl. auch Kramer (1990), S. 142

[6] Merarie (1990), S. 199

[7] Kramer (1990), S. 142+143

[8] Albrecht & Etzold & Schuh (2001), S. 39

[9] Grossbongardt (2002), S. 130

[10] Kucklick & Luczak & Reuter (2001), S. 112; Waldmann (1998), S. 114

[11] Merari (1990), S. 205

[12] Kucklick & Luczak & Reuter (2001), S. 112; Waldmann (1998), S. 115

[13] Waldmann (1998), S. 115

[14] Kucklick & Luczak & Reuter (2001), S. 121

[15] Grossbongardt (2002), S. 130

[16] Albrecht & Etzold & Schuh (2001), S. 39

[17] House of Representatives (2000)

[18] Kast & Wewetzer (2001); vgl. auch Kucklick & Luczak & Reuter (2001), S. 112

[19] Kushner (1996), S. 332

[20] Kucklick & Luczak & Reuter (2001), S. 114

[21] Hazani (1993), S. 424

[22] Kucklick & Luczak & Reuter (2001), S. 114

[23] Albrecht & Etzold & Schuh (2001), S. 39

[24] Kushner (1996), S. 332

[25] Ebd.

[26] Hazani (1993), S. 424

[27] Kucklick & Luczak & Reuter (2001), S. 117

[28] Ebd.

Ende der Leseprobe aus 38 Seiten

Details

Titel
Motivation von Selbstmordterroristen
Hochschule
Universität Augsburg  (Lehrstuhl für Soziologie)
Veranstaltung
Seminar: Terrorismus. Hintergründe, Formen, neuere Entwicklungen
Note
1,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
38
Katalognummer
V3559
ISBN (eBook)
9783638121972
Dateigröße
667 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Aktuelle Betrachtung des Phänomens des Selbstmordterrorismus. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen religiös motivierte Selbstmordattentate im Nahen Osten. 225 KB
Schlagworte
Motivation, Selbstmordterroristen, Seminar, Terrorismus, Hintergründe, Formen, Entwicklungen
Arbeit zitieren
Johannes Sassenroth (Autor:in), 2002, Motivation von Selbstmordterroristen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/3559

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