Der Eichmann-Prozess. Der Begriff des Handelns und seine Konsequenzen nach Hannah Arendt


Hausarbeit, 2016

15 Seiten, Note: 3,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Historische Einordnung

3. „Die Banalität des Bösen“

4. „Verbrechen gegen die Menschheit“

5. „Das Handeln“

6. Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

„Was ist das nun - der klassische Fall pathologischer Verlogenheit, gepaart mit abgründiger Dummheit?"

(Hannah Arendt über Adolf Eichmann, 1963)

1. Einleitung

Das Seminar „Pluralität, Urteilskraft und politisches Handeln. Hannah Arendt im Spiegel neuerer Konzepte zur politischen Bildung“, das die Grundlage für diese Hausarbeit darstellt, thematisierte die Bedeutsamkeit der Werke der politischen Philosophin Hannah Arendt für die aktuelle Neugestaltung von Ansätzen politischer Bildung in unserer heutigen Gesellschaft. Zu Beginn des Seminars wurde zunächst auf Problembereiche politischer Bildung eingegangen, unter anderem auf das Verständnis von Kultur im Zusammenhang mit Gruppenzugehörigkeiten. Im weiteren Verlauf ging es um Hannah Arendts Überlegungen zur Pluralität, die als Bedingung des Handelns und Sprechens, die Diversität der Menschen offenbart.

Dieser Aspekt des politischen Handelns soll nun von der vorliegenden Hausarbeit näher beleuchtet werden. Wie das obige Zitat erahnen lässt, soll es hierbei insbesondere um den Eichmann Prozess in Jerusalem gehen, dem Arendt als Pressebeobachterin 1961 beiwohnte. 1963 veröffentlichte Arendt ihr Buch „Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen.“, das weltweit kontrovers diskutiert wurde und den Ausgangspunkt dieser Ausarbeitung bilden soll. Zentrales Thema hierbei, sollen verschiedene Formen des politischen Handelns sein, die im Seminar erarbeitet worden sind und die Kontroversen aus Hannah Arendts Werk „Eichmann in Jerusalem“. Dabei soll die Frage, inwieweit das Handeln Adolf Eichmanns, unter Berücksichtigung der Kontroversen aus dem Buch und Hannah Arendts Überlegungen zum politischen Handeln in Verbindung stehen, mithilfe von adäquater Literatur kritisch beantwortet werden.

Um eine grobe Orientierung zu ermöglichen, erfolgt zunächst eine kurze historische Darstellung des Eichmann Prozesses 1961 und der Rolle, die Arendt dabei einnahm. Darauf aufbauend findet die Analyse von zwei der wichtigsten Kontroversen aus Hannah Arendts Werk statt. Dazu wird als erstes die „Banalität des Bösen“ betrachtet, um anschließend auf die „Verbrechen gegen die Menschheit“ einzugehen. Zuletzt werden Arendts Überlegungen zum „Handeln“ Gegenstand der Untersuchung. Dabei soll versucht werden ein Transferprozess zwischen den erarbeiteten Ergebnissen und den Kontroversen aus Hannah Arendts Werk herzustellen, um abschließend einen zusammenfassenden Überblick und einen Ausblick unter Berücksichtigung der genannten Fragestellung zu geben.

2. Historische Einordnung

Am 11. April 1961 begann ein Gerichtsverfahren, das der Staat Israel gegen den ehemaligen SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann führte und das ab diesem Zeitpunkt in der Öffentlichkeit als „Eichmann-Prozess“ bekannt wurde (vgl. Arendt 1986, S. 1 ff.). Ein Jahr zuvor hatte der israelische Geheimdienst den Angeklagten in Argentinien entführt und nach Israel gebracht, wo am 23. Mai 1960 der Haftbefehl gegen Adolf Eichmann erlassen wurde. Der Prozess endete am 15. Dezember 1961 mit dem Urteil der Todesstrafe, das am 1. Juni 1962 vollstreckt wurde (vgl. ebd.).

Der Verurteilte Eichmann gilt auch heute noch in der Öffentlichkeit als Verantwortlicher für den Mord an mehr als 5 Millionen Juden und als eine der Schlüsselfiguren bei der „Endlösung der Judenfrage“. Adolf Eichmann war Leiter der Reichszentrale für jüdische Auswanderung in Berlin und Referatsleiter für „Judenangelegenheiten“ im Reichssicherheitshauptamt und war somit mit der geplanten Deportation der Juden und der Ermordung in Konzentrations- und Vernichtungslagern beauftragt und maßgeblich für die praktische Umsetzung mitverantwortlich. Nach Ende des zweiten Weltkrieges konnte er sich über die sogenannten „rat lines“ nach Argentinien absetzen, wo er fortan mit gefälschten Papieren bis zu seiner Entführung nach Israel lebte (vgl. Cesarani 2004).

Der „Eichmann-Prozess“ in Jerusalem sorgte ab dem ersten Tag für großes Interesse in der internationalen Öffentlichkeit, nicht nur weil Adolf Eichmann „als der eigentlich Verantwortliche für die Ausführung der „Endlösung“ der Judenfrage in Europa angesehen wurde“ (Arendt 1986, S. 1), sondern auch, weil man sich durch das Gerichtsverfahren Aufklärung über die Geschehnisse und Verbrechen an der Menschheit während des Nationalsozialismus versprach (vgl. ebd.).

In dem Buch „Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen.“ schildert die jüdische Theoretikerin Hannah Arendt das Gerichtsverfahren gegen Adolf Eichmann. Arendt war von der Wochenzeitschrift „The New Yorker“ als Pressebeobachterin nach Jerusalem gesandt worden, um aktuell über das Prozess-Geschehen berichten zu können (vgl. Arendt 1986, S. 2 f.). Was zunächst als einzelner Artikel geplant war, entwickelte sich mit der Zeit zu einem Essay, das in fünf aufeinanderfolgenden Ausgaben des „New Yorker“ erschien. Ab 1963 veröffentlichte Hannah Arendt den überarbeitete Artikel als Buch, das seit dem weltweit für Kontroversen sorgt und „somit einen Meilenstein für die kontroverse Auseinandersetzung um die Wahrnehmung des Holocaust als negativem Zentralereignis des Zweiten Weltkrieges dar[stellt]“ (Gallas 2011).

3.„Die Banalität des Bösen“

Die erste Kontroverse um Hannah Arendt und den Eichmann-Prozess, fand ihren Ursprung im Untertitel des Buches „Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen.“ Diese Aussage Arendts führte zu einer sehr hohen Divergenz in der Weltöffentlichkeit. Zu leicht ist der Schluss, dass Arendt die Taten Eichmanns als banal ansah oder sie wenigstens zu minimieren versuchte. Ganz im Gegenteil, lässt sich „Banalität“ hier aber als die Allgegenwärtigkeit und die Selbstverständlichkeit des Bösen in der Natur eines jeden Menschen betrachten. Diese Missinterpretationen, bzw. Deutungsunterschiede sind zu Teilen auch der Übersetzung vom Englischen ins Deutsche geschuldet.

Hannah Arendt bezeichnet Adolf Eichmann als „normalen“ Menschen, der das Potenzial des Bösen in der Zeit der arbeitsteiligen Moderne, wie viele andere auch, in sich trägt (vgl. Arendt 1986, S. 54 f.). Die verbrecherische Natur seiner Handlungen stellt ihrer Meinung nach keine Ausnahme im Dritten Reich dar. Vielmehr verkörpern die Personen, die sich zu dieser Zeit, im Gegensatz zu Eichmann, ein „normales Empfinden“ bewahrt haben, die Ausnahme der traurigen Regel (vgl. ebd.). Auch die zahlreichen Psychiater, die Eichmann nach seiner Verhaftung untersuchten, kamen nicht nur zu dem Schluss, dass er „normal“ sei, sondern darüber hinaus „Eichmanns ganzer psychologischer Habitus, seine Einstellung zu Frau und Kindern, Mutter und Vater, zu Geschwistern und Freunden, „nicht nur normal, sondern höchst vorbildlich“ sei“ (Arendt 1986, S. 53).

Trotz alledem unterstreicht Arendt die Tatsache, dass sich Eichmann hätte anders entscheiden können, wenn er es gewollt hätte, da dies ihrer Auffassung von Willensfreiheit entspricht. Hannah Arendt nennt in diesem Zuge Beispiele für Personen (z.B. den Unteroffizier Anton Schmidt, der hunderten Juden das Leben rettete und dafür mit seinem Leben bezahlte) oder auch den Staat Dänemark, der versuchte das Vernichtungsprogramm der deutschen Regierung zu sabotieren. Adolf Eichmann handelte jedoch nicht so, sondern vielmehr bewusst und vorsätzlich, mit Wissen und Wollen und ist somit auch schuldig und verantwortlich für seine verbrecherischen Handlungen. Eichmann hatte das Bewusstsein, als gesetzestreuer Bürger gehandelt und lediglich seine Pflichten erfüllt zu haben, in dem er den Befehlen des Führers und dem Gesetz gehorchte (vgl. Arendt 1986, S. 173 ff.). Zudem führt Arendt in diesem Zusammenhang an, dass Eichmanns Motiv, das ihn zu seinen verabscheuungswürdigen Handlungen angetrieben hat, „nicht Fanatismus, sondern eine echte, „maßlose Hitlerverehrung““ war (Arendt 1986, S. 187 f.).

Das Gericht in Jerusalem klagte Adolf Eichmann an, „Verbrechen gegen das jüdische Volk, Verbrechen gegen die Menschheit und Kriegsverbrechen“ begangen zu haben. Dennoch charakterisiert sich Eichmann selber nur als Zahnrädchen in der Maschinerie des Nationalsozialismus und antwortet auf jeden Punkt der Anklage: „Im Sinne der Anklage nicht schuldig“ (Arendt 1986, S. 48). Er bekennt sich nicht nur „nicht schuldig“, sondern streitet darüber hinaus auch ab, jemals einen jüdischen oder nicht-jüdischen Menschen umgebracht oder den Befehl zur Tötung gegeben zu haben (vgl. Arendt 1986, S. 49 f.). Er habe mit der Tötung der Juden im Allgemeinen nichts zu tun gehabt, „es habe sich eben so ergeben, daß er es niemals tun mußte, [aber][…] er ließ keinen Zweifel daran aufkommen, daß er seinen eigenen Vater getötet hätte, wenn es ihm befohlen worden wäre“ (Arendt 1986, S. 49).

Arendt beschäftigte sich bereits lange vor dem Eichmann-Prozess, in ihrem Essay „Organisierte Schuld“, mit der Frage, wie „vollkommen durchschnittliche Menschen, die von Natur aus weder böse noch gut waren, ein so ungeheuerliches Unheil anrichten konnten“ (Arndt an Scholem 1963, S. 459). Sie weist darauf hin, dass der „Verwaltungsmord“ der Nationalsozialisten das Gesamtdeutsche Volk zur Durchführung benötigte und dadurch der einfache, normale Mensch zum Mittäter fungierte (vgl. Arendt 1946, S. 39 ff.). Nach Arendt verliert das Böse während des Dritten Reiches das Charakteristikum, an dem es die Menschen normalerweise erkannt hätten und tritt nicht mehr als tradierte Versuchung auf (vgl. Arendt 1986, S. 189). Das Schlimmste an der Person Eichmann und anderer Nationalsozialisten war für Arendt, das sie so „schrecklich und erschreckend normal waren und sind“ (Arendt 1986, S. 326). Diese Normalität, diese „Banalität des Bösen“, die in dem neuen Verbrechertypus manifestiert war, implizierte, dass der Täter „unter Bedingungen handelt, die es ihm beinahe unmöglich machen, sich seiner Untaten bewusst zu werden“ (ebd.).

Hannah Arendt schließt ihren Eichmann-Bericht mit Worten, die tiefgründiger und treffender zugleich nicht sein könnten: „In diesen letzten Minuten war es, als zöge Eichmann selbst das Fazit der langen Lektion in Sachen menschlicher Verruchtheit, der wir beigewohnt hatten – das Fazit von der furchtbaren ‚Banalität des Bösen‘, vor der das Wort versagt und an der das Denken scheitert“ (Arendt 1986, S. 300).

4.„Verbrechen gegen die Menschheit“

Abschließend thematisiert Hannah Arendt, nach ihrem Bericht des Eichmann-Prozesses, die Einordnung des Urteils in die internationale Rechtsentwicklung im Epilog ihres Buches „Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen.“. Ihrer Betrachtungsweise nach, stellte die Vernichtung der Juden ein „Verbrechen gegen die Menschheit, begangen am jüdischen Volke“ (Arendt 1986, S. 318) dar. Diese Ansicht führte zu einer weiteren Kontroverse, da sich viele jüdische Zeitgenossen verraten fühlten und Arendt eine Schmälerung der jüdischen Leidenserfahrung vorwarfen (vgl. Krummacher 1964; oder auch Gaus 1964). Dies war aber keineswegs die Absicht die Arendt mit dieser Aussage verfolgte, sondern vielmehr die Tatsache, dass die Verbrechen Eichmanns und der anderen Nationalsozialisten im Dritten Reich, an der Menschheit als Ganzes, begangen wurden. Für Hannah Arendt war die Bedeutung der Begrifflichkeit „Menschheit“ in diesem Zusammenhang essenziell. Sie schreibt in ihrem Epilog, dass „[w]eder das nationale Verbrechen der legalisierten Diskriminierung noch das internationale Verbrechen der Vertreibung […] neu oder beispiellos [waren]“ (Arendt 1986, S. 318). Als Beispiel nennt Arendt legale Diskriminierung in den Balkanländern oder Massenvertreibungen als Folge aller Revolutionen im 20. Jahrhundert (vgl. ebd.). Das neuartige Verbrechen, nämlich das „Verbrechen an der Menschheit“ kam erst dann zum Vorschein, als das Naziregime nicht nur keine Juden mehr in Deutschland duldete, sondern Pläne äußerte das gesamte jüdische Volk von der Erde zu liquidieren. Hier manifestiert sich laut Arendt das wahre Verbrechen, das Verbrechen „an dem „Status des Menschseins“ oder an dem Wesen des Menschengeschlechtes“ (Arendt 1986, S. 319).

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Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Der Eichmann-Prozess. Der Begriff des Handelns und seine Konsequenzen nach Hannah Arendt
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Note
3,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
15
Katalognummer
V355677
ISBN (eBook)
9783668414020
ISBN (Buch)
9783668414037
Dateigröße
577 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hannah Arendt, Eichmann-Prozess, Handeln, Banalität des Bösen, Verbrechen gegen die Menschheit
Arbeit zitieren
Dominik Hey (Autor:in), 2016, Der Eichmann-Prozess. Der Begriff des Handelns und seine Konsequenzen nach Hannah Arendt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/355677

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