Conrad Ferdinand Meyers Ballade "Die Füße im Feuer" (Deutsch, 8. Klasse)


Unterrichtsentwurf, 2015

16 Seiten, Note: 1,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Klassenstufe und Lernvoraussetzungen

2. Unterrichtszusammenhang

3. Sachanalyse

4. Didaktisch-methodische Analyse

5. Stundenziele

6. Unterrichtsverlauf

Literaturverzeichnis

Anhang

1. Klassenstufe und Lernvoraussetzungen

Der vorliegende Unterrichtsentwurf ist für eine achte Klasse eines baden-württembergischen Gymnasiums konzipiert und erstreckt sich über 90 Minuten. Die zu unterrichtende Klasse besteht aus 24 Schülerinnen und Schülern, deren durchschnittliche Leistung als relativ stark eingestuft werden kann. Das Bestimmen und Deuten sprachlicher Mittel wurde mehrfach geübt. Eine nähere Beschreibung des Sozialverhaltens oder eventueller Besonderheiten der Klassensituation ist an dieser Stelle nicht nötig, da diese fiktiv und die geplante Stunde eine theoretische Übung ist.

2. Unterrichtszusammenhang

Nachdem die Schülerinnen und Schüler innerhalb der mehrstündigen Einheit zum Thema „Ballade“ bereits an Schillers Der Handschuh wesentliche Merkmale dieser Gattung wiederholt haben, setzen sie sich nun mit Conrad Ferdinand Meyers Die Füße im Feuer auseinander. Die hier ausgearbeitete Stunde ist die dritte innerhalb der Balladensequenz und fordert die Schülerinnen und Schüler nicht nur dazu heraus, das bereits erarbeitete Wissen über die Gestaltungsmittel erneut anzuwenden, sondern legt den Fokus stärker auf den moralischen Aspekt, die erzieherische Stoßrichtung dieser Kunstform. In der letzten Stunde gab es keine Hausaufgaben; folglich wird es im Unterrichtsverlauf keine Hausaufgabenbesprechung geben.

3. Sachanalyse

Das Erzählgedicht Die Füße im Feuer wurde erstmals 1864 unter dem Titel Der Hugenot veröffentlicht; nach tiefgreifenden Änderungen vonseiten Meyers erschien die Ballade erneut 1882[1] – in der Form, die auch in der Unterrichtsstunde als Textgrundlage dient.

Meyer platziert die Handlung vor den Hintergrund der Hugenottenverfolgung 1572 in Frankreich. Die Gewalttaten, die an den französischen Protestanten verübt wurden, sollen jedoch nicht im Sinne einer historischen Aufarbeitung nachvollzogen werden, sondern dienen in Die Füße im Feuer als Vorlage, um die vorbildliche Haltung des Einzelnen zu exponieren. Die Handlung setzt in einer zeitlichen Distanz zur Hugenottenverfolgung ein. In einer stürmischen Nacht sucht ein berittener Kurier des Königs Herberge in einem Schloss. Bereits in dieser ersten von sieben Strophen unterschiedlicher Länge wird durch sprachliche Mittel eine dramatische Spannung erzeugt. Die kurzatmige Parataxe, das Hasten der dynamischen Verben zucken, rollen, sausen (vgl. V. 1 – 3), das Aufflackern und Abreißen einzelner Eindrücke und Gedanken vermitteln dem Leser eine Rastlosigkeit, die die ganze Ballade dominiert und erst mit dem Beginn der letzten Strophe etwas nachlässt. Diese Zerrissenheit und Hektik wird durch die Reimlosigkeit der Verse und die durchgehend männlichen Kadenzen untermalt, welche die Verse im jambischen Fünfheber mit Nachdruck beschließen. Vom Edelmann aufgenommen, erkennt der Bote mit Grauen, dass er bereits zuvor an diesem Ort gewesen ist, um die Hausherrin unter Folter (ihre ‚Füße im Feuer‘) zu zwingen, das Versteck des verfolgten Hugenotten preiszugeben. Die Erinnerungen flackern in wilden, bruchstückhaften wörtlichen Reden auf. Von diesen Gedanken und seiner gefährlichen Lage in Panik versetzt, begibt er sich in sein Schlafgemach, wohl wissend, von den Kindern des Hausherrn erkannt worden zu sein. Am Morgen weckt der Hugenotte den Mörder seiner Frau und gibt ihm Weggeleit, bis sich der Kurier mit den Worten verabschiedet, der Herr habe besonnen gehandelt, zumal er eines großen Königs Diener sei. Die Antwort des Hugenotten bildet die Pointe der Ballade und wirkt vor der Kulisse des vorübergezogenen Sturmes wie ein nachhallender Donner. Er verweist auf Gott als letzte richterliche Instanz, der er sich unterordnet: „Mein ist die Rache, redet Gott.“ (V. 71) Der Umgang mit Gewalt wird aus der Doppelperspektive (der Kurier als Täter, der Edelmann als Leidender) betrachtet. Meyer hält der Frage nach der Legitimität von Rache und Selbstjustiz das Hugenottenbeispiel entgegen. Dort, wo das Opfer die Möglichkeit sieht, Gerechtigkeit zu schaffen, orientiert es sich an „deontologischen Maximen“[2], das vorangegangene innerpsychische Ringen wird nur angedeutet. Dem Helden gelingt es, die Gewaltspirale zu durchbrechen – doch nicht durch Entsagung. Das abschließende Zitat des Hugenotten stammt aus der Bibel, genauer: dem zwölften Kapitel des Römerbriefs.[3] Diesem Lehrtext folgend setzt er den Gewalttaten Wohltaten entgegen. Er steckt nicht gleichsam die Füße des Mörders ins Feuer, sondern ‚sammelt feurige Kohlen auf dessen Haupt‘.

4. Didaktisch-methodische Analyse

Das Thema ‚Gewalt‘ ist brisant, stets aktuell und lebensnah. Gerade im Jugendalter sehen sich die Schülerinnen und Schüler häufig mit Gewalt konfrontiert: ob in den Nachrichten, Computerspielen, youtube-Clips, Filmen, auf dem Pausenhof oder gar ‚am eigenen Leib‘. Jede Schülerin, jeder Schüler entwickelt eine gewisse Haltung zu Fragen der Legitimität und Prävention von Gewalt und der Verarbeitung von Leiderfahrungen. Ein Unterricht, der dieses Thema sorgsam, offen und differenziert behandelt, leistet einen wichtigen Beitrag zur sozialen Mündigkeit der Schülerinnen und Schüler bis hin zur Gewaltprävention. Meyers Ballade Die Füße im Feuer kreiert ein Gewaltszenario und zeigt einen beispielhaften Weg, dem Täter zu begegnen. Dabei wird der Täter selbst nicht in ein ‚Schurken-Schema‘ gezwängt. Gerade die tragische Figur des Kuriers erlaubt es, den destruktiven Einfluss der Gewalt auf den Täter selbst zu erahnen. Diese Überlegungen ließen die Wahl auf die vorliegende Ballade fallen. Das inhaltliche Gewicht, der komplexe historische Kontext, sowie dichterische Merkmale, die von der ‚typischen Ballade‘ (sofern so etwas existiert) abweichen, wie beispielsweise die Reimlosigkeit, sind gewichtige Gründe, diese Ballade nicht als Einstieg in die Einheit, sondern als Themen-Fortführung zu wählen. Als Stundeneinstieg dient ein Ausschnitt eines Spiegel-Online -Artikels. Er zeigt das bewegende Bild der entstellten Amene Bahrami neben einem Text, der knapp davon berichtet, wie diese Frau durch den Säureangriff eines Mannes verletzt worden war und nun vom Gericht die Erlaubnis erteilt bekommen hat, sich an dem Täter zu rächen. Ein solcher Einstieg schafft eine zeitliche Nähe (Artikel von 2011), ist problematisierend und macht gleichzeitig sehr betroffen. Die Parallelen zu dem Helden der Ballade werden gegen Ende der Unterrichtssequenz beleuchtet, um so einen Rahmen zu spannen. Ganz bewusst soll dieser Artikel nur laut vorgelesen werden und mit zwei Verständnisfragen nur kurz beleuchtet werden, um eine gewisse Spannung aufrecht zu erhalten. Die Lehrkraft leitet auf das große Thema der Gewalterfahrungen über und verweist auf die zentrale Problematik, wie der Gewalt zu begegnen sei. Es schließt sich eine textzentrierte Erarbeitungsphase an. Der Text wird von den SuS laut vorgelesen. Um die Hürde des Textverständnisses ohne großen zeitlichen Aufwand zu bewältigen, werden schwere Begriffe im Text direkt in den Fußnoten erklärt. Außerdem beleuchtet die Lehrkraft in einem kurzen Lehrervortrag den historischen Kontext. Eine schüleraktivierende Erarbeitung der historisch-gesellschaftlichen Fragen scheint an dieser Stelle nicht sinnvoll, da dieser Aspekt für die Stundenziele eine untergeordnete Rolle spielt. Die Balladenmerkmale werden im Sinne einer Wiederholung und Übung im LSG zusammengetragen und als Hefteintrag fixiert. Für die weiteren Arbeitsaufträge ist eine Partnerarbeit vorgesehen. So können sich die SuS bei Schwierigkeiten gegenseitige Hilfestellung bieten, zudem wird ein Austausch über den Inhalt angeregt. Die dritte Aufgabe rückt die sprachliche Ausgestaltung in den Fokus und verknüpft die sprachlichen Mittel mit der jeweiligen Wirkungsweise. Diese Übung lässt sich aus dem Bildungsplan ableiten, in dem es heißt: „Die Schülerinnen und Schüler können auffällige sprachliche Mittel in Texten auf eine zu Grunde liegende kommunikative Absicht beziehen“.[4] Der Fokus dieser Doppelstunde soll jedoch stärker auf dem bedeutungsvollen inhaltlichen Aspekt der Gewalt liegen. Die Vielschichtigkeit der Thematik wird mithilfe einer kreativen Gruppenarbeit aufgefangen. Die Klasse wird in vier Gruppen aufgeteilt (die Gruppengröße von sechs SuS ermöglicht einen regen Austausch bei gleichzeitiger Übersichtlichkeit). Die Gruppen konzipieren jeweils ein Interview mit den Protagonisten und tragen es anschließend vor. Auf diese Weise werden die SuS zum eigenständigen Arbeiten aktiviert, soziale Interaktion gefördert, und schließlich üben die SuS „frei, auch mithilfe von Stichwörtern, [zu] präsentieren“[5]. Vor allem aber werden die SuS dazu hingeführt, sich empathisch mit den Figuren auseinanderzusetzen und gelangen damit interpretierend-gestaltend und entdeckend zu den zentralen Antworten der Ausgangsfrage nach der Begegnung von Gewalt. Begleitet wird die Vorbereitungsphase durch das AB Interview, welches den SuS nicht nur die genaue Aufgabenstellung darlegt, sondern gleichzeitig ein hilfreiches Gerüst für den Interviewverlauf bietet. So wird sichergestellt, dass sich das Frage-Antwort-Spiel auf die wesentlichen Aspekte konzentriert. Dadurch, dass die Gruppen 1 und 2 direkt hintereinander auftreten, kann der Rest der Klasse die Ergebnisse im Sinne eines Feedbacks direkt vergleichen und bewerten. Als wichtiges Bewertungskriterium gilt hierbei die Nachvollziehbarkeit der Antworten, welche zum Bild der Figuren, wie sie in der Ballade gezeichnet werden, passen sollen. An dieser Stelle wird den SuS Raum geboten, eigene Ansichten ergänzend einfließen zu lassen und sich diskutierend mit dem Dargestellten auseinanderzusetzen. Eine denkbare Alternative besteht darin, den Gruppen, welche die gleiche Figur interviewen, unterschiedliche Schwerpunkte setzen zu lassen. Allerdings würde diese Variante in der Nachbereitung mehr Zeit in Anspruch nehmen. Abschließend wird das Beispiel der Amene Bahrami wieder aufgegriffen. Die Auflösung des Artikels wird präsentiert (das Opfer verzichtet auf die Gewalt) und die SuS nennen die Parallelen dieses Beispiels mit der Ballade über den Hugenotten. Die Relevanz von Die Füße im Feuer für heutige Zeiten wird damit deutlich unterstrichen. Dies führt direkt zur schriftlichen Hausaufgabe: „Formuliere eine Moral, die den Kern der Ballade trifft. Erläutere die Relevanz dieser Moral für dein Leben. Finde hierfür passende Beispiele.“ Dieser Transfer löst die Lehre der Ballade aus ihrem historischen Kontext, lässt sie innerhalb des Erfahrungshorizonts der SuS fruchtbar werden und dient hoffentlich als kleiner Impuls zur friedlichen Wehr gegen Gewalt in ihrem Leben.

5. Stundenziele

Die SuS können

- eine Ballade auf die Gattungsmerkmale hin überprüfen.
- die Funktionen sprachlicher Mittel in der Ballade herausarbeiten.
- sich in die Figuren hineinversetzen und sowohl die Motive des Gewaltverzichts als auch den destruktiven Einfluss der Gewalt beim Täter selbst nachvollziehen.
- Gewaltverzicht und Vergebung als Weg, die Gewaltspirale zu durchbrechen, auf ihre Lebenswelt übertragen.

[...]


[1] Vgl. Pailer, Gaby: Geschichte, Gedächtnis und Martyrium in Conrad Ferdinand Meyers Die Füße im Feuer. S. 239.

[2] Vgl. Wanning, Berbeli: Der Gewalt begegnen – Aktualität und Geschichtlichkeit in C. F. Meyers Die Füße im Feuer. S. 286.

[3] Hier finden sich die Worte: „Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben: ‚Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr.‘ Vielmehr, wenn deinen Feind hungert, gib ihm zu essen; dürstet ihn, gib ihm zu trinken. Wenn du das tust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln.“ (Römer 12,19 – 20 LUT).

[4] Kultusministerkonferenz (Hrsg.): Bildungsstandards im Fach Deutsch (Gymnasium) – Klassen 6, 8, 10, Kursstufe. 2005, S. 84. < http://www.bildung-staerkt-menschen.de/service/downloads/ Bildungsstandards/Gym/Gym_D_bs.pdf > (aufgerufen am 23.11.2015).

[5] Kultusministerkonferenz (Hrsg.): Bildungsstandards im Fach Deutsch (Gymnasium) – Klassen 6, 8, 10, Kursstufe. 2005, S. 82. < http://www.bildung-staerkt-menschen.de/service/downloads/ Bildungsstandards/Gym/Gym_D_bs.pdf > (aufgerufen am 23.11.2015).

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Conrad Ferdinand Meyers Ballade "Die Füße im Feuer" (Deutsch, 8. Klasse)
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Note
1,0
Jahr
2015
Seiten
16
Katalognummer
V355647
ISBN (eBook)
9783668414631
ISBN (Buch)
9783668414648
Dateigröße
635 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Meyer, Unterricht, Ballade, Klasse, Füße, Feuer, Conrad, Ferdinand, Deutsch, Fach, Gattung, Lyrik, Arbeitsblatt, Unterrichtsentwurf
Arbeit zitieren
Anonym, 2015, Conrad Ferdinand Meyers Ballade "Die Füße im Feuer" (Deutsch, 8. Klasse), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/355647

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