Produktion von Fußbällen in Kinder- und Handarbeit im pakistanischen Sialkot

Wie stellten die involvierten Organisationen nach dem Skandal ihre Legitimität wieder her?


Hausarbeit, 2015

13 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretische Grundlage – Neoinstitutionalismus (NI) in der Organisationsforschung
2.1 Legitimität
2.2 Organisationales Feld
2.3 Rationalitätsmythen und formale Strukturen
2.4 Isomorphie
2.5 Entkopplung und der „Gute Glaube“

3. Die Analyse des Falls
3.1 „Allgemeine Hinweise“ im Umgang mit Skandalen
3.1.1. Offer Normalizing Accounts
3.1.2 Restructure
3.1.3 Don’t panic!
3.2 Rationalitätsmythen und legitimierende formale Strukturen
3.3 „Prestigious alliances“
3.4 Die Rolle der Medien und der Gute Glaube

4. Fazit

Literatur

1. Einleitung

Affären, Krisen, Skandale. Jede Organisation versucht diese Ereignisse in den eigenen Reihen zu vermeiden – und dennoch passieren sie. Sei es der Exxon Valdez Oil Spill, die Überwachung von Mitarbeitern bei Aldi oder das Bekanntwerden fragwürdiger Produktionsbedingungen in Entwicklungsländern. Nicht selten brechen sich infolgedessen Wellen der Kritik und Empörung bahn und Organisationen müssen Legitimitätseinbrüche einstecken.

Eine zentrale Aussage in der neoinstitutionalistischen (NI) Organisationsforschung allerdings besagt, dass für den Erfolg und das Überleben von Organisationen vor allem Legitimität von zentraler Bedeutung ist (Meyer & Rowan 1977). Demzufolge müssen in Folge von Skandalen bestimmte Maßnahmen ergriffen werden, die diese Einbußen möglichst schnell wieder ausgleichen, um weiteren Schaden von der Organisation abzuwenden.

Der zu behandelnde Fall wird die Produktion von Fußbällen in Kinder- und Handarbeit im pakistanischen Sialkot sein. Im Jahre 1995 wurde durch eine CBS-Fernsehdokumentation medienwirksam auf diesen seit Jahrzehnten bestehenden Zustand hingewiesen. Nach Artikel 32 der UN-Kinderrechtskonvention (UNICEF 1989) verstößt die wirtschaftliche Ausbeutung von Kindern gegen internationales Recht. Das Ansehen der involvierten Organisationen, darunter Nike und Adidas, die ihre Bälle fast ausschließlich aus Sialkot bezogen, wurde geschädigt (Khan et al. 2007: 1061). In dieser Arbeit wird der Fall dahingehend analysiert, welche Verfahrensweisen im Anschluss an den Legitimitätsverlust angewandt wurden, um die verlorene Legitimität wiederherzustellen. Dabei ist die Analyse nicht vollumfänglich, sondern auf einige als wesentlich erscheinende Aspekte begrenzt.

Um die Fragestellung behandeln zu können, werden im folgenden Kapitel zunächst die theoretische Grundlage und einige zentrale Begriffe erläutert. Anschließend folgt die Identifikation und Analyse verschiedener Ereignisse und Aspekte des Falles im Hinblick auf ihre Wirkung der Legitimitätssteigerung und mündet letztlich in einem abschließenden Fazit.

2. Theoretische Grundlage – Neoinstitutionalismus (NI) in der Organisationsforschung

Wie oben angedeutet, ist eine zentrale Aussage im NI, dass zum Überleben und Erfolg von Organisationen weniger eine effiziente, effektive, kontrollierte Organisationsgestaltung als ihre Legitimität von gewichtiger Bedeutung ist (Meyer & Rowan: 1977). Legitimität wird zugänglich, indem institutionalisierte Erwartungen und Vorstellungen (Rationalitätsmythen) der organisationalen Umwelt (Organisationales Feld), in die formalen Strukturen übernommen und erfüllt werden. Durch diesen Prozess werden Organisationen einerseits formal immer ähnlicher (institutionelle Isomorphie), andererseits werden sie dadurch freigestellt, ihre Ziele ungestört zu verfolgen (Entkopplung). Damit bildet sich ein neuer Schwerpunkt der Betrachtung von Organisationen unter kulturellen und sozialen Aspekten. Um das hier verwendete Konzept von Legitimität zu präzisieren und verständlich zu machen, folgen nun kurz Erklärungen zu den wesentlichen Begriffen, darunter 2.1 Legitimität, 2.2 Organisationales Feld, 2.3. Rationalitätsmythen und formale Strukturen, 2.4. Isomorphie und 2.5 Entkopplung und der „Gute Glaube“.

2.1 Legitimität

Zum Zeitpunkt der ersten Veröffentlichung des NI-Basistextes „Institutionalized Organizations: Formal Structure as Myth and Ceremony“ von Meyer & Rowan (1977) legten die Autoren noch keine explizite Definition von „Legitimität“ vor. Mark C. Suchman hingegen beschäftigt sich zentral mit Legitimität innerhalb der NI-Organisationsforschung und definierte (1995):

Legitimacy is a generalized perception or assumption that the actions of an entity are desirable, proper, or appropriate within some socially constructed system of norms, values, beliefs, and definitions.“ (Suchman 1995: 574).

Die Konstellation „some socially constructed system“ weist auf die Variabilität dessen hin, was als legitim angesehen werden kann. „Legitimität“ ist daher abzugrenzen von „Legalität“. Manche Rechtsbrüche werden als Kavaliersdelikte relativiert, andere gesetzeskonforme Handlungen hingegen können als illegitim wahrgenommen werden. Durch diese Variabilität und Interpretierbarkeit ist ein gewisses Fingerspitzengefühl notwendig, um seine Legitimität zu wahren, denn Legitimitätsverluste führen zu Hindernissen, oder andersherum: „the absence of legitimacy challenges is an indicator of whether the organization is ‘accepted’ in the sense of being left to pursue its activities without interference from cultural authorities” (Hervorhebung v. Verfasser, Deephouse & Suchman 2008: 57).

2.2 Organisationales Feld

Die Vorstellung von Legitimität ist also je nach Kontext unterschiedlich. DiMaggio & Powell beschreiben diesen Kontext als „Organisationales Feld“. Es beinhaltet die „totality of relevant actors“ (DiMaggio & Powell 1983: 148), darunter „die wichtigsten Zuliefererfirmen, Konsumenten von Ressourcen und Produkten, Regulierungsbehörden sowie andere Organisationen, die ähnliche Produkte oder Dienstleistungen herstellen bzw. anbieten.“ (DiMaggio & Powell 2010: 149). Somit bildet das Organisationale Feld für die Organisation einen umfassenden Rahmen sozialer Akteure und Institutionen, die einander wahrnehmen, sich in ihren Handlungen beeinflussen und aufeinander beziehen.

2.3 Rationalitätsmythen und formale Strukturen

Um den Legitimitätsansprüchen des Organisationalen Feldes zu genügen, muss die Organisation institutionalisierten „Rationalitätsmythen“ entsprechen. Von Mythen ist deshalb die Rede, da die Effektivität und der Vorteil ihrer Anwendung meist nur begrenzt belegbar sind. Dennoch implizieren sie verschiedene Handlungs-, Strukturierungs- und Deutungsrichtlinien – eine Anleitung von „good practice“, deren Einhaltung in den formalen Strukturen der Organisation zugesichert wird. Demzufolge sind die formalen Strukturen einer Organisation, anders als in „prevailing theories“ (Meyer & Rowan 1977: 342) nicht das Resultat von Evaluierungsprozessen und Abbild der rationalsten und effizientesten Art und Weise Organisationen zu gestalten, sondern das Versprechen gegenüber vielfältigen „Stakeholdern“: staatlichen Behörden, Vertragspartnern, Kundschaft, der Öffentlichkeit etc., den jeweiligen Interessen nachzukommen.

2.4 Isomorphie

Da o.g. Rationalitätsmythen innerhalb des Organisationalen Feldes institutionalisiert und verbreitet sind, wirken sie auf vielzählige Organisationen des Feldes. Resultat ist ein Trend der Angleichung formaler Strukturen an diese Mythen und steigende formale Ähnlichkeit der einzelnen Organisationen (DiMaggio & Powell 1983). Dieses Phänomen der Angleichung wird als institutionelle Isomorphie bezeichnet und weiterhin in drei verschiedene Unterarten gegliedert: „coercive“, „mimetic“ und „normative“.

„Coercive Isomorphism“ – bzw. Isomorphie durch Zwang beschreibt eine Angleichung formaler Strukturen, die durch andere Organisationen auf formellem wie informellem Wege herbeigeführt werden kann. Prominentestes Beispiel sind Gesetze, die die Implementierung neuer Sicherheitsrichtlinien erzwingen; aber auch kulturelle Erwartungen (DiMaggio & Powell 1983: 150) können solch zwingende Kräfte haben.

„Mimetic Isomorphism“ – bzw. Isomorphie durch Nachahmung tritt in der Regel als Reaktion bei Unsicherheiten auf. Andere beispielhafte Organisationen des Organisationalen Feldes dienen als Vorbild und werden kopiert, wodurch häufig eine zufriedenstellende Lösung bei geringem Aufwand erreicht werden kann (ebd. 151).

„Normative Isomorphism“ – bzw. Normativer Druck resultiert aus der Professionalisierung des Arbeitslebens. Durch in gewissem Maße vereinheitlichte Ausbildungen gelangen mit neuem Personal tendenziell ähnliche Vorstellungen und Verfahrensweisen in verschiedene Organisationen. Diese Unterart der institutionellen Isomorphie wird in dieser Arbeit allerdings vernachlässigt und nur der Vollständigkeit halber definiert.

2.5 Entkopplung und der „Gute Glaube“

Weil die an eine Organisation gestellten Anforderungen allerdings oft sehr unterschiedlichen Ursprungs und widersprüchlich sind (Meyer & Rowan 1977: 355), würde eine strikte Einhaltung sämtlicher Regeln Ineffizienz und logische Konflikte (ebd. 357) zur Folge haben. Das Alltagsgeschäft wird deshalb von den formalen Strukturen entkoppelt. Es bilden sich informelle Strukturen und Handlungsstränge, die das Funktionieren der Arbeitsabläufe sicherstellen. Ähnlich wie in Goffmans Theatermetapher können Theorie und Praxis der organisationalen Tätigkeit wie Vorder- und Hinterbühne verstanden werden (Goffman 1959), deren Aufrechterhaltung in der Regel durch Vermeidung genauerer Untersuchungen gewahrt wird (Meyer & Rowan 1977: 359). Es besteht eine Logik des „Guten Glaubens“ (ebd. 357), in der sowohl interne als auch externe Akteure das Vertrauen daran hegen, dass Regeln grundsätzlich eingehalten werden und alles mit rechten Dingen zugeht.

Durch die Entkopplung wird also ermöglicht, dass Organisationen ihre Ziele verfolgen können, während die formalen Strukturen ihre Legitimitätsgrundlage bilden. Da hierdurch Verletzungen der in den formalen Strukturen festgeschriebenen Regeln zu erwarten sind, besteht allerdings bei besonders schwerwiegenden Diskrepanzen, falls diese offenbart werden, das Risiko von Legitimitätsverlusten.

3. Die Analyse des Falls

Solch ein Legitimitätsverlust ereignete sich am 6. April 1995: Im US-amerikanischen Fernsehen wurde eine CBS-Dokumentation über die Produktionsabläufe im pakistanischen Sialkot ausgestrahlt. Zu sehen waren Kinder, die unter widrigen Bedingungen in Handarbeit Fußbälle nähten (stitching) (Khan et al. 2007: 1056). Nach Artikel 32 der UN-Kinderrechtskonven-tion allerdings verstößt die wirtschaftliche Ausbeutung von Kindern gegen internationales Recht (UNICEF 1989). Organisationen sind ebenso wie die UN-Mitgliedsstaaten zur Einhaltung dieser Regeln verpflichtet - auch in Pakistan. Nun aber wurde öffentlich, dass die tatsächliche Praxis in Sialkot von diesen Regeln entkoppelt worden war. Dem Organisationalen Feld wurde bekannt, dass in der Fußballindustrie (hier: produzierende Firmen im Fußballmerchandise), obwohl in den formalen Strukturen festgeschrieben, gegen institutionalisierte Rationalitätsmythen verstoßen wurde. Die Folge waren Legitimitätsverluste und Unsicherheit für die Organisationen.

Da der Großteil der weltweit produzierten Fußbälle genau aus diesem Sialkot kam und populäre Sportartikelhersteller wie z.B. Nike und Adidas von dort ihre Bälle bezogen, war ein Skandal entstanden. Niemand wollte verantwortlich sein für„ poor children working so that American kids could play soccer“ (Khan et al. 2007: 1062). Die Fußballindustrie sah sich mit einem dramatischen Image- und Legitimitätsproblem konfrontiert. Allerdings sei Legitimität „fundamentally political“ (Deephouse & Suchman 2008: 61), also zur Erreichung von Interessen instrumentalisier-, und in diesem Zuge manipulativ als strategisches Mittel einsetzbar (ebd.). Legitimität „passiert“ Organisationen nicht einfach, sondern kann durch bestimmtes Verhalten provoziert und produziert werden, was im Falle von diesem Skandal für die involvierten Organisationen besonders fruchtbar wird.

In diesem Kapitel wird nun das Beispiel dahingehend analysiert, wie Legitimation wiederhergestellt wird, und zwar anhand der 3.1. „Allgemeinen Hinweise“ im Umgang mit Skandalen, 3.2 Rationalitätsmythen und legitimierender formaler Strukturen 3.3 „prestigious alliances“ und 3.4 der Rolle der Medien und des Guten Glaubens.

3.1 „Allgemeine Hinweise“ im Umgang mit Skandalen

In der Abfolge der Ereignisse findet sich die Anwendung dreier wesentlicher „Allgemeiner Hinweise“ im Umgang mit Skandalen und ähnlichen Ereignissen, die Suchman folgendermaßen benennt: 1. Offer Normalizing Accounts, 2. Restructure und 3. Don‘t panic! (Suchman 1995: 597).

3.1.1. Offer Normalizing Accounts

Die Fußballindustrie fand sich plötzlich in einer Situation großer Unsicherheit wieder und ihre Legitimität war bedroht. Eine Möglichkeit der Reaktion ist, ein strukturelles Problem als solches zu relativieren. Da in der CBS-Dokumentation vom April 1995 allerdings bekannt wurde, dass Kinder- und Handarbeit im pakistanischen Sialkot eher die Regel als die Ausnahme war, erschien für die Industrie die Möglichkeit, dieses „illegitime“ Faktum als Ausnahme- oder Einzelfall, bzw. individuellen Fehler einzelner Personen (Suchman 1995: 598) zu deklarieren als keine Option. Solche Behauptungen und das Problem als einfach nicht vorhanden umzudefinieren, wären von vornherein als vorgeschoben zu erkennen gewesen und hätten die Langzeit-Legitimität der Organisationen schädigen können (Suchman 1995: 598). Ein Geständnis hingegen würde bedeuten, dass die Situation bekannt war. Eine entschuldbare Darstellung ist die, dass „The values they serve are not at issue, but rather their performance” (Hirsch & Andrews 1984: 174). Der Fußballindustrie seien die Zustände zuvor nicht bekannt gewesen, aber „Now that it [the problem] had been identified, the industry was going to develop and administer the vaccine that could eliminate this disreputable practice“ (Khan et al. 2007: 1064). Dies leitet über zum zweiten Punkt.

3.1.2 Restructure

Die Tatsache, dass die Tätigkeiten der „stitchers“ anfangs in Heimarbeit ausgeführt wurden, barg das Problem der fehlenden Kontrollierbarkeit. Restrukturierungen waren deshalb ein sehr viel probateres Mittel und artikulieren immer schon implizit Neuerung und somit einen gewissen anzunehmenden Besserungswillen. Um dieses Problem zu beseitigen, wurden zentrale „stitching-centres“ eingerichtet und damit die Möglichkeit der Überwachung geschaffen, dass keine Kinder in der Produktion involviert waren. Diese in den formalen Strukturen verankerte „creation of monitors and watchdogs“ (Suchman 1995: 598) signalisiert dem Organisationalen Feld, dass die Organisationen die Anforderungen umsetzen und kontrollieren, und Rückfälle in alte Muster verhindert werden (ebd.). So sollen die Organisationen außerdem vor einer erneuten Prüfung der Zustände und neuen Legitimitätsgefährdungen geschützt werden (ebd.).

3.1.3 Don’t panic!

Wird die Legitimität von Organisationen wie derer in der Fußballindustrie infrage gestellt, muss meist großer Aufwand betrieben werden, um sie wiederherzustellen. „Intense acitivity and dramatic displays of decisiveness“ (Suchman 1995: 599) sind Bestandteile, um das Engagement und die Bemühung der Organisationen nach außen zu tragen. Damit nicht auch noch die Wahrnehmung der Beteiligten als professionelle Akteure leidet, sind jedoch panische Kurzschlussreaktionen zu vermeiden (ebd.). Auch hier ist eine gewisse Rationalität und Strukturiertheit notwendig. So fand beispielsweise im Februar 1997 auf dem jährlichen Treffen der Branche („Super Show“ in Atlanta, Georgia) eine Konferenz statt (Khan et al. 2007: 1057), wo Probleme identifiziert und Lösungsansätze entwickelt werden sollten. Als Ergebnis wurde das „Sialkot Child Labour Elimination Project“ (SCLEP) ins Leben gerufen (ebd.) und sollte das Problem adressieren. Diese Debatten auf der Konferenz, die Hilfskampagne aber auch die o.g. „stitching centres“ stellen bestimmte Formen und Strukturen dar, deren Bedeutung für die Legitimität der Organisationen im nächsten Abschnitt genauer beleuchtet wird.

3.2 Rationalitätsmythen und legitimierende formale Strukturen

Ein kostengünstiger und einfacher Weg, um Legitimität zu erhalten, lautet: „Conform to Environments“ (Suchman 1995: 587). Wie oben erwähnt, treten die Forderungen des Organisationalen Feldes oft in Form von institutionalisierten Rationalitätsmythen auf.

Eine Reaktion der Fußballindustrie war die Abhaltung einer Konferenz, auf der diskutiert und debattiert wurde. Dadurch wollte die gebildete Koalition bestehend aus Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Sportartikelherstellern, Handelsverbänden etc. Strategien und Lösungen für das Problem der Kinderarbeit erarbeiten. Allein bereits durch diese Formen der Konferenz und des Hilfsprojekts (SCLEP) wird einerseits ein Eindruck von Partizipationsmöglichkeiten und Einbringung der verschiedenen Interessen produziert, andererseits werden Werte wie Hilfsbereitschaft, Ernsthaftigkeit und Diskurs auf Augenhöhe signalisiert. Folgt man Deephouse und Suchman, hat allein die Installierung dieser Formen, die “collectively legitimated template[s]” (Deephouse & Suchman 2008: 61) folgen, eine legitimierende Wirkung. Allerdings verfehlte die Konferenz jedenfalls für die pakistanischen Arbeiter ihren Sinn: „noticeably and ironically absent in the conference were the people at heart […] the Sialkot stitcher families“ (Khan et al. 2007: 1064). Das Hauptinteresse der „stitchers“ war nämlich nicht, ihnen mit der Arbeit ihre Existenzgrundlage zu entziehen, sondern bessere Arbeitsbedingungen (bspw. Lohnerhöhungen) zu erwirken, doch ihre Interessen fanden kaum Gehör.

Am Beispiel der „stitching centres“ wird deutlich, dass entsprechend eingeführte legitimierende formale Strukturen (in diesem Falle zentralisierte Arbeitsstätten) nicht unbedingt zweckdienlich sein müssen (abgesehen vom Legitimitätszuwachs). Die Restrukturierung durch Zentralisierung erschien zwar zunächst als schlüssige Lösung für das Problem der Kinderarbeit, erwies sich aber im Nachhinein als kontraproduktiv für die Lage der Kinder (Khan et al. 2007: 1056). Gleichzeitig passiert hierin ein „’best practice‘ transfer“ (ebd. 1057), eine Angleichung der herkömmlichen Produktionsweise an „rationalere“ Modelle und liefert ein Beispiel für institutionelle Isomorphie durch Zwang, da diese Veränderung durch die Erwartungen der institutionellen Umwelt forciert wurde. Doch das Unwissen über kulturelle Kontexte in Sialkot führte dazu, dass die Zentralisierung und das Verhindern der Heimarbeit vor allem die beschäftigten Frauen ihre Jobs kostete (nähere Erklärungen und Begründungen hierzu bei Khan et al. 2007: 1056f) und sich die Schwächung des Familienverbandes mittelbar auf die Kinder auswirkte.

Gleichwohl eröffneten die „schlechten Verhältnisse“ der „stitchers“ in Sialkot den Organisationen die Möglichkeit, wohltätigend aktiv zu werden und sich zu profilieren. Ein „social protection programme“ (ebd. 1064) war Teil der Bemühungen und beinhaltete Bildungsmaßnahmen und Mikro-Kredite. „Charitable contributions are a very effective way to demonstrate the good will of the donor and thus “win over” problematic or hostile elements in the environment“ (Galaskiewicz 1985: 297). Diese Maßnahmen des Entgegenkommens sind keine Neuheiten, sondern haben schon anderen Organisationen als Legitimitätsspritzen gedient und werden hier als institutionelle Isomorphie aufgrund von Nachahmung identifiziert. Doch die Ergebnisse zeigten, dass die „stitching families“ nur selten tatsächlich Mikro-Kredite empfingen (Khan et al. 2007: 1067) und die eingerichteten Bildungszentren wurden im Jahre 2004 wieder geschlossen (ebd.).

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Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Produktion von Fußbällen in Kinder- und Handarbeit im pakistanischen Sialkot
Untertitel
Wie stellten die involvierten Organisationen nach dem Skandal ihre Legitimität wieder her?
Hochschule
Technische Universität Berlin  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Organisation und Arbeit
Note
1,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
13
Katalognummer
V355068
ISBN (eBook)
9783668411821
ISBN (Buch)
9783668411838
Dateigröße
978 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Legitimität, Organisationen, Skandal, Management
Arbeit zitieren
Johannes Finger (Autor:in), 2015, Produktion von Fußbällen in Kinder- und Handarbeit im pakistanischen Sialkot, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/355068

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