Ehegattensplitting versus Familiensplitting. Bietet ein Familiensplitting eine Option zur Reform der Familieneinkommensbesteuerung?
Bachelorarbeit 2016 50 Seiten
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungs Verzeichnis
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise
2. Status Quo
2.1 Bestandteile und Funktionsweise
2.2 Ziele und Absichten
2.3 Kritik am Ehegattensplitting
2.3.1 Verteilungswirkung
2.3.2 Anreizwirkung
3. Familiensplitting
3.1 Varianten des Familiensplittings
3.1.1 Tarifsplitting
3.1.2 Realsplitting
3.2 Empirische Untersuchungen der Reformalternativen
3.2.1 Französisches Modell
3.2.2 Familienteilsplitting
3.2.3 Familienvollsplitting
3.2.4 Eherealsplitting
3.2.5 Familienrealsplitting
4. Zusammenfassung und Fazit
Anhang
Literaturverzeichnis
Rechtsquellenverzeichnis
Rechtsprechungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Splittingeffekt in Abhängigkeit des zu versteuernden Einkommens bei Arbeitsteilung 75/25 (T2016)
Abbildung 2: Zeitliche Entwicklung der Anzahl der jährlichen Eheschließungen je 1.000 Einwohner
Abbildung 3: Splittingeffekt bei verschiedener innerehelicher Einkommensaufteilung (T2016)
Abbildung 4: Empirische Verteilung der Grenzbelastung des Zweitverdieners
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Gegenüberstellung ausgewählter Bestandteile der Familieneinkommensbesteuerung in Deutschland und Frankreich (Rechtsstand 2010)
Tabelle 2: Auswirkungen des französischen Modells auf das durchschnittliche monatliche Haushaltsnettoeinkommen
Tabelle 3: Prozentuale Gewinner- und Verlierer-Verhältnisse eines aufkommensneutralen Tarifsplittings nach französischem Vorbild
Tabelle 4: Arbeitsmarkteffekte des französischen Modells bezüglich Frauen
Tabelle 5: Auswirkungen eines Familienteilsplittings auf das durchschnittliche monatliche Haushaltsnettoeinkommen
Tabelle 6: Arbeitsmarkteffekte eines Familientarifsplittings bezüglich Frauen
Tabelle 7: Arbeitsangebotseffekte von Frauen in den Reformalternativen
Tabelle 8: Prozentuale Gewinner- und Verlierer-Verhältnisse eines Ehegattenrealsplittings
Tabelle 9: Auswirkungen eines Eherealsplittings auf das Haushaltsnettoeinkommen - Veränderung gegenüber dem Ehegattensplitting pro Monat in Euro
Tabelle 10: Prozentuale Gewinner- und Verlierer-Verhältnisse eines Familienrealsplittings
Tabelle 11: Berechnung des Splittingeffektes bei innerehelicher Erwerbsaufteilung von 75 % des Hauptverdieners zu 25 % des Partners gemäß § 32a EStG
Tabelle 12: Berechnung des Splittingeffektes bei verschiedener innerehelicher Erwerbsaufteilung gemäß § 32a EStG
Abkürzungs Verzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
Trotz seines mittlerweile fast 60-jährigen Bestehens genießt das Ehegattensplitting sowohl in juristischen als auch finanzwissenschaftlichen Fachkreisen keineswegs allgemeine Anerkennung. So herrscht seit geraumer Zeit eine kontroverse Diskussion über die Notwendigkeit der Umgestaltung des gegenwärtigen Verfahrens.[1]
Auch in jüngster Zeit kommt kaum ein Wahlprogramm ohne einen Vorschlag aus, wie die zukünftige Ehegatten- bzw. Familieneinkommensbesteuerung sinnvoller gestaltet werden sollte. Zahlreiche Reformmodelle haben sich so angesammelt, doch bisher blieb jegliche politische Reaktion aus.[2]
Der Reformbedarf begründet sich, neben der Kritik an den Verteilungseffekten zwischen Arm und Reich sowie Familien mit und ohne Kindern, auch auf Basis der alarmierenden demografischen Entwicklung, der sich Deutschland ausgeliefert sieht. Das Ehegattensplitting trägt außerdem maßgeblich dazu bei, dass vor allem Frauen systematisch vom Arbeitsmarkt ferngehalten werden, was die volkswirtschaftliche Substanz bedeutend schwächt.[3]
Darüber hinaus gelingt es dem Ehegattensplitting nicht, sich den veränderten Formen des Zusammenlebens anzupassen, da seine Ausgestaltung an das traditionelle Familienbild[4] anknüpft. So findet das Splittingverfahren bei Alleinerziehenden und unverheirateten Paaren keine Anwendung.[5] Seit 2013 können auch gleichgeschlechtliche Paare mit eingetragener Lebenspartnerschaft das Ehegattensplitting in Anspruch nehmen.[6]
Verfechter des gegenwärtigen Systems sehen hingegen in der Kritik lediglich eine Fehlinterpretation dessen, was das Ehegattensplitting leisten soll. Eine Abschaffung oder Modifizierung sei außerdem vor dem Hintergrund verfassungsrechtlicher Grundlagen problematisch.[7]
1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise
Diese Arbeit soll die Positionen, die gegenüber dem Ehegattensplitting eingenommen werden, kritisch gegenüberstellen und die zugrunde liegenden Argumentationsmuster des Für und Wider darlegen. In Anbetracht der häufig angebrachten Kritik, werden im Folgenden Reformoptionen hin zu einem Familiensplitting betrachtet, die auch in der politischen Diskussion schon des Öfteren in Erscheinung getreten sind[8] und auch in der anstehenden Bundestagswahl erneut thematisiert werden.[9]
Hierbei wird sowohl ein Tarifsplitting als auch ein Realsplitting in unterschiedlichen Ausgestaltungen vorgestellt, einer steuersystematischen und rechtlichen Stellungnahme unterzogen und anschließend auf Basis empirischer Untersuchungen analysiert. Die Wirkung der Reformmodelle auf die Einkommensverteilung hinsichtlich Einkommensklassen und Familienständen sowie deren Einfluss auf die Erwerbsbeteiligung von Frauen, bildet hierbei den Untersuchungsgegenstand. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse soll abschließend beurteilt werden, inwieweit die Reformmodelle die Kritik gegenüber dem Ehegattensplitting beizulegen vermögen.
2. Status Quo
2.1 Bestandteile und Funktionsweise
Seit 1958 besteht in Deutschland für Ehepaare die Möglichkeit nach dem Ehegattensplitting besteuert zu werden. Dieses Verfahren hat die bis dahin geltende Haushaltsbesteuerung abgelöst, die wegen Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 GG (Nichtdiskriminierung der Ehe) sowie Art. 3 Abs. 2 und 3 GG (Nichtdiskriminierung aufgrund des Geschlechts) vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig erklärt wurde.[10]
Grundsätzlich besteht für jedes Ehepaar die Wahl zwischen getrennter und gemeinsamer Veranlagung. Die günstigere Variante stellt, bis auf wenige Ausnahmefälle, die gemeinsame Veranlagung und damit das Ehegattensplitting dar.[11]
Die Einkommensteuerschuld eines Ehepaares, das die gemeinsame Veranlagung wählt, gestaltet sich gemäß § 32a Abs. 5 EStG folgendermaßen: Das gemeinsame zu versteuernde Einkommen der Ehepartner repräsentiert die Bemessungsgrundlage. Dieses wird halbiert und darauf der Einkommensteuertarif angewendet. Das Doppelte des resultierenden Betrages stellt schließlich die Steuerschuld des Ehepaares dar.
Entsprechend bewirkt dieses Verfahren zunächst eine Verdoppelung des steuerlichen Grundfreibetrages für den Partner und aufgrund der fiktiven hälftigen Aufteilung des Eheeinkommens eine Abflachung des progressiven Tarifs. Hierbei ist es unerheblich, ob der Partner eigene steuerpflichtige Einkünfte erwirtschaftet. Im Vergleich zu einer reinen Individualbesteuerung beider Ehepartner ergibt sich daraus eine geringere Steuerlast. Der Unterschiedsbetrag zwischen einer Individualbesteuerung und der Besteuerung nach dem Splittingverfahren wird Splittingeffekt genannt.[12]
Somit erwirkt das Ehegattensplitting durch seine Ausgestaltung, dass der Splittingeffekt mit steigendem Eheeinkommen sowie mit zunehmender Ungleichheit der innerehelichen Einkommensverteilung steigt. Folglich wird der maximale Splittingeffekt von Alleinverdiener-Ehepaaren im oberen Einkommensbereich erzielt.[13]
Der Familienleistungsausgleich stellt einen weiteren Bestandteil der Familieneinkommensbesteuerung dar. Er dient der steuerlichen Berücksichtigung von Kindern und stellt gemäß § 31 S. 1 EStG das Einkommen der Eltern in Höhe des Existenzminimums eines Kindes von der Besteuerung frei. Diese Freistellung ist vom Gesetzgeber in einem Optionsmodell formuliert und wird entweder durch ein Kindergeld oder durch einen kindesbezogenen Freibetrag erwirkt. Das monatliche Kindergeld stellt eine staatliche Transferzahlung dar und beträgt aktuell jeweils 190 Euro für die ersten beiden Kinder, 196 Euro für dritte Kinder und für jedes weitere Kind 221 Euro.[14]
Der kindesbezogene Freibetrag vermindert die Bemessungsgrundlage für die zu zahlende Einkommensteuer und setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: Einerseits wird das sächliche Existenzminimum eines Kindes durch einen Betrag von 2 304 Euro freigestellt. Zudem wird ein Freibetrag für Betreuungs-, Erzie- hungs- oder Ausbildungsbedarf in Höhe von 1 320 Euro bei der Veranlagung der Einkommensteuer abgezogen. In Summe ergibt sich so ein Kinderfreibetrag in Höhe von 3 624 Euro, der sich für zusammenveranlagte Ehepartner verdoppelt.[15] Welche der beiden Optionen zum Zuge kommt, wird vom Gesetzgeber mit einer sogenannten Günstigerprüfung festgestellt, wobei dasjenige Verfahren Anwendung findet, welches die höhere Steuerentlastung gewährt.[16]
Das finanzielle Ausmaß des Splittingverfahrens, welches sich dem Fiskus als zusätzliches Steueraufkommen ergäbe, wenn das Splittingverfahren aufgehoben würde, wird von Bach et al. auf 22,1 Mrd. Euro beziffert.[17] Bonin et al. errechnen im Vergleich zu einer Individualbesteuerung Steuermindereinnahmen von rund 24,5 Mrd. Euro durch das Ehegattensplitting.[18] Der Familienleistungsausgleich schlägt mit staatlichen Aufwendungen in Höhe von 33,7 Mrd. Euro zu Buche.[19]
2.2 Ziele und Absichten
Grundsätzlich richtet sich die Besteuerung im Einkommensteuerrecht nach der subjektiven Leistungsfähigkeit. Dieses Fundamentalprinzip der Besteuerung ist Ausfluss aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes und zielt darauf ab, dass jede Person in dem Umfang Steuern entrichtet, wie sie dazu in der Lage ist. Das erzielte marktwirtschaftliche Einkommen wird dabei als Indikator angesetzt, wobei die Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer nur den Teil berücksichtigt, der als disponibel angesehen werden kann. Als indisponibel gelten in diesem Zusammenhang erwerbsbedingte Ausgaben und existenzminimale Aufwendungen des Steuerpflichtigen selbst (allgemeines subjektives Nettoprinzip) sowie unterhaltsberechtigter Familienangehöriger (familienspezifisches subjektives Nettoprinzip). Aus dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit lassen sich zwei allgemeine Anforderungen an die Besteuerung folgern: Die Gewährleistung horizontaler und vertikaler Gerechtigkeit.[20]
Horizontale Gerechtigkeit fordert, dass Personen, die über gleiche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verfügen, auch in gleichem Maße besteuert werden.[21]
Gemäß dem Verfahren des Ehegattensplittings und der gemeinsamen Veranlagung von Ehepartnern wird in diesem Fall keine Einzelperson besteuert, sondern eine Personengruppe. Folglich bezieht sich deren Leistungsfähigkeit auf das Gemeinschaftseinkommen. Für die Besteuerung repräsentiert sodann jeder Ehepartner die Hälfte des Gesamteinkommens.[22]
Diese Vorstellung folgt dem Prinzip der Globaleinkommensbesteuerung, welches verlangt, dass die Gesamtsteuerlast der Ehepartner unabhängig von der Verteilung der Einkünfte innerhalb der Ehe sein soll. Dies geht wiederum zurück auf ein Urteil des Bundesfinanzhofes, indem es auf Grundlage des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 GG sowie des Schutzes von Ehe und Familien des Art. 6 GG, für nicht vereinbar erklärte, Ehen mit beiderseitigen Einkünften günstiger zu besteuern als Einverdiener-Ehen.[23]
Die vertikale Gerechtigkeit trägt dagegen dem Umstand Sorge, dass jeder Steuerpflichtige ein relativ gleiches Opfer bei der Besteuerung erbringt. Diese Forderung rechtfertigt die Progression des Einkommensteuertarifs unter der Annahme eines abnehmenden Grenznutzen des Geldes.[24] Die gemeinsame Veranlagung sorgt somit dafür, dass Ehen infolge des progressiven Tarifs, im Vergleich zu einer Individualbesteuerung beider Partner, nicht benachteiligt werden und frei über ihre Arbeitsverteilung entscheiden können.[25]
Das Bundesverfassungsgericht sieht mit dem Ehegattensplitting das Leistungsfähigkeitsprinzip erfüllt, da es sich bei einer Ehe um eine Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs handelt, in der beide Ehegatten an den Einkünften und Lasten jeweils zur Hälfte teilhaben. Das gegenwärtige Verfahren knüpfe so an die „wirtschaftliche Realität der intakten Durchschnittsehe an, in der ein Transfer steuerlicher Leistungsfähigkeit zwischen den Partnern stattfindet“[26]. Folglich ist eine gemeinsame Veranlagung der Ehepartner systematisch gerechtfertigt.[27]
Diese Interpretation sieht sich in ihrer Ausgestaltung des Öfteren Kritik ausgesetzt. So widerspricht Spangenberg, dass die hälftige Aufteilung der Einkünfte und Vermögen zwischen den Ehepartnern der Realität entspricht. Vielmehr handelt es sich während der Ehe um getrennte Eigentumsverhältnisse, die erst bei einer Trennung im Rahmen des gesetzlichen Zugewinnausgleichs bereinigt werden.[28]
Hackmann beurteilt schon die Abweichung von der Individualbesteuerung als verfassungswidrig, da im Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG die Rede von der Gleichheit der Menschen und nicht von der Gleichheit von Menschengruppen ist.[29] Somit stelle das Ehegattensplitting aus verfassungsrechtlicher Sicht keine sachgerechte Besteuerungsregel dar, die dem Gleichheitsgrundsatz der deutschen Verfassung entspricht.[30]
2.3 Kritik am Ehegattensplitting
Das Verfahren des Ehegattensplittings wird vielfach kritisch diskutiert. Grund für die konträren Ansichten sind die Verteilungs- und Anreizwirkungen, die von dieser Besteuerungsnorm ausgehen. Diese sollen im Folgenden näher beleuchtet werden, um unterschiedliche Standpunkte darzulegen und einander gegenüberzustellen.
2.3.1 Verteilungswirkung
Gemeinsam veranlagte Eheleute haben in der Regel[31] eine geringere Steuerlast, als wenn sie separat besteuert würden. Diese Differenz wird als Splittingeffekt bezeichnet. Der Grund für das Eintreten der Steuerminderung ist die Kombination aus Zusammenveranlagung und dem progressiven Einkommensteuertarif. Grundsätzlich sorgt die Progression des Tarifs für ein Ansteigen des Durchschnittssteuersatzes mit steigendem Einkommen. Durch das Zusammenrechnen der Einkünfte von Ehepartnern und der anschließenden hälftigen Zurechnung auf jeden der beiden Partner, wird dieser Anstieg durchbrochen. Da das halbierte gemeinsame Einkommen einem geringeren Durchschnittssteuersatz unterliegt als die Summe der individuellen Einkünfte, mindert sich durch den rechnerischen Einkommensausgleich die Progressionswirkung, der Ehepaare ausgeliefert sind. Weiterhin können gemeinsam veranlagte Ehepaare ihre Steuerbemessungsgrundlage verringern, indem einige Freibeträge und abzugsfähige Aufwendungen auf den anderen Ehepartner übertragen werden.[32]
Die Entlastungswirkung durch das Splittingverfahren ist somit unmittelbar an den geltenden Einkommensteuertarif gebunden, da dessen Progressionsgrad sich in der Entlastungswirkung niederschlägt. Zu früherer Zeit, als die weit überwiegende Mehrheit der Steuerpflichtigen noch einem proportionalen Steuertarif unterlag, trat einzig und allein die Wirkung des zweiten Grundfreibetrages des Ehepartners als Splittingeffekt in Erscheinung. Mit der Einführung eines weitestgehend progressiven Tarifs profitieren nun auch untere und mittlere Einkommensbezieher von der Milderung der Progression, die mit dem Splittingverfahren einhergeht.[33]
Infolge seiner Ausgestaltung fällt die Steuerermäßigung beim Ehegattensplitting tendenziell mit steigendem Einkommen größer aus.[34] Abbildung 1 zeigt die Höhe des Splittingeffektes für Ehepaare mit gesamtem zu versteuerndem Einkommen bis 150 000 Euro. Der dargestellte Splittingeffekt errechnet sich am Beispiel einer innerehelichen Erwerbsaufteilung von 75 % des Haupteinkommensbeziehers zu 25 % des Partners.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Splittingeffekt in Abhängigkeit des zu versteuernden Einkommens bei Arbeitsteilung 75/25 (T2016) (Berechnung in Anhang 1)
[Quelle: Eigene Darstellung auf Basis des § 32a Abs. 1 EStG]
Gemäß der Analyse von Maiterth ziehen rund ein Drittel der Ehepaare keinen oder zumindest keinen nennenswerten Nutzen aus dem Splittingverfahren. Demgegenüber entfällt rund ein Drittel des gesamten Splittingvolumens auf weniger als sieben Prozent aller Ehepaare.[35] Um diesem Umstand Einhalt zu gebieten, zieht Sacksofsky eine Begrenzung des Splittingeffekts in Betracht, wobei sie auch die damit einhergehenden verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten hinsichtlich des Gleichberechtigungssatzes zu bedenken gibt.[36]
Derzeit beträgt die maximale Steuerentlastung aus dem Splittingverfahren 16 028 Euro und wird erreicht von Einverdienst-Ehen ab einem gemeinsamen zu versteuernden Einkommen von 508 894 Euro gemäß dem geltenden Tarif aus § 32a Abs. 1 EStG.
Literarisch besteht zunächst grundlegend Uneinigkeit, ob es sich bei der Steuerentlastung für Paare aus dem Ehegattensplitting um einen tatsächlichen Steuervorteil für die Betroffenen handelt.[37] So stehen schon die beiden an sich synonymen Begriffe des Splittingvorteils und des Splittingeffektes[38] als Inbegriff der kontroversen Diskussion dieser Thematik. Entsprechend sehen einige Autoren im Ehegattensplitting eine Vergünstigung für Verheiratete, die sich in Form des „Splittingvorteils“ auswirkt.[39]
Widerspruch gegenüber dieser Interpretation wird von Schulemann geübt. Er argumentiert, dass die Entlastungswirkung, welche Ehepaaren zu Teil wird, lediglich der Beachtung des Leistungsfähigkeitsprinzips folgt und somit nur die Konsequenz aus den angewandten Besteuerungsprinzipien darstellt. Der Splittingeffekt, der sich daraus ergibt, stellt demnach nur die Korrektur für die ansonsten zu hohe Besteuerung dar, die sich im Falle individueller Veranlagung ergäbe.[40]
Auch Brünnagel schließt sich dieser Sicht an und begründet zusätzlich die stärkere Entlastungswirkung mit höherem Einkommen durch den „Reflex der Progression“ des Einkommenssteuertarifs.[41] „Wenn eine bei steigendem Einkommen überproportionale Steuerbelastung als gerecht akzeptiert wird, so muss dies im Fall eines Steuerabzugs auch für die logisch resultierende überproportionale Steuerentlastung gelten.“[42]
Weiterhin steht zur Diskussion, dass das Ehegattensplitting nicht die Familie fördert, sondern lediglich die Ehe. Tatsächliche Belastung fällt aber erst bei Familiengründung und nicht bei der Eheschließung an. Somit genügt das Splittingverfahren keiner bedarfsgerechten Familienförderung, da die Existenz und Anzahl der Kinder keinerlei Berücksichtigung darin findet.[43]
Auch in dieser Hinsicht herrschen kontroverse Ansichten darüber, inwiefern die Einkommensbesteuerung Kinder berücksichtigen soll und kann.[44] Nicht zur Diskussion steht, dass Kinder die steuerliche Leistungsfähigkeit ihrer Eltern verringern und somit das disponible Einkommen reduzieren. Gemäß der Besteuerung nach dem Prinzip der Leistungsfähigkeit wird diesem Umstand bisher mit dem Familienleistungsausgleich Rechnung getragen. Tatsächliche Familienpolitik beginnt somit erst bei einer Förderung, die über den Ausgleich der geminderten Leistungsfähigkeit der Eltern hinausgeht.[45]
Weiterhin wird dem Ehegattensplitting zur Last gelegt, dass es nicht in ausreichendem Maße mit familienpolitischen Zielen kompatibel ist und die Steuerentlastungen vielmehr kinderlosen Ehepaaren zugutekommen denn Familien.[46] Im Rahmen einer Evaluation ehe- und familienbezogener Leistungen haben Bonin et al. die Wirkung des Ehegattensplittings auf ausgewählte familienpolitische Ziele untersucht. Als Benchmark diente hierbei eine Individualbesteuerung. Im Ergebnis wirkt sich das Ehegattensplitting positiv auf die wirtschaftliche Stabilität und soziale Teilhabe von Ehepaaren und Familien aus, was sich in einer deutlichen Minderung der Steuerlast manifestiert. Dem familienpolitischen Ziel der Vereinbarkeit von Familie und Beruf wirkt das Ehegattensplitting allerdings entgegen, da besonders Mütter ihre Erwerbstätigkeit infolge der verbesserten Einkommenssituation, reduzieren.[47]
Außerdem gelingt es dem Ehegattensplitting nicht, gesellschaftliche Veränderungen zu berücksichtigen. So sind es schon heute ein Viertel aller Eltern-Kind- Beziehungen, die vom klassischen Familienbild[48] abweichen und demzufolge nicht von der Steuervergünstigung profitieren.[49] Es lässt sich seit der Einführung des Ehegattensplittings ein abnehmender Trend zur Eheschließung beobachten, wie Abbildung 2 veranschaulicht.
Befürworter entgegnen, dass das Ehegattensplitting einzig und allein die Absicht verfolgt, Ehen nach dem Prinzip der Leistungsfähigkeit zu besteuern. Es dient weder dem Zweck einer sozialpolitischen Umverteilung, noch der Verfolgung familienpolitischer Ziele. Dass dieses Vorgehen sowohl Ehen mit als auch ohne Kinder trifft, liegt in der Natur der Sache.[50]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Zeitliche Entwicklung der Anzahl der jährlichen Eheschließungen je 1.000 Einwohner[Quelle: Eigene Darstellung auf Datenbasis des statistischen Bundesamtes[51] ]
Die kritisierte Entlastungswirkung gegenüber Ehen ohne Kinder sei indes unangebracht.Einer Untersuchung zufolge entfallen etwa 90 % des gesamten Splittingvolumens auf Familien.[52] Dies erscheint auch plausibel, da Ehepaare ohne Kinder zumeist beide erwerbstätig sind, womit deren geringere Teilhabe am Ausmaß des Splittings erklärt wird. Bei der Betrachtung von steuerlich tatsächlich relevanten Kindern[53] beträgt dieser Anteil immer noch 65 %.[54] Vollmer und Klingholz hingegen betrachten alle Steuerermäßigungen, die Ehen ohne zu berücksichtigende Kinder treffen, in familienpolitischer Hinsicht als ungerechtfertigt. [55]
Die Entwicklung alternativer Familienformen wird von Seiten der Befürworter zwar nicht bestritten, jedoch wird daraus kein Reformbedarf abgeleitet. So sieht Schulemann angesichts des bestehenden Systems des Familienleistungsausgleichs sowie dem Entlastungsbetrag für Alleinerziehende nach § 24b EStG, keine weitergehenden steuerlichen Notwendigkeiten.[56]
2.3.2 Anreizwirkung
Neben der Missbilligung der Verteilungseffekte bietet ein weiterer Aspekt des Öfteren Anlass zur Diskussion. Dieser folgt dem Umstand, dass AlleinverdienerEhepaare am stärksten von der geltenden Regelung des Ehegattensplittings pro- fitieren.[57] Diese Eigenschaft ist wiederum der gemeinsamen Veranlagung in Kombination mit der hälftigen Teilung des Eheeinkommens zuzuschreiben. Bei Ehen, in denen beide Partner Einkünfte in gleicher Höhe erwirtschaften, neutralisiert sich der Splittingeffekt und die Ehepartner werden faktisch getrennt veranlagt. Mit zunehmender Ungleichheit der Teilhabe am Eheeinkommen, steigt dieser jedoch rapide an. Erzielt demnach der eine Ehepartner das gesamte Einkommen, während der andere nichts beiträgt, wird der Splittingeffekt maximal.[58] Abbildung 3 zeigt den Verlauf der Splittingeffekte für verschiedene Erwerbskonstellationen in Abhängigkeit des gemeinsam zu versteuernden Einkommens.
Es zeigt sich, dass der Splittingeffekt mit zunehmender Beteiligung des zweiten Ehepartners am Gesamteinkommen abnimmt. Auf Basis dieser Erkenntnisse folgern Kritiker nun, dass das Ehegattensplitting negative Anreize auf die Aufnahme und Ausweitung der Erwerbstätigkeit des nicht oder nur geringfügig arbeitenden Partners ausübt, wobei es sich in den meisten Fällen um die Ehefrau handelt. Dies wird auch daran festgemacht, dass eine völlige Aufgabe der Erwerbstätigkeit nötig ist, um den maximalen Splittingeffekt zu erlangen. Schon ein geringer Hinzuverdienst kann sich so steuerlich beträchtlich auswirken.[59]
Grundlage der Argumentation bildet die Tatsache, dass der Grenzsteuersatz des Zweitverdieners höher ist als er im Falle einer getrennten Veranlagung wäre.
[...]
[1] Siehe zum Beispiel: Albers 1988; Scherf 1999; Siegel 2007; Niemeier 2012.
[2] Vgl. CDU/CSU 2013, S. 38; SPD 2013, S. 50 f.; Bündnis 90/Die Grünen 2013, S. 18.
[3] Vgl. Bach et al. 2012, S. 620; Ahner/Possinger 2013, S. 436; Spangenberg 2005, S. 44 f.
[4] Das traditionelle Familienbild meint zwei zusammenlebende Ehepartner i. S. d. § 26 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG.
[5] Vgl. Färber/Spangenberg/Stiegler 2008, S. 2.
[6] BVerfG v. 07.05.2013 - 2 BvR 1981/06, BVerfGE 133, 377-443.
[7] Vgl. Niemeier 2012, S. 615; Scherf 1999, S. 32 f.; Brünnagel 2006, S. 17.
[8] Vgl. CDU/CSU 1983, S. 13 f.; CDU 2007, S. 30; SPD 2007, S. 6; Die Linke 2009 S. 19.
[9] Vgl. Lauter 2016; SPD 2015.
[10] Vgl. Althammer 2002, S. 68; BVerfG v. 17.1.1957 - 1 BvL 4/54, BVerfGE 6, 55-84.
[11] Vgl. Spangenberg 2005, S. 21.
[12] Vgl. Spangenberg 2005, S. 20; Bechara et al. 2013, S. 9; Buslei/Wrohlich 2014, S. 1; Bonin et al. 2013, S. 101.
[13] Vgl. Althammer 2002, S. 68; Steiner/Wrohlich 2006a, S. 432 f.
[14] Vgl. Schulemann 2007, S. 7 f.; § 66 EStG.
[15] § 32 Abs. 6 EStG.
[16] Vgl. Schulemann 2007, S. 7-9; § 31 S. 4 EStG.
[17] Vgl. Bach et al. 2003, S. 17.
[18] Vgl. Bonin et al. 2013, S. 104.
[19] Vgl. Bonin et al. 2013, S. 63 f.
[20] Vgl. Spangenberg 2005, S. 35; Althammer 2002, S. 73; Scherf 1999, S. 28.
[21] Vgl. Scherf 1999, S. 28; Spangenberg 2005, S. 35.
[22] Vgl. Schulemann 2007, S. 13.
[23] Vgl. Scherf 1999, S. 30; BFH v. 19.09.1958 - VI 164/58 U, BStBl III 1958, 442.
[24] Vgl. Scherf 1999, S. 28.
[25] Vgl. Ahner/Possinger 2013, S. 435; Homburg 2000, S. 263.
[26] BVerfG v. 03.11.1982 - 1 BvR 620/78, BVerfGE 61, 319-357.
[27] Vgl. Schulemann 2007, S. 13.
[28] Vgl. Spangenberg 2011, S. 16; Siehe auch: Ahner/Possinger 2013, S. 436; Vollmer 2007, S. 41 f.; Färber/Spangenberg/Stiegler 2008, S. 3; Englisch/Becker 2016, S. 42 f.
[29] Vgl. Hackmann 2009, S. 11.
[30] Vgl. Hackmann 2009, S. 32.
[31] Ausgenommen hiervon sind Ehepaare in denen beide Partner ein exakt gleiches Einkommen erzielen.
[32] Vgl. Bonin et al. 2013, S. 100 f.
[33] Vgl. Spangenberg 2005, S. 29.
[34] Vgl. Bach/Buslei 2003, S. 347; Steiner/Wrohlich 2006a, S. 425; Bonin et al. 2013, S. 101.
[35] Vgl. Maiterth 2004, S. 710 f.
[36] Vgl. Sacksofsky 2007, S. 342.
[37] Vgl. Scherf 1999, S. 28.
[38] Um diese Ausarbeitung wertungsfrei zu halten, wird ausschließlich der Begriff „Splittingeffekt“ verwendet.
[39] Vgl. Färber/Spangenberg/Stiegler 2008, S. 1; Sacksofsky 2007, S. 334; Spangenberg 2005, S. 20.
[40] Vgl. Schulemann 2007, S. 18 f.; Siehe auch: Scherf 1999, S. 28; Schlick 2005, S. 319; Homburg 2000, S. 263.
[41] Vgl. Brünnagel 2006, S. 3.
[42] Vgl. Schulemann 2007, S. 45.
[43] Vgl. Spangenberg 2005, S. 44 f.
[44] Vgl. Niemeier 2012, S. 615; Seiler 2007, S. 25 f.; Althammer 2002, S. 79.
[45] Vgl. Althammer 2002, S. 74.
[46] Vgl. Ahner/Possinger 2013, S. 434; Spangenberg 2005, S. 25; Klingholz 2012, S. 7.
[47] Vgl. Bonin et al. 2013, S. 112.
[48] Das klassische Familienbild meint hierbei verheiratete und zusammenlebende Eltern. Demgegenüber stehen Alleinerziehende und unverheiratete Eltern. Siehe auch Fn. 4.
[49] Vgl. Färber/Spangenberg/Stiegler 2008, S. 2.
[50] Vgl. Schulemann 2007, S. 22 f.
[51] Vgl. Statistisches Bundesamt 2016.
[52] Eingeschlossen hiervon sind auch Kinder, die nicht mehr im Haushalt leben.
[53] Gemeint sind Kinder, die im Rahmen des Familienleistungsausgleichs berücksichtigt werden.
[54] Vgl. Bach/Buslei 2003, S. 347.
[55] Vgl. Vollmer 2007, S. 48; Klingholz 2012, S. 7.
[56] Vgl. Schulemann 2007, S. 43 f.
[57] Vgl. Bach/Buslei 2003, S. 347; Färber/Spangenberg/Stiegler 2008, S. 1.
[58] Vgl. Schlick 2005, S. 314 f.; Steiner/Wrohlich 2006a, S. 432 f.
[59] Vgl. Eichhorst et al. 2012, S. 55; Spangenberg 2005, S. 26 f.; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung 2013, S. 365; Bonin et al. 2013, S. 101 f.
Details
- Seiten
- 50
- Jahr
- 2016
- ISBN (eBook)
- 9783668412958
- ISBN (Buch)
- 9783668412965
- Dateigröße
- 7.8 MB
- Sprache
- Deutsch
- Katalognummer
- v355062
- Institution / Hochschule
- Albert-Ludwigs-Universität Freiburg – Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft
- Note
- 1,00
- Schlagworte
- Ehegattensplitting Familiensplitting Vollsplitting Teilsplitting Realsplitting Splitting Einkommensbesteuerung Tarifsplitting