Die Diktatur des Lesers. Analyse und Vergleich von "Der Tod des Autors" und "Was ist Literatur"


Hausarbeit, 2014

15 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Wissenschaftshistorischer Hintergrund
2.1 Strukturalismus
2.2 Biographismus/Autorzentrierte Positionen

3. Der Tod des Autors
3.1 Der Begriff des Autors
3.2 Der Leser bei Barthes

4. Was ist Literatur
4.1 Die Frage nach der Literatur
4.2 Der Leser bei Eagleton

5. Vergleich/Verknüpfung

6. Fazit

7. Quellen und Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Nicht woher man kommt, ist hier entscheidend, sondern wie einen die Leute behandeln. Wenn sie beschließen, dass man Literatur ist, dann scheint man das auch zu sein, unabhängig davon, was man selbst zu sein glaubte.“[1]

- Terry Eagleton

Ein bildender Künstler, kann seine Leinwand in hundert Einzelteile zerstückeln und doch Künstler bleiben; er könnte einen benutzen Kaugummi auf den Boden kleben und immer noch Künstler bleiben. Ein Musiker könnte den Verkehrslärm einer Stadt aufnehmen, einen Bass dazu mixen und würde Musiker bleiben. Er könnte 3 Minuten vor einem Instrument sitzen ohne auch nur einen einzigen Ton zu spielen und würde Musiker bleiben.

In der Welt der Literatur geht es jedoch etwas strenger zu. Nicht jeder Schreiber, nicht jeder geschriebene Text zählt zur Literatur. Bis heute tobt in der Literatur-Wissenschaft ein lebendiger Diskurs über den Begriff der Literatur und seine Größen- Autor, Text und Leser, ausgelöst von dem Franzosen Roland Barthes, welcher mit seinem Plädoyer „Der Tod des Autors“ als Vater der Verabschiedung des Autors als Größe in der Literatur gilt. Den Tod des Autors zu proklamieren, ist betrachtet man den heutigen Literaturbetrieb, ist fast schon absurd, denn der Autor scheint eine feste Größe in der heutigen Zeit zu sein- wenn nicht sogar die entscheidende.

Doch was genau bedeutet der Begriff Literatur eigentlich? Existiert sie überhaupt und wenn ja, wer bestimmt, welche Werke Literatur sind? Welche Rollen spielen der Autor, der Text und der Leser in der Literatur? Und steht der Autor vielleicht doch schon mit einem Fuß im Grab?

Diese Fragen will die folgende Arbeit näher beleuchten. Zentraler Untersuchungsgegenstand sind hierbei die beiden Texte „Der Tod des Autors“ von Roland Barthes und „Was ist Literatur“ von Terry Eagleton, die sich vor allem auf die Frage der Bedeutung des Autors im Verhältnis zu der des Textes und der des Lesers widmen.

2. Wissenschaftshistorischer Hintergrund

Die Frage nach dem Autor, dem Text und dem Leser sind gar nicht so neu. Vor allem der Autorbegriff wird in der Literaturtheorie untersucht und sorgt für hitzige Debatten. Die verschiedenen Positionen können grob in zwei Lager unterteilt werden: Autorzentrierte Theorien und autorkritische Theorien.

Die autorzentrierten Theorien sehen den Autor als bedeutendste Größe für die Interpretation von Texten, ohne dessen eine vollständige Erschließung des Textes für den Leser nicht möglich wäre.

Die autorkritischen Theorien nehmen an, dass die Bedeutung eines literarischen Textes auch ohne Bezug zu dem Autor erschlossen werden kann; sie schlagen einen völligen Verzicht des Autors vor. Die Interpretation des Textes wird hier alleine vom Leser anhand der Textstrukturen vorgenommen. Der Leser ist die entscheidende Größe.

2.1 Strukturalismus

Im 20. Jahrhundert entwickelten sich zunehmend Ansätze, die als wesentlichen Bezugspunkt in der Interpretation von Literatur den Leser in den Mittelpunkt rückten und somit die Stellung des Autors schwächten. Sie befreien sich ganz von der Annahme, der Autor sei eine sinngebende Instanz und schreiben dem Text nur eine untergeordnete Rolle beim Zustandekommen einer Textbedeutung zu.

Der im 20. Jahrhundert entstandene Strukturalismus beruft sich vor allem auf die Einsichten und Methoden des Linguisten Ferdinand de Saussure zum Aufbau von Sprachen und literarischen Werken:

Im Mittelpunkt der strukturalistischen Literaturwissenschaft steht die einem Werk zugrundeliegende Struktur. Die Sprache wird als ein Zeichensystem verstanden, dessen Strukturen und Beziehungen untersucht und beschrieben werden ohne die bedeutungsvollen Inhalte zu berücksichtigen(Strukturanalyse).

Ziel einer Strukturanalyse ist demnach zunächst die Identifikation von Basisstrukturen.[2]

Der Akt der Lektüre, nicht die Autorintention, steht im Mittelpunkt des strukturalistischen Verfahrens. Das Bemerkenswerte an dieser Art von Analyse ist, dass sie den eigentlichen Inhalt der Geschichte ausklammert und sich völlig auf die Form konzentriert.[3] Diese Vernachlässigung des Subjektes des Autors und die strukturelle Behandlung von literarischen Texten stieß auf viel Ablehnung in der Gesellschaft. Der Strukturalismus nimmt die Position ein, dass die Wirklichkeit und die Wahrnehmung der Menschen nicht unbedingt direkt zusammenhängen und fixiert sich ausschließlich auf die Sprache selbst. Der Strukturalismus grenzt somit den Autor aus und der Leser rückt als die zentrale Instanz der Bedeutungsbildung in den Vordergrund.

2.2 Biographismus/Autorzentrierte Positionen

Die radikalste Position der autorzentrierten Theorien ist der Biographismus, welcher das Leben des Autors am stärksten in die Interpretation mit einbezieht und versucht das Werk aus der Lebensgeschichte des Autors zu erklären. Diese Interpretationsart von Texten ist besonders stark im 19. Jahrhundert praktiziert worden, da die Dichter zu dieser Zeit anfingen, ihre Werke zu kommentieren, oder sich in veröffentlichten Tagebüchern und zur Entstehung ihrer Texte zu äußern.[4]

Eine zweite, etwas mehr zurückhaltende Position ist die der Hermeneutik, die zwischen dem Autor und dem Text eine Art Wechselwirkung annimmt. Hier spielen die Erfahrungen, Erlebnisse und der Gefühlsstand des Autors während der Entstehung des Textes eine entscheidende Rolle und geben Aufschluss über den Sinn des Textes. Anders als im Biographismus, ist beim hermeneutischen Ansatz also nicht das Leben des Autors vorrangig, sondern nur einige Bestandteile, die als Mittel zu Interpretationszwecken dienen.

Eine weitere Theorie, die der Hermeneutik sehr ähnlich ist, wurde um 1900 von Sigmund Freud begründet. In diesem psychoanalytischen Ansatz wird, zur Interpretation eines literarischen Textes, mehr die Frage nach den unbewussten Motiven des Autors beim Schreiben eines Textes gestellt. „Besondere Aufmerksamkeit schenkt die Psychoanalyse dem Unterbewussten, dem eine wesentliche Mitwirkung an allem menschlichen Denken, Fühlen und Handeln zugeschrieben wird und dessen Funktionsweise die Psychoanalyse beschreibt.“[5]

Zusammenfassend haben also alle bisherigen Auffassungen gemein, dass der Autor nicht nur der Urheber eines Textes ist, sondern auch die Autorität, die seinen Sinngehalt bestimmt, und diesen ursprünglichen Sinngehalt gilt es zu rekonstruieren, wenn nötig auch über autor-biographische Anhaltspunkte.

3. Der Tod des Autors

Der Autor ist, neben der Kategorie des Textes und der des Lesers die dritte große Kategorie in der Literatur, wenn nicht so sogar die meist verwendete. Ganze Buchhandlungen sind sortiert nach Autorennamen, Buchmessen feiern neue Jungautoren, Menschen gehen zu Autorenlesungen und „kaufen sich den neuen Grass.“[6] Nicht nur das Interesse an einem Buch, auch der Verkaufswert eines Buches ist abhängig vom Autor und kann alleine durch den Aufdruck des Autorennamens steigen und fallen.

Der französische Theoretiker Roland Barthes (1915-1980), kritisiert genau diesen Biographismus: „Unsere heutige Kultur beschränkt die Literatur tyrannisch auf den Autor, auf seine Person, seine Geschichte, seinen Geschmack, seine Leidenschaften. Noch immer sehen die Kritiker im Werk von Baudelaire nichts als das Versagen des Menschen Baudelaire, im Werk von van Gogh nichts als dessen Verrücktheit[...]“.[7]

In seinem Essay “Der Tod des Autors,” stellt Barthes einen engen Zusammenhang zwischen dem Schreiben und dem Lesen von literarischen Texten her und beschreibt, wie die Emanzipation vom Autor erreicht werden kann. Die Herangehensweise von Barthes ist deutlich systematisch, auch wenn er historische Bezugnahmen in seinem Essay nicht meidet. So finden sich zum Beispiel Bemerkungen zur Entstehung des Begriffs vom Individuum im 15. und 16. Jahrhundert, der den Autor als Individuum erst denkbar gemacht hat. Bei den Reflexionen über die Sprache bezieht sich Barthes auf den Surrealismus, der dazu beigetragen hat, die Stellung des Autors in Frage zu stellen. Barthes, der einen eigenen Beitrag zur Emanzipation vom Autor leisten will, führt diesen Gedanken fort. In dieser Hinsicht kann man auch von einer geschichtlichen Herangehensweise seines Textes sprechen.

[...]


[1] Eagleton, Einführung in die Literaturtheorie, S. 10

[2] Vgl. Culler, Literaturtheorie. Eine kurze Einführung, S. 179

[3] Eagleton, Einführung in die Literaturtheorie, S. 73

[4] Vgl. Fotis, Autor und Interpretation, S. 11

[5] Fotis, Der Dichter und das Phantasieren, S. 31

[6] Fotis, Autor und Interpretation, S. 7

[7] Barthes, Der Tod des Autors, S.186

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Die Diktatur des Lesers. Analyse und Vergleich von "Der Tod des Autors" und "Was ist Literatur"
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
1,7
Autor
Jahr
2014
Seiten
15
Katalognummer
V354879
ISBN (eBook)
9783668409279
ISBN (Buch)
9783668409286
Dateigröße
440 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Roland Barthes, Terry Eagleton, Tod des Autors, Was ist Literatur, Literaturvergleich
Arbeit zitieren
Sarah Eisenfeld (Autor:in), 2014, Die Diktatur des Lesers. Analyse und Vergleich von "Der Tod des Autors" und "Was ist Literatur", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/354879

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