Stadtmarketing als umfassendes Konzept einer kooperativen Stadtentwicklung. Stadtmarketingelemente und Prozess des Stadtmarketings

Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland (BCSD) Umfrage


Hausarbeit (Hauptseminar), 2016

41 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

I EINLEITUNG
I Begriffsdefinition und Ausgangsbetrachtungen

II ELEMENTE, TYPEN UND PROZESS
2.1 Umfassendes Stadtmarketing - ein Puzzle
2.1.1 Philosophie des Stadtmarketings
2.1.2Der Stadtmarketingprozess
2.1.3 Inhalte und Instrumente von Stadtmarketing
2.2 Typen von Stadtmarketing

III DIE BCSD-STADTMARKETINGUMFRAGE 2014
3.1 Das Profil der BCSD
3.2 Die BCSD-Stadtmarketingumfrage 2014 - Ergebnisse
3.2.1 OrganisationundStruktur
3.2.2Aufgaben
3.2.3 Ziele und Zielgruppen
3.2.4Akteure
3.2.5 Probleme und Erfolge
3.3 Zusammenfassung

IVANALYSE
4.1 Kritik der BCSD-Umfrage
4.1.1 Ziele undZieldimensionen
4.1.2 Aufgaben, Maßnahmen und Maßnahmenbündel
4.1.3 Erfolge und Erfolgsdimensionen

V FAZIT UND AUSBLICK

VI LITERATURVERZEICHNIS

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 : Puzzle - umfassendes Stadtmarketing

Abb. 2: Philosophie - Puzzleteile

Abb. 3: Prozess - Puzzleteile

Abb. 4: Inhalte und Instrumente - Puzzleteile

Abb. 5: Elemente des umfassenden Stadtmarketing - Zusammenfassung

Abb. 6: Stadtmarketingtypen des Difu 1995 und 2004

Abb. 7: Stadtmarketingtypen des Difu in der kommunalen Praxis 1995 und 2004

Abb. 8: Rechtsformen

Abb. 9: Vollzeitkräfte inkl. Geschäftsführung und Auszubildende

Abb. 10: Beteiligung an den Aufgabenbereichen, sortiert nach Federführung

Abb. 11:Bewertung der Aufgaben nach Wichtigkeit

Abb. 12: Bewertung der Ziele nach höchster Wichtigkeit

Abb. 13: Zielgruppen

Abb. 14: Beteiligung an der Erarbeitung, Umsetzung und Finanzierung des Stadtmarketings

Abb. 15: Einschätzung der eigenen Probleme

Abb. 16: Einschätzung des eigenen Erfolgs

Abb. 17: Zieldimensionen und Einzelziele der Difu-Umfrage 2004

Abb. 18: Maßnahmenbündel und konkrete Maßnahmen der Difu-Umfrage 2004

Abb. 19:Erfolgsdimensionen und Erfolgskriterien der Difu-Umfrage 2004

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

I Einleitung

„Wer an den Dingen seiner Stadt keinen Anteil nimmt, ist nicht ein stiller Bürger, sondern ein schlechter. " (perikles 430 v. Chr.).

City- und Stadtmarketingprozesse werden in nahezu allen deutschen Städten als Instrument zur Zukunftsentwicklung und Profilierung eingesetzt. Vor allem in größeren Städten ge­schieht dies meist durch eine professionelle Stadtmarketingorganisation. Während andere städtische Ämter und Einrichtungen über spezifische Zuständigkeiten definiert sind, muss das Stadtmarketing umfassender ausgerichtet werden. Stadtmarketing ist nicht nur kommu­nale Öffentlichkeitsarbeit oder Standortwerbung und lässt sich nicht auf Public Relations oder Werbung reduzieren. Es bildet sozusagen die Schnittstelle zwischen den verschiede­nen Handlungsfeldern einer Stadt. Stadtmarketing ist ein Kommunikations- und Entwick­lungsprozess, an dem sich idealerweise möglichst viele Einwohner, Unternehmen, Institutio­nen etc. beteiligen sollten (vgl. brandner 2000, S. 1).

„Zu den Gewinnern im Städtewettbewerb werden jene Städte gehören, die ihre Stärken kon­zentrieren und mit einer Stimme hörbar machen können. Dies gelingt nur, wenn Themen angemessen identifiziert, städtische Ressourcen gebündelt und Themen gemeinsam bear­beitet werden.“ (bcsd2011, S.1).

Die Moderation und Organisation dieses Prozesses zählt zu den Kernaufgaben des Stadt­marketings. Insbesondere in Zeiten schwindender Wahlbeteiligung stellt Stadtmarketing ein Instrument der Einwohnerbeteiligung dar, das eng mit der Kommunalpolitik verknüpft ist. Aber auch die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft ist ein zentrales Element des Stadtmarke­tings, das immer wichtiger wird. Es gibt viele Gründe, sich näher mit dem Stadtmarketing zu beschäftigen. Doch was genau lässt sich eigentlich unter diesem eher abstrakten Begriff ver­stehen? Auf welchen verschiedenen Ebenen wurde und wird versucht, sich dieser Thematik anzunähern und wie hat sich das Stadtmarketing in den letzten Jahrzehnten verändert? Ne­ben einer Klärung der Begrifflichkeiten sowie einem Überblick zu den zeitlichen Entwick­lungsstufen soll es in der vorliegenden Arbeit vor allem um die Frage gehen, ob sich Stadt­marketing planen lässt und wenn ja, welche verschiedenen Ansätze existieren. Der Fokus liegt dabei auf dem Stadtmarketing als umfassender Ansatz einer kooperativen Stadtentwick­lung. Als Grundlage dienen die Ergebnisse der Stadtmarketingumfragen der Bundesvereini­gung City- und Stadtmarketing Deutschland e.V. (BCSD) 2014 sowie des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) 2004.

1 Begriffsdefinition und Ausgangsbetrachtungen

Erste Ansätze und Erfahrungen zum Stadtmarketing finden sich in den USA und Großbritan­nien bereits in den 1970er Jahren. In Deutschland lässt sich allerdings erst ab Mitte der 1990er Jahre von einem Bedeutungszuwachs des Stadtmarketing sprechen. Während es 1995 bundesweit lediglich 40 Städte waren, ließen sich 2001 in bereits 80 Kommunen allein in NRW Stadtmarketingaktivitäten beobachten (vgl. helbrecht 2002, S.17). Die Meinungen darüber, was Stadtmarketing genau bedeutet, fielen jedoch sehr unterschiedlich aus und auch heute, wo Stadtmarketing schon zur Routine geworden ist, findet sich nach wie vor eine Vielzahl von Positionen zu dieser Thematik. Der Deutsche Städtetag unternahm bereits 1990 den Versuch einer Definition: „Stadtmarketing ist mehr als Kommunikation, mehr als Wer­bung. Städtemarketing ist ein mittel- und langfristiges Führungs- und Handlungskonzept, das auf einer Leitidee basiert. Dieses Konzept erfordert Arbeit am „Produkt Stadt“ und einen auch für die Bürger offenen Prozess der gemeinsamen Realisierung" (Presseausschuss deutscher Städtetag, 1990, S.230). Entscheidet sich eine Stadt, bestehende Strukturen und Prozesse zu verändern und neue Wege einzuschlagen, kann dies auf viele unterschied­liche Art und Weisen geschehen. Stadtmarketing kann in diesem Zusammenhang z.B. als Methode, Instrument oder einfach nur als Denkweise verstanden werden. Es kann ganzheit­lich umgesetzt werden oder nur für einen Teilbereich. Es kann sich in kurzfristigem Aktionis­mus äußern oder langfristig geplant werden. Dem Begriff „Stadtmarketing“ steht kein genau definierter, konzeptionell geschlossener Raum zur Verfügung, der übernommen werden kann (vgl. birk/leppa 2002, S.3). Da im weiteren Verlauf jedoch die Ergebnisse der aktuellen Umfrage der BCSD vorgestellt und diskutiert werden, wird die von der Vereinigung gewählte Definition des Stadtmarketing auch der vorliegenden Arbeit zugrunde gelegt. Stadtmarketing lässt sich demzufolge verstehen als „Ansatz zielgerichteter Gestaltung und Vermarktung ei­ner Stadt, basierend auf der Philosophie der Kundenorientierung. Es dient der nachhaltigen Sicherung und Steigerung der Lebensqualität der Bürger und der Attraktivität der Stadt im Standortwettbewerb.“ (block/icks 2010, S.3).

Insbesondere seit der Jahrtausendwende lässt sich fast schon von einer „Konjunktur“ des Stadtmarketing sprechen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Durch die Veränderung der wirt­schaftlichen, technologischen, gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen se­hen sich die Kommunen nach wie vor einem wachsenden Handlungsdruck ausgesetzt - bei gleichzeitig knapper werdenden Handlungsressourcen.

Mit der weltweiten Ausweitung von Wirtschaftsbeziehungen und Finanzströmen (Globalisie­rung) gehen kulturelle Anpassung sowie eine „Schrumpfung des Raumes“ und neue Migrati­onsbewegungen einher (vgl. floeting/hollbach-grömig 2005, S. 13 ff.). Gleichzeitig ge­winnt aber auch die regionale Ebene an Bedeutung, denn Standorte lassen sich international besser in regionalen Zusammenhängen vermarkten. Dabei spielt insbesondere die Betonung der „unverwechselbaren“ kommunalen bzw. regionalen „Individualität“ eine wichtige Rolle. Angetrieben wird die Globalisierung durch den technologischen Wandel, vor allem auf Ebene der Informations-, Kommunikations- und Transporttechnologien. Für Städte und Regionen gilt es, sich diese Entwicklung zu Nutze zu machen. Stadtmarketing wäre heute beispiels­weise ohne die Anwendung digitaler Medien nahezu undenkbar. Der wirtschaftliche Struk­turwandel spielt ebenfalls eine Rolle. Deutschland befindet sich wie alle westlichen Industrie­staaten im Übergang von der Industrie- zur Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft. Dienstleistungen übertreffen vielerorts die Güterproduktion, was Wertschöpfung und Be­schäftigung angeht. Wie sich eine Stadt zukünftig als Wirtschaftsstandort entwickelt, hängt von zahlreichen Rahmenbedingungen ab. In jedem Fall muss sich das Stadtmarketing auf die, mitunter auch negativen, Folgen (z.B. Arbeitslosigkeit, zunehmende Segregation) dieses Strukturwandels einstellen. Ähnlich sieht es in Bezug auf den sozialen und demographischen Wandel aus. Eine rückläufige Bevölkerungsentwicklung trotz hoher Zuwanderungsraten ver­bunden mit einer rapiden Alterung der Gesellschaft stellen hier die zentralen Herausforde­rungen dar. Aber auch der Wertewandel (Individualisierung, Hedonismus, Gleichberechti­gung der Geschlechter) ist ein präsentes Thema, das es zu berücksichtigen gilt. Ein weit verstandenes Stadtmarketing kann diese Entwicklungen durchaus als Chance nutzen, indem auch das soziale und kulturelle Umfeld der Akteure mit einbezogen wird (vgl. gra- bow/hollbach-grömig/birk 2006a, S. 20 f). Eine Folge dieser beschriebenen Trends ist der wachsende Wettbewerb zwischen Regionen, Städten und Gemeinden um Ressourcen (Geld, Konsumenten, Bürger etc.).

Als Reaktion lässt sich vielerorts die Strategie beobachten, dass Kommunalpolitik und - verwaltung, meist als Bestandteil oder Schwerpunkt des Stadtmarketings, diesen Entwick­lungen „angepasst“ werden. Vermehrt spielen beispielsweise auch Kooperationen eine Rolle, um im regionalen Kontext mehr überregionale bzw. sogar internationale Sichtbarkeit zu er­reichen. Festzuhalten ist an dieser Stelle, dass die veränderten Herausforderungen der letz­ten Jahrzehnte zu neuen Paradigmen der Stadt- und Regionalentwicklung geführt haben.

Sie beinhalten Instrumente wie das Neue Steuerungsmodell[1], Controlling, Balanced Scorecard[2] oder Public Private Partnerships und auch das Stadtmarketing lässt sich hier einordnen. Ähnlich wie die anderen genannten Begriffe leitete sich auch das Stadtmarketing ursprünglich aus einem theoretisch-wissenschaftlichen Kontext ab. Die drei wichtigsten Be­trachtungsperspektiven waren die betriebswissenschaftliche Sichtweise (Übertragbarkeit der Ansätze von Unternehmen auf Kommunen); die politisch- gesellschaftwissenschaftliche Sichtweise (kommunikative Stadtentwicklungspolitik) sowie die Sichtweise der externen Strukturreform der öffentlichen Verwaltung (Aufgabenprivatisierung bzw. öffentlich-private Partnerschaften für öffentliche Güter/Leistungen). Mit der zunehmenden Popularität des Stadtmarketing und den damit verbundenen praktischen Initiativen wuchs jedoch die Diskre­panz zwischen theoretischer Reflexion und praktischer Anwendung (vgl. grabow/hollbach- grömig/birk 2006a, S. 23 f.).

Die Entwicklung des Stadtmarketings lässt sich, seit seinen Anfängen in den 1980er Jahren, im Grunde in drei Phasen aufteilen. Die erste Phase (Innovation und „Markteinführung“), be­ginnend Mitte der 1980er Jahre, war geprägt durch die Entwicklung des Instruments und die Gewinnung erster Erfahrungen in der praktischen Arbeit. In der zweiten Phase (Diffusion), etwa seit Beginn der 1990er Jahre, wurde das Stadtmarketing immer präsenter für die Städte und Gemeinden. Gleichzeitig rückte der Ansatz des Stadtmarketing als „umfassende; koope­rative Stadtentwicklung“ in den Vordergrund, bei dem die partnerschaftliche Zusammenarbeit aller relevanten Akteure die zentrale Rolle spielt und der sich somit enorm von dem ur­sprünglich betriebswissenschaftlichen Ansatz unterscheidet. Dieses Konzept erfuhr sowohl in der Wissenschaft als auch in Beratungsinstitutionen breite Zustimmung. Die dritte Phase (Konsolidierung und Umsetzungsorientierung) seit Ende der 1990er Jahre zeichnete sich durch die zunehmende Verbreitung des Stadtmarketings aus und wird auch als „Boom­Phase“ des Stadtmarketings bezeichnet. Diese ging häufig mit einer pragmatischen Umset­zung einher. Vielerorts orientierte man sich eher weniger am Ansatz des umfassenden, ko­operativen Stadtmarketings, sondern konzentrierte sich auf bestimmte Teilbereiche bzw. Projekte.

Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) sowie die Bundesvereinigung City- und Stadtmar­keting Deutschland e.V. (BSCD) verfolgten mit verschiedenen empirischen Studien den An­spruch, die Gründe für diese Entwicklung zu ergründen und herauszufinden, wie das Stadt­marketing tatsächlich in der Praxis umgesetzt wird. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt da­rin, diese Ergebnisse darzustellen, zu diskutieren sowie miteinander in Bezug zu setzen.

Zunächst werden in Kapitel II die Grundlagen des Stadtmarketings zusammengefasst. Es werden die zentralen Elemente, Typen sowie der Prozess des Stadtmarketings erläutert. Der Fokus liegt dabei auf dem umfassenden Stadtmarketing, da dieser Ansatz im theoretischen Diskurs die breiteste Zustimmung erfuhr. Aber auch andere Erscheinungsformen des Stadt­marketings werden dargestellt.

In Kapitel III werden die Ergebnisse der aktuellen BCSD-Stadtmarketingumfrage vorgestellt und, sofern möglich, mit den Ergebnissen der Vorgängerstudien des Difu verglichen. Es folgt in eine kritische Betrachtung der vorgestellten Ergebnisse in Kapitel IV. Die Arbeit schließt in Kapitel V mit einem Fazit verbunden mit einem Ausblick ab.

II Elemente, Typen und Prozess

Es gibt zahlreiche Auffassungen darüber, was Stadtmarketing ist und wie es umgesetzt wer­den sollte. Ähnliche Konzepte werden zudem unterschiedlich bezeichnet. Insbesondere im Zuge des Übergangs der ersten in die zweite Phase und der damit verbundenen Verbreitung des Stadtmarketing, verlor der Begriff immer mehr an Prägnanz und Eindeutigkeit. Ein An­satz des Difu, der wohl allgemein die breiteste Zustimmung erfuhr, war der des Stadtmarke­ting als „umfassende, kooperative Stadtentwicklungsplanung“. Die weitere Entwicklung machte aber deutlich, dass ein allgemeiner Konsens über das ideale Modell nicht immer zwangsläufig dazu führt, dass dieses auch in der Praxis die breiteste Umsetzung erfährt. So macht es Sinn, sich im Folgenden sowohl mit dem Konzept des umfassenden Stadtmarke­tings zu befassen, als auch andere Typen in den Blick zu nehmen.

2.1 Umfassendes Stadtmarketing - ein Puzzle

Für die „Konstruktion“ eines umfassenden Stadtmarketings entwickelte das Difu 1995 als Bild und Analogie ein zwölfteiliges Puzzle (vgl. grabow/hollbach-Grömig 1998, S. 38 ff.).

Abb. 1 : Puzzle - umfassendes Stadtmarketing

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diese Darstellung ist nicht zufällig gewählt. Dadurch soll signalisiert werden, dass die einzel­nen Elemente des Stadtmarketing lückenlos ineinander greifen müssen, das Bild erst nach einer Vervollständigung der Teile komplett ist und bei der Entwicklung eines erfolgreichen Stadtmarketing schrittweise vorgegangen werden muss (vgl. ebd.).

2.1.1 Philosophie des Stadtmarketings

Die ersten vier vertikalen Puzzleteile der linken Seite lassen sich der Phi-losophie des Stadtmarketing zuordnen. Dabei soll zunächst die Stadt als Ganzes betrachtet werden. Im Gegensatz zu anderen Formen des Stadtmarketing, die sich beispielsweise nur auf die Innenstadt konzentrie-ren (City-Marketing), steht beim umfassenden Stadtmarketing die Stadt oder Gemeinde als Ganzes im Mittelpunkt. Laut Difu sind attraktive und urbane Innenstädte für die Einwohner/-innen zwar wichtig, ausschlagge-bend für die Zufriedenheit mit dem Wohn- und Arbeitsort sind allerdings Aspekte und Angebote, die für Lebensqualität im näheren Wohnumfeld stehen (vgl. GRABOW 1995, S.213 ff.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Difu 1998, S.33.

Abb. 2: Philosophie - Puzzleteile

Desweiteren spielt auch die Attraktivität der Stadt aus Unternehmersicht eine Rolle, im Hin­blick auf Flächen, Arbeitsmarkt, „Unternehmerfreundlichkeit“ sowie Serviceorientierung der kommunalen Verwaltung (vgl. grabow/hollbach-grömig 2006, S. 62).

Ein weiterer Bestandteil der Philosophie eines umfassenden Stadtmarketings ist die Koope­ration vieler Akteure. Das Difu geht davon aus, dass die Stadt als Lebensraum nicht nur durch Politik und Verwaltung, sondern ebenso durch Einwohner, die lokale Wirtschaft und zahlreiche weitere Akteure mitgestaltet werden kann. Sogar Besucher können indirekt auf die Entwicklung einer Stadt Einfluss nehmen. Denn ein umfassendes Stadtmarketing begreift die „Aufgabe Stadt“ als kooperativen Prozess einer Vielzahl von Akteuren und nur mit der „richtigen“ korporativen Kultur auf allen Seiten könne eine koordinierende Standortpolitik ge­lingen (vgl. helbrecht 1994, S.197). Auch die Verbesserung am „Produkt Stadt“ und seinen städtischen Angeboten sowie eine ausgeprägte Dienstleistungsorientierung lassen sich zu einem Puzzleteil der Philosophie des Stadtmarketings zusammenfassen. Die Leistungsfä­higkeit der Verwaltung lässt sich dabei gemäß Difu an folgenden Qualitätsindikatoren mes­sen: Orientierung an den Bedürfnissen der Nachfrager, Bürgernähe, Kostenbewusstsein, Effizienz, Schnelligkeit und Fachkompetenz (vgl. grabow/hollbach-grömig 2006, S. 64 f). Als letztes Puzzleteil der Philosophie des umfassenden Stadtmarketing definierte das Difu die Ausrichtung auf unterschiedliche Zielgruppen.

Die Stadt muss sich in ihrer Entwicklung an den Bedürfnissen all derer orientieren, die in ihr wohnen, arbeiten oder ihre Freizeit verbringen. Auch die daraus resultierenden Zielkonflikte sind Bestandteil eines umfassenden Stadtmarketings und müssen berücksichtigt werden (vgl. ebd.).

2.1.2 Der Stadtmarketing prozess

Die vier vertikalen Teile in der Mitte des Puzzles stellen die verschiede­nen Ablaufphasen des Prozesses eines umfassenden Stadtmarketings dar. Laut Difu muss zu Beginn eines jeden Prozesses, der zu einer Ver­besserung der „Stadtqualität“ führen soll, zunächst eine klassische SWOT-Analyse durchgeführt werden. Diese setzt an vorhandenen Defi­ziten, den individuellen Stärken, erfolgsversprechenden Potenzialen sowie konkreten Problemlagen vor Ort an. Dabei reicht die interne Prob­lemsicht, also die Einschätzungen aus der Kommunalverwaltung und - politik nicht aus.

Sinnvoll ist es vielmehr, wie bereits in der Philosophie erwähnt, auch die Perspektiven von Bürgerschaft, Wirtschaftsakteuren, Gästen der Stadt sowie weiteren relevanten Akteuren mit einzubeziehen. Ziel sollte es sein, ein Stärken-/Schwächen-Profil der Gesamtstadt, eines städtischen Teilraums wie beispielsweise eines Quartiers in den verschiedenen prägenden Bereichen zu ermitteln, die Chancen und Risiken einzuschätzen sowie Wettbewerbsvor- und -nachteile zu erkennen (vgl. ebd.). Das zweite Puzzleteil auf dem Weg zu einem umfassen­den Stadtmarketing beinhaltet die Formulierung von Leitbildern/Leitlinien. Dieser Schritt wird in der theoretischen Diskussion oft gleichgesetzt mit einem „identitätsorientierten Stadtmar­keting“ oder auch der „Stadt als Marke“ (vgl. ebert 2004). Anhand der Leitbilder soll dem Stadtmarketing eine Richtung gegeben werden. Sie dienen als Orientierungspunkt für Akteu­re, die am Stadtmarketingprozess mitwirken und helfen dabei konkrete Projekte zu entwi­ckeln. Aus diesem Grund ist es laut Difu auch so wichtig, dass die Leitlinien im Konsens aller relevanten Akteure entstehen (vgl. grabow/hollbach-grömig 2006, S. 66). Möglichst abge­stimmt auf die formulierten Leitbilder/Leitlinien sieht das nächste Puzzleteil des Stadtmarke­tingprozesses die konkrete Projektformulierung vor, ebenfalls in Form von Arbeitsgruppen und im Konsens der beteiligten Akteure. Hier geht es darum, konkrete Zuständigkeiten, Zeit­rahmen und Finanzierungswege festzulegen sowie Prioritäten zu setzen. Zwar steht bei ei­nem umfassenden Stadtmarketing eher die langfristige Ausrichtung der Projekte im Vorder­grund; um möglichst schnell vorzeigbare Erfolge zu generieren, macht es jedoch Sinn, vor allem zu Beginn auch kurzfristige Projekte umzusetzen. Auf diese Weise bleibt die Motivation der Akteure erhalten, gleichzeitig wird aber auch die Akzeptanz für das Stadtmarketing in der Stadtbevölkerung gestärkt (vgl.ebd.).

Das letzte Puzzleteil im Prozess des Stadtmarketings bildet schließlich die Projektumsetzung bzw. das Projektcontrolling. Für ein erfolgreiches Projektmanagement gehen die Projektum­setzung und das Projektcontrolling Hand in Hand. Auf diese Weise lassen sich die Projekte kontinuierlich auf ihre Fortschritte, den Zielerreichungsgrad im festgelegten Zeitfenster sowie die Finanzierung überprüfen (vgl. grabow/hollbach-grömig 2006, S. 67).

2.1.3 Inhalte und Instrumente von Stadtmarketing

Die vier Puzzleteile der rechten Seite zeigen schließlich die aus Sicht des Difu relevanten Inhalte und Instrumente eines umfassenden Stadt-marketings. Wichtig ist zunächst ein breites Themenspektrum, welches eng auf die zuvor formulierten Ziele abgestimmt sein sollte. Die The¬menpalette reicht dabei von Tourismus, Wirtschafts- und Einzelhan¬delsförderung über Öffentlichkeitsarbeit, Verkehr, Kultur, Soziales, Sport und Freizeit bis hin zu Natur und Umwelt. Ein breites Themen¬spektrum erleichtert das für ein umfassendes Stadtmarketing essentiel¬le kooperative Vorgehen, da mehrere Akteure angesprochen werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Difu 1998, S.33.

Abb. 4: Inhalte und Instrumente - Puzzleteile

Die Schwierigkeit besteht an dieser Stelle darin, die Ba­lance zwischen einer ausreichenden Anzahl an Themen und einer zu breit gefächerten Palette an Themenfel­dern zu finden, was wiederum den Erfolg der Projekte beeinträchtigen könnte (vgl. ebd.). Ein weiterer Bestandteil der Inhalte und Instrumente eines umfassenden Stadtmarketing ist laut Difu die Verwaltungsorganisation. Dabei gehe es in erster Linie darum, das Auftreten und das damit verankerte Bild der Verwaltung in der Stadtgesellschaft zu überprüfen und gege­benenfalls hinsichtlich der Dienstleistungsqualität sowie der Effizienz zu verbessern. Das Difu schlägt in diesem Zusammenhang Projekte wie den One-Stop-Shop oder das virtuelle Rathaus vor (vgl. grabow/hollbach-grömig 2006, S. 68). Auch der Werbung komme im Stadtmarketing in jeglichen Bereichen eine zentrale Rolle zu. Dabei sei es das Ziel, die Stadt in der Fülle der angebotenen Produkte und Dienstleistungen zu positionieren und dabei das Augenmerk auf ausgewählte Themenbereiche zu lenken. Auch, wenn das Difu stets betont, dass alle Puzzleteile des umfassenden Stadtmarketings von Relevanz seien, handle es sich beim Instrument Werbung um eines der Schlüsselelemente für ein erfolgsreiches Stadtmar­keting. Als letztes Puzzleteil dieser Kategorie benennt das Difu das Instrument der Kommu­nikation. Denn nur, indem sich die relevanten Akteure darüber austauschen, was ihre Aufga­ben und Ziele sind und in welchen Bereichen Probleme auftreten könnten, sei Stadtmarke­ting als Gemeinschaftsaufgabe umsetzbar (vgl. grabow/hollbach-grömig 2006, S. 67 f.).

Umfassendes Stadtmarketing lässt sich zusammenfassend definieren als: „kooperative Stadtentwicklung mit dem Ziel, eine Stadt und ihre Leistungen für Bürger, Wirtschaft sowie Auswärtige aufzuwerten, auf Basis einer verbesserten Kommunikation und langfristigen Partnerschaft zwischen allen, die an der Gestaltung des Lebensraumes Stadt mitwirken, mit der gemeinsamen Entwicklung und Umsetzung konkreter Projekte, auf Grundlage von part­nerschaftlich erarbeiteten Leitlinien und offensiver, konsensorientierter Diskussion von Ziel­konflikten" (Grabow/hollbach-grömig 2006, S. 70).

Die folgende Abbildung 5 veranschaulicht die einzelnen Puzzleteile eines umfassenden Stadtmarketings:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Difu 1998, S. 75

Abb.5 : Elemente des umfassenden Stadtmarketing - Zusammenfassung

2.2 Typen von Stadtmarketing

Bei der ersten Städteumfrage des Difu zum Thema Stadtmarketing nach Entwicklung des Puzzles 1995 wurde deutlich, dass bei einem Großteil der in der Praxis bestehenden Formen von Stadtmarketing Puzzleteile fehlten oder unvollständig waren.

Es zeigte sich, dass viele Städte stattdessen beispielsweise City-Marketing betrieben, das sich nur auf die Innenstadt beschränkte oder sich lediglich auf Stadt- oder Standortwerbung konzentrierten. Trotz der breiten Zustimmung, die das Konzept des umfassenden Stadtmar­keting auch in den darauffolgenden Jahren erfuhr, zeigte sich nach Auswertung einer erneu­ten Umfrage im Jahre 2004 ein ähnliches Ergebnis. Somit macht es Sinn, an dieser Stelle weitere Typen von Stadtmarketing ins Blickfeld zu nehmen, die in der Praxis häufiger vorzu­finden sind.

Das Difu identifizierte bereits 1995, auf Basis der durchgeführten Umfrage, Typen von Stadtmarketing, wie sie in der kommunalen Praxis vorzufinden waren. Diese Typisierung beruhte zum einen auf der Berücksichtigung der Puzzleelemente sowie zum anderen auf der Auswertung einzelner Fragen zu Zielen, Akteuren und Maßnahmen. Daraus ergaben sich insgesamt neun verschiedene Typen von Stadtmarketing (vgl. Abb. 6). Um eine Vergleich­barkeit zu gewährleisten, wurden dieselben Kriterien auch der Typenbildung 2004 zugrunde gelegt (vgl. grabow/hollbach-Grömig 1998, S. 38 ff.).

Abb. 6: Stadtmarketingtypen des Difu 1995 und 2004

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung nach Difu 2006, S.71

Die Abbildung 6 veranschaulicht, dass nach Auswertung der Umfrage 2004 einige Typen von 1995 zusammengefasst wurden. Grund hierfür war, dass sie in der kommunalen Praxis kaum noch vorzufinden waren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 7: Stadtmarketingtypen des Difu in der kommunalen Praxis 1995 und 2004

Quelle: Difu 2006, S. 72

Das rudimentäre/partielle Stadtmarketing wurde weiter ausdifferenziert, da dieser Typ in mehr als der Hälfte der befragten Kommunen praktiziert wurde. Der Anteil der Städte, die nach eigenen Angaben einen umfassenden Ansatz verfolgten, änderte sich dagegen kaum. Stattdessen fanden sich zunehmend Projekte unterschiedlichster Art, die kaum noch über­haupt einem Typen zuzuordnen waren (vgl. grabow/hollbach-grömig 2006, S. 72). Obwohl der Anteil dieser „unvollständigen“ Typen in der Praxis deutlich zunahm, verfolgte gemäß Difu noch jede fünfte der befragten Städte einen umfassenden Ansatz (vgl. Abb. 7):

Bezüglich des Erfolgs wurde das umfassende Stadtmarketing bereits 1995 und auch 2004 in nahezu allen zugrunde liegenden Kriterien positiv bewertet, wobei sich dieses Ergebnis nach der Selbsteinschätzung der befragten Kommunen richtete (vgl. grabow/hollbach-Grömig 2006, S. 67). Gleichzeitig gaben aber auch einige Kommunen an, dass trotz des Erfolgs der zusätzliche Aufwand, den ein solches eher anspruchsvolles Konzept erfordert, höher ist als der erzielte Mehrwert.

[...]


[1] Das neue Steuerungsmodell (NSM) skizziert das Konzept einer neuen Verwaltungsführung und -steuerung, das auf dem Zusammenwirken verschiedener Steuerungsmechanismen in der Verwaltung beruht. Ziel dabei ist eine aktiv (strategisch) geführte, kundenorientierte Verwaltung, die sich neben Legalität und Legitimität auch über Effektivität und Effizienz ausweist (vgl. gabler Wirtschaftslexikon 2014a, o.S.).

[2] Die Balanced Scorecard ist ein Verbindungsglied zwischen Strategiefindung und -umsetzung. In ihrem Konzept werden die traditionellen finanziellen Kennzahlen durch einen Kunden-, einer interne Prozess- sowie eine Lern- und Entwicklungsperspektive ergänzt (vgl. gabler Wirtschaftslexikon 2014b, o.S.).

Ende der Leseprobe aus 41 Seiten

Details

Titel
Stadtmarketing als umfassendes Konzept einer kooperativen Stadtentwicklung. Stadtmarketingelemente und Prozess des Stadtmarketings
Untertitel
Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland (BCSD) Umfrage
Hochschule
Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Veranstaltung
Stadtentwicklung Deutschland
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
41
Katalognummer
V354851
ISBN (eBook)
9783668409804
ISBN (Buch)
9783668409811
Dateigröße
1309 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Stadtmarketing BCSD Difu
Arbeit zitieren
Anne Böing (Autor:in), 2016, Stadtmarketing als umfassendes Konzept einer kooperativen Stadtentwicklung. Stadtmarketingelemente und Prozess des Stadtmarketings, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/354851

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