Das Phänomen Anglisierung. Der Gebrauch von Anglizismen in der deutschen Alltagssprache


Hausarbeit, 2016

13 Seiten, Note: 2,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Anglizismen in der deutschen Sprache
2.1 Definition „Anglizismus“
2.2 Klassifikation der Anglizismen
2.2.1 Äußeres Lehngut
2.2.2 Inneres Lehngut

3. Entlehnungsgründe

4. Begünstigungen eines unbewussten Anglizismengebrauchs

5. Aktuelles Meinungsbild: Umfrage zum Thema Anglizismen
5.1 Methodisches Vorgehen
5.2 Analyse

6. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Nach dem morgendlichen Joggen beim Frühstückstoast schon mal die Mails checken, im Job die To-do-Liste abarbeiten und danach beim Shoppen endlich etwas relaxen, weil es Sinn macht, die Work-Life-Balance aufrecht zu erhalten.

Anglizismen begegnen uns in der heutigen Zeit fast überall und haben sich mitunter so stark in den Alltag eingeschlichen, dass viele sie kaum noch als ursprünglich fremdsprachlich wahrnehmen. Wir benutzen sie, bewusst oder unbewusst, fast täglich in unseren Unterhaltungen, stoßen auf sie in Zeitungen, auf Plakaten, in Schaufenstern, im Fernsehen oder auf unseren mobilen Geräten. Insbesondere die Werbebranche kommt ohne die Verwendung von Anglizismen heute nicht mehr aus. Die einen betrachten englischsprachiges Lehngut als eine bereichernde Entwicklung der deutschen Sprache, insofern es zu Facettenreichtum, Ausdrucksstärke und Flexibilität im Sprachgebrauch beiträgt. Andere hingegen sehen es als den Anfang vom Ende unserer Muttersprache und versuchen, gegen die Zunahme englischer Wörter anzukämpfen.

Was überhaupt unter dem Begriff „Anglizismus“ zu verstehen ist und in welchen Formen sich englische Entlehnungen in der deutschen Sprache äußern können, soll im zweiten Kapitel dieser Seminararbeit erläutert werden. Dies stellt, zusammen mit einem kurzen Umriss der Entlehnungsgründe im dritten Kapitel, die Grundlage für die darauf folgenden Abschnitte dar, anhand derer eine Beantwortung der zentralen Fragestellung erarbeitet werden soll. Hierzu dient im fünften Kapitel die Bezugnahme auf eine im Rahmen des Seminars erarbeitete Umfrage, deren Ziel eine Bestandsaufnahme über den persönlichen Wissensstand und der Haltung gegenüber Anglizismen darstellt.

Ziel dieser Seminararbeit soll sein, anhand des aktuellen Forschungsstandes und des selbst erhobenen Datenmaterials in Form des Fragebogens, eine Antwort auf die Frage, ob man sich dem alltäglichen Gebrauch von Anglizismen überhaupt noch bewusst ist, zu finden.

2. Anglizismen in der deutschen Sprache

„Manchmal habe ich den Eindruck, dass ich nun Englisch lernen muss, um die Deutschen zu verstehen.“

Dr. Helena Hanuljakov, Präsidentin des Internationalen Deutschlehrer-Verbandes (Verein Deutsche Sprache e.V.: „Personen des öffentlichen Lebens über Deutsch und Denglisch“)

2.1 Definition „Anglizismus“

Der Begriff ‚Anglizismus‘, der bei dieser Seminararbeit naturgemäß im Vordergrund steht, ist nicht unumstritten, da sehr viele Ansätze in der Forschungsliteratur dazu existieren. Zindler definiert einen Anglizismus als „ein Wort aus dem britischen oder amerikanischen Englisch im Deutschen oder eine nicht übliche Wortkomposition […] nach britischem oder amerikanischem Vorbild“ (Zindler 1959, 2), wohingegen Carstensen zu Bedenken gibt, dass Unterscheidungen zwischen dem Einfluss von britischem und amerikanischem Englisch nur selten möglich und auch nicht sinnvoll seien und mehr als schlicht von ‚Englisch‘ zu sprechen, der philologischen Exaktheit nicht unbedingt zuträglich wäre (Carstensen 1965, 18). Eine Differenzierung der englischen Entlehnungen in Britizismen und Amerikanismen sehe auch ich als schwierig und für diese Seminararbeit als nicht notwendig an. So schließt für mich der Oberbegriff ‚Anglizismus‘ alle Entlehnungen englischen Ursprungs und somit nicht nur des britischen und amerikanischen Englisch, sondern auch der diversen anderen englischen Varietäten in Kanada, Australien, Neuseeland, Südafrika und sämtlichen kleinen englischen Sprachgebieten mit ein.

Somit handelt es sich bei Anglizismen um aus der englischen Sprache stammende Entlehnungen, die an das Sprachsystem der Empfängersprache in variierendem Ausmaß morphologisch, orthographisch und phonologisch adaptiert und in den Sprachgebrauch integriert werden (Glahn, 2000, 16).

2.2 Klassifikation der Anglizismen

Auch in Bezug auf die Klassifikation von Anglizismen existiert kein allgemeingültiges Konzept. So liegen die verschiedensten Ansätze vor, das englische Lehngut zu unterteilen, von einer Gliederung nach dem Kriterium des Bekanntheitsgrads und der Verwendung (Yang, 1990, 9) bis zu einer Unterscheidung im Hinblick auf seine Lebensdauer (Fink, 1970, 166 ff.). Als grundlegend für die Klassifikation von Entlehnungsarten kann jedoch die Unterteilung von Werner Betz (1949) geltend gemacht werden, die in der Forschung vermehrt aufgegriffen und weiterentwickelt wurde, so auch von Wetzler (2006), an deren Darstellung ich mich orientieren werde. Betz gliedert die Anglizismen in äußeres und inneres Lehngut, wobei das äußere Lehngut die an der äußeren Form erkennbaren, somit aus englischem Wortmaterial bestehenden Entlehnungen beinhaltet. Im Falle des inneren Lehnguts wird nicht das Wortmaterial selbst aus der fremden Sprache, sondern nur seine Inhaltsseite übernommen, sodass die Entlehnung äußerlich nicht mehr erkennbar ist (Wetzler, 2006, 45).

2.2.1 Äußeres Lehngut

Das äußere Lehngut unterteilt Betz in ‚direkte Entlehnungen’, ‚Mischkomposita’ und ‚Scheinentlehnungen’.

Hierbei umfassen die direkten Entlehnungen das Fremdwort, das Lehnwort und das fremde Wort. Fremdwörter stimmen in Schreibung und Lautung mit der aufnehmenden Sprache nicht übereinstimmen, wie es etwa bei Job oder Power der Fall ist. Das Lehnwort ist in unterschiedlichem Ausmaß den orthographischen, phonologischen und morphologischen Regeln der aufnehmenden Sprache angepasst, ein Beispiel wäre Klub, entlehnt von englisch club. Fremde Wörter bezeichnen Dinge, die ausschließlich im englischen Sprachraum zu finden sind und keine deutsche Entsprechung aufweisen, wie beispielsweise die high school.

Eine weitere Form des äußeren Lehnguts stellt das Mischkompositum dar, wobei es sich um eine Kombination aus entlehntem und aufnehmendem Sprachmaterial handelt. Im Deutschen lassen sich Mischkomposita wie Cateringfirma und internetfähig finden.

Abschließend ist das äußere Lehngut betreffend noch die Scheinentlehnung aufzuführen, die sich dadurch auszeichnet, dass das Wort scheinbar nach dem Vorbild der englischen Sprache gebildet wird, in der es in dieser Form jedoch nicht existiert. Ein typisches Beispiel hierfür stellt das Handy dar, für das im Englischen die Bezeichnungen mobile (phone) oder cell(ular) phone verwendet werden, aber auch der Showmaster, englisch host, und Box als Bezeichnung für Lautsprecher, im Englischen als speaker bekannt, wären hier zu nennen (Wetzler, 2006, 46).

2.2.2 Inneres Lehngut

Das innere Lehngut unterteilt Betz vorrangig in ‚Lehnbedeutung‘ und ‚Lehnbildung‘.

Unter der Lehnbedeutung ist eine Umdeutung oder Erweiterung der Bedeutung des ursprünglichen Wortes unter fremdsprachlichem Einfluss zu verstehen. Auf diese Weise hat etwa das Wort Kette durch das englische Vorbild chain eine Bedeutungserweiterung erfahren und kann nun synonym für ein Filialunternehmen stehen (Wetzler, 2006, 45). Auch das Verb realisieren, ursprünglich nur im Sinne von etwas verwirklichen gebräuchlich, hat zusätzlich die dem englischen to realize entsprechenden Bedeutungen sich einer Sache bewusst werden, etwas erkennen übernommen.

Die zweite Kategorie inneren Lehnguts stellt die Lehnbildung dar, die ihrerseits wiederum in ‚Lehnübersetzung‘, ‚Lehnübertragung‘ und ‚Lehnschöpfung‘ differenziert werden kann. Während bei der Lehnübersetzung der englische Begriff direkt Glied-für-Glied in die jeweilige Sprache übersetzt wird, wie es etwa bei Flutlicht vom englischen Floodlight oder Herzattacke nach dem englischen Vorbild heart attack der Fall ist, wird bei der Lehnübertragung lediglich ein Teil des Wortes übersetzt und der andere Teil aus der aufnehmenden Sprache übertragen. Ein Beispiel hierfür wäre der Wolkenkratzer, dessen englisches Synonym skyscraper sich nicht nur auf die Wolken beschränkt (Wetzler, 2006, 45). Eine weitere Form der Lehnbildung, die Lehnschöpfung, bezeichnet die Neubildung eines Wortes, die vom fremdsprachlichen Wort formal unabhängig ist, dies ist beispielsweise bei der Bezeichnung Nietenhose für Blue Jeans erkennbar.

3. Entlehnungsgründe

Sprachwandel findet jederzeit statt und betrifft jede Sprache, deren Sprecher in Kontakt mit Sprechern einer anderen Sprache stehen. Denn jede Entlehnung setzt bilinguale Situationen voraus, je häufiger und intensiver dieser Sprachkontakt, desto wahrscheinlicher ist es auch, dass Kontaktphänomene wie etwa die Eingliederung einer der eigenen Sprache fremden Vokabel entstehen (Kupper, 2007, 22). Früher war der Einstrom fremder Wörter zeitlich begrenzt, er markierte eine Modeerscheinung, die ausgeschöpft war, sobald eine neue Mode aufkam. Außerdem waren in der Vergangenheit die Sprecherkreise relativ isoliert, so war es, was den Einfluss des Französischen betrifft, im 17. und 18. Jahrhundert vornehmlich die adlige Gesellschaft, die mit ihren Cousinen und Cousins gerne Confiture auf dem Frühstücksbrötchen aß, und auch das Militär, das sich über Deserteure echauffierte, wohingegen Latein und Griechisch in den Wissenschaften vorherrschend war, sodass das Sprachvolk als Ganzes davon im Wesentlichen unbeeinflusst blieb (Krämer, 2004, 142). Heutzutage jedoch ist die Anglisierung in so vielen Lebensbereichen vertreten, dass ihr niemand mehr entgehen kann: in der Wissenschaft (getaggte Proteine), der Technik (Computer Upgrade), im Tourismus (Check-in, Ticket), der Wirtschaft (Senior Manager), der Mode (Designer Outfit) oder etwa der Musikbranche (Gig, Band, Charts) (Zimmer, 1997, 19 f.). Die größte Beeinflussung der Sprache geht heute fraglos von den Medien aus, die nicht nur einzelne Sprecher, sondern ganze Menschenmengen erreichen und deren Bedarf an neuen Wörtern, um frisch und up to date zu klingen, nie versiegt (Illinger, 2013, 31).

Neben den stilistischen Gründen, Entlehnungen aus dem Englischen vorzunehmen, wie etwa der Ausdrucksvariation oder der semantischen Aufwertung1, gibt es auch pragmatische Motive, die für die Aufnahme von Anglizismen sprechen. So ist es bei neuen Innovationen, die aus dem englischen Kulturraum zu uns gelangen, schlicht notwendig, ihnen einen Namen zu geben und wenn diese Neuerungen schon mit einer ihnen eigenen Bezeichnung bei uns ankommen, warum sie also nicht übernehmen, wie es beispielsweise bei dem Wort Scanner der Fall ist. Darüber hinaus ist das Englische eine relativ affixfreie Sprache, weswegen ihre Entlehnungen der Sprachökonomie zu Gute kommen: Anstrengung ist deutlich anstrengender auszusprechen als Stress und eine spannende Handlung kann kurz durch Action beschrieben werden (Meder, 2006, 90). Darüber hinaus kann seit Ende des 2. Weltkriegs Amerika als Leitkultur angesehen werden, was unter anderem in der wirtschaftlichen Hilfe der USA im Rahmen des Marshallplans, der westlich orientierten Bündnispolitik der Bundesrepublik Deutschland und nicht zuletzt der Orientierung am american way of life begründet ist (Zimmer, 1997, 27).

4. Begünstigungen eines unbewussten Anglizismengebrauchs

Wie zuvor beschrieben, zeichnet sich die englische Sprache unter anderem durch Kürze und Präzision aus, des Weiteren ist sie dank ihrer relativ unkomplizierten Grammatik, da die meisten indogermanischen Kategorien wie Kasus, Genus und komplexe Konjugationen abgebaut, sowie die Anrede auf eine einzige (you) reduziert wurde, leicht zu erlernen. Doch der Ruf einer leichten Sprache kann auch zu einem leichtfertigen Umgang mit ihr verführen.

Schon die Klassifikation der Anglizismen lässt erkennen, dass Entlehnungen aus der englischen Sprache in Form inneren Lehnguts für den Durchschnittssprecher nicht mehr offenkundig als solche identifizierbar sind. Nur Wörter, deren englischer Ursprung anhand von Schreibung oder Lautung zumindest rudimentär noch festzustellen ist, können auch als ‚fremd‘ auffallen (Zabel, 2001, 59). So verhält es sich beispielsweise bei den Verben streiken oder starten, die phonologisch wie auch morphologisch nicht mehr offensichtlich von eigensprachlichen Wörtern zu unterscheiden sind (Eisenberg, 2013, 70).

Ferner schleichen sich aufgrund der Nähe der beiden indogermanischen Sprachen nicht nur gut erkennbare Anglizismen in die deutsche Sprache ein. Teilweise kommt es auch zu Übernahmen ganzer Redewendungen: Der frühe Vogel fängt den Wurm hat sich längst als Sprichwort im Deutschen eingebürgert, wenngleich es sich um eine Wort-für-Wort Übersetzung des englischen Idioms the early bird catches the worm handelt, während die sinngemäße Entsprechung Wer zuerst kommt, mahlt zuerst, die schon als Norm im „Sachsenspiegel“, eines der ältesten Rechtsbücher des deutschen Mittelalters, festgehalten ist, an Präsenz verliert (Wetzler 2006, 45).

Auch in die deutsche Syntax schleichen sich immer mehr Wendungen nach englischsprachigem Vorbild ein. Konstruktionen wie in 2016 anstelle des korrekten Ausdrucks im Jahr 2016 oder schlicht 2016 sind keine Seltenheit mehr (Zimmer, 1997, 38), da zu viele Sprecher der Deutschen Sprache der Meinung sind, sie machten Sinn, obwohl derartiges weder Sinn ergibt, noch Sinn hat, sondern bloß unsinnig ist. Die vermehrte Trenn- oder Bindestrichschreibweise der Komposita in Substantivkopplungen macht auch in der Wortbildung den englischen Einfluss deutlich (Zimmer, 1997, 77).

All diese eher unauffälligen Entlehnungen der englischen Sprache sind begünstigende Faktoren dafür, dass sich der Durchschnittsbürger dem Gebrauch von Anglizismen überhaupt nicht mehr vollkommen bewusst ist. Viele ursprünglich englische Wörter und Wendungen fließen einfach in den alltäglichen Sprachgebrauch ein und, da sie von einer Vielzahl an Sprechern einfach angenommen und nicht hinterfragt werden, erhält man auch ausreichend Resonanz, die die weitere Verwendung dieser Ausdrücke nicht in Frage stellt. Maßgeblich für diese Art der Resonanz verantwortlich sind die Werbe- und Medienbranche, in denen das Erregen von Aufmerksamkeit eine übergeordnete Rolle spielt, sodass sprachliche Mittel rein wirkungsintentional ausgerichtet sein können und der informatorische Wert in den Hintergrund rückt.

[...]


1 So hat die entsprechende Übersetzung mancher englischer Ausdrücke oft etwas entlarvendes, weshalb bevorzugt in der Werbebranche die deutsche Bezeichnung gemieden wird. Beispiele wären etwa die Begünstigung des Wortes Slip anstelle von Unterhose oder InterCityNight anstatt Schlafwagenzug.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Das Phänomen Anglisierung. Der Gebrauch von Anglizismen in der deutschen Alltagssprache
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Germanistisches Seminar)
Veranstaltung
Proseminar
Note
2,0
Jahr
2016
Seiten
13
Katalognummer
V354407
ISBN (eBook)
9783668405080
ISBN (Buch)
9783668405097
Dateigröße
790 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Germanistik, Anglizismus, Alltagssprache, Linguistik
Arbeit zitieren
Anonym, 2016, Das Phänomen Anglisierung. Der Gebrauch von Anglizismen in der deutschen Alltagssprache, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/354407

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