Persepolis, eine Autofiktion. Geschichtsvermittlung und Reflexion der eigenen Identität im Comic


Hausarbeit, 2016

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


GLIEDERUNG

1. Einleitung
1.1 Entwicklung des Comics
1.2 Das Comicbuch als eigenständiges Medium
1.3 Die wissenschaftliche Perspektive auf den Comic

2. Persepolis - eine Autofktion
2.1 Graphic Novel, Autofktion oder dokumentarischer Comic? Begrifiche Einordnung von „Persepolis“
2.2 Der Comic in Ländern ohne Comic-Tradition am Beispiel des Iran und des Nahen Ostens
2.3 Geschichtsprojektionen in „Persepolis“
2.4 Leitmotive in „Persepolis“: Schleier und Spiegel

3. Schlusswort

4. Literaturverzeichnis

1.Einleitung

1.1 Entwicklung des Comics

Um in die Tematik einzuleiten möchte ich im Folgenden auf die Entstehung des Comics, sowie des Comic-Buchs eingehen und kurz schildern, wie sich der wissenschaftliche Umgang mit dem Medium Comic entwickelte.

Ein wichtige Rolle in der Entwicklung des Comics spielte die Erfndung des Flachdrucks 1796 durch Senefelder. Die seitdem druckbaren Lithografen stellten eine günstige Möglichkeit dar, Zeichnungen in hohen Aufagen zu vervielfältigen. Eine weitere Vorraussetzung für die Entwicklung des Comics war die Massenalphabetisierung zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Im Übergang vom 19. zum 20.

Jahrhundert entwickelte sich der Comic als Mischung altbekannter Stilmittel aus den Traditionen von Karikatur und Bildergeschichte. (Abel 2016, S.3) Als sogenannte Geburtsstunde des Comics bezeichnet man den 25. Oktober 1896, als der erste Teil aus der Reihe „Yellow Kid Episode“ im New York Journal erschien. (Engelmann 2013, S.16) Der Hauptcharakter der Unterhaltungsbeilage ist ein Junge aus einem New Yorker Slum. (Abel 2016, S.4) Durch die Verzahnung von Bild und Text, sowie der sequenziellen Erzählweise des Zeichners Outcault, bezeichnet man die Serie als ersten Comic-Strip überhaupt. (Abel 2016, S.5) In seinen Anfängen richtete sich der Comic vor allem an ein urbanes und erwachsenes Publikum. Die Ostküste der USA war Ende des 19. Jahrhunderts geprägt durch europäische Einwanderer, sprich durch eine große ethnische Durchmischung. In New York sprach man um die 70 Sprachen. (Engelmann 2013, S.16) Das Erzählen mittels Bildern war für alle gleichermaßen verständlich und verhalf zu einem Gefühl gemeinsamer Identität, trotz verschiedener Sprache und Herkunft. (Abel 2016, S.6) Adorno sprach bezüglich dieser Möglichkeit der Identitätsstiftung durch Bildersprache in seinem Resum é eüber Kulturindustrie vom „Potential der niederen Kunst“ und der dadurch verursachten „zivilisatorischen Bändigung“ der Bevölkerung. (Engelmann 2013, S.17) Der Comic wurde zu einem zielgruppenorientierten Produkt. (Abel 2016, S.8) In den Jahren nach dem Börsen-Crash 1929, als Prohibition und Gangstertum die USA prägen und in Deutschland Hitler an die Macht kommt, entsteht eine Generation neuer Helden im Comic. Superhelden wie Buck Rogers Tarzan und Alex Raymonds Flash Gordon werden Teil einer multimedialen Unterhaltungsindustrie. (Abel 2016, S.9) Die Superhelden werden zum popkulturellem Mythos. Sie thematisieren die Erfahrung verkannter Identität und Isolation, so unter anderem Captain America, der im Alltag ein schwächlicher Teenager ist und durch Willenskraft zum strahlenden Verteidiger der amerikanischen Freiheit wird. (Abel 2016, S.14) In Europa nutzte man Ende des 19. Jahrhunderts Comics als Instrument der katholischen Kirche, um Einfuss die Jugend aus zu üben. (Abel 2016, S.15) Der Comic diente als Medium für politische Willensbildung und Kontrolle. (Engelmann 2013, S.31) In „Tim in Kongo“ wurde zum Beispiel der belgische Kolonialismus im Kongo gepriesen. An anderer Stelle wurde Angst vor dem Kommunismus durch Comics vermittelt. (Engelmann 2013, S.30) Hergés „Tim und Struppi“ gehört zu den erfolgreichsten Comics im Europa der 1930er Jahre. Die darin vermittelten Werte hatten somit eine große Reichweite. (Abel 2016, S.5)

1.2 Das Comicbuch als eigenständiges Medium

Ungefähr 40 Jahre bleibt der Comic Bestandteil von Tageszeitungen, bis 1934 das erste Comic-Heft erscheint: „Famous Funnies. 100 comics and games, puzzles, magic“. Zwei Jahre nach dessen Erfolg verlegen bereits sechs Verlage ca. 80 Comic-Hefte in zehn verschiedenen Reihen. (Abel 2016, S.11) Den Durchbruch schaft das Comic-Heft mit dem Erfolg des Superhelden Superman aus der Reihe „Action Comics“. Neben den Superhelden-Comics avancieren auch die sogenannten tijuana bibles oder underground comics zum Massenmedium. (Engelmann 2013, S.18) Diese rezipieren bekannte Comic- Helden, wie Tarzan oder Popeye, politische Figuren, wie Hitler oder Mussolini und spielen mit rassistischen Stereotypen, sowie pornografschen Elementen. (Engelmann 2013, S.17) Es handelt sich dabei um meist nicht jugendfreie Comics, aus der Perspektive der Zeichner erzählt. (Abel 2016, S.23) Ole Frahm beschreibt, dass die tijuana bibles sich parodistischer, rassistischer, sexistischer und klassenbedingter Stereotype bedienen, diese reproduzieren, sie aber zu gleich auch kritisch refektieren würden. (Engelmann 2013, S.20) In den 60er Jahren werden underground comics als gesellschaftlicher, wie religiöser Tabubruch betrachtet und deshalb als Kunst-Avantagrde uminterpretiert und geachtet. (Engelmann 2013, S.18) In Europa entstehen in den 60ern die ersten Erwachsenen-Comics. So zum Beispiel Jean-Claude Forests „Barbarella“, eine erotische Space-Opera welche die Zensurbehörden alarmiert. (Abel 2016, S.25) 1967 entsteht der erste epische Comicroman „Una ballata del mare salato“ von Hugo Pratt. (Abel 2016, S.26) Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre arbeitet Pierre Christin an einer phantastischen Politfktion über den aktuellen Zeitgeist. 1981 schaft er den Meilenstein „Treibjagd“. (Abel 2016, S.27) In Paris entsteht das Comic Magazin für Erwachsene „à suivre“ von Jean-Paul Mougin. (Abel 2016, S.33) Aus den „à suivre“ Heften, werden Comic-Romane, wie „ici meme 1978 oder „Silence“ 1979. (Abel 2016, S.34) In den 80ern und 90ern verlieren Comichefte in USA und Europa zunehmend an Popularität. Das Internet wird als neue Verbreitungsmöglichkeit genutzt. 1995 ist „Argon Zark!“ von Charley Parker der erste digitale Comic. Die Plattform comiXology bietet seit 2005 Comics in digitaler Form an. Digital lassen sich Einzelbilder animieren, dies eröfnet neue Ebenen in der Erzählweise. (Abel 2016, S.35) Eine betont subjektive Erzählweise wie später bei „Persepolis“ gab es zuvor zum Beispiel in Howard Cruses „Stuck Rubber Baby“ von 1995. Er erzählt darin von seinem Coming Out und der Liebe zu einem Schwarzen während der Rassenkonfikte und Bürgerrechtsbewegung in Alabama. (Abel 2016, S.32) Neben gedruckten Comics nimmt auch die Zahl an digitalen Comics zu. So veröfentlichte zum Beispiel Dan Archer einen interaktiven Comic über eine Schießerei in Baghdad 2007 im Internet. Der Betrachter kann verschiedene Zeitpunkte auf einer Achse auswählen und so Perspektiven auf das Geschehen wechseln. Im Vergleich zu Radio, Fernsehen und Internet bleibt der Comic jedoch ein Konzept des „langsamen Journalismus“. (Grünewald 2013, S.33)

1.3 Die wissenschaftliche Perspektive auf den Comic

In den 1940ern und 50ern werden Langzeitstudien über Medienefekte auf Kinder durchgeführt und herausgefunden, dass der Comic Bestandteil einer einfussreichen Massenkultur ist und Efekte auf die Psyche von Kindern und Jugendlichen hat. Deshalb entwickelt die Association of Comic Books Magazine Publishers 1948 einen unverbindlichen Comic-Code, eine Art Zensur. (Engelmann 2013, S.27) Daraufhin wird 1954 die Comic-Code-Association gegründet, um Inhalte auf den Gehalt an Gewalt- und Sexszenen zu prüfen. Rassistische, sexistische und antisemitische Inhalte sind trotzdem weiterhin in Comics zu fnden. Dies liegt zum einen an der prinzipiellen Stilisierung und Stereotypisierung von Bilder- geschichten um komplexe Sachverhalte einfach verständlich zu gestalten, zum anderen ist es auch als Spiegel der politischen und gesellschaftlichen Einstellungen zur Zeit der Veröfentlichung zu sehen. (Engelmann 2013, S.29)

Lange Zeit war der Comic als Propagandamedium verrufen. Adorno und Horkheimer waren der Ansicht, dass Donald Duck die Leser daran gewöhnen solle, verprügelt zu werden und auf die Nase zu fiegen. Auch schimpfte Adorno den Comic eine „Entkunstung der Kunst“. Er kritisierte die damals gegenwärtige Kulturindustrie und Normierung der Gesellschaft durch eine Vereinheitlichung ihrer kulturellen Erzeugnisse. Die Kritik richtete sich nicht an die Reproduzierbarkeit, sondern an die damit einhergehende Verbreitung von Ideologie innerhalb einer Gesellschaft und Uniformierung der Kunst selbst. 1954 schreibt Frederic Wertham in den USA über den Comic als eine „Verführung der Unschuldigen“. (Engelmann 2013, S.26) Er kritisiert dabei mehr die Kommerzialisierung der Jugendkultur, als den Comic an sich. Für ihn ist der Comic nur ein Symptom für die Verkümmerung der Gesellschaft. (Engelmann 2013, S.28)

Die französische Avantgarde-Bewegung der 60er und 70er Jahre etabliert einen neuen Umgang mit dem Medium Comic. (Engelmann 2013, S.19) Nach dem 1971 Francis Lacassin den Comic als neunte Kunstform bezeichnet, ruft man den Iconic Turn aus. Als Gegenentwurf zur auf die Gesellschaft einströmenden Bilderfut, versucht man nun die Bilder kritisch zu analysieren und eine literatur- und kunstwissenschaftliche Perspektive darauf zu erlangen. (Engelmann 2013, S.20) Wissenschaftler im Bereich Sozialwissenschaft und Psychologie beschäftigen sich zunehmend mit dem Medium Comic. (Engelmann 2013, S.26) Nach der Abwendung vom Linguistic Turn hin zum Pictorial oder Iconic Turn werden nun Bilder, ähnlich wie zuvor Texte, als Paradigmen analysiert. Engelmann schildert den Iconic Turn als „(...)postlinguistische, postsemiotische Wiederentdeckung des Bildes als komplexes Wechselspiel von Visualität, Apparat, Institutionen, Diskurs, Körpern und Figurativität. Er ist die Erkenntnis, dass die Formen des Betrachtens ein ebenso tiefgreifendes Problem wie die verschiedenen Formen des Lesen darstellen.“ (Engelmann 2013, S.32) Es beginnt sich eine Comicwissenschaft zu entwickeln. Immer wieder wird dabei versucht die Seriosität des Mediums Comic unter Beweis zu stellen. (Engelmann 2013, S.7)

Lefèvre vergleicht Bill Nichols´ Präsentationsmodi des Dokumentarflms mit denen des dokumentarischen Comics. (Grünewald 2013, S.34) Der poetische Modus verzichtet auf die eindeutige Verortung der Geschehnisse. Er betont stattdessen Stimmungen, verwendet Assoziationen und sammelt verschiedene Perspektiven. (Grünewald 2013, S.36) Der expositorische Modus stellt Fragmente aus der realen Welt in einen rhetorischen und argumentativen Rahmen. Die scheinbar realistischen Bilder spielen hierbei eine untergeordnete Rolle, während der Fokus auf einem auktorial-allwissenden Erzähler liegt. Dieser Modus erzeugt einen Anschein von Objektivität. (Grünewald 2013, S.37) Der beobachtende Modus ist im Comic unmöglich, da er direktes Geschehen abbildet ohne zu Intervenieren. (Grünewald 2013, S.38) Im interaktiven Modus sieht man wie der Autor eine bestimmte Geschichte erlebt und mitgestaltet, wie zum Beispiel in Joe Saccos „Palästina“, wo Sacco selbst als grafscher Reporter auftritt. Der performative Modus stellt in Frage was Wissen eigentlich ist. (Grünewald 2013, S.39) Dieser Modus verwendet subjektive, persönliche Darstellungen auf emotionaler Ebene. So zum Beispiel in „Persepolis“. Hier erleben wir eine Revolution durch die Augen eines kleinen Mädchens, welche gleichzeitig die erwachsene Künstlerin Satrapi darstellt. Eine Erzählerstimme in der ersten Person schildert ihre Erinnerungen. Der Zeichenstil ähnelt dem eines Kindes und betont die Perspektive des kleinen Mädchens. Satrapi nutzt Bilder aus der Realität und aus der Phantasie des Mädchens.(Grünewald 2013, S.40) Die Unterteilung der dokumentarischen Modi kann helfen die narrativen Strategien des dokumentarischen Comics zu analysieren und zu beschreiben auch wenn sie sich meist mischen. (Grünewald 2013, S.42)

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Details

Titel
Persepolis, eine Autofiktion. Geschichtsvermittlung und Reflexion der eigenen Identität im Comic
Hochschule
Bauhaus-Universität Weimar  (Kunst und Gestaltung)
Veranstaltung
Graphic Novel, Comic journalism, vial essay
Note
1,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
20
Katalognummer
V354107
ISBN (eBook)
9783668403727
ISBN (Buch)
9783668403734
Dateigröße
542 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
comic, graphic novel, identität, iran, persepolis
Arbeit zitieren
Hildegard Pank (Autor:in), 2016, Persepolis, eine Autofiktion. Geschichtsvermittlung und Reflexion der eigenen Identität im Comic, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/354107

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