Faktoren für Bildungserfolg. Eine Betrachtung der Wirkung von Lehrenden mit Migrationshintergrund auf die Schulleistung von Lernenden mit Migrationshintergrund


Hausarbeit, 2016

20 Seiten, Note: 2,0

Melanie Panzilius (Autor:in)


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Definition Bildungserfolg
2.1 Education, Opportunity, and Social Inequality- der Ansatz von Boudon (1974)
2.2 Pierre Bourdieu- Feine Unterschiede bei der Reproduktion von Bildungsungleichheiten
2.3 Margaret Gibson "Accommodation without Assimilation. Sikh Immigrants in an American High School."

3. Welche Probleme bereiten diese Faktoren Lernenden mit Migrationshintergrund?
3.1. Definition Migrationshintergrund
3.2. Bezug zu Boudons "Education, Opportunity, and Social Inequality"- Theorie
3.3 Bezug zu Pierre Bourdieu- Feine Unterschiede bei der Reproduktion von Bildungsungleichheiten
3.4. Bezug zu "Accomodation without Assimilation. Sikh Immigrants in an American High School." von Margaret Gibson
3.4.1 Stereotype Threat
3.4.2 Erwartungseffekt

4. Lehrende mit Migrationshintergrund
4.1 Netzwerke für Lehrende mit Migrationshintergrund
4.2 Erwartungen an Lehrende mit Migrationshintergrund
4.3 Erfolgsfaktoren und Erfahrungen in Bildungsbiografien
4.4 Diskriminierungserfahrungen
4.5 Bezugnahme Kapitel 3

5. Fazit: Welche Wirkung haben Lehrende mit Migrationshintergrund auf die Schulleistung von Lernenden mit Migrationshintergrund?

6. Ausblick

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der momentane Flüchtlingszustrom bricht alle deutschen Rekorde. Es wurden 476.649 Asylanträge allein im letzten Jahr (2015) eingereicht, mehr als das Doppelte des Jahres 2014. Allein für den Januar und den Februar sind schon 120.642 Asylanträge eingegangen und man kann nur erahnen, wie viele es dieses Jahr noch werden. Die illegalen Einwanderer und die Migrierenden aus Staaten der EU sind nicht mit berücksichtigt. Bei den Asylanträgen waren Individuen aus dem Irak, aus Afghanistan und aus Syrien am stärksten vertreten (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 2016). Momentan haben 20,3% der deutschen Bevölkerung einen Migrationshintergrund, Tendenz weiter steigend (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Bevölkerung mit Migrationshintergrund. Ergebnisse des Mikrozensus 2014, 2015, S. 7). In den Klassenzimmern macht sich dieser Trend ebenfalls bemerkbar, in den Lehrerzimmern jedoch nicht. Ein Viertel der Lernenden hat einen Migrationshintergrund, darauf kommt allerdings nur 6,2% Lehrkräfte mit Migrationshintergrund. Die Klassenzimmer werden heterogener, die Lehrerzimmer bleiben gewohnt homogen (Georgi, Ackermann, & Karakaş, 2011, S. 17).

Die Frage nach der Wirkung der Lehrenden mit Migrationshintergrund auf die Schülerschaft mit Migrationshintergrund ist von besonderem Interesse, da aufgrund der vermehrten Migration nach Deutschland nicht nur die Bundesrepublik heterogener wird, sondern auch die Klassenzimmer. Die Lernenden anderer Ethnien sind in Deutschland aber immer noch benachteiligt, finden später einen Ausbildungsplatz und verlassen das Bildungssystem im Mittel früher als ihre einheimischen Klassenkameraden. Als Gegenmaßnahme zu dieser negativen Entwicklung legt man bei der Sitzung zum nationalen Integrationsplan 2007 folgendes fest:

Diese Schulen benötigen besonders qualifiziertes pädagogisches Personal. Dies wird zum einen durch eine erhöhte Einstellung von Lehrkräften, Erzieherinnen und Erziehern oder Sozialarbeitern und Sozialarbeiterinnen mit Migrationshintergrund angestrebt, zum anderen durch eine konsequente Fortbildung (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 2007, S. 67).

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Wirkungen von Lehrenden mit Migrationshintergrund auf den Bildungserfolg der Lernenden mit Migrationshintergrund. Um der Struktur klar folgen zu können, gliedert sich der Hauptteil in drei Teile. Im Fokus des ersten Kapitels steht der Bildungserfolg ganz allgemein. Es werden drei Studien vorgestellt, die sich mit den Faktoren für den schulischen Erfolg auseinandersetzen. Darauf aufbauend widmet sich das zweite Kapitel den Problemen, die diese Faktoren den Schüler/innen mit Migrationshintergrund bereiten. Die in Teil eins vorgestellten Studien und die darin herausgearbeiteten Faktoren werden kritisch auf die Schülerschaft mit Migrationserfahrung übertragen. Der letzte Teil beschäftigt sich mit den Lehrkräften mit Migrationshintergrund und untersucht die Frage, inwiefern diese Lehrer/innen mit Migrationshintergrund zum Bildungserfolg der Schülerschaft mit Migrationshintergrund beitragen. Dazu werden zuerst Netzwerke für Lehrkräfte mit Migrationsgeschichte, danach die Erwartungen und Erfahrungen in Bildungsbiografien vorgestellt. Daraufhin wird sich mit Diskriminierungserfahrungen beschäftigt. Nachdem die Verbindung zum Kapitel "Welche Probleme bereiten diese Faktoren Lernenden mit Migrationshintergrund?" geschaffen wird, folgt ein Fazit und ein kurzer Ausblick.

2. Definition Bildungserfolg

Für den Begriff des Bildungserfolges gibt es keine allgemeine Definition, die für alle Studien gilt. Je nachdem mit welchem Bildungsabschnitt man sich beschäftigt, wird die Definition angepasst. Für die nächsten drei Studien kann man Bildungserfolg wie folgt definieren: Bildungserfolge sind gute schulische Leistungen, das Erreichen hoher Bildungsabschlüsse und die Aussicht auf gute Jobchancen auf dem Arbeitsmarkt.

2.1 Education, Opportunity, and Social Inequality- der Ansatz von Boudon (1974)

Boudon sieht die soziale Herkunft als einen Faktor für Bildungserfolg. Die unterschiedlich gut ausgeprägte Bildung von Kindern schreibt er den unterschiedlichen sozialen Schichtzugehörigkeiten zu. Der primäre und der sekundäre Herkunftseffekt entscheiden laut Boudon zu welcher sozialen Schicht man zugehörig ist. Der primäre Herkunftseffekt sind die langfristigen Förderungen und Wirkungen im Bildungsverlauf, die auf den Lernenden einwirken. Das Elternhaus der Kinder aus sozial höheren Schichten hat somit einen vorteilhaften Zugriff auf ökonomische, soziale und kulturelle Kompetenzen und ermöglicht ihren Kindern somit eine Erziehung, die für den späteren Bildungsverlauf von Nutzen ist. Der sekundäre Herkunftseffekt beschreibt die kurzfristigen Entscheidungen der Eltern für die Bildungschancen der Kinder. Es werden Kosten und Nutzen abgewogen und danach entschieden welchen Bildungsweg das Kind einschlagen soll. Familien mit wenig monetären Ressourcen nehmen ihr Kind daher häufig früher aus dem Bildungssystem, damit es selbstständig Geld verdienen kann. Zudem spielt auch das "Statuserhaltungsmotiv" eine große Rolle: Angehörige höherer und mittlerer sozialen Schichten müssen mehr Ressourcen investieren, um ihren Status aufrecht erhalten zu können. Aufgrund dieser unterschiedlichen sozialen Distanz ist schon die Länge des Aufenthalts im Bildungssystem divergent, was sich auch auf den Bildungserfolg und die Berufschance auswirkt. Durch diese monetären Differenzen in den sozial geschichteten Haushalten wird auch erklärt, dass trotz gleicher Leistungen verschiedene Bildungsziele gesetzt werden. Insgesamt kann man sagen, dass die leistungsunabhängigen Faktoren wie die Zugänglichkeit zu wertvollen Ressourcen und dem dazugehörigen sozialen Status schwerer in der Bildungsentscheidung wiegen, als leistungsabhängige Faktoren (Becker, Entstehung und Reproduktion dauerhafter Bildungsungleichheiten, 2009, S. 106 ff).

2.2 Pierre Bourdieu- Feine Unterschiede bei der Reproduktion von Bildungsungleichheiten

In dem Aufsatz "Feine Unterschiede bei der Reproduktion von Bildungsungleichheiten", geht Bourdieu von einer ungleichen Verteilung von den drei Kapitalsorten in der Gesellschaft aus. Das kulturelle Kapital (z.B. Bildung), das soziale Kapital (z.B. der soziale Status) und das ökonomische Kapital (z.B. monetäre Angelegenheiten) sind für die Ungleichheiten in der modernen Gesellschaft verantwortlich, die sich auch auf die Leistungsdifferenzen der Lernenden auswirken. Diese ungleiche Verteilung der Kapitalien wird an die nächste Generation vererbt und sie nehmen einen ähnlichen gesellschaftlichen Status ein wie die vorherige Generation. Die Kinder verinnerlichen je nach Kapitalausprägung und sozialer Schicht einen individuellen Habitus, den ihre Eltern ihnen vorgelebt haben. Bourdieu versteht unter dem Habitus die Umgangsweisen, die Vorlieben, das Verhalten, die Gewohnheiten und auch die Erziehung der Individuen. Er bemerkt, dass der Habitus schichtabhängig ist, sprich die verschiedenen sozialen Schichten sich durch ihren Habitus zu einer Schicht zugehörig fühlen. Dadurch starten die Lernenden bereits mit verschiedenen Grundvoraussetzungen in die Grundschule. Da sich die Schule allerdings an der oberen Mittelschicht orientiert, werden diese Ungleichheiten nicht berücksichtig, man sieht den Habitus eher als natürliche Begabung an. Da die Schule nach dem Prinzip der formalen Gleichheit unterrichtet, werden diese Ungleichheiten reproduziert statt nivelliert. Die Schüler aus einer niedrigen Schicht scheiden dann freiwillig früher aus dem Bildungssystem aus, da sie sich überfordert fühlen (Becker, Ausgewählte Klassiker der Bildungssoziologie, 2009, S. 484 f).

2.3 Margaret Gibson "Accommodation without Assimilation. Sikh Immigrants in an American High School."

In der Studie "Accommodation without Assimilation. Sikh Immigrants in an American High School." von Margaret Gibson wird untersucht, wieso gerade die Punjabis in Amerika gute Schulleistungen erzielen, obwohl sie auch eine Minderheit in der Gesellschaft sind. Die Autorin stützt sich in ihrer Studie noch auf weitere Theorien. Die erste ist die "Theory of Cultural Congruity", die besagt, dass es manchen Ethnien leichter fällt sich in der Gesellschaft anzupassen, aufgrund kultureller Ähnlichkeiten. Eine weitere Theorie ist die "Theory of Anglo Conformity", die erklärt, dass Schulerfolg in den USA an die weiße Mehrheit angepasst ist und die Migranten ihre Kultur einschränken und sich anpassen müssen, um gute Leistungen erbringen zu können. Die letzte Theorie ist "The Theory of Cultural Discontinuities". Es wird behauptet, dass es ein formelles und ein informelles Curriculum gibt. Das formelle Curriculum, sprich die Lernziele die von der Regierung festgelegt sind, erfüllen die Minderheiten mit Migrationshintergrund oftmals fast genauso gut, in Ausnahmen sogar besser als die einheimische Mehrheit. Das informelle Curriculum besteht aus verschiedenen Werten und Normen, die von den Lehrern als selbstverständlich angesehen werden. Da diese aber nicht wirklich ausgesprochen werden und auch kulturabhängig sind, entspricht das Verhalten der Migrierenden weniger stark der Erwartungen der Lehrenden. Bildungserfolg wird in dieser Studie als gute schulische Leistungen und eine gute Aussicht auf einen Beruf definiert. Allgemein kann man die Ergebnisse dieser Studie zusammenfassen, indem man sagt, dass der Faktor für Bildungserfolg eine positive Einstellung gegenüber der Schule als Instanz, den Lehrenden und auch der eigenen Zukunft ist (Gibson, 1988).

3. Welche Probleme bereiten diese Faktoren Lernenden mit Migrationshintergrund?

3.1. Definition Migrationshintergrund

Als Menschen mit Migrationshintergrund werden Bürger verstanden, die nach 1949 nach Deutschland eingewandert sind oder eingebürgert wurden. Auch Zugewanderte egal welcher Nationalität fallen in diese Kategorie. Ausländer, die in Deutschland geboren und eingebürgert wurden, haben einen Migrationshintergrund. Kinder, die mit deutscher Staatszugehörigkeit in Deutschland geboren wurden, haben auch dann einen Migrationshintergrund, sobald mindestens ein Elternteil ihren Migrationshintergrund an sie vererbt. Das geschieht, wenn ein Elternteil Eingebürgert wurde. Wird ein Kind mit ausländischen Eltern mit einer deutschen und einer ausländischen Staatsangehörigkeit in Deutschland geboren, hat es ebenfalls einen Migrationshintergrund (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Bevölkerung mit Migrationshintergrund. Ergebnisse des Mikrozensus 2012, 2013, S. 594).

3.2. Bezug zu Boudons "Education, Opportunity, and Social Inequality"- Theorie

Überträgt man Boundons "Education, Opportunity, and Social Inequality"- Theorie auf Individuen mit Migrationshintergrund, so kann man hier mehrere Probleme erkennen, die zur Entstehung von Bildungsdifferenzen beitragen. Primäre und sekundäre Herkunftseffekte werden auch bei Migrierenden und deren Kindern beobachtbar sein. Bei dem primären Herkunftseffekt kann je nach Generation zu der ungenügenden Verfügbarkeit des sozialen, des ökonomischen und des kulturellen Kapital noch die Sprache zur Herausforderung werden, die den Migrierenden einen Nachteil verschaffen. Ein weiteres Problem ist, dass in verschiedenen Kulturen andere erzieherische Werte und Schwerpunkte vermittelt werden, als in der deutschen Erziehung. Da aber das deutsche Bildungssystem auf die in Deutschland als wichtig angesehenen Werte ausgerichtet ist, fällt es den Kindern die eine deutsche Erziehung erfahren haben leichter die Schule erfolgreich zu beenden. So muss die betroffene Person zuerst die deutschen Werte erlernen und die Einstellungen der Herkunftskultur in den Hintergrund stellen. Dadurch entsteht ein Verlust der Kultur. Ist diese Assimilation an die deutsche Kultur erfolgt, sind die einheimischen Schüler/innen allerdings bereits auf einem höheren schulischen Niveau. Außerdem kann es möglich sein, dass die Eltern nicht erkennen, welche Vorteile es für ihre Kinder hat, wenn sie so lange wie möglich die Schule weiterführen.

3.3 Bezug zu Pierre Bourdieu- Feine Unterschiede bei der Reproduktion von Bildungsungleichheiten

In Anlehnung an Bourdieus Theorie zur Reproduktion von Bildungsungleichheiten, kann man erkennen, dass Migrierende und - aufgrund der Vererbung -, auch deren Nachkommen nicht über den Habitus verfügen, der für schulische Bestleistungen sorgt. Individuen mit Migrationshintergrund die zudem erst kürzlich migriert sind, verfügen über weniger kulturelles, ökonomisches und soziales Kapital. Dies soll keine böswillige Unterstellung sein, allerdings kann man davon ausgehen, dass ein Umzug in eine neue Kultur sehr kräftezehrend ist und es einige Zeit in Anspruch nimmt, um sich vollständig neu zu orientieren. Da diese Kapitalien die soziale Schicht bestimmen und diese Schicht den Habitus, kann man zudem davon ausgehen, dass Migrierende vorerst benachteiligt in das deutsche Bildungssystem starten. Da die schulische Instanz aber nach dem Prinzip der Gleichheit lehrt, werden diese Ungleichheiten nicht eliminiert, sondern eher reproduziert.

[...]

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Faktoren für Bildungserfolg. Eine Betrachtung der Wirkung von Lehrenden mit Migrationshintergrund auf die Schulleistung von Lernenden mit Migrationshintergrund
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen
Note
2,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
20
Katalognummer
V353315
ISBN (eBook)
9783668397590
ISBN (Buch)
9783668397606
Dateigröße
637 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Migration, Migrant, Lehrer, Schüler, Verhältnis
Arbeit zitieren
Melanie Panzilius (Autor:in), 2016, Faktoren für Bildungserfolg. Eine Betrachtung der Wirkung von Lehrenden mit Migrationshintergrund auf die Schulleistung von Lernenden mit Migrationshintergrund, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/353315

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