El Harbul Beridah wel Sharkul Auwsat. Der Nahe Osten, die islamische Welt und der Ost-West-Konflikt

Arabischen und islamische Staaten im Zangengriff der Supermächte. Ägypten und Afghanistan während des Kalten Krieges


Forschungsarbeit, 2017

32 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

I. Die Blockfreien Staaten Afrikas und Asiens in Zeiten der Kolonisation und De-Kolonisation
1. Die strategische, wirtschaftliche und politische Ausrichtung der Kolonialmächte in den Blockfreien Staaten
2. Der Beginn der sozialistisch-kommunistischen Bewegungen in den Blockfreien Staaten
3. Die ökonomischen und demographischen Disparitäten als treibende Kraft der De-Kolonisation und der Annäherung an die neuen Supermächte

II. Die Sowjetunion und ihre Sicherheitsdoktrin als Grundlage ihrer Politik in den Blockfreien Staaten und bei den Verbündeten.
1. Die Instrumentalisierung der Befreiungsbewegung in den Kolonien als Teil der sowjetischen Machtpolitik
2. Das militärische und ökonomische Kräftemessen der Supermächte
3. Die sowjetische Politik und die Politik der RGW-Staaten in der Dritten Welt.

III. Ägypten zwischen Kolonisation und De-Kolonisation
1. Die sozioökonomische Gesellschaftsstruktur Ägyptens
2. Die Baumwollindustrie Ägyptens als Motor der ökonomischen Entwicklung vor dem Kalten Krieg und während des Kalten Krieges
3. Die gespaltene ägyptische Gesellschaft und ihre Probleme.
4. Das Problem der Agrarwirtschaft in Ägypten
5. Die Mittelschicht Ägyptens
6. Die Arbeiterschaft Ägyptens
7. Die internationalen Rahmenbedingungen im Kalten Krieg für die ökonomische und politische Entwicklung Ägyptens.
8. Die Textilindustrie als ökonomischer Meilenstein Ägyptens

IV. Die Entwicklungshilfe-Politik beider Supermächte als Waffe im Kalten Krieg
1. Ägypten als Teil des sowjetischen Machtbereichs
2. Der Kampf um die entwicklungspolitische Hoheit zwischen den USA und der Sowjetunion mit den ihr angeschlossenen den RGW-Staaten
3. Der Kampf um Ressourcen und seine Folgen
4. Der Afghanistankonflikt als ideologischer Kampf beider Supermächte und das Ende des Ost-West Konflikts

Fazit:

Literaturverzeichnis

Insbesondere gewidmet Ugur Tolunay Caglar der mir sehr Wichtig ist.

Auch gewidmet: Jier Mohedien, Efkan Gürleyen, Emre Abali, Mariam Halali, Burak Gürleyen, Mete Saglam, Micha Systekov, Ismail und Ibrahim Seyhan, Vadislav Gulden, Murat Koyun, Mohamed Naji, Fabrizio Giordano, Timur Özcan und der Familie Bagiran. Sowie Aleyna Murat, Melda Yilmaz, Merve Kütik und Dilara Kalmis, die ich alle sehr schätze.

Mein besonderer Dank gilt Wolf Melzer, Prof. Erbe und Prof. Hörisch, denen ich vieles verdanke. Zudem Danke ich ganz besonders meinem Assistenten Simon Werner für die Zusammenarbeit.

Einleitung

Der Kalte Krieg und der damit untrennbar verbundene, mitten durch Europa verlaufende Eiserne Vorhang, teilten die Welt nicht nur zwei, sich feindlich gegenüberstehende Hemisphären, sondern formten auch ein Drittes: die Blockfreien Staaten.

Afrika, der Nahe Osten und Teile Asiens waren vom Ost-West-Konflikt ebenso betroffen wie Europa und der Rest der Welt. In wie weit in diesem globalen Konflikt die beiden Supermächte wirtschaftlich wie ideologisch um die Staaten Afrikas, des Nahen Ostens und Asiens kämpften und welchen Einfluss sie dort geltend machen konnten, soll insbesondere an den Beispielen Ägypten und Afghanistan untersucht werden, vor allem anhand der entwicklungspolitischen Orientierungen. Gliedern wird sich diese Untersuchung in diese zwei Bereiche:

1. Die Blockfreien Staaten Afrikas und Asiens in Zeiten der Kolonisation und De-Kolonisation.
2. Die strategische, wirtschaftliche und politische Ausrichtung der Kolonialmächte in den Blockfreien Staaten.

I. Die Blockfreien Staaten Afrikas und Asiens in Zeiten der Kolonisation und De-Kolonisation

1. Die strategische, wirtschaftliche und politische Ausrichtung der Kolonialmächte in den Blockfreien Staaten

Im 19. und 20. Jahrhundert waren Bestrebungen der Großmächte vorhanden, auf Grund bestimmter strategischer Ausrichtungen und auch aus anderen, als notwendig erachteten Zielen, Kolonien nicht nur in Besitz zu nehmen, sondern durch diesen Besitz eine bestimmte Machtakkumulation zu schaffen, mit der das globale, aber auch das regionale Gleichgewicht verändert werden kann.[1] Man geht davon aus, dass gerade GB im Nahen Osten - dies gilt zum Teil auch für Frankreich - immer in den Fragen der Kolonialisierung nach strategischen Ausrichtungen handelte.[2]

Wesentlich hierbei ist, dass gerade im Falle des Nahen Ostens und auch Großbritanniens, es sich immer darum drehte, die einmal gewonnene Position auf unbefristete Zeit zu halten und auch zu verteidigen. Wenn man von dieser Erkenntnis der strategischen Machtpolitik ausgeht, so ist auch klar, dass die politischen sowie militärdiplomatischen und ökonomischen Interessen nur Randerscheinungen der strategischen Leitlinien sind und waren.[3] In diesem Sinne haben ökonomische wie auch politische Interessen den Prozess der Kolonialisierung in Nordafrika und im Nahen Osten nachhaltig beeinflusst. Die britische Kolonialpolitik - dies gilt im Übrigen auch für die französische Variante - fußte nicht auf einer einheitlichen politischen Besatzungsherrschaft der arabischasiatischen islamischen Welt. Für den Nahen Osten gilt, dass dieses Gebiet reich an Rohstoffen und Bodenschätzen war und ist.[4] Das Großbritannien eine tausendjährige Herrschaft auf diesem Gebiet installieren wollte, hatte nicht nur ein rein strategisches Ziel, sondern bündelte mehrere strategische Faktoren. So zum Beispiel den ökonomischen Vorteil des Suez-Kanals für den Handel und damit auch die Beherrschung mehrerer militärischer und sozioökonomischer Stützpunkte im Raum Transjordaniens, des Iraks und Palästinas.

Für Großbritannien war die Besetzung des Nahen Ostens bis nach Asien hinein auch von infrastruktureller Bedeutung, und zwar nicht nur für die militärischen Aktionen, sondern auch für den Schutz der Land-, See- und Luftrouten, die das britische Empire für seinen globalen Handel brauchte.[5]

Die britische Kolonial- und Besetzungspolitik folgte nicht nur einer einzigen Linie. Ausgerichtet war die britische Politik im Nahen Osten, wie auch in Asien sowohl international, als auch an den regionalen Subsystemen des arabischen Raumes, um das Gleichgewicht nicht nur politisch nach ihrer Richtschnur auszurichten, sondern insbesondere nach ökonomischen Faktoren, die vor allem nach dem 1. Weltkrieg an Bedeutung gewonnen hatten.[6]

Allerdings stand dies im völligen Gegensatz zum pan-arabischen Nationalismus der eine völlig andere politisch ideologische Manifestation hatte.[7] Eng damit verbunden war damit die Frage des Landerwerbs sowohl für jüdische Siedler als auch für englische Kolonialisten. Das wiederum setzte voraus, dass es zu Lockerungen beim Landerwerb, also der Enteignung kommen musste.[8] Dies war einer der wesentlichen Gründe, die die pan-arabische Bewegung zuerst in die nationalsozialistische Ideologisierung und später in die kommunistische Politisierung führte.[9] Hinzu kam, dass Großbritannien wie später die USA, eine Politik der Open-Door-Mentalität öffnete, die Exporte zu Dumpingpreisen möglich machte, was eine Verarmung der arabischen, später auch der afghanischen Bevölkerungsteile nach sich zog und die bis heute anhält.[10] Nicht nur um das strategischpolitische Ziel, die Handelsrouten des britischen Empires offen zu legen ging es letztlich sondern immer auch um Handels- und Finanzinteressen Großbritanniens. Selbst das kleine Palästina hatte für Großbritannien einen großen Wert. Hierbei kam es nicht nur auf die existierenden Marktmechanismen im Sinne des global agierenden Großbritannien an, sondern das britische Empire baute immer auch auf das mögliche Potenzial eines besetzen Gebietes, soll heißen: Großbritannien glaubte sehr wohl aufgrund der vorhanden Rohstoffvorkommnisse, dass der Nahe Osten und auch Afghanistan in der Zukunft expandierende Märkte sein würden und schon alleine deshalb beanspruchten sie diese Gebiete.[11] Damit war auch die Erwartung verbunden, dass Einkünfte regeneriert würden über Zölle und Verbrauchersteuern, die sich aus dem wirtschaftlichen Wachstum ergaben.[12] Interessant hierbei ist, dass es im Falle des Nahen Ostens tatsächlich zu Haushaltsüberschüssen kam und für Großbritannien zu einer positiven Handelsbilanz.[13] Aufgrund der absoluten administrativen Kontrolle Großbritanniens im Nahen Osten, wurde Großbritannien auch zum größten Exporteur aus dieser Region.[14]

Das gilt auch für den Dienstleistungssektor, in dem die Briten das Monopol erlangten.[15] Hauptsächlich britische Konzerne befriedigten das Nachfragewachstum an modernen Dienstleistungen wie beispielsweise Versicherungen, Tourismus oder Lufttransporte.[16]

Für den Irak und die Gebiete um den Irak herum standen die britisch-strategischen Interessen an Öl- und Handel und die Zugänge zum Golf im Zentrum.[17] Dieser Umstand gilt auch für Ägypten und die Beherrschung des Suez-Kanals als wichtige Handelsader.[18] Im Falle Ägyptens ist sogar noch ein Schritt weiter zu gehen: Außer der Beherrschung der See-, Land- und Luftwege nach Fernost, Ostafrika und Indien und die Schaffung von Pufferzonen gegen sowjetische Machteinflüsse.[19] Im Kern ging es im Falle des Irak und Ägyptens immer um die Frage der Ressourcengewinnung, Ölkonzession im Irak, ging es in Ägypten um die Kontrolle des Suez-Kanals und um Zugriff auf die Baumwollindustrie[20]

2. Der Beginn der sozialistisch-kommunistischen Bewegungen in den Blockfreien Staaten

Der Kommunismus als tragende Säule der Dekolonisationsphase war in der arabischen Hemisphäre schon in der Kolonialzeit ein wichtiger Bestandteil der arabischen, politischen Bewegung und hier vor allem der pan-arabischen Nationaltransformation.[21] Die kommunistisch-sozialistische Bewegungen kamen erst richtig auf nach dem ersten globalen Krieg. Sie fielen damit in die sowjetische Politik der internationalen Ausrichtung des Kommunismus.[22] Die kommunistische Bewegung beispielsweise in Syrien und Palästina und im Nahen Osten allgemein, formte sich in den 20er Jahren kurz nach dem Ende des 1. Weltkrieges.[23] Essenziell hierbei ist, dass die arabischen Führer sich nach dem Untergang des osmanischen Reiches für ihre Gebiete Unabhängigkeit erhofft hatten. Da aber die Entente-Mächte diese Gebiete kolonialisieren wollten, war es natürlich klar, dass die arabischen Regionen, wie schon verdeutlicht wurde, eine bittere Enttäuschung erfahren mussten.[24] In Syrien und im Libanon wurde eine französische Besatzungsherrschaft errichtet. Für Palästina, Ägypten und Irak folgte bald eine britische Besetzungsherrschaft. So folgten bereits in den 30er Jahren viele Gebiete des Nahen Ostens einer kommunistischen Bewegung.[25] Das macht deutlich, weshalb arabische Staaten und auch andere islamische Staaten nach dem 2. Weltkrieg vermehrt in Richtung Moskau blickten: Sie sahen die anti-imperialistische Tendenz der Sowjetpolitk als geeignete Basis ihrer pan-arabistischen Bewegung an. Außerdem war es ein Ziel dieser Staaten, gegen die alten Kolonialmächte ein grundsätzliches Gegenkonzept der politischen und ökonomischen Entwicklung zu setzen.[26]

Wesentlich für diese panarabisch-kommunistischen Grundhaltung ist und bleibt die soziokulturelle Zusammensetzung der kommunistischen Manifestierung, die sich hauptsächlich in der Arbeiterbewegung des Nahen Ostens, aber auch in Nordafrika wiederspiegelt.[27] Letztlich wird dies in der Gruppe Spartak deutlich, welche sich beispielsweise im Libanon und Syrien formte.[28] Damit war sie die erste kommunistische Volkspartei des Nahen Ostens, die sich für bessere soziale Bedingungen aber auch für den Klassenkampf der Gewerkschaften einsetzte.

Wesentlich bei der Wendung gegen jegliche koloniale Herrschaft waren die arabischen Aufstände während des Zweiten Weltkrieges. Interessant hierbei erscheint, dass gerade in den Ballungsräumen die Kommunisten eine wichtige Rolle bei der Aufstandsbewegung hatten, weil sie die religiösen und konfessionellen Spannungen besser überbrücken konnten als andere politische Ausrichtungen zu dieser Zeit.[29] Darauf bauten Politiker wie der Ägypter Jamel Abdel Nasser oder der Iraker Saddam Hussein später auf. Damit wird klar, dass die Kolonialmächte zwar klare strategisch-militärische und strategisch ökonomische Vorstellungen am Vorabend des Zweiten Weltkrieges im Nahen Osten und im Vorderen Orient hatten, verhindern, dass der antikoloniale Kampf mit der kommunistischen Bewegung und den arabischen Aufständen mit dem 2. Weltkrieg ein hohes Maß an Dynamik erlangten, konnten sie jedoch nicht. Schon die Verbindungen zur Sowjetunion während des Zweiten Weltkrieges konnten sie nichts entgegensetzen. Hier zeigte sich das Fehlen einer klaren politischen und sozioökonomischen Vorstellung über den Nahen Osten und die islamische Welt. .[30] Durch diese Fokussierung verloren sie die Balance in der islamischen Diaspora, weil sie die geostrategischen und geoökonomischen Interessen der Sowjetunion gänzlich aus den Augen verloren und damit auch den Willen der arabisch - asiatischen Bevölkerung sich vom Joch der Kolonialherrschaft in Form eines anderen ökonomisch-politischen Konzepts zu befreien.[31]

3. Die ökonomischen und demographischen Disparitäten als treibende Kraft der De-Kolonisation und der Annäherung an die neuen Supermächte

Eric Hobsbawn verweist in seinem Standardwerk „Das Zeitalter der Extreme“ darauf, dass die De-Kolonialisierung und Revolutionen mit Anfang des 20. Jahrhunderts quasi die politische Landkarte veränderte.[32]

War die Zahl der Bevölkerung in der westlichen Hemisphäre 1750 gerade mal bei 20% der Weltbevölkerung, so stieg sie bis ins 19. Jahrhundert auf ein Drittel 1/3 an.[33]

Die Folge war bis heute die Aufspaltung der sozialen Schichten und zwar nicht nur zwischen Arm und Reich innerhalb der Staaten, sondern auch die Aufspaltung zwischen den rückständigen und fortgeschrittenen Staaten.[34] Letztlich musste das zu einer Befreiungsbewegung innerhalb der kolonialisierten Räume führen, da trotz Steigerung der Wirtschaftsraten gerade die kolonialisierten Regionen ökonomisch unrentabel blieben.[35] Eric Hobsbawn sagt daher zu Recht, dass die Bevölkerungsexplosion der eigentliche Grund war für die Entwicklung der Dritten Welt und damit im Umkehrschluss auch für die Entwicklung der blockfreien Staaten in der Dritten Welt, die sich in Folge des Zweiten Weltkrieges an eine der beiden Supermächte annähern mussten.[36] Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass vor allem die Staaten Nordafrikas und Vorderasiens sich die autoritären Strukturen des Kommunismus aneigneten und nicht westlichdemokratische Staatsfunktionen präferierten.[37] Damit waren sozialistische Systeme installiert und auch die Verbindung zur Sowjetunion hergestellt.[38] Das politische Vakuum wurde also durch den Sozialismus/ Kommunismus und Militarismus aufgefüllt.[39] Mit dem erklärten Ziel, nicht mehr die „Melkkuh“ der westlichen Diaspora sein zu wollen und die ökonomische Unabhängigkeit von den ehemaligen Kolonialherrschern, zu erlangen, gab es nach Vorstellung der arabischen Führer nur einen Partner, die Sowjetunion, die in ihren Augen ein neues Entwicklungsmodell bot. .[40]

Gerade die islamischen Staaten, die die Hauptrohstoffproduzenten waren, suchten ihre agrarische Rückständigkeit dadurch zu substituieren, in dem sie nach systematischer Industrialisierung in Form der Planwirtschaft nach sowjetischen Vorbild suchten oder aber, und das war viel schlimmer, durch Importe ihre nationale Produktion aufwerteten.[41]

II. Die Sowjetunion und ihre Sicherheitsdoktrin als Grundlage ihrer Politik in den Blockfreien Staaten und bei den Verbündeten.

1. Die Instrumentalisierung der Befreiungsbewegung in den Kolonien als Teil der sowjetischen Machtpolitik

Im Zentrum des sowjetischen Sicherheitsdenkens stand der Begriff der Verteidigung.[42] Dem gegenüber steht der Begriff der Abschreckung, der vom Westen vertreten wurde.[43] Allerdings warf die Sowjetunion dem Westen vor, dass er aggressive Aktivitäten durchführe.[44] Die sowjetische Führung glaubte, dass die westliche Welt zur Sicherung ihrer Rohstoffbasis eine Politik des Neokolonialismus in der Dritten Welt durchführen wollte.[45] Deshalb war die sowjetische Führung auch an den nationalen Befreiungsbewegungen interessiert. Sie sah das weniger als Einmischung, sondern eher als Unterstützung, die durchaus aus Sicht der sowjetischen Sicherheitsdoktrin erlaubt war, vor allem dann wenn die Befreiungsbewegungen sozialistisch organisiert waren.[46] Hinzu kam das Problem, dass die sowjetische Militärführung immer wieder darauf verwies, dass der Westen während der Ost-West-Konfrontation seine Ökonomische Übermacht ausspielen wollte, was sich am Wettrüsten festmache und letztlich, so die Sowjetführung, das dazu geführt hätte, dass der Westen dadurch seinen Einfluss auf die sozialistischen Staaten kontinuierlich erhöhte.[47] Bei dieser Betrachtung missachtete die Sowjetunion allerdings, dass die Rüstungsspirale von Seiten der USA auch in der Dritten Welt nicht ohne das Mitverschulden sowjetischer Machtpolitik zu erklären ist, denn es gab durchaus das Bestreben, den Rüstungswettlauf zu minimieren, was allerdings von sowjetischer Seite kaum wahrgenommen wurde.[48]

2. Das militärische und ökonomische Kräftemessen der Supermächte

Um das Ringen um militärisches Kräftegleichgewicht zu verstehen bieten sich zwei Ansätze an: Einmal der direkte Vergleich der Militärbudgets, und einmal der indirekte Kostenvergleich bei der Schätzung der Kapazitäten der jeweiligen Rüstungsindustrie.[49] Die erste Methode ist nicht so einfach, weil ein Teil der Löhne und die Kosten für die Armee in geringen Zahlen veröffentlich wurden, und im sowjetischen Staatshaushalt verstreut waren.[50] Ein Teil der Infrastrukturausgaben sind im Etat der zivilen Investitionen untergegangen.[51] Selbst Waffenproduktionen werden noch häufig unter dem Inventar oder Reserve geführt.[52] In den USA ist der Staatshaushalt wesentlich transparenter, geheime Militärkosten werden allerdings unter dem Posten „Raumfahrt“ deklariert.[53] Schaut man die Militärausgaben anhand des Nationaleinkommens an, so erkennt man, dass die Sowjetunion circa 12-13% ihres Nationaleinkommens für Verteidigung ausgab, wobei die Maximalschätzung bei 18 % liegt.[54] Indes gehen die Sowjetunion und ihre Publikationen im Bereich der USA von 6 % des Nationaleinkommens aus.[55] Wesentlich zur Beurteilung dieses Kräfteverhältnisses sind nicht nur die technologischen und militärischen Innovationen, sondern vor allem die Frage der wirtschaftlichen Stärke.[56] Hier ist es interessant festzuhalten, dass die Sowjetunion den größten Teil ihrer Wirtschaftsmacht in die Verteidigung steckte.[57] Man geht davon aus, dass die Wirtschaftskraft, die in die Verteidigung floss, bei etwa 40% lag und etwa 14% der Arbeitskräfte für die Militärmaschinerie arbeiteten.[58] Daraus ist zu folgern, dass die Sowjetunion einen starken militärisch-industriellen Komplex unterhielt.[59] Für das Jahr 1980, also zu Beginn des Afghanistankrieges, sollen etwa 112 Millionen Arbeitskräfte für den militärischen Bereich gearbeitet haben, das entspricht etwa 12%.[60] Es gibt sogar die Auffassung, dass die Zahl noch viel höher war, nämlich bei 21 Millionen Arbeitskräften, die dem militärisch-industriellen Komplex unterstellt waren, dies entspricht etwa 15%.[61] Auch wenn die Sowjetunion das bipolare Denken übernommen hatte, richteten sich ihre Rüstungsentscheidungen meist an internationale Krisen aus, vor allem in der Dritten Welt.[62] Das bedeutete, dass die Haushaltszuweisung für militärische Fragen tripolar durchgeführt wurde und sich damit an den Zuwachsraten für militärische Zwecke sowohl der USA als auch Chinas orientierte.[63] Dass die militärische Macht von beiden Seiten auch eingesetzt wurde, sieht man an der Zahl der militärischen Interventionen, und nicht nur an der Förderung von Entwicklungsstaaten.[64]

[...]


[1] Kennedy et al. 2005, S. 555–587.

[2] Ebd., siehe auch: van Roon 1978.

[3] Ebd.

[4] Ebd., siehe auch: Schatkowski Schilcher 1989, S. 241 ff.

[5] Ebd.

[6] Ebd. Siehe auch: Schatkowski Schilcher 1989, S. 301–317.

[7] Schatkowski Schilcher 1989, S. 241 ff. siehe auch: Hobsbawm 2009, S. 432–465. Kennedy und Hörmann 1997, S. 251 ff.

[8] Schatkowski Schilcher 1989, S. 241 ff.

[9] Schatkowski Schilcher 1989, S. 420 ff.

[10] Hobsbawm 2009, S. 432-465.

[11] Schatkowski Schilcher 1989, S. 420 ff. siehe auch: Schetter 2016, S. 55-69. Kennedy et al. 2005, S. 229240.

[12] Schatkowski Schilcher 1989, S. 420 ff.

[13] Ebd.

[14] Schatkowski Schilcher 1989.

[15] Ebd.

[16] Ebd.

[17] Ebd., S.172 ff.

[18] Kennedy et al. 2005, S. 555 ff., siehe auch: Heinemann 2009, S. 197-219.

[19] Hobsbawm 2009, S. 253 ff., siehe auch: Heinemann 2009, S. 219-235.

[20] Kennedy et al. 2005, S. 555 ff., siehe auch: Osman 1991.

[21] Schatkowski Schilcher 1989, S. 420-440.

[22] Beyme 1985, S. 132 ff., siehe auch Hobsbawm 2009, S. 538 ff.

[23] Schatkowski Schilcher 1989, S. 420-440.

[24] Anmerkungen: Die Entente-Mächte setzten sich aus den Staaten Großbritannien, Italien, Frankreich und dem verbündeten USA sowie die restlichen Verbündeten zusammen. Im Vertrag von St. Germain legten diese Mächte fest, dass das Osmanische Reich unter ihnen aufgeteilt wird.

[25] Schatkowski Schilcher 1989, S. 420-440.

[26] Ebd., siehe auch: Hobsbawm 2009, S. 538–572.

[27] Ebd., siehe auch: Osman 1991, S. 41 ff. und 63 ff.

[28] Ebd.

[29] Hobsbawm 2009

[30] Heinemann 2009, S. 219-235 und 235-257.

[31] Kennedy et al. 2005, S. 555-587. Siehe auch: Hobsbawm 2009, S. 432-465 und 538-572. Beyme 1985, S. 132-139.

[32] Hobsbawm 2009, S. 538–572.

[33] Ebd.

[34] Ebd.

[35] Ebd.

[36] Ebd.

[37] Ebd.

[38] Ebd.

[39] Ebd.

[40] Ebd.

[41] Ebd.

[42] Beyme 1985, S. 63 ff.

[43] Ebd.

[44] Ebd.

[45] Ebd., S. 64 ff.

[46] Ebd.

[47] Ebd.

[48] Ebd.

[49] Beyme 1985, S. 67 ff.

[50] Ebd.

[51] Ebd.

[52] Ebd.

[53] Ebd., siehe auch: Kennedy et al. 2005. Stöver 2011.

[54] Ebd.

[55] Ebd., siehe auch: Kennedy et al. 2005

[56] Ebd., siehe auch: Rostow 1979. Kennedy et al. 2005.

[57] Ebd.

[58] Ebd.

[59] Ebd.

[60] Ebd.

[61] Ebd.

[62] Ebd., siehe auch Hobsbawm 2009, S. 538–572.

[63] Ebd.

[64] Ebd.

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
El Harbul Beridah wel Sharkul Auwsat. Der Nahe Osten, die islamische Welt und der Ost-West-Konflikt
Untertitel
Arabischen und islamische Staaten im Zangengriff der Supermächte. Ägypten und Afghanistan während des Kalten Krieges
Autor
Jahr
2017
Seiten
32
Katalognummer
V353028
ISBN (eBook)
9783668396593
ISBN (Buch)
9783668396609
Dateigröße
623 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Arbeit ist eine Forschungsarbeit die zum Vortrag am 26.04.17 zum 100jährigen Gedenken des Skyes-Picot Abkommens hinführen soll.
Schlagworte
Naher Osten, Kalter Krieg, Kolonialismus, Ost-West-Konflikt, Ägypten, Afghanistan
Arbeit zitieren
Ilya Zarrouk (Autor:in), 2017, El Harbul Beridah wel Sharkul Auwsat. Der Nahe Osten, die islamische Welt und der Ost-West-Konflikt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/353028

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