Die Lebendigkeit der mittelelbischen Mundarten. Eine Untersuchung von Sprachbewusstsein und Mundartgebrauch


Bachelorarbeit, 2017

43 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

1. Theoretische Grundlagen
1.1 Die Fragebogenmethode
1.1.1 Grundlegende Regeln
1.1.2 Vor- und Nachteile
1.2 Sprachbewusstheit - language awareness
1.3 Einstellungen
1.4 Die mittelelbischen Mundarten
1.5 Vorgängerstudie

2. Sprachdatenerhebung im Mittelelberaum
2.1 Der Fragebogen
2.2 Durchführung
2.3 Auswertung
2.3.1 Durchschnittswerte
2.3.2 Sprachkompetenz in Hinblick auf das Alter der Befragten
2.3.3 Häufigkeit und Gelegenheit des Mundartgebrauchs
2.3.4 Bevorzugte und abgelehnte Gesprächspartner
2.3.5 Gründe für und gegen die Verwendung von Mundart
2.3.6 Aneignung der Mundartkompetenz
2.3.7 Konsum von Mundartliteratur
2.3.8 Selbsteinschätzung und Übersetzungsfähigkeit der Gruppe Passive Mundartkompetenz „sehr gut“/ gut“
2.3.9 Selbsteinschätzung und Übersetzungsfähigkeit der Gruppe Passive Mundartkompetenz „Einzelwörter“/ „gar nicht“
2.3.10 Vergleich beider Gruppen „sehr gut“/ “gut“ und „Einzelwörter“/ “gar nicht“
2.3.11 Selbsteinschätzung und Mundartproduktion der Gruppe Aktive Mundartkompetenz „sehr gut“/ „gut“
2.3.12 Selbsteinschätzung und Mundartproduktion der Gruppe Aktive Mundartkompetenz „Einzelwörter“/ „gar nicht“
2.3.13 Vergleich der Mundartproduktion der Gruppen „sehr gut“/ „gut“ und „Einzelwörter“/ „gar nicht“

3. Fazit

Literatur- und Quellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Anhang

Einleitung

Die vorliegende Arbeit offenbart die Lebendigkeit der mittelelbischen Mundarten, welche anhand einer Umfrage mittels Fragebogen ermittelt wurde. Motivation hierzu schuf das Interesse an regionalsprachlichen Varietäten in der Heimat des Explorators, das durch ein Praktikum in der Arbeitsstelle zum Mittelelbischen Wörterbuch intensiviert wurde.

Es werden einleitend theoretische Grundlagen vermittelt. Darunter wird die Fragebogenmethode erläutert, ihre zugrundeliegenden Regeln sowie ihre Vor- und Nachteile aufgezeigt. Darauf folgend werden die Begriffe language awareness und Einstellungen erläutert. Das Sprachbewusstsein der Gewährspersonen ist für den Erfolg dieser Studie ausschlaggebend, da es ihnen die Fähigkeit gibt, Mundart als solche zu erkennen, die eigene Kompetenz einzuschätzen und den eigenen Sprachgebrauch hinsichtlich Verwendungssituationen, Gesprächspartner und Wortwahl zu reflektieren. Ihre Einstellung zu ihrer Mundart beeinflusst sie dabei entweder positiv oder negativ. Sie kann den Einzelnen antreiben den Fragebogen nach bestem Gewissen auszutüllen oder ihn halbherzig bzw. schlicht pflichtbewusst mit den nötigsten Angaben zu versehen. Außerdem trägt sie einen großen Teil zur Selbsteinschätzung bei.

In diesem Kontext ergeben sich folgende Fragestellungen:

- Besitzt die älteste Altersgruppe eine bessere Mundartkompetenz als die beiden jüngeren?
- Wie wird der Mundartgebrauch gewertet?
- Stimmt die Selbsteinschätzung der Gewährspersonen mit ihren ermittelten passiven und aktiven Mundartkompetenzen überein?

Die „Sprachsoziologische Untersuchung zum Niederdeutschen in Sachsen­Anhalt“ der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg diente der vorliegenden Arbeit als Vorbild, da die verwendeten Fragen und Ergebnisse sich mit dem Interesse und dem zu erreichenden Ziel deckten, weshalb auch dessen Fragebogen als Orientierungshilfe herangezogen wurde. Aufgrund des Erfolgs der Studie und der Unsinnigkeit die Fragen umzuformulieren, wurden diese übernommen, eigene Beispiele gewählt und auch Fragen ergänzt, die Gestaltung aber gänzlich nach eigenem Ermessen umgesetzt.

Der genannte und im Anhang befindliche Fragebogen wird vorgestellt, schrittweise erklärt und schließlich sein Nutzen und die Resonanz aufgezeigt. Wie ist er aufgebaut? Welche Fragen beinhaltet er? Und wer beantwortete ihn? Sobald dies geklärt ist, werden die eigentlichen Ergebnisse ausgewertet. Frage für Frage werden die Daten anschaulich gemacht, valuiert und interpretiert sowie unter Beachtung von Alter, Geschlecht und Mundartkompetenz verglichen. Hieraus wird schlussendlich ein Fazit gezogen und Ausblick auf weitere Studien in diesem Kontext gegeben.

1. Theoretische Grundlagen

1.1 Die Fragebogenmethode

1.1.1 Grundlegende Regeln

Die Entscheidung, ob eine indirekte oder direkte Befragung durchgeführt werden soll, hängt von der persönlichen Einschätzung der finanziellen und zeitlichen Mittel des Explorators ab. Die Wahl für erstere erscheint bei Wortschatzuntersuchungen als eine leichte Entscheidung, da hier die Vorteile voll zur Geltung kommen und die Nachteile das Datenmaterial nur unwesentlich beeinflussen[1], worauf noch näher eingegangen wird. Hierbei wird der Explorator durch Versand der Fragebogen veranlassend tätig.[2]

Die Qualität des Fragebogens ist maßgeblich für die Nützlichkeit der erhobenen Sprachdaten, wobei die Fragen allein nicht ausschlaggebend sind. Die Gewährsperson zu motivieren, mit der Beantwortung anzufangen und diese auch abzuschließen, ist unabdingbar. Diese Aufgabe soll der Begleitbrief übernehmen. Zudem beeinflusst dieser, wie auch die Länge des Bogens, die Anordnung der Fragen sowie reine Äußerlichkeiten[3] die Sorgfalt beim Ausfüllen und die Rücklaufquote. Dennoch gibt es hierfür keine Garantie, beziehungsweise narrensichere Regeln. Durch Erfahrung kann auf begangene Fehler und besser auf die Gewährspersonen eingegangen und je nach sprachlichem Bereich müssen die Frageformulierungen angepasst werden.[4] Dabei muss davon ausgegangen werden, dass es nicht möglich ist, diese für alle Gewährspersonen verständlich genug zu formulieren.[5] Es können die Gewährspersonen aber durch Zusätze wie „z.B.“ oder „usw.“ ermutigt werden, eigene Beispiele orthografisch von der Standardsprache abweichend niederzuschreiben oder aber auch Echoformen zu nennen. Diese sind von der sprachlichen Wirklichkeit nicht weit entfernt und daher dienlicher als gehäuft auftretende falsche Antworten aufgrund nicht eindeutiger Fragen.[6]

Die Anordnung der dieser kann alphabetisch oder nach Sachgruppen erfolgen, wobei erstere Möglichkeit eher bei Übersetzungsfragen anzuwenden ist, da diese die Wörter sonst unnötig aus ihrem Sinnzusammenhang reißt. Letztere ist psychologisch vorteilhafter und erlaubt eine optische Auflockerung des Fragebogens, was bei der Beantwortung, die in der Regel nicht mit 15 bis 20 Minuten auskommt, wie in der empirischen Sozialforschung angegeben, nützlich ist. Auch hier kommt wieder die Funktion des Begleitbriefes zum Tragen, da der Explorator, anders als bei direkter Befragung, nicht mit Charme überzeugen kann. Deshalb sollten vorbereitend Testfragebogen stichprobenartig geprüft werden.[7]

Die Informationskonservierung erfolgt auf dem klassischen Medium der Sprachsoziologie, dem primären Medium Papier[8], welches für die zu erhebenden Daten am geeignetsten erscheint.

Objektive Sprachdaten geben einen Einblick in die Sprachpraxis und den Wortschatz der Gewährsperson, subjektive hingegen spiegeln nur deren Einstellung zu verschiedenen Sprachformen wieder und geben Informationen zum Sprachgebrauch und zu Sprachunterschieden, wobei die unbewusst gegebenen Antworten hier von größerer Aussagekraft sind. In der Regel erhält man bewusst-subjektive Daten, die nur eine Auskunft über die Meinung oder mögliches Verhalten der Gewährsperson geben, aus dem man das Wirkliche nur ableiten kann. Solche Antworten sollten kritisch betrachtet werden, denn erst die genaue Analyse der Bedingungen erlaubt es, die Resultate zu bewerten.[9]

Antworten auf Fragen nach Verstehen, Gebrauch und Verwendungssituation sind immer als Meinungsäußerung anzusehen und unterliegen dem Einfluss von Vorurteilen der Gewährsperson gegenüber der Mundart. Ein Mundartpfleger beispielsweise, wird sein Unvermögen, Mundart zu sprechen unwahrscheinlicher zugeben, was zu Verzerrungen des Datenmaterials führen kann.[10] 1.1.2 Vor- und Nachteile Die Materialerhebung zur Beantwortung der dieser Arbeit zugrundeliegenden Fragestellung wurde als schriftliche Befragung mittels Fragebogen durchgeführt, welche von den Gewährspersonen beantwortet wurden.

Aufgrund der mannigfaltigen Vorteile dieser Herangehensweise schien diese indirekte Methode am passendsten, um das nötige Material zu erhalten. Die befragten Personen konnten Ihre Antworten wohlüberlegt und in Ruhe geben, ohne direkt durch den Explorator beeinflusst zu werden. Aufgrund des verhältnismäßig geringen personellen und zeitlichen Aufwandes der Erhebung selbst und den geringen Materialkosten, war es möglich die Fragebogen in hoher Stückzahl zu versenden und beantworten zu lassen, um so ein möglichst lückenloses Netz von Belegorten abzudecken.[11]

Zwar nennen Ungeheuer und Wiegand mehrere Nachteile der indirekten Methode, doch beeinflussen diese das Material nur unerheblich. Auch, wenn die Aufzeichnung von Mundartwörtern, wie in Punkt 15 des Fragebogens verlangt, nur mithilfe des „Laienalphabets“ erfolgt, was durch orthografische Anweisungen nur unwesentlich zu mildern ist, gibt dies einen Einblick in den Mundartwortschatz der Gewährsperson. Dass bestimmte sprachliche Probleme, wie Syntax, einzelne Wortbedeutungen und besonders Prosodik, nur schwer erhebbar sind, fällt für die Bearbeitung der Fragestellung nicht zu Gewicht. Anders als bei der direkten Befragung stehen die formulierten Fragen fest und können nicht an neu gewonnene Erkenntnisse angepasst werden und auch die Anzahl dieser, welche die Gewährsperson zu beantworten bereit ist, fällt bei der gewählten Methode geringer aus. Die Probanden sind in der Regel nicht persönlich auswählbar und können hinsichtlich ihrer Sorgfalt und Selbstständigkeit nicht überwacht werden, was es auch unmöglich macht, ihre Reaktionen wie Zögern, Unsicherheit und Heiterkeit zu dokumentieren.[12]

1.2 Sprachbewusstheit - language awareness

Viele im Rahmen der Erhebung gestellten Fragen erfordern eine Selbsteinschätzung des Probanden, welche die bewusste Kenntnis um die eigene Sprachkompetenz voraussetzt.

Es kursieren für das language awareness genannte Phänomen, besonders im englischen Diskurs, eine Vielzahl an Bezeichnungen; Linguistic insight, explicit knowledge oder knowledge about language, um einige Beispiele zu nennen. Wenn dieses Konzept eher als dynamischer Prozess, denn als statischer Zustand betrachtet wird, findet im Deutschen die Bezeichnung Sprachbewusstheit vor dem Sprachbewusstsein Verwendung,[13].

Der britische Linguist Eric Hawkins befasste sich umfassend mit dieser Theorie( 1981,1984)[14], welche aufgrund schwacher schulischer Leistungen im Erwerb von Fremdsprachen sowie der Lese- und Schreibfähigkeit in der Muttersprache während der sechziger und siebziger Jahre entstand. Allerdings verwendete er den Begriff awareness of language. In den darauf folgenden Jahren fand das Konzept auch in der Fremdsprachendidaktik Verwendung[15], heutejedoch nicht mehr ausschließlich im Kontext institutioneilen Lernens.

Auch die Anzahl an Definitionen der language awareness steht der Vielfalt ihrer Bezeichnungen in nichts nach. So bezieht sie sich auf das gesamte Wissen über eine Sprache und beschreibt die „Fähigkeit und Bereitschaft zur Bildung adäquater expliziter und explizierbarer subjektiver Lernertheorien über Sprache(n) und Sprachlernen“.[16] Infolge dessen hängt die language awareness mit den diskursiven subjektiven Theorien der Sprachlerner/innen über Sprache(n) und Sprachlernen zusammen.

Definiert wird language awareness als explizites Wissen über Sprache, ihre bewusste Wahrnehmung sowie empathischer Umgang mit dieser im Kontext des Spracherwerbs, -lehrens und -nutzens.[17] Dieses Wissen erfährt ebenfalls bei interkulturellen Begegnungen und im Verständnis dafür, wie Sprache funktioniert, gelernt und genutzt wird, Anwendung.

Es erfährt mit Beginn des muttersprachlichen Schreib- und Leseunterrichts einen entscheidenden Entwicklungsschub, wohingegen die Sprachbewusstheit mit den Prozessen und Zielen der verschiedenen Typen des Spracherwerbs in schulischen sowie außerschulischen Kontexten in Verbindung steht. Somit kann die language awareness sowohl in die Fremd- als auch Muttersprachendidaktik eingeordnet werden. Sie stellt also die Sprache selbst in den Mittelpunkt, egal ob sie als sprachlich­kommunikatives System und als Lerngegenstand, als gesellschaftlich-politisches Phänomen oder im Zusammenhang mit Mehrsprachigkeit betrachtet wird.[18]

Morkötter hingegen bezeichnet language awareness als „ganzheitliches Konzept, das unterschiedliche Dimensionen von Sprache(n) und Sprachlernen sowie diesbezügliche Kognitionen, Reflexionen, Einstellungen, Emotionen, usw. von Sprachbenutzern und Sprachenlernern umfasst“ und auf allen Ebenen mit einander verknüpft ist.[19] Diese sind die affektive, soziale, politische, Performanz- und kognitive Ebene.[20]

Erstere stellt die Gesamtheit der emotionalen Haltung von Sprachlerner/innen dar und beschreibt hierbei zum einen die Sensibilisierung im Umgang mit der Sprache und die Freude am Erlernen dieser, zum anderen die Bildung einer positiven Einstellung über sie und ihre Sprecher. Sie ist eng mit der sozialen Ebene verbunden, die sich mit der Einschätzung des Status von Sprachvarietäten und der Akzeptanz von Einzelsprachen in der Gesellschaft beschäftigt und wiederum mit der politischen verknüpft ist. Diese bezeichnet diejenige Dimension, welche dem kritischen Umgang mit Texten zugeschrieben wird und sowohl den manipulativen Charakter von Sprache als auch die Beziehung zwischen Sprache und Macht thematisiert. Inhalt der Performanzebene ist das Verhältnis von sprachlichem Wissen und lernersprachlicher Praxis. Der Fokus der letzten, kognitiven Ebene liegt auf dem Erkennen von sprachlichen Regeln, Regelmäßigkeiten und Kontrasten sowie auf den sprachlichen Einheiten selbst.[21]

Nach Stegu (2012, S. 159) werden unter language awareness alle Bereiche, welche sich mit der Bewusstwerdung sprachlicher Phänomene befassen, vereint. Diese können sich zum einen auf die langage zum anderen auf Einzelsprachvarietäten und des Weiteren auf alle sprachlichen Ebenen (phonetische, syntaktische, morphologische, semantische und pragmatische) sowie auf differenzierterer Unterscheidungen, wie code switching beziehen.

1.3 Einstellungen

Die Fragestellungen der Einstellungsforschung sind denen der language awareness nicht unähnlich, wobei jene eher ausschließlich der emotionalen Ebene zugewiesen werden, was anhand folgender Definitionen erläutert werden soll. Nicht die Gefühle, welche ohnehin nicht messbar sind, sondern aus ihnen resultierende Verhaltensweisen gehören zu ihrem Inhalt. So wird Einstellung unter mentalistisch- multikomponentiellen Positionen folgendermaßen beschrieben: „An attitude is a positive or negative feeling about some person, object or issue, acquired through social interaction.“[22] Bzw. „Language attitudes are the feelings people have about their own language or the language of others.“[23] Sie muss hier also aus der Introspektion des Sprechers abgeleitet werden. Behavioristisch-unikomponentiell betrachtet wird sie als direkt beobachtbar angesehen.[24]

Einstellung als „readyness to behaviour“ (Deprez & Persoons, 1987, S. 125)[25] soll zweifellos eng mit dem resultierenden Verhalten verbunden sein, auch wenn in der Wissenschaft über die genaue Beziehung und die Einflussfaktoren Uneinigkeit herrscht.[26] Das soziale Umfeld, wie Familie, Kollegen, Religionsgemeinschaften und weitere Personen sowie die Erziehung und mögliche Anpassung an vorherrschende Meinungen dieser Gruppen, sind mit jeglichen persönlichen Erfahrungen als determinierende Faktoren zu nennen.

Ebenfalls ist die Art der Beziehungen der drei Einheiten, cognitive, evaluative und conative, aus denen sich Einstellung zusammensetzt, ungeklärt.[27] Sie sind entweder strikt voneinander zu unterscheiden oder als in Wechselwirkung stehend zu betrachten. Basis für die konative Ebene, welche schlussendlich das Verhalten und die zugrundeliegende Intention darstellt, bilden die kognitive und die evaluative Dimension. Das Wissen, die Gedanken und Annahmen über den zu bewertenden Gegenstand werden durch erstere, die Gefühle und die persönlichen, dem Objekt zugeschriebenen Werte durch letztere beschrieben.

Parallel dazu haben Einstellungen verschiedene Funktionen. Durchgesetzt hat sich die Unterteilung nach Katz[28] in die instrumental-utilitarian, cognitive orientation, value-expressive und ego-defensive Funktion. Erstere soll die Stellung des Individuums oder einer Gemeinschaft verbessern und das erfolgreiche zielorientierte Handeln vorantreiben sowie ungewünschte Zustände vermeiden. Mithilfe der Einstellungen soll bei der cognitive orientation sowohl eine nachvollziehbare Strukturierung und Orientierung als auch eine Organisation des Wissens und der Wahrnehmung erfolgen. Die beiden letzten Funktionen, also die value-expressive und die ego-defensive, stehen einander gegenüber. Jene stärkt die Identität des Individuums und erstellt den Rahmen für eine positive Selbstdarstellung. Im Gegensatz dazu stellt die ego-defensive Funktion Schutzmechanismen gegen innere und äußere Bedrohungen dar, indem vorhandene Wünsche und Gefühle verschleiert und so Konsequenzen des Handelns auf „Sündenböcke“ übertragen sowie Vorurteile und Feindbilder erstellt werden können.

Einstellungen prägen maßgeblich die Bewertung von Sprachen und Varietäten in mehrsprachigen Gesellschaften, die bewusste Sprachenwahl, den Spracherhalt und -tod sowie den Sprachgebrauch innerhalb einer Diglossie.[29] Aus diesem Grund wird die Einstellungsforschung in den verschiedensten Bereichen betrieben: Einstellung zu Sprachvarietäten, Dialekt und Sprachstil, Einstellung zum Fremdspracherwerb, Einstellung zu einer spezifischen Minderheitssprache, Einstellung zu Sprachgruppen, -gemeinschaften und -minderheiten, Einstellung zu Sprachunterricht, Einstellung zur Nutzung bestimmter Sprachen, Einstellung von Eltern zu Spracherwerb und Einstellung zur Sprachpräferenz.[30]

Laut Baker [31] sind Einstellungen veränderbar, denn „Attitudes change over time - rarely are they static“. Hierfür können viele Faktoren verantwortlich sein. Zu nennen sind sprachpolitische Maßnahmen, sozial-psychologische Faktoren und „attitude to language variation, dialect and speech style, attitude to learning a new language, attitude to a specific minority language (e.g. Irish), attitude to language groups, communities and minorities, attitude to language lessons, attitude to the uses of a specific language, attitude of parents to language learning, attitude to language preference” Manipulation aufgrund bestehender Machtverhältnisse.

Folglich geht er in Hinblick auf die funktionale Theorie von Katz (I960) kritisch darauf ein, dass dieser neben psychologischen Theorien, wie zum Beispiel der Konditionierung, Verstärkung und operanten Konditionierung, auch Änderungen zu Grunde liegen können. In Anbetracht der instrumental-utilitarian Funktion, bedingen die Möglichkeit entstehender Vorteile, Belohnungen und Anerkennung sowie die Vermeidung von Bestrafung auch eine Neugestaltung der Einstellung. Des Weiteren kann eine solche auch erfolgen, wenn genügend Wissen über das zu bewertende Objekt vorhanden ist, wofür die cognitive orientation[32] Funktion zuständig ist. Dass einige der Umorientierung offener gegenüberstehen, hängt von persönlichen Werten und Charaktereigenschaften ab und ist durch die value-expressive Funktion thematisiert. Die letzte, also die ego-defensive Funktion bedingt, dass Änderungen der Einstellung als Schutzmechanismen wirken sollen, wenn eine solche Unsicherheit, Verlegenheit oder Angst verursacht.

Zusammengefasst sind diese Veränderungen als Reaktionen auf soziale Bedingen und die Bedürfnisse des Individuums zurückzuführen. Hierfür nennt Baker (1992) noch einige Gründe, welche Antwort auf die Fragen „Wer? Was? Wie?“ geben sollen und sowohl einen progressiven als auch rasanten Wandel zur Folge haben. Aus diesen folgt, dass Veränderungen durch das Altern, besondere Ereignisse oder Neuerungen in der Gesellschaft bzw. Gemeinschaft sowie durch die Eltern, das soziale Umfeld, Medien, Institutionen oder bestimmte Rituale auftreten können.

[...]


[1] 'Vgl. Ungeheuer, 1982, S. 550.

[2] Vgl. Hufschmidt, 1976, S. 113.

[3] Z.B. Layout, Schriftart, Papier.

[4] Vgl. ebd. S. 551.

[5] Vgl. Hufschmidt, 1976, S. 113.

[6] Vgl. ebd. S. 551.

[7] Vgl. ebd. S. 552.

[8] Vgl. Hufschmidt, 1976, S. 113.

[9] Vgl. ebd. S. 116- 117.

[10] Vgl. ebd. S. 118.

[11] Ungeheuer, 1982, S. 550.

[12] Vgl. ebd. S. 550.

[13] Vgl. Gnutzmann, 2003, S. 337. & Vgl. Mokrötter, 2005, S. 37 ff.

[14] Vgl. Hawkins 1981/1984.

[15] vgl. James & Garrett, 1992.

[16] Knapp-Potthoff, 1997, S. 9 fit.

[17] Vgl. Ellis 2012, S. 2.

[18] Vgl. Gnutzmann 2003, S. 335 fit.

[19] Vgl. Morkötter 2005, S. 29 fit.

[20] vgl. auch James & Garrett, 1992, S. 12 ff.

[21] Vgl. Morkötter, 2005, S. 31.

[22] Lasagabaster 2005, S. 403.

[23] Crystal 1997, S. 215.

[24] Vgl. Glück 2005, S. 165.

[25] Vgl. Deprez & Persoons 1987, S. 125.

[26] vgl. Baker 1992.

[27] Vgl. Deprez & Perssons, 1987, S 125 fit.; Lasagabaster, 2005, S. 399 fit.

[28] Katz, I960; zit. nach Deprez & Perssons, 1987, S. 129 f. und Lasagabaster, 2005, S. 401 f.

[29] Vgl. Glück, 2000, S. 178.

[30] Baker, 1992, S. 29.

[31] Vgl. Baker 1992, S. 97ff.

[32] Nach Baker knowledge function.

Ende der Leseprobe aus 43 Seiten

Details

Titel
Die Lebendigkeit der mittelelbischen Mundarten. Eine Untersuchung von Sprachbewusstsein und Mundartgebrauch
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Indogermanistisches Institut)
Note
1,5
Autor
Jahr
2017
Seiten
43
Katalognummer
V353005
ISBN (eBook)
9783668392304
ISBN (Buch)
9783668392311
Dateigröße
1648 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mundart, Mittelelberaum, Mittelelbisches Wörterbuch, Dialekt, Sachsen-Anhalt
Arbeit zitieren
Oliver Sommer (Autor:in), 2017, Die Lebendigkeit der mittelelbischen Mundarten. Eine Untersuchung von Sprachbewusstsein und Mundartgebrauch, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/353005

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