Soziale Ungleichheit. Wie bedingen und beeinflussen soziale Ungleichheiten die Bildungschancen von Migranten in Deutschland?

Herkunftseffekte als Zugangsbeschränkung zur Hochschule


Hausarbeit, 2015

16 Seiten, Note: 2,0

Neema Li (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretische Grundlagen
2.1 Primäre und sekundäre Herkunftseffekte
2.2 Bildungsaspirationen von Migranten
2.3 Umsetzung der Aspirationen in Bildungserfolg

3. Empirische Studien
3.1 Primäre und Sekundäre Herkunftseffekte
3.2 Bildungsaspirationen von Migranten
3.3 Studienentscheidung von Migranten

4. Resümee

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Hochschulen besitzen als Institutionen, welche durch Lehre Humanressourcen zur Verfügung stellen, indem sie Wissen weitergeben und durch Forschung produzieren eine immer größere Bedeutung. Sie erfüllen damit auch Funktionen, wie die Entwicklung der individuellen Regulationsfähigkeit durch den Erwerb von Kompetenzen und der Förderung gesellschaftlicher Partizipation (vgl. Avenarius et al., 2006). Die wachsende Bedeutung der Hochschule wird auch durch die seit 1980 steigende Anzahl an Studienanfängern deutlich (vgl. ebd.). Studierende mit Migrationshintergrund sind jedoch unter Betrachtung der Gesamtheit der Studierenden stark unterrepräsentiert (vgl. ebd.). Dies hat unter anderem seinen Grund in der großen Bedeutung der vorangegangen Selektion durch die Hürden der zu absolvierenden Bildungsstufen. Bemerkenswert ist demgegenüber jedoch, dass von denjenigen Schulabsolventen mit Migrationshintergrund, welche eine Hochschulreife erworben haben, ein deutlich größerer Anteil sich für die Aufnahme eines Studiums entscheidet, als die deutschen Studienberechtigten (vgl. Lörz, 2012). Es zeigt sich also, dass besonders die soziale Herkunft einen Einfluss auf die Studienentscheidung hat – bei deutschen wie auch bei ausländischen Studienberechtigten.

In der vorliegenden Hausarbeit erörtere ich, welchen Einfluss die sozialen Ungleichheiten auf die Bildungschancen, besonders auch amübergang in die Sekundarstufe ausüben, da das erfolgreiche Absolvieren des Gymnasiums (oder des Berufskollegs) in Deutschland Voraussetzung für den Eintritt in eine Hochschule ist. Außerdem soll, nach Erhalt des Abiturs derübergang in die Hochschule ebenfalls zum Thema werden.

Der Hauptteil meiner Hausarbeit gliedert sich in zwei Teile:

Im ersten Teil werden die theoretischen Grundlagen dargelegt, welche relevant für die vorhergehenden Bildungsentscheidungen von Migranten bis hin zum Hochschuleintritt sind. In der Erklärung derübertrittsentscheidungen sollen die primären und sekundären Herkunftseffekte (vgl. Boudon, 1974) näher erläutert werden, wie auch die höheren Bildungsaspirationen der Migranten. Des weiteren wird darauf eingegangen, weshalb sich die höheren Bildungsaspirationen nicht in entsprechende Bildungsergebnisse umwandeln lassen (vgl. Becker, 2010).

Im zweiten Teil sollen die theoretischen Grundlagen durch den Nachweis ausgewählter empirischer Studien Bestätigung finden. Zunächst wird die Bedeutung der primären und sekundären Effekte anhand der Studie von Relikowski, Schneider und Blossfeld (2010) für den Sekundarschulübertritt besprochen. Die zweite vorgestellte Studie von Relikowski, Yilmaz und Blossfeld (2012) bezieht sich auf die hohen Bildungsaspirationen der Migranten und deren Ursachen. Die dritte Studie, nach Kirsten, Reimer und Kogan (2006) untersucht denübertritt der studienberechtigten Migranten in die Hochschule. Schließlich sollen im letzten Teil die Ergebnisse zusammengefasst und einüberblicküber die Arbeit gegeben werden. Es werden Schlussfolgerungen gezogen, wie auch mögliche Ideen zur Verbesserung der derzeitigen Situation genannt.

2. Theoretische Grundlagen

In Deutschland lassen sich für alle Bereiche der zu durchlaufenden Etappen im Bildungsweg ethnische Bildungsungleichheiten nachweisen (vgl. Kirsten, 2014, S.114). Kirsten und Dollmann (2012) beschreiben als Erklärungsansatz ungleicher Bildungsmuster den Ansatz des allgemeinen Kapitals in Anlehnung an Bourdieu (1993) in der Unterteilung in finanzielles, soziales und kulturelles Kapital: Individuen verfügen demnachüber underschiedliche Ressourcen (Kapital), die zu Begrenzungen oder Erweiterungen ihrer individuellen Möglichkeiten führen können, indem diese Ressourcen unterschiedlich eingesetzt werden. Damit spielen die individuellen Entscheidungen der Akteure eine entscheidende Rolle. Der Bildungserwerb lässt sich damit als „Folge einer Vielzahl aufeinanderfolgender Investitionen auffassen“ (Kirsten & Dollmann, 2012, S. 105).

Im Folgenden sollen deshalb die entscheidenden Effekte, welche auf den Bildungserwerb und damit auf die Bildungsentscheidung - bis hin zur Aufnahme eines Hochschulstudiums Einfluss nehmen, näher Betrachtung finden.

2.1 Primäre und sekundäre Herkunftseffekte

Bezüglich der Bildung, wird unterschieden in Investitionen hinsichtlich der Leistung und Investitionen hinsichtlich der Bildungsübergänge (ebd.). Diese Unterscheidung wurde erstmals nach Boudon (1974, S.29 f.) vorgenommen, der diese als primäre und sekundäre Herkunftseffekte betitelte.

Die primären Herkunftseffekte beschreiben, welchen Einfluss die soziale Herkunft auf den Kompetenzerwerb hat. Es geht dabei um die Lernvoraussetzungen des Individuums und die Ressourcenausstattung innerhalb dessen familiärer Umgebung. Letztere kann maßgeblich sein für einen Sozialisationsvorteil von Kindern aus höheren sozialen Schichten – und dies bereits beim Beginn deren Bildungsweges.

Sekundäre Herkunftseffekte beziehen sich auf das Entscheidungsverhalten der Akteure an den entscheidendenübergängen ihres Bildungsweges. Dieses spezifische Entscheidungsverhalten wirkt auch unabhängig von fachlichen Kompetenzen, also primären Effekten, und ergibt sich aufgrund von Vorerfahrungen, besonderer Motivation oder dem Wunsch den sozialen Status ihrer Familie zu erhalten. Damit verbunden kommt es zu einer Abwägung möglicher Alternativen bezüglich des Ertrags (Vermeidung der Abwärtsmobilität) und den Kosten der Bildungsentscheidung.

Individuen aus höheren sozialen Schichten entscheiden sich demnach eher für einen tertiären Bildungsweg, der ihren sozialen Status sichert. Individuen aus Familien niedrigeren sozialen Schichten begnügen sich oft schon mit einer Berufsausbildung, da diese für den Erhalt ihres sozialen Status ausreicht (vgl. auch Relikowski, Yilmaz & Blossfeld, 2012; Kirsten & Dollmann, 2009).

Die Unterscheidung von Boudon nach primären und sekundären Herkunftseffekten bezieht sich allgemein auf die schichtspezifischen Unterschiede im Bildungsverlauf. Kirsten und Dollmann (2009) unterscheiden weiter in primäre und sekundäre Effekte sozialer und ethnischer Herkunft, wodurch Boudons Unterscheidung auf den Migrationshintergrund erweitert wird.

Primäre ethnische Herkunftseffekte sind diejenigen, welche auch nach Kontrolle der primären sozialen Effekte weiter auf den Kompetenzerwerb der Schüler einwirken. Beispielhaft seien die Unterschiede bezüglich des Spracherwerbs oder auch spezifisches, kulturelles Vorwissen genannt, welches im Aufnahmeland möglicherweise keine Anwendung finden kann (vgl. Kirsten & Dollman, 2009, S. 208).

Sekundäre ethnische Effekte bestehen auch unabhängig der primären, wie auch sozialen sekundären Effekte fort. Damit ist zum Beispiel die höhere Bildungsmotivation von Migranten gemeint. Diese wirkt sich in der Weise vorteilhaft auf die Bildungsentscheidungen aus, als dass im Rahmen der institutionellen Möglichkeiten tendenziell ein höherer Abschluss und damit schließlich die Aufnahme eines Hochschulstudiums von ihnen angestrebt wird (vgl. ebd.).

2.2 Bildungsaspirationen von Migranten

Bildungsaspirationen sind vorweggenommene Bildungsentscheidungen und somit vergleichbar mit Bildungsplänen (vgl. Becker, 2010, S. 6, zit. nach Kleine, Paulus & Blossfeld 2009). Damit kann bei der Erklärung der Bildungsaspirationen das gleiche Konzept angewendet werden, wie es auch für die tatsächlichen Bildungsentscheidungen zum Tragen kommt (vgl. Becker, 2010, S.6). Die Bildungsentscheidungen können unter anderem im Rahmen der Rational – Choice – Theorie erklärt werden, in der es, bezogen auf die Bildungsentscheidung, also letztendlich der Wahl eines Hochschulstudiums darum geht, eine rationale Nutzenabwägung zu treffen, welche die erwarteten Erträge, die Erfolgswahrscheinlichkeiten und die aufkommenden Kosten in die Betrachtung mit einbeziehen (vgl. Watermann, Daniel & Maaz, 2014, S. 237). Diese Kosten – Nutzen – Abwägung, die sich auf die Höhe der Bildungsaspirationen auswirkt ist neben verschiedenen anderen Faktoren maßgeblich vom sozioökonomischen Status der Familie abhängig, wie durch eine Reihe an Studien nachgewiesen wurde (vgl. Becker, 2010, S. 7). Folglich weisen Familien aus privilegierteren sozialen Verhältnissenüblicherweise höhere Bildungsaspirationen auf, als Familien aus niedrigeren sozialen Verhältnissen (vgl. Paulus und Blossfeld, 2007).

Eine Umsetzung der Rational – Choice – Theorie hat erstmals Boudon (1974) vorgestellt, mit der Einführung des sekundären Herkunftseffekts, der bei der Entscheidungsfindung eine Kosten – Nuten – Abwägung vorsieht. Weiter fortgeführt haben dieses Modell unter anderem Erikson und Jonsson (1996), Breen und Goldthrope (1997) und Esser (1999) (vgl. Becker, 2010).

Haller (1968, S.485 f.) unterscheidet zwischen idealistischen und realistischen Bildungsaspirationen. Die idealistischen Bildungsaspirationen beziehen sich auf das erwünschte Ziel, welches erreicht werden soll, unabhängig von den tatsächlichen Gegebenheiten. Bei den realistischen Bildungsaspirationen werden demgegenüber die tatsächlichen Gegebenheiten als Realisierungsmöglichkeiten des angestrebten Bildungsziels mit einbezogen. Beispielsweise sind damit die schulischen Leistungen und die damit verbundenen institutionellen Begrenzungen gemeint.

Becker (2010) hat in dem Artikel, zur Untersuchung der Bildungsaspirationen von Migranten mögliche Ursachen zusammengetragen. Im Rahmen dieser Arbeit sollen insbesondere die Immigrant – Optimism – Hypothese sowie die Informationsdefizit – Hypothese näher erläutert werden.

Becker unterschiedet dabei, in Anlehnung an Ogbu (1987), die sich bezüglich der Bildungsaspiration gegensätzlich gegenüberstehenden Gruppen von freiwilligen und unfreiwilligen Migranten. Freiwillige Migranten sind meist aufgrund der Erwartung ausgewandert, auf bessere soziale Lebensbedingungen im Aufnahmeland zu treffen. Oftmals finden sie sich jedoch zunächst in den niedrigeren sozialen Schichten im Aufnahmeland vor, wobei die Hoffnung zum sozialen Aufstieg auf die nächste Generation verlagert wird. Da sie die bestehende Lebens- und Bildungssituation und die damit verbundenen neuen Möglichkeiten im Aufnahmeland als vergleichsweise fortschrittlich empfinden, sind sie optimistisch, dass durch ihre Kinder der soziale Aufstieg gelingen wird. Unfreiwillige Migranten sind diejenigen, die schon seit mehreren Generationen im Aufnahmeland leben, die Entscheidung zur Auswanderung also selbst nicht getroffen haben. Sie sind meist aufgrund des möglicherweise ausbleibenden Aufstiegs schon ernüchtert sind (vgl. Becker, 2010).

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Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Soziale Ungleichheit. Wie bedingen und beeinflussen soziale Ungleichheiten die Bildungschancen von Migranten in Deutschland?
Untertitel
Herkunftseffekte als Zugangsbeschränkung zur Hochschule
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Note
2,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
16
Katalognummer
V352733
ISBN (eBook)
9783668391093
ISBN (Buch)
9783668391109
Dateigröße
533 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
soziale, ungleichheit, ungleichheiten, bildungschancen, migranten, deutschland, herkunftseffekte, zugangsbeschränkung, hochschule
Arbeit zitieren
Neema Li (Autor:in), 2015, Soziale Ungleichheit. Wie bedingen und beeinflussen soziale Ungleichheiten die Bildungschancen von Migranten in Deutschland?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/352733

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