Informelle Beziehungen aus organisationssoziologischer Perspektive


Seminararbeit, 2005

13 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Formelle und informelle Beziehungen

3. Knackpunkte der Texte „Trennung formaler und informaler Rollen“ und „Eigenrecht der Situation“ von Niklas Luhmann

4. Theater als Organisation – Organisation als Theater

5. Geschlechtsrolle als Hauptrolle

6. Auftritt der Frau

7. Mann – Frau – Verhältnisse

8. Rollenspiele der Geschlechter
8.1. Die fürsorgliche Mutter und der tapfere Ritter
8.2. Mutter und Töchter
8.3. Der Vater und das kleine Mädchen
8.4. Die Verführerin und der Macho
8.5. Der Ritter und das hilflose Mädchen
8.6. Die Amazone und ihre Gegner

9. Geschlechterkampf

10. Fazit

11. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Jedem passiert es jeden Tag. Man geht zur Arbeit, widmet sich seinem Tagesgeschäft, geht mit der Kollegin einen Kaffee trinken, hat am Nachmittag ein Meeting mit der Geschäftsführung und telefoniert kurz vor Ende eines Arbeitstages noch schnell mit der besten Freundin. Dabei geht man im Verlauf des Tages verschiedene Beziehungen ein, die in der Organisationssoziologie in formelle und informelle unterschieden werden, einem Selbst aber nicht bewusst sind. Das „Tratschen“ mit der Kollegin über den Chef wird als informelle Beziehung verstanden, während das Meeting mit der Geschäftsführung sich aus Personen zusammensetzt, die formelle Beziehungen untereinander pflegen.

In unserer Referatsausarbeitung über das Thema informelle Beziehungen gehen wir zunächst auf das allgemeine Verständnis formaler und informaler Beziehungen ein, um einen Eindruck zu vermitteln, wodurch sich diese Beziehungen auszeichnen. Dabei beziehen wir uns auf die Texte „ Formale und informale Rollen“ und „Eigenrecht der Situation“ von Niklas Luhmann. Daraufhin folgt eine Darstellung des Textes von Daniela Rastetter „Mach bloß kein Theater! – Die Organisation als Rollenspiel“. Hierbei liegt der Schwerpunkt auf verschiedenen Rollenkonstellationen innerhalb einer Organisation, die unter dem Aspekt des „doing gender“ vorgestellt werden.

2. Formelle und informelle Beziehungen

Die Unterscheidung nach formellen oder informellen Beziehungen kann anhand von Bezugsgruppen getroffen werden. Dabei spricht man von Bezugsgruppen, wie z.B. dem Vorgesetzten oder dem Kollegen. Die Unterscheidung nach formalen oder informalen Beziehungen nach Bezugsgruppen, aber auch nach Zuschauerkreis und Situation, sind die wesentlichen Merkmale aller formalisierten Systeme. Ein formalisiertes System beinhaltet Erwartungen, die explizit ausformuliert vorzufinden sind, meist in Form von Arbeitsverträgen. Diese Erwartungen beinhalten alles, was für eine Organisation brauchbar ist, z.B. Handlungsrichtlinien, Erscheinungsbild, Motive oder Motivation der Organisation. Es sind also die Erwartungen, die die Organisation an das Individuum stellt, um die offiziellen Organisationszwecke zu erfüllen. Formelle Erwartungen sind einklagbar. Verstößt ein Organisationsmitglied gegen diese Erwartungen, gibt es formalisierten „Ärger“, d.h. es gibt zum einen klar definierte Sanktionen wie Entlassung oder Geldentzug, zum anderen aber auch Sanktionen informeller Art, wie z.B. das Stirnrunzeln des Vorgesetzten. Innerhalb der Organisationen gibt es formalisierte Hierarchien, d.h. es ist zu jedem Zeitpunkt klar wer Vorgesetzter bzw. Untergebener ist. Auch formalisierte Mitgliedschaft ist in Organisationen vorzufinden. Jedem ist zu jedem Zeitpunkt klar, wer momentan Mitglied der Organisation ist und wer nicht, anhand von schriftlicher Registrierung. Die Mitgliedschaft in einer Organisation ist an bestimmte Bedingungen geknüpft; sie ist konditionalisiert (oft durch Arbeit) und die Grundvoraussetzung muss erfüllt werden, um als Mitglied zu gelten: Die formalen Erwartungen müssen anerkannt werden. Formale Rollen beinhalten für den Vorgesetzten eine Schutzfunktion. Er kann sich auf seine formale Rolle berufen, wenn Erwartungen aufkommen, die er aufgrund der formalen Erwartungen seiner Rolle nicht erfüllen kann. Die formale Rolle dient also dazu bei widerspruchsvollen Erwartungen ein „flüssiges“ Verhalten zu ermöglichen. Sie werden immer dann gewählt, wenn die Lage für ein informales Verhalten zu heikel wird oder der Vorgesetzte die Kontrolle über die Kommunikation in einer informalen Situation verlieren würde. Dadurch dienen die formellen Beziehungen unter den Rollenpartnern der Erhaltung der Organisation.

Dennoch sind formale Strukturen und Beziehungen immer nur ein Teil des Systems. Sie dienen dessen Selbstvereinfachung. Innerhalb einer Organisation kann nicht alles formalisiert werden. Zum einen kann nicht für jede Situation eine formale Regel formuliert werden, zum anderen wäre es für den Einzelnen kaum möglich ein vollständiges Regelwerk zu kennen, da es viel zu komplex und umfangreich wäre. Deswegen existieren informale Strukturen und Beziehungen. Luhmann sagt ganz explizit, dass, je stärker ein Verhaltensbereich formalisiert wird, desto weniger wird er anderen Erwartungen gerecht und desto eher entstehen informelle Verhaltensweisen.

Im Gegensatz zu formellen Beziehungen gibt es in den informellen Strukturen innerhalb einer Organisation keine formalisierten Erwartungen. Man sagt auch, dass sich die Organisation selbst den informellen Beziehungen nicht bewusst ist. Dennoch existieren sehr wohl Erwartungen innerhalb der informellen Beziehungen, jedoch in einer anderen Form. Sie sind festgeschrieben. Dennoch führt auch hier ein Verstoß gegen die informellen Erwartungen zu Sanktionen; dann jedoch nur in informeller Weise, wie z.B. Mobbing. Innerhalb der informellen Strukturen gibt es keine formalisierte Mitgliedschaft: es ist nicht immer klar, wer momentan als Mitglied der informellen Organisation gilt. Informelle Beziehungen haben den formellen Beziehungen gegenüber einen Vorteil: Sie sind flexibler, d.h. sie können sich auf alle etwaigen Probleme und Situationen einstellen. Sie sind eine Ergänzung zum formalen System, denn Systembedürfnisse, die im Rahmen formaler Strukturen nicht anerkannt werden, müssen in informalen Situationen befriedigt werden.

Informelle Beziehungen erzeugen eine spezifische Art von Loyalität zwischen dem Angestellten und dem Vorgesetzten. Dies kann hilfreich für die Organisation sein, denn es löst Systemprobleme. Demnach ist es die Organisation selbst, die die informellen Kontakte braucht und auch erzeugt. Informale Strukturen sind eine direkte Folge von formalen Strukturen. Zusammenfassend sind informale Strukturen also eine bewusste, stets vorläufige Ausklammerung formaler Verbindlichkeit. Ihr Ordnungsprinzip ist die „Negation der formalen Verbindlichkeit“ und dennoch ist das Überwechseln zu formalen Situationsauffassungen stets mit eingeschlossen.

3. Knackpunkte der Texte „Trennung formaler und informaler Rollen“ und „Eigenrecht der Situation“ von Niklas Luhmann

Luhmann vertritt die Auffassung, dass formales und informales Handeln in einer Organisation immer möglich sein muss und deshalb Mechanismen existieren müssen, die ein Überwechseln zwischen den beiden Handlungsmöglichkeiten ermöglichen und legitimieren. Jedes Mitglied muss dafür aber auch in der Lage sein, Situationen formal oder informal zu definieren und die dementsprechende Entscheidung in der Situation herbeizuführen. Oft entstehen dabei jedoch Konfliktsituationen.

Luhmann stellt zwei Lösungswege für Konfliktsituationen vor. Zum einen die „Situationstrennung“, zum anderen die vollständige Trennung der Rollenpartner.

Die „Situationstrennung“ hilft dem Gegenüber zu unterscheiden, dass der Partner momentan nach bestimmten Grundsätzen handelt, die der Situation angemessen sind. Dennoch weiß das Gegenüber, dass der Partner in anderen Situationen nach anderen Grundsätzen handelt und nimmt deshalb keinen Anstoß an dem Verhalten des anderen. Die „Situationstrennung“ hat dann also den Sinn das Vertrauen zwischen den Situationsteilnehmern zu festigen. Das Vertrauen, dass in anderen Situationen dementsprechend auch richtig, der Situation entsprechend, gehandelt wird. Somit ist auch die Vorraussetzung für das gemeinsame Überwechseln zwischen Situationen gegeben. Dieses gemeinsame Überwechseln versteht Luhmann als die „Regel der dynamischen Koordination“.

Den zweiten Lösungsweg, den Luhmann anführt, die vollständige Trennung der Rollenpartner, ist als Lösung jedoch nur schwer realisierbar.

Ein weiterer Begriff den Luhmann in seinem Text einführt, ist das „Eigenrecht der Situation“. Die normativen Sozialtheorien gehen davon aus, dass die Handlungsvorschriften einer Organisation möglichst getreu in das Handeln der Organisationsmitglieder übertragen werden sollten. Es ist aber anzunehmen, dass Situationen eine eigene Ordnung haben, so dass sie spezifische Anforderungen an das Verhaltensgeschick des Einzelnen stellen. Dabei kann es auch durchaus sinnvoll sein, sich von der formalen Organisation zu distanzieren. Die soziale Situation besitzt also ein Eigenrecht, nach dem gehandelt werden sollte. Was gesagt oder getan werden darf, ist zum Teil das Ergebnis der Situationsbeteiligten, und wie diese Informationen aufnehmen und verstehen. Dabei bekommt die Situation im Verlauf eine eigene Ordnung und die Situationsteilnehmer verpflichten sich auf die Situationsordnung. Entstehen Spannungen innerhalb der Situation und unter den Situationsteilnehmern, kann dies dazu führen, dass die Situationsrollen verlassen und die Grenzen des Situationssystems überschritten werden. Störungen der Situation sind dann Angriffe auf die übrigen Beteiligten, die unvermeidlich sind.

Ein weiterer, erwähnenswerter Punkt, den Luhmann anführt, ist der „expressive Stil des Verhaltens“. Damit verheißt der Handelnde auch die Beachtung solcher Systemgebote von denen im Augenblick nicht die Rede ist. Der „expressive Stil des Verhaltens“ entzieht sich völlig der Steuerung durch die Organisation.

4. Theater als Organisation – Organisation als Theater

Neben den Schauspielern eines Theaters, die auf der Bühne agieren, gibt es auch noch einige, die im Hintergrund tätig sind, wie beispielsweise die Garderobieren, die Beleuchter, der Regisseur, das Publikum und viele mehr. Rastetter behauptet, dass es in einer Organisation einen ähnlichen Aufbau gibt. „Man kann weder das Theater auf das vorgespielte Rollenspiel reduzieren, noch ist es möglich die Organisation auf die handelnden Personen zu reduzieren“ (vgl. Rastetter 1993, S. 231).

Das „Stück“, das Schauspieler wie auch Angestellte in einer Organisation – zum besseren Verständnis im Weiteren Darsteller genannt – zu spielen haben, ist zunächst einmal vorgeschrieben. Wirklich interessant ist allerdings, wie die Darsteller es umsetzen. Sie können nicht nur die vorgeschriebenen und zunächst unabhängig von ihnen existierenden Rollen umsetzen, die ihnen zugewiesen werden, sondern sie spielen immer auch ein Stück weit sich selbst. Deshalb wird ein Stück immer anders umgesetzt sein, wenn ein Darsteller ausgewechselt wird. Am Stück selbst ändert sich nichts, aber an seiner Inszenierung. Allerdings spielen die Menschen die Rollen, nicht umgekehrt. Die Inhalte sind von „Höheren“ vorgegeben. Rollen werden partiell freiwillig und zeitlich begrenzt übernommen. Aber das „Selbst“ hinter der Maske bleibt immer noch vorhanden (vgl. Rastetter 1993, S. 231).

Hinzu kommt eine Abhängigkeit der Darsteller von der gesamten Gesellschaft. Wie findet das Publikum das Stück? Welche finanziellen und technischen Möglichkeiten kann das Theater bieten? All diese Komponenten lassen sich auch auf die Organisation übertragen, bspw., wie kommt die Organisation bei ihrer Umwelt, also Geschäftspartnern, Angestellten, Nachbarn, usw. an, welche Möglichkeiten stehen ihr in den Bereichen Finanzen, Forschung, etc. zur Verfügung. Weitere Fragestellungen sind denkbar.

5. Geschlechtsrolle als Hauptrolle

Wir alle sind Träger verschiedener sozialer Rollen, z.B. als Student/in, Arbeitskollege/in, Ehepartner, Freund/in usw. In jeder dieser Rollen liefern wir eine andere Darstellung unseres Selbst. Eine Art Sonderrolle stellt die Geschlechtsrolle dar. Diese Rolle sucht man sich nicht aus, sie ist vielmehr von Geburt an vorgegeben. Das Geschlecht erfasst ausnahmslos alle Lebensbereiche und kann nicht äquivalent zu Arbeits- oder sozialen Rollen gesehen werden

(vgl. Hirschauer 1989, S. 100-118). Die Geschlechtsidentität stellt das erste Identitätsgefühl her, das wir als Kind annehmen und ist damit von äußerster Wichtigkeit.

Die Geschlechtszugehörigkeit ist eines der ersten Merkmale, das wir bei Begegnungen mit anderen wahrnehmen. Das äußere Erscheinungsbild stellt dabei nur eines von vielen Kriterien dar, die für die korrekte Identifizierung des jeweiligen Geschlechts notwendig sind.

Entscheidend ist, dass sich eine Person kompetent gegenüber ihrem Geschlecht verhält, bzw. kompetent mit Geschlechtsindizien umgeht. Es geht demnach nicht um die perfekte Darstellung eines Geschlechts, sondern um dessen Selbstverständlichkeit (vgl. Hirschauer 1989, S. 100-118).

Verwendet man den Rollenbegriff im Bezug auf die Geschlechtsrolle, so bedarf es noch einiger Ergänzungen. Der Begriff der „Rolle“ legt nahe, dass ein Bündel von Geschlechtsrollenanweisungen vorgegeben ist, welches im Laufe des Sozialisationsprozesses angeeignet werden muss und dann funktioniert. Außer Acht gelassen werden dabei entscheidende Macht- und Dominanzverhältnisse, in deren Folge die Rollen ungleich bewertet werden, sowie Aspekte der sozialen Konstruktion der Geschlechterpolarität, die Veränderlichkeiten über Gesellschaften und Zeiten, sowie Überwindbarkeit einschließen. Zahlreiche Untersuchungen zur Diskriminierung der Frau in unserer Gesellschaft haben dabei gezeigt, dass die Geschlechterpolarisierung die Frauen härter trifft als die Männer. Während die Inhalte festgelegter Geschlechtsrollen für Frauen Eigenschaften wie sanft, abhängig, warmherzig, sozial usw. umfassen, werden den Männern die folgenden Eigenschaften zugeschrieben: kompetent, unemotional, logisch und dominant (vgl. Veith 1985, S. 28 f.).

Trotz inzwischen favorisierter „weicher“ Führungseigenschaften, korrespondiert das Managerstereotyp bei Befragten nach wie vor mit dem Stereotyp des idealen Mannes (vgl. Rustemeyer & Thrien 1989, o.S.).

Die Frau scheint mehr „Geschlecht“ zu haben als der Mann und Weiblichkeit wird mit körperlichen Eigenschaften verknüpft, nicht mit intellektuellen. Die Gleichsetzung der Frau mit Geschlechtlichkeit und Sexualität zieht sich bereits durch die Geschichte des Christentums und noch heute haben die Frauen in unserer Gesellschaft mit der Abwertung der Frau als Verkörperung des Geschlechtlichen zu kämpfen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Informelle Beziehungen aus organisationssoziologischer Perspektive
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
13
Katalognummer
V35231
ISBN (eBook)
9783638352123
ISBN (Buch)
9783638761772
Dateigröße
409 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Einzeiliger Zeilenabstand
Schlagworte
Informelle, Beziehungen, Perspektive
Arbeit zitieren
Catrin Knußmann (Autor:in), 2005, Informelle Beziehungen aus organisationssoziologischer Perspektive, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/35231

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