Teamzusammenstellung von Baukolonnen

Analyse der Wahrnehmung einer Personalrotation im Hinblick auf Arbeitszufriedenheit, Motivation und Leistung der Mitarbeiter


Bachelorarbeit, 2013

251 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Problemstellung
1.2. Ziel der Arbeit
1.3. Aufbau der Arbeit

2. Begriffliche und theoretische Grundlagen
2.1. Baukolonne.
2.2. Personalrotation
2.3. Multiple Team Membership
2.4. Arbeitszufriedenheit
2.5. Motivation
2.6. Leistung

3. Stand der Forschung und Forschungsbedarf

4. Methode/ Studiendesign
4.1. Qualitative Interviewstudie
4.2. Sample
4.3. Aufbau und Durchführung der Interviews
4.4. Auswertung der Interviews

5. Analyse der Interviews
5.1. Arbeitszufriedenheit
5.2. Motivation
5.3. Leistung

6. Diskussion
6.1. Interpretation der Ergebnisse aus praxisorientierter Sicht
6.2. Limitation
6.3. Zukünftiger Forschungsbedarf

7. Fazit

8. Literaturverzeichnis

9. Anhang.
Interviewleitfaden Facharbeiter/Polier
Kategorienkatalog
Transkription der Interviews

Zusammenfassung

Diese Forschungsarbeit analysiert die Wahrnehmung einer Personalrotation von Baukolonnenarbeitern in folgenden drei Bereichen:

- Arbeitszufriedenheit
- Motivation
- Leistung

Die Arbeit liefert außerdem Erkenntnisse, ob eine Personalrotation zwischen Baukolonnen unter diesen Gesichtspunkten sinnvoll ist oder nicht. Anhand der Ergebnisse liefert diese Arbeit entsprechende Handlungsempfehlungen.

Für die empirische Untersuchung wurden 16 Personen aus verschiedenen Bereichen der Bauunternehmung Hugo Pieper interviewt. Das Unternehmen ist ein mittelständiges Bauunternehmen im Tief- und Straßenbaubereich, das 1963 gegründet wurde und derzeit 56 Personen beschäftigt. Die interviewten Personen stammen aus der Managementebene, den Baukolonnen, der Werkstatt und der Personalabteilung. Im Rahmen der Interviews wurden die Meinungen und Erfahrungen der Mitarbeiter bezüglich einer Personalrotation erfragt und die Vor- und Nachteile anhand einer Szenariobetrachtung erarbeitet. Die Szenarien beschrieben zum einen die Situation in Stammkolonnen und zum anderen die Situation bei einer regelmäßigen Personalrotation.

Die Ergebnisse ergaben, dass eine regelmäßige Personalrotation der Bauarbeiter keinen Sinn macht. Die negativen Folgen dieser Maßnahmenübersteigen die positiven Wirkungen in allen drei Forschungsbereichen. Grundsätzlich sollten Arbeiter deshalb in festen Kolonnen („Stammkolonnen“) arbeiten. Das heißt aber nicht, dass gänzlich von einer Personalrotation abgesehen werden sollte. Denn die Ergebnisse der Analyse ergaben, dass diese Methode unter gewissen Umständen in allen drei Bereichen auch positiv wahrgenommen wird. Eine punktuelle Personalrotation aufgrund bestimmter situativer Begebenheiten wurde demnach für Arbeitszufriedenheit, Motivation und Leistung der Arbeiter und Kolonnen als wirkungsvoll erachtet

Abbildungsverzeichnis

1. Arbeitskosten

2. Preisindex Straßenbau

3. Flow-Diagramm nach Csikszentmihalyi

4. Bearbeitetes Flow-Diagramm nach Csikszentmihalyi

5. Leistungsentwicklung von Projektgruppen

Tabellenverzeichnis

1. Preisindizes für den Neubau von Verkehrswegen

2. Preisindizes für den Errichtung von Ortskanälen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Die vorliegende empirische Forschungsarbeit untersucht, wie Arbeiter in Baukolonnen eine Personalrotation wahrnehmen. Der Fokus liegt dabei auf den Komponenten Zufriedenheit, Motivation und Leistung. Ziel ist, am Ende fundierte Aussagen darüber machen zu können, ob eine Rotation von Baukolonnenpersonal für ein Bauunternehmen, hier die Firma Hugo Pieper GmbH, sinnvoll ist oder nicht.

1.1 Problemstellung

Obwohl die Aspekte der Teamarbeit bereits in vielen Facetten erforscht wurden (Vetter & Wiesenbauer, 1994; Schneider & Knebel, 1995; Stumpf & Thomas, 2003) ist bislang auf dem Gebiet der Zugehörigkeit von Arbeitern zu mehreren Teams, also einer Personalrotation zwischen Teams, wenig bekannt: „[…]very little is known about its implications for teams and individuals alike”(Mathieu, Maynard, Rapp & Gilson, 2008, S.442). Zudem lassen die verschiedenen Erkenntnisse der Untersuchungen zu diesem Thema keine allgemeingültigen Aussagen zu. "The effects of multiple team membership are not purely structural and are subject to individual agency or managerial intervention" (O'Leary, Mortensen & Woolley, 2011, S. 473). Die Tatsache, dass sich die Forschungsergebnisse anderer Branchen aufgrund der spezifischen Eigenschaften der Baubranche nicht auf selbige projizieren lassen, unterstreicht den Forschungsbedarf auf diesem Gebiet. Bislang hat einzig Brendt (1995) speziell auf unterschiedliche Reaktionen von Bauarbeitern auf Veränderungen ihres Arbeitsplatzes hingewiesen. Die Entwicklungen in der Tief- und Straßenbaubranche machen aus praktischer Sicht ebenso deutlich, wie wichtig es für Bauunternehmen ist, sich in einer Zeit wachsender Material- und Personalkosten und starkem Wettbewerb, auf die Effizienz ihrer Baukolonnen und der Motivation und Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter zu fokussieren, um am Markt bestehen zu können. Die Abbildungen 1 und 2 bestätigen diese Tendenzen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Arbeitskosten Abbildung 2: Preisindex Straßenbau

Quelle: Statistisches Bundesamt 2012, Preisindizes für die Bauwirtschaft, S. 10-11

Die abgebildeten Diagramme zeigen die Entwicklung der Arbeits- und Materialkosten im Zeitraum von 2005 bis 2012. Die Daten zu diesen Grafiken wurden von 5300 repräsentativen Unternehmen im Baugewerbe erhoben. In den Arbeitskosten sind Löhne, Gehälter und die Beiträge zur Sozialversicherung der Bauunternehmen enthalten. Der Preisindex im Straßenbau zeigt die Preisentwicklung für marktübliche Fertigteile zur Herstellung typischer Bauwerke im Straßenbaubereich. Als Basisjahr dient jeweils das Jahr 2005 mit dem Ausgangsniveau von 100 Prozent. Die Arbeitskosten stiegen in den vergangenen sieben Jahren um mehr als zwölf Prozent, die Materialkosten im Straßenbaubereich im selben Zeitraum sogar um knapp 30 Prozent (Statistisches Bundesamt 2012).

Die folgenden Tabellen 1 und 2 zeigen diese Entwicklungen in der Tief- und Straßenbaubranche noch detaillierter: in beiden Bereichen sind seit 2005 bei verschiedenen Ausführungsarbeiten Kostensteigerungen von 14 bis 46 Prozent zu beobachten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Preisindizes für den Neubau von Verkehrswegen

Quelle: Statistisches Bundesamt, Preisindizes für die Bauwirtschaft, S. 18

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Preisindizes für die Errichtung von Ortskanälen

Quelle: Statistisches Bundesamt, Preisindizes für die Bauwirtschaft, S. 18

Um diesen steigenden Kostenfaktoren standhalten zu können, ist es deshalb wichtig, dass sich die Bauunternehmen in ihren inneren Strukturen so weiterentwickeln, dass ihre Kolonnen produktiver werden. Genau an diesem Punkt setzt diese Forschungsarbeit an und untersucht die Möglichkeit einer Personalrotation zur Steigerung der Produktivität im Hinblick auf die damit in Zusammenhang stehende Zufriedenheit und Motivation der Arbeiter.

1.3 Ziel der Arbeit

Ziel der Arbeit ist es, die Wahrnehmung einer Personalrotation von Baukolonnenpersonal anhand der Aspekte Arbeitszufriedenheit, Motivation und Leistung zu untersuchen. Dies dient dazu eine Aussage darüber treffen zu können, wie Baukolonnen zusammengestellt werden und wie lange sie als Team bestehen sollten, damit ein Bauunternehmen produktiver ist und sich gegenüber seinen Mitbewerbern am Markt behaupten kann.

Dazu wird die Wahrnehmung einer Personalrotation anhand der Zufriedenheit, Motivation und Leistung der Bauarbeiter analysiert. Andere Aspekte, die gegebenenfalls ebenso durch eine Personalrotation beeinflusst werden, werden bewusst außer Acht gelassen und sind nicht Teil des Forschungsinteresses. Im Bezug auf die Personalrotation wird eine gewisse Rotation im alltäglichen Arbeitsbetrieb aufgrund des schwankenden Personalbedarfs während einer Baumaßnahme als gegeben angenommen und ist deshalb nicht Bestandteil der Untersuchung. Von Bedeutung ist viel mehr zu klären, welche Auswirkungen eine regelmäßige Personalrotation auf die drei oben genannten Aspekte hat und ob ein Bauunternehmen deshalb eher davon Abstand nehmen sollte oder ob es Sinn macht, sich den Wirkungen einer solchen Maßnahme zu behelfen.

1.4 Aufbau der Arbeit

Um das Grundverständnis für diese Forschungsarbeit zu schaffen und grundlegende Definitionen festzulegen, wird in Kapitel zwei mit einer Definition und Abgrenzung der relevanten Begriffe begonnen. Daran anschließend werden Studien vorgestellt, die einenüberblicküber den aktuellen Forschungsstand und den daraus entstehenden Forschungsbedarf zu diesem Thema verschaffen. In Kapitel vier wird das Studiendesign vorgestellt, die qualitative Interviewstudie, mit deren Hilfe die erforderlichen Daten zur Beantwortung der Forschungsfragen erhoben wurden. Abgeschlossen wird dieses Kapitel durch die qualitative Inhaltsanalyse, die zur Auswertung der empirischen Studie angewandt wurde. Kapitel fünf analysiert die Interviews und präsentiert die Ergebnisse der durchgeführten Studie in den Kategorien Arbeitszufriedenheit, Motivation und Leistung. Daran anschließend werden die Ergebnisse diskutiert und aus wissenschaftlicher und praxisorientierter Sicht interpretiert. Des Weiteren wird der durchgeführten Studie und den daraus gewonnenen Erkenntnissen in Kapitel 6 eine kritische Würdigung verliehen, anhand derer auf den zukünftigen Forschungsbedarf in diesem Bereich verwiesen wird. Das siebte Kapitel beinhaltet das Fazit und trägt die wichtigsten Erkenntnisse der Forschungsarbeit zusammen.

2. Begriffliche Erklärungen

In diesem Kapitel werden theoretische Grundlagen definiert, die für das Verständnis dieser Arbeit von wesentlicher Bedeutung sind und auf deren Basis die forschungsrelevanten Fragen untersucht werden. Zunächst werden mit den Definitionen einer Baukolonne, der Personalrotation und der „Multiple Team Membership“ rein begriffsspezifische Abgrenzungen getroffen. Danach wird erklärt, wie die drei Untersuchungsmerkmale Arbeitszufriedenheit, Motivation und Leistung im Rahmen dieser Arbeit definiert werden und welche wissenschaftlichen Theorien jeweils herangezogen werden, um diese zu analysieren.

2.1 Baukolonne

Laut der Definition im Duden wird unter einer Baukolonne eine Gruppe von Bauarbeitern im Straßen- oder Gleisbau verstanden. Wenn im Rahmen dieser Arbeit von einer Baukolonne gesprochen wird, ist darunter also eine Gruppe von Arbeitern zu verstehen, die sich aus Menschen mit unterschiedlichen Fachqualifikationen und Aufgabenbereichen zusammensetzt. Eine Kolonne kann als klassische Arbeitsgruppe angesehen werden. Denn laut Goodman, Devadas & Hughson (1988) ist eine Arbeitsgruppe eine Gruppe von Mitarbeitern, die eine gemeinsame Aufgabe stark funktions- und arbeitsteilig durchführt und von einem Vorgesetzten geleitet wird, der das Personal einteilt und kontrolliert (Schattenhofer, Schrapper & Velmerig, 2004).

Da im Zusammenhang mit der Beschreibung des Wortes Baukolonne der Begriff der Gruppe gebraucht wird, soll dieser hier ebenfalls kurz definiert werden. Es gibt eine Vielzahl von Definitionen einer Gruppe (Stumpf & Thomas, 2003; Isermann, 2004; Schattenhofer et al., 2004). Für diese Arbeit wird die Definition einer Gruppe nach Forster (1978) zugrunde gelegt. Demnach ist eine Gruppe ein soziales Gebilde, das aus einer Mehrzahl von Menschen besteht, die in einer wechselseitigen Beziehung zueinander stehen und jedes Gruppenmitglied seine eigene Funktion bei der Erreichung eines gemeinsamen Zieles hat. In der Literatur werden die Begriffe der Gruppe und des Teams oft synonym gebraucht (Isermann, 2004).

Forster stellt ebenso heraus, dass „[…] eine präzise Abgrenzung zwischen einem Team und einer Gruppe und damit auch zwischen Teamarbeit und Gruppenarbeit kaum gemacht werden kann." Da Bay (1998, S. 17) ebenso "[…]keinen besonderen Sinn in diesem Auseinanderdefinieren von Team und Gruppe" sieht, werden diese beiden Begriffe im Folgenden synonym benutzt.

In der Praxis setzt sich eine Baukolonne wie folgt zusammen: Der Polier steht hierarchischüber den anderen Kolonnenmitgliedern und koordiniert die Arbeiten in der Kolonne. Weitere Mitglieder, die aufgrund ihrer Qualifikationen in der Lage sind, bestimmte Tätigkeiten am Bau auszuführen, werden als „Facharbeiter“ bezeichnet. Diejenigen, die auf der Baustelle große Geräte wie z.B. Bagger oder Walze bedienen, nennt man „Maschinisten“. Als „Springer“ bezeichnet man Personal, das bedarfsgerecht in den Kolonnen eingesetzt wird und sich keiner bestimmten Kolonne zuordnen lässt. Wenn in der Arbeit von einer Stammkolonne die Rede ist, so ist darunter eine Baukolonne zu verstehen, deren Personalstamm fest und unbefristet zusammenarbeitet. Wird von einem Bauleiter gesprochen, so ist die Person gemeint, die zwar nicht direkter Bestandteil einer Baukolonne, aber für diese zuständig und verantwortlich ist. Ein Bauleiter wird somit als Bindeglied zwischen Management und den Baukolonnen bezeichnet.

2.2 Personalrotation

Nach Bekermann (2007, S. 33) steht der Begriff der Personalrotation für einen „gelenkten Arbeitsplatzwechsel“. Auf das vorliegende Forschungsprojekt bezogen bedeutet diese Definition, dass man die Arbeiter einer Baukolonne nicht in einer Stammkolonne einsetzt, sondern dass die Zusammensetzung einer Baukolonne durch die Personalrotation variiert und die Arbeiter immer wieder in verschiedenen Kolonnen eingesetzt werden.

2.3 Multiple Team Membership

Hinter dem Begriff der „Multiple Team Membership“ versteht man nach O’Leary, Mortensen & Woolley (2011), dass Arbeiter nicht nur in einem Team eingesetzt werden, sondern ihre Arbeitskraft in mehreren Teams einbringen, zwischen denen sie wechseln. Der Begriff wird an dieser Stelle erklärt, weil in Kapitel drei eine Studie zu diesem Thema aufgegriffen wird, dessen Erkenntnisse aufgrund der Ähnlichkeit zu der bereits vorgestellten Personalrotation von Bedeutung sein können.

2.4 Arbeitszufriedenheit

Über kaum einen anderen Bereich der Arbeitspsychologie gibt es so viele unterschiedliche Auffassungen wieüber Arbeitszufriedenheit (Schulte, 2005; Fischer & Borg, 2006; Süß und Haarhaus, 2012). Frese (1990) beschreibt die Arbeitszufriedenheit demnach als das komplexeste und diffuseste aller Gefühle in der Arbeitspsychologie (Fritz, 2005). Es wird deutlich, dass es deshalb einer klaren Abgrenzung bedarf, wie Arbeitszufriedenheit in dieser Arbeit definiert wird, um die Ergebnisse der Studie korrekt bewerten zu können. Um eine Definition von Arbeitszufriedenheit zu finden, die den spezifischen Verhältnissen der Arbeit am Bau Rechnung trägt, wird die Beobachtung von Stahl (2011, S.67) herangezogen. Er berichtet, dass unter anderem Routinetätigkeiten im Tiefbau auf „flowähnliche“ Erlebnisse schließen lassen. Ein "Flow" bezeichnet demnach ein Empfinden, bei dem Arbeiter während ihrer Arbeit im Einklang mit sich selbst und voll und ganz auf die Arbeitsaufgabe fokussiert sind (Fincham, Rhodes & Peters, 2005).

Diese Ansicht stützt sich auf die „Flow-Theorie“ von Mihaly Csikszentmihalyi (1995).

Demnach erlangen Menschen ein Bewusstsein des Zufriedenseins, wenn ihnen eine komplexe Aufgabe reibungslos von der Hand geht, sie die einzelnen Schritte ihres Handelns automatisiert haben und deshalb völlig bei der Ausführung der Arbeitsabläufe aufgehen. Eine bewusste Konzentration auf die Aufgabe ist während eines „Flow-Erlebnis“ nicht mehr nötig, weil man den Arbeitsablauf verinnerlicht hat und beherrscht. Darin liegt auch der Grund, dass sich die Arbeiter bei der Ausführung ihrer Arbeit sicher fühlen und das Gefühl haben die Situation kontrollieren zu können. Dieses „Flow-Erlebnis“ entsteht in einem Bereich zwischenüber- und Unterforderung, die aus dem Verhältnis der individuellen Fähigkeiten und der zu erledigenden Aufgabe erwächst. Um dieses Flow-Erlebnis bei der Arbeit zu empfinden, bedarf es einer möglichst störungsfreien Arbeitsumgebung, einem Arbeitsklima, das zwischenmenschliche Probleme am Arbeitsplatz ausschließt und einer relativen Balance zwischen Anforderungen und Fähigkeiten (Stahl, 2011). Siehe Abb. 3 Flow-Diagramm unten:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Flow.svg [Stand: 24.04.2013]

Die Grafik zeigt eine Darstellung des "Flows" in Abhängigkeit von den Fähigkeiten und Anforderungen an den Arbeiter.überforderung entsteht, wenn die Anforderungen an den Arbeiter größer sind, als seine Fähigkeiten. Ist dies der Fall, so empfindet der Arbeiter Stress, Angst undüberforderung oberhalb der oberen Linie. Unterforderung und Routine entstehen, wenn die Fähigkeiten eines Arbeiters größer sind, als die Anforderungen seiner Arbeit. Dies entspricht dem Bereich unterhalb der unteren Linie. Das Flow-Erlebnis liegt genau zwischen diesen beiden Linien und entsteht, wenn Anforderungen und Fähigkeiten in einem günstigen Verhältnis zueinander stehen und in einem geeigneten Arbeitsklima weiter zunehmen. Je besser die Arbeitsbedingungen und je reibungsloser die Arbeitsabläufe, umso größer ist der Bereich des Flow-Erlebens, sprich er beschränkt sich nicht auf die mittlere Linie, sondern kann im Idealfall den gesamten Bereich zwischenüber- und Unterforderung einnehmen (Burzik in Mahlert & Altenmüller, 2006; v. Rosenstiel, 2010). Nach Csikszentmihalyi's Auffassung erzeugen die Arbeitsschritte, die im Allgemeinen reibungslos und unter Vergnügen ablaufen einen "Flow", der bei den Arbeitern Zufriedenheit auslöst (Fincham et. al., 2005). Zur Interpretation und Bewertung der Ergebnisse aus der qualitativen Interviewstudie wird der Einfluss einer Personalrotation im Bezug auf die Arbeitszufriedenheit der Arbeiter an der Flow-Theorie von Csikszentmihalyi analysiert.

2.5 Motivation

Allgemein lässt sich sagen, dass die Frage nach der Motivation, die Frage nach dem Warum des menschlichen Verhaltens und Erlebens ist (von Rosenstiel, 2010 nach Thomae, 1965). Ähnliches was für die Arbeitszufriedenheit gilt, gilt auch für die Motivation von Menschen an der Arbeit. Es existieren zahlreiche wissenschaftliche Theorien darüber, was Menschen motiviert und antreibt (Maslow, 1981; Herzberg 1959; Jost, 2008; von Rosenstiel, 2010). Deshalb mussüber diesen wichtigen Begriff der Arbeitspsychologie eine klare Einigung erfolgen, um Missverständnisse bei der Interpretation der Forschungsergebnisse vorzubeugen.

Für die vorliegende Untersuchung setzt sich der Begriff Motivation aus drei unterschiedlichen Definitionen zusammen: Als Arbeitsmotivation wird die inhaltliche Ausrichtung des arbeitsbezogenen Verhaltens mit seiner Intensität und Dauer verstanden (Köppen, 1997). Die Motivation der Teammitglieder bemisst sich daran, inwieweit sie sich mit den Aufgaben und Zielen ihres Teams identifizieren können und bereit sind, ihre persönlichen Ziele denen der Gruppe unterzuordnen (Francis, 2006). Außerdem wird die Annahme getroffen, dass bestimmte Motive die Ursache für menschliches Verhalten sind (Jost, 2008).

2.5 Leistung

Die Leistung wird für diese Forschungsarbeit definiert als das Ergebnis eines betrieblichen Erzeugungsprozesses (Dautzenberg & Weber, 2013). Der Begriff „Produktivität“ bezeichnet das Verhältnis zwischen Input und Output (Horvath, Steven, Voigt & Wohltmann, 2013). Beide Begriffe werden in dieser Arbeit synonym verwendet. Für eine detaillierte Sichtweise wird als Ausgangspunkt der Ansatz für Leistungsverhalten nach Vroom (1964) betrachtet:

Leistungsverhalten = Motivation x (Fähigkeiten + Fertigkeiten) (Rosenstiel, 2010).

Verschiedene Erkenntnisse vergangener Forschungen veranlassen aber dazu, dass in einem Team weitaus mehr Komponenten die Leistung beeinflussen, als die Motivation, die Fähigkeiten und Fertigkeiten eines Mitarbeiters. Deswegen werden die Einflussfaktoren auf die Leistung eines Teams und seiner Teammitglieder im Baubereich ergänzt: Die Identifikation der Teammitglieder mit dem Team (Gerben, Van der Vegt & Stuart Bunderson, 2005), die Gruppenkohäsion (Mullen & Cooper, 1994), die Art der Zusammenstellung (Chadwick & Thatcher, 1997), die Teamgröße (Künstner & Hausmann, 2002), die Arbeitszufriedenheit (Westover, 2012) und die Dauer des Bestehens eines Teams (Forster 1978) sind weitere Komponenten, die in dieser Arbeit zur Erklärung der Leistungsfähigkeit von Bedeutung sind. Des Weiteren wird die Leistung eines Teams und seiner Mitglieder in Anlehnung an Stumpf und Thomas (2003) als im Zeitverlauf nicht stabil angenommen. Die Leistung eines Teams ist entwicklungsfähig, kann aber auch wieder zurückgehen.

3. Stand der Forschung und Forschungsbedarf

Dieses Kapitel liefert einenüberblick zum bisherigen Stand der Forschung und stellt den Forschungsbedarf in diesem Gebiet heraus. Dazu werden Studien vorgestellt, die Teamarbeitsprozesse, Motivation und Arbeitszufriedenheit in Teams sowie den flexiblen Einsatz von Mitarbeitern in mehreren Teams untersucht haben. Diese begründen den weiteren Forschungsbedarf mit zwei wesentlichen Feststellungen:

1) Die Ergebnisse der vorhandenen Studien divergieren stark
2) Auf diesem Gebiet liegend bislang nur unzureichend viele Forschungsergebnisse vor

Bislang gibt es nur sehr wenige Studien, die die Auswirkungen einer Personalrotation in Teams im Hinblick auf Arbeitszufriedenheit, Motivation und Leistung der Mitarbeiter ausreichend untersucht haben. O'Leary et.al (2011) beispielsweise analysierten in einer Studie die Auswirkungen einer „Multiple Team Membership“ im Hinblick auf die Weiterentwicklung und Leistung der Arbeiter. Darin heißt es, dass sich bislang wenig mit den Auswirkungen einer Personalrotation auf der Teamebene beschäftigt und die Effekte wenig untersucht wurden.

Auch Stumpf & Thomas (2003) stellen die Kluft zwischen Wissenschaft und Praxis für organisationspsychologische Themen, zu denen neben der Teamentwicklung auch die Arbeitszufriedenheit und Arbeitsmotivation zählt, fest und stützen sich dabei auf die Erkenntnisse von Bamberg (1999), Greif (1999), Rosenstiel & Gebert (1981) und Thomas (1982). Des Weiteren scheinen sich die Argumente für die Teamarbeit im Vergleich zu früheren Ansichten geändert zu haben. „Während man früher die Teamarbeit insbesondere aufgrund ihrer sozialen und emotionalen Aspekte eingeführt hat, macht man dies in der heutigen Arbeitswelt eher trotz dieser Effekte“ (Buchinger, „Gruppenarbeit und Teamarbeit in Organisationen. Ideologie und Realität“ in Schattenhofer, 2004, S. 215).

Bisher wurden die Komponenten Zufriedenheit, Motivation und Leistung oft getrennt voneinander untersucht. Es wird aber vermutet, dass es weder alleine um die Leistung der Gruppe noch um die Zufriedenheit und Bedürfniserfüllung der Gruppenmitglieder geht, sondern darum, dass diese Komponenten zusammenhängen (Stumpf & Thomas, 2003). Ergebnisse verschiedener Studien belegen zudem den Einfluss einer Personalrotation auf diese drei Aspekte. Forscher sind sich bislang jedoch uneinig, in welcher Art und Weise diese Komponenten beeinflusst werden:

Laut Hopp und Van Oyen (2004) wird es einem Arbeiter mit jedem Einsatz in einem anderen Team erschwert, den Fokus auf das jeweilige Team zu legen und sich in die Teamarbeit einzugliedern (O'Leary et.al., 2011), was die Vermutung zulässt, dass eine Personalrotation negativen Einfluss auf die Leistung des Einzelnen hat. Jett & George (2003) stellten in ihrer Studie hingegen fest, dass durch den Einsatz von Arbeitern in verschiedenen Teams und die damit verbundene Unterbrechung der Zusammenarbeit in den jeweiligen Teams ein Reiz im Arbeitsalltag gesetzt wird, der hilft, die Leistung langfristig zu steigern. Milgrom und Roberts (1992) bezeichnen Arbeiter, die nur in einem Team eingesetzt werden als uneffektiv. Zu einer anderen Erkenntnis gelangen Kc und Terwisch (2009) in einer Studie, die Auswirkungen von Personalrotation auf dem Gebiet von Krankenhausmitarbeitern untersucht hat. Sie stellen die Vermutung auf, den Krankenpflegern mehr Patienten zuzuteilen, hätte eine Leistungssteigerung zur Folge. Entgegen dieser Vermutung haben sie jedoch festgestellt, dass ein anfänglicher Produktivitätszuwachs nicht nachhaltig war und die Produktivität im Zeitverlauf sogar deutlich gesunken ist. Gleichzeitig kamen die Forscher aber zum Ergebnis, dass der Zeitdruck, dem Mitarbeiter bei dem Einsatz in mehreren Teams ausgesetzt sind, dazu führen kann, effektivere Arbeitsabläufe zu entwickeln, um den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden. O`Leary et.al. (2011, S. 472) kommen zu dem Urteil, dass sich der Wechsel von Arbeitern zwischen verschiedenen Teams negativ auswirkt- "[…]being on multiple teams hurt performance[…]" und stellen fest, dass in Teams, die länger zusammenarbeiten, der Umgang der Teammitglieder untereinander vertrauter wird und das Team in der Lage ist, eine Hierarchie aufzubauen und Arbeitsabläufe einzuüben. Außerdem fanden sie heraus, dass eine Personalrotation oft eine Umstellung bezüglich der auszuführenden Aufgaben, der Rolle im Team, der Arbeitsabläufe und der Arbeitstechnik zur Folge hat und einen Wechsel in ein anderes Team kompliziert macht. Diese Umstellung rufe bei den Arbeitern einen Stresszustand hervor, der wiederum Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit und Leistung zu nehmen scheine.

Jehangir, Kareem, Khan (2011) untersuchten in einer Studie die Zusammenhänge zwischen Stress an der Arbeit, Arbeitszufriedenheit und Leistung und kamen zu dem Resultat, dass zwischen Arbeitsstress und Arbeitszufriedenheit genauso ein negativer Zusammenhang besteht wie zwischen Arbeitsstress und Arbeitsleistung. Es ist also von Bedeutung, die genaue Wirkung einer Personalrotation auf die Arbeitszufriedenheit zu untersuchen. Fritz (2005) ist der Meinung, dass sich Arbeiter für eine produktive Arbeitsleistung sozialer und persönlicher Ressourcen bedienen- der Abruf dieser Ressourcen sei wahrscheinlicher, wenn sich der Arbeiter bei seiner Arbeit wohlfühlt. Außerdem sei es für den Arbeitnehmer bei gegebener Arbeitszufriedenheit leichter, sich mit seiner Arbeit zu identifizieren und mehr Engagement in die Arbeit zu setzen.

Auch Westover (2012) hat in einer Studieüber Arbeitszufriedenheit festgestellt, dass zufriedene Arbeiter mehr Leistung bringen. Konträre Ergebnisse liefert jedoch die Studie zur „Multiple Team Membership“ von O‘ Leary. Dort heißt es nach Brooks (1995) und Huey & Wickens (1993), dass Arbeiter in einer Arbeitsumgebung, in der sie sich wohlfühlen, Diese Erkenntnis ist wiederum ein Indiz für eine Personalrotation.

Weitere Forschungsergebnisse der Arbeitspsychologie und der Wirtschaftswissenschaften beweisen, dass die Produktivität eines Teams von der Qualität des Zusammenspiels und von den Rahmenbedingungen der Teamarbeit abhängt und gleichzeitig die Zufriedenheit und Motivation der Teammitglieder beeinflusst (Clausen, „Die Diagnose der Arbeitsfähigkeit" in Schattenhofer, 2004). Daher besteht Bedarf, die Auswirkungen einer Personalrotation auf diese Aspekte genauer zu untersuchen.

Clausen stellt weiter fest, dass es bei der Zusammenarbeit in Teams mit der Zeit zu Leistungsverlusten kommt, die auf eine zunehmende Homogenisierung innerhalb der Teams zurückzuführen sind und es dem Team schwierig macht, konstruktiv zu diskutieren und Entscheidungen des Teams kritisch zu hinterfragen. Der Autor bezeichnet eine Personalrotation, sprich eine Neuformierung der Teams, als ein geeignetes Mittel, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken.

Betrachtet man die sozialen Aspekte einer Personalrotation, die Zufriedenheit und Motivation der Arbeiter beeinflussen, so findet man auch hier in der Forschung unterschiedliche Ergebnisse, die einen weiteren Forschungsbedarf begründen: Laut Schneider & Knebel (1995, S. 48) haben längerfristig angelegte Teams eine "Routinierungs-Tendenz", die im Laufe der Zeit zu Langeweile führt und die Einsatzbereitschaft der Teammitglieder ermüden lässt. Außerdem stellten sie in längerfristig zusammenarbeitenden Gruppen eine "Verschmelzungs- Tendenz" (Schneider & Knebel, S. 45) fest, die sich negativ auf die Leistungsfähigkeit der Gruppe auswirkt, weil Aufgabenbereiche und Persönlichkeiten der Gruppe verschmelzen und sie zu homogen wird, um sich strukturiert und kritisch mit Sachverhalten auseinanderzusetzen. Bay (1998) kommt jedoch zu der Auffassung, dass Teams durch den Austausch oder Wechsel von Teammitgliedern gestört werden. "Die Personenbezogenheit der Gruppe führt zu Wünschen nach stabiler Teamzusammensetzung und dauerhafter Zugehörigkeit." Was häufig ein Hindernis für den organisatorisch erforderlichen, flexiblen Einsatz der Teammitglieder im Unternehmen darstellt (Buchinger, in Organisationen. Ideologie und Realität" in Schattenhofer 2004, S. 215).

Obwohl die vorgestellten Forschungsergebnisse auf die Wichtigkeit einer Personalrotation schließen lassen, kann Teamarbeit nur Erfolg haben, wenn die Teammitglieder von dem Konzept der Teamarbeitüberzeugt sind (Isermann, 2004). Brendt (1995) liefert Indizien, dass Bauarbeiter im Laufe einer Kolonnenzugehörigkeit Präferenzen ausbilden, mit wem sie zusammenarbeiten wollen und deshalb weniger bereit sind, sich in andere Teams einzugewöhnen. Bislang ist aber keine Studie bekannt, die hervorbringt, was Bauarbeiter von einer Personalrotation zwischen Baukolonnen halten. Deshalb ist es erforderlich, die Einstellungen und Meinungen von Baukolonnenmitgliedern zu einer Personalrotation zu erheben und auszuwerten, um Aussagenüber die Erfolgschancen dieser Maßnahme treffen zu können.

Bei der Definition des Leistungsbegriffs ist bereits angeklungen, dass die Dauer der Teamzusammengehörigkeit einen Einfluss auf die Leistung der Teammitglieder und des Teams hat. In Anlehnung an die Ergebnisse von Katz und Allen (1982) lässt sich feststellen, dass bei kurzer Zusammenarbeit in einem Team die Auffassungen der Teammitglieder noch zu unterschiedlich sind und sich im Zeitverlauf angleichen, bis sie irgendwann so ähnlich sind, dass die Effektivität der Gruppe nachlässt, weil kein produktiver Diskussionsrahmen mehr entstehen kann (Scholl in Stumpf, 2003). Der Zeitpunkt einer Rotation scheint also von wesentlicher Bedeutung für den Erfolg der Maßnahme, weil Teams erst eine gewisse Zeit brauchen, bis sie Strukturen ausgebildet haben, die sie effektiv machen (O`Leary et.al., 2011). Von daher ist es notwendig, diesen Zeitpunkt genauer zu identifizieren. Die vorliegende Arbeit bedient sich in diesem Zusammenhang zu einem späteren Zeitpunkt den Erkenntnissen von Schneider & Knebel (1995) und Ulich (2001) in Clausen.

Laut Scholl ist die Frage, wann dieser Zeitpunkt gekommen ist ebenfalls noch nicht ausreichend erforscht, weil unklar ist, welche eindeutigen Phasen Arbeitsgruppen in ihrer Entwicklung durchlaufen und wie sich diese voneinander unterscheiden. Eine Studie von Mullen & Cooper (1994)über den Zusammenhang zwischen Gruppenkohäsion und Gruppenleistung zeigt eine kritische Beziehung zwischen einem hohen, inneren Zusammenhalt einer Gruppe und ihrer Leistung und deutet somit wieder auf die Notwendigkeit einer Personalrotation hin, um die Synergie eines Teams kontrollieren zu können.

Im direkten Bezug zur Baubranche stellte Brendt heraus, das die Reaktionen von Bauarbeitern auf Veränderungen an ihrem Arbeitsplatz unterschiedlich ausfallen, geht dabei aber nur unzureichend darauf ein, wie die Arbeiter genau reagieren. Aufgrund der unzureichenden Forschungen zu diesem Thema in der Baubranche ist eine spezielle Betrachtung einer Personalrotation für diesen Sektor unbedingt erforderlich. Die hier dargestellten bisherigen Forschungsergebnisse machen zwar einen Zusammenhang zwischen einer Personalrotation und Zufriedenheit, Motivation und Leistung der Arbeiter in Teams deutlich, die unterschiedlichen Erkenntnisse verwirren jedoch. Es ist deshalb nötig, dieses Thema genauer zu analysieren, um verlässliche Aussagen in diesem Bereich treffen zu können. Im nächsten Kapitel wird vorgestellt, auf welche empirische Methode die dafür erforderlichen Daten erhoben und ausgewertet werden.

4. Methode und Studiendesign

Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der empirischen Methode, anhand derer die Forschungsfragen in dieser Arbeit untersucht werden. Dazu wird zunächst die qualitative Interviewstudie als Erhebungsmethode vorgestellt. Danach wird erklärt, anhand welcher Gesichtspunkte das Sample für diese Methode zusammengestellt wurde und welchen Umfang die Stichprobe besitzt. Anschließend wird der Aufbau der Interviews dargelegt und die Durchführung der Interviews erläutert. Das Kapitel informiert abschließendüber die Methode, anhand der die erhobenen Daten ausgewertet wurden.

4.1 Studiendesign: Qualitative Interviewstudie

Als Erhebungsmethode wurde die qualitative Interviewstudie ausgewählt. Im Rahmen dieser Studie wurden verschiedene Mitarbeiter aus unterschiedlichen Bereichen der Bauunternehmung Hugo Pieper GmbH in Korbach interviewt. Die Befragung der Interviewpartner erfolgte dabei in einem teilstandardisierten Rahmen anhand eines Interviewleitfadens. Der Interviewleitfaden wurde im Vorfeld der Interviews konzipiert und beinhaltete Fragestellungen zu den drei forschungsrelevanten Bereichen. Einzelne Fragestellungen wurden je nach Bereich, aus dem die Mitarbeiter stammen, ergänzt, umformuliert oder entfernt, sodass am Ende drei Versionen des Leitfadens entstanden sind (siehe exemplarischen Leitfaden für Poliere/Facharbeiter im Anhang). Um eine Verzerrung der Antworten zu vermeiden, erfolgte die Teilnahme an der Studie auf freiwilliger Basis. Zudem wurde vor den Gesprächen herausgestellt, dass die Erhebung der Daten anonym erfolgt.

4.2 Sample

Die Stichprobe besteht aus 16 Personen, die innerhalb des Bauunternehmens aus unterschiedlichen Bereichen stammen und verschiedene Positionen bekleiden. 15 der Interviewpartner waren männlich, eine Person weiblich. Die Anzahl der interviewten Personen entsprach mit 16 rund 29 Prozent der 56 Mann starken Gesamtbelegschaft. Die jüngste interviewte Person war 20 Jahre alt, die Älteste 78 Jahre. Um ein möglichst umfangreiches Meinungsbild zu erreichen wurde die Managementebene, Mitarbeiter aus den Baukolonnen, der Werkstatt und des Büros befragt. Die genaue Aufteilung der Interviewpartner auf die genannten Bereiche zeigt die Tabelle 3:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

4.3 Aufbau und Durchführung der Interviews

Werkstatt/Büro:

- Werkstattleiter
- Personaldisponent

Um die anfängliche Distanz zwischen Interviewpartner und Interviewer abzubauen, beginnen die Interviews mit einer „Eisbrecherfrage“ die im Folgenden abgebildet wird:

„Erzählen Sie mir zu Beginn doch bitte ein bisschenüber sich und ihre Aufgabenbereiche in unserer Firma, damit wir uns ein bisschen besser kennenlernen.“

Diese Frage besitzt keine inhaltliche Relevanz, sondern dient dazu, den Interviewpartner auf das Gespräch einzustimmen und eine angenehme Gesprächsatmosphäre zu schaffen. Anschließend wurden die Gesprächspartner darum gebeten,über ihre bisherigen Erfahrungen mit einer Personalrotation zu berichten und zu erklären, welche Gedanken ihnen bei diesem Begriff in den Sinn kommen. Danach sind die Interviews in drei Blöcken strukturiert, deren Fragen sich auf Arbeitszufriedenheit, Motivation und Leistung bezogen. Dabei wurde eine Szenariobetrachtung vorgenommen, die es möglich macht, die Vor- bzw. Nachteile einer Personalrotation und einem System von Stammkolonnen im Hinblick auf die drei Untersuchungskriterien zu vergleichen. Die beiden angesprochenen Szenarien lauteten wie folgt:

Szenario 1:

„Eine Baukolonne besteht aus einer festen Stammkolonne, die je nach Bedarf, Personalsituation und Auftragslage durch „Springer“ ergänzt wird. Etwa 90% unserer gewerblichen Mitarbeiter arbeiten in Stammkolonnen, 10% werden je nach Bedarf flexibel eingesetzt.“

Szenario 2:

„Es gibt keine Stammkolonnen. Eine Baukolonne wird für jede Baumaßnahme neu zusammengesetzt. Dabei werden die Mitarbeiter je nach Qualifikation und Schwierigkeit der Baumaßnahme einer Kolonne zugeordnet. Demzufolge werden z.B die Schlüsselpositionen in einer Kolonne, die einen schwierigen Auftrag auszuführen hat, mit den besten Mitarbeitern besetzt.“

Dabei wurde betont, dass die Szenarien keinen Anspruch auf Sinnhaftigkeit haben, sondern dazu dienen, den Interviewpartnern zwei Extremsituationen zu illustrieren, die dabei helfen, Unterschiede zwischen Stammkolonnen und einer Personalrotation herauszustellen. Außerdem konnte durch die Szenariobetrachtung eine einheitliche Sichtweise der Probanten erzeugt werden, die ebenfalls Voraussetzung dafür ist, die Aussagen der Interviewpartner vergleichen zu können.

Die Interviews der Studie erfolgten in einem Büroraum der Firma Pieper. Da der Interviewort damit in der gewohnten Arbeitsumgebung der Interviewpartner lag, herrschte während der Gespräche eine angenehme Atmosphäre, die die Ergebnisse der Interviews positiv beeinflusst haben dürfte. Vor dem ersten Interview wurde ein Pretest durchgeführt, in dessen Rahmen der Leitfaden an einem Probeinterview auf Praktikabilität getestet wurde. Außerdem konnte der Interviewer dabei Erfahrungswerte bezüglich seiner Interviewtechnik sammeln. Nach dem Pretest wurde der Leitfaden an markanten Stellen optimiert. Die Interviews begannen jeweils mit einer kurzen Einleitung durch den Interviewer, in der der Anlass der Studie erläutert wurde, sich der Interviewer kurz vorstellte, sowie die Anonymität unterstrichen und das weitere Vorgehen erklärt wurde. Der Gesprächsverlauf danach orientierte sich dann jeweils an den angesprochenen Interviewleitfäden. Die Fragen des Interviewers wurden dabei sehr offen und allgemein gestellt, damit den Interviewpartnern genügend Raum für die Ausführung ihrer Meinungen und Erfahrungen gegeben werden konnte. Die durchschnittliche Interviewdauer betrug knapp 25 Minuten.

4.4 Auswertung der Interviews

Um die Ergebnisse der Interviews auswerten zu können, wurde jedes Interview mit Einverständnis der Interviewpartner aufgenommen, um es im Nachhinein transkribieren zu können. Die Transkription erfolgte wörtlich, wobei auf die Einbeziehung von sogenannten Verzögerungslaute verzichtet wurde. Die Software „Express Dictate“ wurde in diesem Arbeitsschritt im Rahmen der Transkription genutzt. Die Verschriftlichung aller Interviews ist im Anhang dieser Arbeit ersichtlich. Danach wurden Kategorien gebildet, in die die im Interview getroffenen Aussagen eingeordnet wurden. Die Kategorien wurden nach und nach erweitert und umfassten am Ende eine Anzahl von 33 (siehe Anhang). Die Auswertung der Interviews erfolgte durch eine qualitative Inhaltsanalyse. Dazu wurden die einzelnen Antworten der Interviews jeweils in Sinnabschnitte gegliedert. Diese wurden im nächsten Schritt paraphrasiert und dann generalisiert. In der abschließenden Reduktion wurden diese Textstellen dann einer Kategorie zugeordnet, die eine Verwendung der Aussagen in der Analyse ermöglichte. Die Ergebnisse der Analyse werden im folgenden Kapitel zusammengetragen.

5. Analyse der Interviews

Dieses Kapitel trägt die Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse zusammen. Dabei wird die Wahrnehmung einer Personalrotation im Hinblick auf die Arbeitszufriedenheit, Motivation und Leistung jeweils getrennt voneinander betrachtet.

Zuerst werden die Auswirkungen einer Personalrotation auf die Arbeitszufriedenheit untersucht und mit wissenschaftlichen Erkenntnissen vergangener Studien verglichen. Dabei werden die Ergebnisse der Interviews zunächst separat in den Bereichen der Managementebene, der Baukolonne und der Werkstatt/Büro analysiert. Anschließend werden die Ergebnisse verglichen, um gegebenenfalls Unterschiede zwischen den Personengruppen herauszustellen. Auf diese Weise wird abschließend ein wissenschaftliches Ergebnis präsentiert. Dieses Vorgehen findet für die Motivation und Leistung analog statt.

5.1 Arbeitszufriedenheit

Alle elf befragten Personen aus dem Bereich der Baukolonnen gaben an, dass sie sich in einer Stammkolonne wohler fühlen, bzw. wohler fühlen würden (vgl. Interview 2-4 und 7-13). Ein Grund dafür ist, dass der Mensch ein konstantes Arbeitsumfeld bevorzugt. „Der Mensch ist ein Gewohnheitstier“ (Interview 7, S. 3, Z. 400). Diese Eigenschaft des Menschen greift ebenso Junge (2009, S. 18) auf: "Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und favorisiert das Verharren in seiner so genannten Komfortzone, in den Lebensumständen, in denen er genau erkennt, was, wie, wann, wo, warum usw. funktioniert." Daher resultiert auch die relative Unzufriedenheit der Springer, die in verschiedenen Kolonnen eingesetzt werden und ihren Arbeitsalltag nicht langfristig kalkulieren und planen können (IW 9, S. 13, Z. 384-387). Alle Interviewpersonen stellten heraus, dass es ihnen wichtig ist, ein gutes Arbeitsklima in der Kolonne zu haben, sich gegenseitig zu kennen und einander Vertrauen zu können (Vgl. Interview 2-4 und 7-13).übereinstimmenden Aussagen zu Folge werden diese Ansprüche eher in einer Stammkolonne erfüllt, weil sich die Arbeiter untereinander kennen und einschätzen können (vgl. u.a. Interview 3, 8, 9, 11 und 12). O’Leary et. al. (2011) stellten in ihrer Studie ebenfalls heraus, dass es Teammitgliedern, die längere Zeit zusammen arbeiten gelingt, eine Vertrauensbasis zueinander aufzubauen.

Francis, Weber, Hermann und Young (2006) kamen zu der Erkenntnis, dass ein Team mit der Zeit einen eigenen Geist entwickelt, aufgrund dessen die Teammitglieder eine besondere Beziehung zu den Teamkollegen aufbauen, die dazu führt, dass sich die Arbeiter in ihrem Team wohlfühlen und Spaß bei der Arbeit haben.

Zudem berichten die Arbeiter in den Baukolonnen, dass sie sich bei einem Kolonnenwechsel immer wieder an die Arbeitsmethoden der jeweiligen Kolonne anzupassen hätten (vgl. u.a. IW 2, S. 7, Z. 210-212 und IW 13, S. 7, Z. 210-214). Auch O’Leary et.al. (2011) stellten fest, dass mit zunehmenden Einsätzen in anderen Teams die Sicherheit der Arbeitsschritte verloren geht. Für die Arbeiter ist es wichtig, dass die Arbeitsabläufe auf der Baustelle eingespielt sind und die Arbeitsschritte reibungslos verlaufen und Hand in Hand gehen (vgl. IW 13, S. 7, Z. 210-214; IW 11, S. 2, Z. 31-32). Stammkolonnen gelingt es, eine gewisse Routine in ihren Arbeitsabläufen auszubilden (IW 7, S. 5, Z. 146-147). Bei einer Personalrotation sei es immer wieder nötig, dass die Arbeiter in der neuen Kolonne eingewiesen werden und die Informationen erhalten, die sie brauchen, um sich in der neuen Arbeitsumgebung orientieren zu können. Diese Prozesse würden die Arbeitsabläufe behindern und Zeit kosten. (vgl. u.a. IW 9, S. 7, Z. 199-102 und IW 10, S. 1-2, Z. 31-35).

Nach Forster (1978) darf man den Zeitaufwand, den es braucht, um Teammitglieder auf ein einheitliches Informationsniveau zu bekommen, nicht unterschätzen. Van Dick und West (2005) beschreiben die Aufgaben- und Rollenverteilung in einem neuen Team als unklar und hinderlich für Entscheidungsprozesse. Schattenhofer et. al. (2004) sehen Personalrotation in diesem Zusammenhang ebenfalls kritisch. Wechselnde Arbeitskräfte stellen demnach zusätzliche koordinative Anforderungen an ein Team, die das Team in der Phase der Integration des neuen Mitgliedes bei den Arbeitsabläufen behindert. Es wird deutlich, dass eine Personalrotation die gewohnten Arbeitsabläufe in einer Kolonne behindert. Die Kolonnenarbeiter bemerken einheitlich, dass Stammkolonnen besser in der Lage sind, Arbeitsabläufe zu koordinieren, Routinen auszubilden und sich jeder Arbeiter seiner Aufgabe bewusst ist. Dieser von den Arbeitern beschriebene reibungslose Ablauf der Arbeitsschritte weist auf ein Zufriedenheitserleben nach Csikszentmihalyi‘s Flow-Theorie (1995) hin. Zudem berichtet Stahl (2011) von Routinetätigkeiten im Tiefbaubereich, die auf ein Flow-Erlebnis schließen lassen.

Nach Csikszentmihalyi's Auffassung erzeugen die Arbeitsschritte, die im Allgemeinen reibungslos und unter Vergnügen ablaufen einen "Flow", der bei den Arbeitern Zufriedenheit auslöst (Fincham, Rhodes & Peter, 2005). Darüber hinaus zeigt die Studie, dass die Arbeiter, die während ihrer Arbeit ein Flow-Empfinden haben, eine andere Zeitwahrnehmung entwickeln und sie das Gefühl haben, die Arbeitszeit ginge schneller vorbei. Im Rahmen der Interviews beschreibt ein Arbeiter genau diese Empfindung. „Dann geht die Arbeit auch schneller von der Hand[...]“ (IW 12, S. 2, Z. 29). Laut Künstner und Hausmann (2002) fühlen sich Arbeiter wohler, wenn sie immer in derselben Arbeitsumgebung eingesetzt werden, weil ihnen die Arbeit schneller von der Hand geht und sie bei der Ausführung ihrer Arbeit sicher und kompetent handeln können.

Aus den Daten der Interviewstudie geht zudem hervor, dass die Arbeit der Arbeiter bei einem Wechsel in eine andere Kolonne stärker kontrolliert werden würde, weil der Polier die Fähigkeiten der Arbeiter nicht einschätzen könne (vgl. IW 1, S. 4, Z. 105-107; IW 2, S. 11, Z. 315-316; IW 8, S. 2, Z. 41-47; IW 10, S.10, Z. 297-306). Diese stärkere Kontrolle bei einer Personalrotation erzeugt bei den Arbeitern gemäß der „Flow-Theorie“ eine Unzufriedenheit. Denn Fincham et. al. stellten heraus, dass "Flow"-Erfahrungen ein sensibles Gefühl der Selbstkontrolleüber die Arbeit beinhalten, welches den Arbeitern im Bezug auf ihre Zufriedenheit sehr wichtig ist. Deswegen fürchten Arbeiter den Verlust dieser eigenen Kontrolle. Bei einem Kolonnenwechsel haben die Arbeiter das Gefühl, diese Selbstkontrolle zu verlieren, weil sie vom jeweiligen Polier stärkerüberwacht werden: „In einer anderen Kolonne würde mir der Polier erstmalüber die Schulter schauen, damit er weiß, was er da für einen bekommen hat“ (IW 2, S. 11, Z. 315-316).

In einer Stammkolonne können die Arbeiter hingegen selbstständig arbeiten und werden nicht permanent von ihrem Polier kontrolliert: „[...]und lasse die anderen Arbeiter in der Zeit selbstständig arbeiten“ (IW 1, S. 8, Z. 239-240). Außerdem können die Arbeiter ihre Arbeitsschritte aufgrund der ausgebildeten Routinen und eingespielten Arbeitsabläufe automatisieren (vgl. IW 5, S. 4, Z. 118-119; IW 11, S. 2, Z. 31-32). Dieses Gefühl lässt sich ebenfalls durch das „Flow-Empfinden“ beschreiben: Während eines solchen Empfindens sind Arbeiter in der Lage, alle Probleme und Sorgen außerhalb der Arbeit zu vergessen. Aufgrund dieser Effekte schätzen Arbeiter ihre Arbeit sehr und empfinden es als angenehm oder sogar als Glück, dieser Tätigkeit nachzugehen (Fincham et. al., 2005, S. 226).

Bei einem Kolonnenwechsel beschäftigen sich die Arbeiter zunächst damit, sich in der neuen Arbeitswelt zu orientieren, sich an die neue Kolonne anzupassen und die eigene Rolle in der neuen Kolonne zu finden (vgl. u.a. IW 7, S. 3, Z. 71; IW 8, S. 5, Z. 131-135; IW 11, S. 2, Z. 55-58; IW 12, S. 5, Z. 140-141). Diese Erkenntnisse lassen sich aus wissenschaftlicher Sicht mit den Feststellungen von O’Leary et. al. bestärken: Eine Personalrotation beinhaltet oft eine Umstellung bezüglich der auszuführenden Aufgaben, der Rolle im Team, der Arbeitsabläufe und der Arbeitstechnik und macht den Wechsel in ein anderes Team kompliziert. Der Arbeiter ist aufgrund dieser Störgeräusche nicht in der Lage, sich voll und ganz auf seine Arbeit zu konzentrieren. Ihm fehlen die Voraussetzungen dafür, um bei der Arbeit ein Flow-Empfinden zu entwickeln. Die interviewten Personen aus den Baukolonnen, die Erfahrungen mit dem Einsatz in verschiedenen Kolonnen vorweisen können, berichten weiterhin, dass sie sich in einer Kolonne anfangs nicht ihrer Aufgaben und Ziele bewusst sind (vgl. u.a. IW 2, S. 2, Z. 38-39; IW 7, S. 9, Z. 254-258). In einer Stammkolonne hingegen könne man die Arbeiter frühzeitig auf die Aufgaben einstellen und den Arbeitern ein Ziel vorgeben (vgl. u.a. IW 1, S. 1-2, Z. 122-125; IW 9, S. 2, Z. 39-40). Diese Tendenzen belegen den Eindruck, dass das Zufriedenheitsempfinden in einer Stammkolonne gemäß der „Flow-Theorie“ größer ist, als unter einer regelmäßigen Personalrotation zwischen den Kolonnen. Auch hier lassen sich die Erkenntnisse von Fincham et. al. heranziehen. Sie identifizierten klare Ziele als eine Bedingung, die ein Flow-Erlebnis bei der Arbeit unterstützt.

Die Ergebnisse der Interviews auf Managementebene weisen nur unwesentliche Unterschiede zu den Ansichten der Baukolonnenmitarbeiter auf. So wurde auch in diesem Bereichübereinstimmend geäußert, dass sich Arbeiter in Stammkolonnen wohler fühlen und zufriedener sind (vgl. u.a IW 6, S. 6, Z. 169-171 und S. 9, Z. 258-260; IW 16, S. 10-11, Z. 309-323). Eine Äußerung lässt jedoch die Einschränkung zu, dass sie sich in einer Stammkolonne nur wohler fühlen, wenn das Arbeitsklima in dieser Kolonne gut ist und die Verhältnisse zu denübrigen Kolonnenmitgliedern intakt sind (vgl. IW 4, S. 5, Z. 126-143). Demnach kann eine Personalrotation auch genutzt werden, um bestehende Konflikte innerhalb einer Kolonne zu lösen und somit die Arbeitszufriedenheit zu steigern. Denn je größer der Zusammenhalt einer Gruppe, desto größer die Zufriedenheit der Gruppenmitglieder (von Rosenstiel, 2010). Weiterhin sagt von Rosenstiel, dass wenn die Harmonie in einem Team nicht stimmt, der oder die Teammitglieder identifiziert werden müssen, die die Harmonie stören und in ein anderes Team rotiert werden sollten. Wiederum kongruent zu den Aussagen der Baukolonnenarbeiter sind die Aussagen der Managementebene im Bezug auf die Auswirkungen auf den Arbeitsablauf, die die Work- Flow-Empfinden der Arbeiter beeinflussen. Bei einer regelmäßigen Rotation würden bewährte Arbeitsabläufe der Kolonnen verloren gehen (vgl. u.a. IW 5, S. 5, Z. 138-140). Die Managementebene ist ebenfalls der Auffassung, dass Stammkolonnen eingespielter sind als wechselnde Kolonnen und das die Arbeitsschritte in der Kolonne reibungslos verlaufen (vgl. u.a. IW 4 S. 6, Z. 163-183; IW 5, S. 4, Z. 1118-119).

Die Interviews mit dem Werkstattleiter und dem Personaldisponenten unterstrichen die bereits erwähnten Aussagen ebenso. Auch sie berichteten von einer einem Eindruck, dass eine Personalrotation die Mitarbeiter in den Kolonnen unzufrieden macht: „Die Leute kommen dann Abends mit einem langen Gesicht rein. Man hört dann schon das ein oder andere Klagelied“ (IW 15, S. 3, Z.58-59). Gleichzeitig wurde aber bekannt, dass die Reaktion auf eine Personalrotation im Hinblick auf die Arbeitszufriedenheit individuell unterschiedlich ist (vgl. IW 15, S. 3-4, Z. 88-93 und S. 4, Z. 97). Jost (2008) kommt zu einer ähnlichen Erkenntnis und weist darauf hin, dass für den Einen eine monotone Arbeit nicht zu Unzufriedenheit führt, ein anderer wird eher durch eine möglichst abwechslungsreiche Arbeit erfüllt. Er begründet diese Auffassung damit, dass aufgrund individueller Unterschiede zwischen den Mitarbeitern nicht davon auszugehen ist, dass jeder Mitarbeiter auf dieselbe Arbeitssituation und Arbeitsumwelt gleich reagiert.übereinstimmungen weisen wieder die Meinungenüber die Beeinflussung der Arbeitsabläufe durch eine Personalrotation vor. Die Interviewpersonen aus diesem Bereich hielten es ebenfalls für sinnvoll, die Kolonnen längerfristig zusammen zu lassen, weil sich so gewisse Arbeitsabläufe einspielen können (vgl. u.a. IW 4, S. 1, Z. 13-14). Gemäß der Zufriedenheitstheorie von Csikszentmihalyi ist das wieder ein Indikator für ein Flow-Erlebnis bei der Arbeit in Stammkolonnen, welches Zufriedenheit bei den Arbeitern erzeugt.

Aus der Analyse der Interviews lässt sich aber auch erkennen, dass der Arbeitsalltag in einer Stammkolonne mit zunehmender Dauer ihres Bestehens immer eintöniger wird. So kann die „Eingespieltheit“ in einer Kolonne auch als langweilig und wenig herausfordernd empfunden werden (vgl. IW 16, S.6-7, Z. 180-194). Schneider und Knebel (1995, S. 48) bestätigen dieses Gefühl der Mitarbeiter auf wissenschaftlicher Basis. Sie stellten fest, dass längerfristig zusammenarbeitende Teams zu einer "Routinierungs-Tendenz" neigen. Weiter heißt es, dass obwohl ein gewisses Maß an Routine bei den Arbeitsabläufen nützlich ist, extreme Routine zu Langeweile führen und eine "Team-Müdigkeit" verursachen kann.

Außerdem äußern sich alle befragten Personen einstimmig, dass sich die Arbeiter einer Kolonne fachlich besser weiterentwickeln könnten, wenn sie öfter mit verschiedenen Mitarbeitern zusammenarbeiten.: „Wenn man mit vielen verschiedenen Leuten zusammenarbeitet, lernt man viel“ (IW 2, S. 8, Z. 128), „Durch den vielen Wechsel habe ich auch Sachen gemacht, die ich vorher noch nicht gemacht habe und jetzt kann ich sie“ (IW 11, S. 5, Z. 142-143) oder „Durch Rotation hat man Gelegenheit, sich ein paar Handgriffe eines erfahrenen Arbeiters abgucken zu können“ (vgl. IW 13, S. 8, Z. 243-246). In einer Stammkolonne würde hingegen nach einer gewissen Zeit kein fachlicher Input mehr stattfinden (vgl. u.a. IW 6, S. 6, Z. 157-160). Diese Aussagen legen nahe, dass es in einer Stammkolonne mit der Zeit zu einer Unterforderung der Arbeiter kommt. Sie beherrschen ihre Aufgaben in und auswendig, haben aber keine Möglichkeit mehr, sich fachlich in der Kolonne weiterzuentwickeln. Im Bezug auf die Entstehung von Arbeitszufriedenheit nach der Flow-Theorie sind diese Entwicklungen in einer Stammkolonne ein Grund für Entstehung von Unzufriedenheit. Denn laut Rosenstiel (2010) tritt das "Flow-Erleben" vor allem dann ein, wenn die Herausforderungen der Arbeit den individuellen Fähigkeiten und Interessen entsprechen. Wie zuvor dargelegt, stehen die Fähigkeiten bei längerfristiger Zusammenarbeit in einer Kolonne in einem ungünstigen Verhältnis zu den zu niedrigen Anforderungen. Die Arbeiter neigen mit der Zeit dazu, sich unterfordert zu fühlen. Mahlert und Altenmüller (2006, S. 266) treffen im Bezug auf das Flow-Erleben zudem die Aussage, dass es neben dem ausgewogenen Verhältnis zwischen Anforderungen und Fähigkeiten eines Arbeiters wichtig ist, dass beide Komponenten im Zeitverlauf zunehmen. Zur Verbildlichung dieser Aussagen wird die Grafik der Abbildung 3 an dieser Stelle leicht abgewandelt nochmal gezeigt: Abb. 4:

Die rot schraffierten Bereiche stellen den Bereich dar, in denen die Arbeiter kein Flow- Erlebnis bei der Arbeit entwickeln können. Dies kann entweder den Grund haben, dass sie für ihre Aufgabeüber- oder Unterfordert sind, sprich ihre Fähigkeiten zu gering oder zu hoch sind. Wie zuvor aus der Studie zusammengetragen, fühlen sich Arbeiter in einer Stammkolonne wohler. Sie haben ein Gefühl der Eigenverantwortlichkeit für ihr Handeln. Die eingespielten Arbeitsabläufe führen dazu, dass sie ihre Aufgabe sicher beherrschen und Routinen ausbilden können. Gleichzeitig haben die Arbeiter deswegen ein verändertes Zeitgefühl, was dazu führt, dass sie der Meinung sind die Zeit ginge schneller rum. Außerdem wurde festgestellt, dass sich die Arbeiter einer Stammkolonne besserüber ihre Ziele und Aufgaben im Klaren sind. Herrscht dazu noch ein aus Arbeitersicht günstiges Arbeitsklima, kommt es zu einem Flow-Erlebnis. Die Arbeiter gehen in ihrer Arbeit auf, weil sie ihre Arbeitsschritte automatisiert haben und alles andere ausblenden können. Dadurch entsteht ein Glücksgefühl, was bei ihnen Zufriedenheit auslöst.

Bei einer regelmäßigen Personalrotation müssen sich die Arbeiter jedes Mal neu umstellen. Da jede Kolonne anders arbeitet, verlieren sie die Routinen ihrer Arbeitsabläufe. Die Arbeiter müssen sich den jeweiligen Arbeitsmethoden anpassen. In der ungewohnten Arbeitsumgebung fühlen sie sich anfangs orientierungslos. Sie verlieren dadurch die Sicherheit in ihren Handlungen. Außerdem haben sie das Gefühl, sie würden bei einem Kolonnenwechsel einer stärkeren Kontrolle durch den Polier unterzogen werden. Nach einem Wechsel in eine andere Kolonne sind sie damit beschäftigt, ihre Rolle in der neuen Kolonne zu finden. Die Arbeiter empfinden eine größere zwischenmenschliche Distanz, wodurch sie viele Störgeräusche in der Arbeitsumgebung wahrnehmen. Des Weiteren wurde festgestellt, dass die Arbeiter bei einer Rotation in eine neue Kolonne Probleme haben, ihre Ziele und Aufgaben zu erkennen. Ein Flow-Erlebnis ist somit schwer möglich und die Arbeiter tendieren dazu, unzufrieden zu sein.

Es wurde jedoch festgestellt, dass eine Personalrotation auch neue Anforderungen an die Arbeiter stellt und diese sich im Rahmen eines Informationsaustauschprozesses fachlich weiterentwickeln können. Diese Prozesse sind bei einer Stammkolonne nach einer gewissen Zeit nicht mehr zu beobachten. Es kommt zu einer Unterforderung der Arbeiter, weil sie ihre Arbeiten in Perfektion beherrschen, sich aber fachlich innerhalb der Kolonne nicht mehr weiterbilden können. Die Arbeiter beginnen sich aufgrund dieser Routinen zu langweilen. Deshalb lässt sich ab einer gewissen Dauer des Bestehens einer Kolonne eine zunehmende Unzufriedenheit feststellen.

Eine Rotation ist dann ab diesem Zeitpunkt sinnvoll, um die Zufriedenheit der Arbeiter wieder zu steigern, indem man es ihnen ermöglicht, sich im Rahmen einer neuen Arbeitsumgebung weiterzuentwickeln und die Anforderungen dieser zu bewältigen. Ihnen muss dann aber genügend Zeit gegeben werden, innerhalb der neuen Kolonne wieder die Routinen aufzubauen, die einen reibungslosen Ablauf der Arbeitshandlungen ermöglichen.

5.2 Motivation

Laut der für diese Arbeit zugrunde gelegten Definition der Arbeitsmotivation von Francis (2006) bemisst sich die Motivation der Teammitglieder daran, inwieweit sich die Kolonnenmitglieder mit den Aufgaben und Zielen ihrer Kolonne identifizieren können und deshalb bereit sind, ihre persönlichen Ziele denen der Gruppe unterzuordnen. Um die Frage zu beantworten, wie sich eine Personalrotation auf die Motivation der Arbeiter auswirkt, werden die Erkenntnisse aus den Interviewgruppen zunächst wieder getrennt betrachtet.

Abschließend werden die Ergebnisse verglichen und zusammengetragen. Um im Vorfeld bereits die Wichtigkeit der Motivationskomponente im Hinblick auf die Teamdynamik hervorzuheben, wird ein Zitat von Köppen (1997, S.73) aufgegriffen: "Die Arbeitsmotivation ist ein bedeutsamer Einflussfaktor für die Produktivität und das Wohlbefinden der Mitarbeiter." Dieses Zitat macht deutlich, dass die Wahrnehmung einer Personalrotation im Hinblick auf die Motivation der Arbeiter sehr bedeutsam ist, da auch die beiden anderen Komponenten dieser Forschungsarbeit, Arbeitszufriedenheit und Leistung, von ihr beeinflusst werden können.

Auch unter Betrachtung der Motivationskomponente äußern sich die Baukolonnenarbeiter in Verbindung mit einer Personalrotation immer wieder zu daraus entstehenden Anpassungsproblemen und Umstellungsschwierigkeiten. „Man muss sich erstmal auf die Kolonne, die Arbeiter und den Polier einstellen“ (IW 2, S. 5, Z. 124). Außerdem müsse man sich jedes Mal neu anpassen (vgl. u.a. IW 2, S. 11, Z. 329-336; IW 8, S.5, Z. 131-135; IW 12, S. 4, Z. 92-96). Diese Wahrnehmungen haben zur Folge, dass die Arbeiter Schwierigkeiten haben, sich nach einer Personalrotation mit ihrer neuen Kolonne zu identifizieren: „Ich habe mit denen nicht viel zu tun, die machen ihre Aufgaben, ich mache meine“ (IW 2, S. 4, Z. 99- 100) oder "Ich bin Rohrleger, bleib mir weg mit allen anderen Arbeiten" (IW 7, S. 6, Z. 183- 184). Weitere Arbeiter, die Erfahrungen damit haben, regelmäßig zwischen Kolonnen zu wechseln sagten, dass man sich immer wieder fremd fühle, wenn man zu einer neuen Kolonne kommt (Vgl. IW 3 S. 2, Z. 25-26; vgl. auch IW 13, S. 1, Z. 16). Bei einer regelmäßigen Rotation gelingt es den Arbeitern auch nicht, eine engere Bindung zu den Kollegen aufzubauen, weil ihnen der Nutzen dafür fehlt. „Aber ich bin keine Bindung zu ihm eingegangen, weil ich wusste, dass er eh bald wieder weg ist“ (vgl. IW 2, S. 7, Z. 191-193). Es lässt sich konstatieren, dass eine Personalrotation das Gemeinschaftsgefühl einer Kolonne negativ beeinflusst und die Arbeiter ein Problem damit haben, sich mit den neuen Kolonnen zu identifizieren. Einer Stammkolonne fühlen sich dich Arbeiter zugehörig und sehen sich als Team (vgl. u.a. IW 2, S. 6. Z. 152 und 158; IW 3, S. 3, Z. 67; IW 9, S. 5, Z. 151). Francis et.al. (2006) machten die Feststellung, dass sich die Mitglieder eines Teams gegenseitig anspornen. Die Mitglieder einer Kolonne motivieren sich also gegenseitig, wenn sie sich als Team sehen. Isermann (2004, S. 9) bestätigte diese Erkenntnis: „Die Teammitglieder motivieren sich gegenseitig“.

Ein weiterer Indikator, dass sich Arbeiter in Stammkolonnen mehr mit ihrer Kolonne identifizieren können als bei dem Einsatz in unterschiedlichen Kolonnen, liefert eine der Ergebnisse aus Punkt 5.1. Dort wurde unter anderem festgestellt, dass die Arbeiter einer Stammkolonne eine größere Zielbindung aufweisen und ihnen die Ziele der Kolonne klarer sind. Francis et al. (2006) fanden heraus, dass Teammitglieder ein Hauptziel brauchen, mit dem sie einverstanden sind und das ihnen erstrebenswert erscheint, um sich mit ihrem Team identifizieren zu können. Diese Anforderungen sind nach Ergebnissen der Studie ebenfalls eher bei einer Stammkolonne erfüllt.

Laut van der Vegt, Vegt und Oosterhof (2003) ist es für eine Arbeitsgruppe jedoch sehr wichtig, in welchem Ausmaß die Mitglieder der Gruppe bereit sind,über ihr normales Pflichtbewusstsein hinaus, anderen Teammitgliedern zu helfen. Van Dick und West (2005) sehen in der Wahrnehmung des Arbeitsklimas einen Indikator dafür, ob man sich mit einem Team identifizieren kann. Daraus lässt sich schließen, dass sich Arbeiter in Stammkolonnen viel besser mit ihrem Teams identifizieren, als sie es unter einer regelmäßigen Rotation tun würden. Denn wie in Punkt 5.1 bereits festgestellt wurde, fühlen sich Arbeiter in Stammkolonnen wohler und beurteilen das Arbeitsklima als angenehm. Bei den Mitarbeitern, die in einer Stammkolonne arbeiten, wurde festgestellt, dass die Bereitschaft, anderen Kolonnenmitgliedern zu helfen, deutlich ausgeprägt ist: „Wenn der Baggerfahrer sieht, dass ich Hilfe brauche, kommt er zu mir und zeigt mir, wie das geht“ (vgl. u.a. IW 2, S. 9, Z. 267- 272) oder „Der Baggerfahrer zeigt mir wie viel Fett ich nehmen kann, wie ich das anschließe, welche Bögen ich nehmen muss, wie ich die Richtung peile[...]“ ( IW 2, S. 9, Z. 272-278). Laut Van Dick und West ist dieseüber das eigentliche Maß hinausgehende Hilfsbereitschaft ebenfalls als ein Beleg für eine hohe Teamidentität zu sehen. Auch Francis et.al. (2006) begründen die Motivation in einem Team anhand der Identifikation der Teammitglieder mit ihrem Team. Sie proklamieren, dass sich der Erfolg und Misserfolg des Teams auf die Stimmung der Teammitgliederüberträgt und diese deshalb motiviert sind, mit all ihrem Engagement die Interessen des Teams zu wahren. Dadurch wird der Eindruck gefestigt, dass Mitglieder einer Stammkolonne eine höhere Identifikation mit ihrer Kolonne haben, als zu den Kolonnen im Falle einer Rotation.

In Anlehnung an die eingangs zugrunde gelegte Definition lässt sich diagnostizieren, dass die Arbeiter in einer Stammkolonne eine größere Arbeitsmotivation vorweisen. Demzufolge dürfte man bei regelmäßig wechselnden Arbeitern eine geringere Motivation vorfinden. Diese Ansicht lässt sich durch Erkenntnisse aus der Inhaltsanalyse der Interviews bestätigen. Denn dort heißt es unter anderem, dass „Springer“ eine besondere Motivation benötigten (IW 10, S. 3-4, Z. 66-105).

Die mangelnde Identifikation in einem Modell der regelmäßigen Rotation der Baukolonnenarbeiter wird aber noch an anderen Aussagen der Interviewpartner deutlich. So wurde zum Beispiel gesagt, dass es für „Springer“ eine ganz schwere Situation sei, weil sie sich in keiner Kolonne zu Hause fühlen würden (vgl. IW 8, S. 4, Z. 119-122). Van der Vegt und Bunderson (2005, S. 545) belegen diese Eindrücke der Interviewpartner und halten eine Personalrotation im Hinblick auf die Identifikation mit einem Team für kontraproduktiv: "Companies can encourage collective team identification by […] allowing teams to develope a shared history together rather than changing membership frequently.". Um eine Identifikation der Arbeiter mit ihrer Kolonne zu ermöglichen, bedarf es also einer längerfristig angelegten Zusammenarbeit.

Aus den Ergebnissen der Studie geht aber auch hervor, dass die Identifikation mit einer Kolonne nicht bei jedem Arbeiter Voraussetzung für Motivation ist. Einige Mitarbeiter berichteten, dass sie durch eine Rotation motiviert werden würden und sich sogar wohl dabei fühlen, mit verschiedenen Kollegen zusammenzuarbeiten: „Mir macht die Arbeit mit verschiedenen Mitarbeitern Spaß und ich fühle mich wohl dabei, in verschiedenen Kolonnen zu arbeiten und unterschiedliche Maschinen zu bedienen“ (IW 3, S. 3, Z. 72-77) oder „Wenn ich zu manchen Kolonnen komme, die schon länger zusammenarbeiten, dann tut denen ein neuer Arbeiter mal ganz gut, um etwas Leben in die Kolonne zu bringen“ (IW 7, S. 2, Z. 42- 45). Des Weiteren wird durch die Aussage eines „Springers“ noch ein weiterer Argument deutlich, wieso Personalrotation einen Arbeiter motivieren kann. Die Arbeiter entwickeln durch die Rotation ein Gefühl, austauschbar zu sein (vgl. IW 7, S. 7, Z. 200-209). Diese Auffassung lässt sich durch den Befund einer empirischen Analyse zur Arbeitszufriedenheit von Schulte (2005, S. 127) belegen: „Insbesondere Arbeitsplatzunsicherheit hat sich als einer der wichtigsten Stressoren im Arbeitsleben herausgestellt[...]“ der zwar zu Unzufriedenheit führt, aber die Arbeiter zur Erbringung einer höheren Leistung antreibt. Wiederrum ein anderer Arbeiter gab während seines Interviews zu erkennen, dass eine Personalrotation seine Motivation nicht beeinflusse. „ Das spielt keine Rolle. Ich mache meine Arbeit immer so gut es geht.“ (IW 9, S. 9, Z. 277-278). Diese Einstellung weist auf die Existenz einer extrinsisch geprägten Arbeitsmotivation mancher Arbeiter hin. Die Ergebnisse einer Studie von Westover (2012) liefern hierzu den empirischen Beweis. Demnach tendieren Arbeiter, die eine körperlich anstrengende Arbeit ausüben dazu, ihr Handeln anhand von extrinsischen Motiven, wie zum Beispiel Bezahlung und Weiterentwicklung, auszulegen. Es steht außer Frage, dass die Arbeit in Baukolonnen körperlich sehr anspruchsvoll ist. Die Weiterentwicklung im Rahmen einer Rotation wurde in Punkt 5.1. belegt.

Die Interviews mit der Managementebene brachten keine erwähnenswerten Divergenzen zu den Ergebnissen aus der Befragung der Baukolonnen. Auch wenn die Interviewpartner unter anderem auch angaben, dass eine Rotation motivationsfördernd sei, sofern die Strukturen in einer Kolonne zu eingefahren sind (vgl. IW 5, S. 35, Z. 154-156), waren sie generell eher der Auffassung, dass die Motivation in einer Stammkolonne größer sei (vgl. IW 5, S. 9, Z. 268- 272). Auch hier wurde die zum Teil extrinsisch geprägte Motivationsstruktur der Arbeiter angemerkt (vgl. IW 6, S. 11, Z. 333-335).

Ebenso stellte die Managementebene heraus, dass man die Wahrnehmung einer Personalrotation im Hinblick auf die Motivation der Arbeiter nicht normieren könne. Die einen Arbeiter würden lieber in einer festen Kolonne arbeiten, anderen sei es egal, wo sie eingesetzt werden (vgl. IW 4, S. 14-15, Z. 440-457). Die stärkere Identifikation der Arbeiter mit einer Stammkolonne wurde genauso geäußert (vgl. IW 16, S. 5, Z. 139-154) wie die Tatsache, dass sie sich in einer solchen wohler fühlen (vgl. IW 16, S. 6, Z. 166-178). Beide Faktoren lassen auf eine höhere Motivation in den Stammkolonnen schließen. Die zuvor aus der Wissenschaft herangezogenen Feststellungen von Francis et. al. (2006) und Isermann (2004)über die Eigenmotivation der Arbeiter in einer Kolonne als Team konnten ebenfalls belegt werden. Wenn eine Kolonne als Team arbeitet, so treiben sich die Arbeiter gegenseitig an (vgl. IW 5, S. 5, Z. 141-147).

Ergänzende Erkenntnisse, in welcher Form eine Personalrotation die Motivation der Arbeiter beeinflusst, liefern die Interviews mit dem Werkstattleiter und dem Personaldisponenten. In diesem Bereich wurde die mangelnde Identifikation mit den Baukolonnen bei einer Personalrotation anhand einer anderen Beobachtung deutlich. Der Zustand der Baumaschinen verschlechtere sich bei einer regelmäßigen Rotation und häufigen Personalwechseln zwischen den Kolonnen. Dies sei Resultat dessen, dass sich die Arbeiter nicht im erforderlichen Umfang für die Maschinen verantwortlich fühlen (vgl. IW 15, S. 2, Z. 38-43). „[...]weil dann doch immer wieder wechselndem Personal gesagt wird: Was soll‘s- ich bin morgen eh nicht mehr auf der Baustelle. Der Nächste wird schon mal wieder die Fettpresse in die Hand nehmen.“ (IW 15, S. 2, Z 41-43). Die weiteren Ergebnisse sind wiederrum analog zu den Ergebnissen der Interviews der Baukolonnenarbeiter und der Managementebene. So wurde z.B. auch eine Aussage getroffen, die darauf schließen lässt, dass man das, was einen Menschen motiviert, nicht normieren kann (vgl. IW 15 S. 3-4, Z. 88-93). „Die Einen fangen gerne jeden Tag neu an und die anderen haben es lieber, wenn sie ihre Arbeiten im Voraus planen können“ (IW 15, S. 4, Z. 97-99).

Zusammenfassend lassen sichüber die Ergebnisse zu den Auswirkungen einer Personalrotation folgende Punkte festhalten: Den Arbeitern in einer Stammkolonne gelingt es besser, sich mit ihrer Kolonne und den Kollegen zu identifizieren. Gründe dafür sind die starke Zielbindung und das bessere Verhältnis zu den Kolonnenmitgliedern- aber auch die besseren Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung aufgrund eigenverantwortlicher Handlungsspielräume.

Die Identifikation mit der Kolonne als Team hat zur Folge, dass sich die Teammitglieder gegenseitig motivieren. Bei einer regelmäßigen Personalrotation hingegen, haben die Arbeiter aufgrund der Umstellungs- und Anpassungsschwierigkeiten Probleme, sich mit der jeweiligen Kolonne und deren Mitglieder identifizieren zu können. Es fehlt das nötige Zusammengehörigkeits- und Verantwortungsgefühl, was z.B. anhand des Umgangs mit Maschinen und Geräten deutlich wird. Weiter fehlt den Arbeitern bei einer regelmäßigen Rotation in kurzen Intervallen der Nutzen, Beziehungen zu den Kolonnenmitgliedern aufzubauen, was ein weiterer Beleg für die mangelnde Identifikation ist. Dadurch, dass sich die Arbeiter bei häufigen Wechseln immer an die Gegebenheiten der jeweiligen Kolonne anpassen müssen, gelingt es ihnen wenig, sich bei der Arbeit selbst verwirklichen zu können. Dies wirkt genauso motivationsmindernd wie die mangelnde Identifikation zu einer Kolonne. Unter gewissen Umständen kann eine Rotation aber auch motivierende Wirkung haben. Arbeiter fühlen sich bei einer regelmäßigen Rotation austauschbar, was zwar die Arbeitszufriedenheit senkt, aber die Motivation steigert.

Ist eine Kolonne so lange zusammen, dass alle Abläufe und Strukturen zu eingefahren sind, so gelingt es durch eine Personalrotation, die Arbeiter wieder neu zu motivieren. Die positiven Aspekte des Arbeitens in einer Stammkolonne scheinen mit der Zeit zu sinken. Daher ist dieüberlegung einer Personalrotation sinnvoll. Ähnlich wie die Ergebnisse in Punkt 5.1 zeigen, lässt sich auch hier die Wahrnehmung einer Personalrotation im Hinblick auf Motivation anhand des Zeitpunktes der Rotation differenzieren. Um eine möglichst positive Wirkung einer Personalrotation auf die Motivation der Arbeiter zu erzielen, sollte man auf folgende Punkte achten: Die Intervalle der Rotation sollten auch hier nicht zu kurz sein. Zu häufige Rotation macht eine Identifikation der Arbeiter mit einer Kolonne unmöglich. Zu wenig Rotation wirkt aber ebenfalls demotivierend, wenn eine Kolonne bis dahin zu starke Routinen ausgebildet hat. Außerdem sollte man bei einer Entscheidung für oder gegen eine Personalrotation die individuellen Haltungen der Arbeiter gegenüber dieser Maßnahme einbeziehen. Neben der Motivation durch Teamidentifikation wurde bei Arbeitern, für die eine Rotation nach ihren Angaben keinen Einfluss auf die Ausführung ihrer Tätigkeiten hat, eine extrinsisch orientiere Einstellung zur Arbeit festgestellt. Welche Auswirkungen eine Personalrotation auf die Motivation der Arbeiter hat lässt sich somit nicht normieren. Die individuellen Haltungen und Motive der Arbeiter sind dafür zu unterschiedlich.

5.3 Leistung

Das Vorgehen zur Präsentation der Ergebnisse auf die Frage, wie Personalrotation die Leistung eines Arbeiters und demzufolge auch die Leistung der Kolonne als Ganzes beeinflusst, erfolgt nach dem Selben Schema wie in den Punkten 5.1 und 5.2. Die Ergebnisse der Interviews aus den drei Interviewgruppen werden zunächst getrennt betrachtet und abschließend zusammengefasst. An dieser Stelle sei nochmal erwähnt, dass die aufgrund des schwankenden Personalbedarfs innerhalb einer Baukolonne, bedarfsgerechte Rotation, nicht Gegenstand der Untersuchung ist. Sie wird für die Produktivität einer Baukolonne als gegeben und erforderlich vorausgesetzt.

Die Analyse der Interviews mit den Baukolonnenarbeitern zeigt, dass die Personalrotation die Leistung eines Arbeiters und einer Baukolonne aus verschiedenen Gründen beeinflusst. Der Einfluss der Personalrotation kann dabei positiv oder negativ sein. Wie in den Punkten 5.1 und 5.2 konnte auch hier die Wirkung einer Personalrotation in Abhängigkeit vom Zeitpunkt einer Rotation festgestellt werden. Alle Interviewpartner berichtetenüber wesentliche Konsequenzen in den Bereichen Arbeitsorganisation, Kommunikation, Kohäsion und Weiterentwicklung. Bezüglich der Arbeitsorganisation wird eine Personalrotation, analog zu den Erkenntnissen aus Punkt 5.1, als negativ wahrgenommen. So hätte eine Rotation längere Einweisungszeiten der Arbeiter zu Folge und der Arbeitsbeginn verzögere sich (vgl. IW 1, S. 6; Z. 185-188). O’Leary et. al. (2011) kommen in ihrer Studie zu dem Einsatz von Arbeitern in mehreren Teams zur selben Erkenntnis. Ein Personalwechsel steigert demnach den Bedarf an der Koordination der Teammitglieder, was eine Senkung der Produktivität zur Folge hat. Die in den Punkten 5.1 und 5.2 gezeigten Anpassungs-, Umstellungs- und Rollenverteilungsprobleme finden sich auch im Leistungsbereich wieder. „In einer festen Kolonne hat jeder seine Aufgabe und jeder weiß, was zu machen ist.“ (IW 9, S. 2, Z. 39-40). Bei einer Rotation hingegen müssten sich die Arbeiter einer Kolonne erst im Laufe der Zeit finden (vgl. IW 9, S. 6, Z. 160-162). O’Leary et. al. (2011) beschreiben diese Effekte einer Personalrotation als „Wechselkosten“. Darunter verstehen sie die Zeit, die Arbeiter damit verbringen, um sich an die anderen Kollegen, Aufgaben, Arbeitsabläufe sowie die andere Arbeitsumgebung zu gewöhnen und zu einer Verlängerung der Ausführungszeit eines Prozesses führt. Ein Arbeiter sagte ihm Rahmen seines Interviews, dass die Arbeitsabläufe bei einer Rotation nur zu Beginn der Zusammenarbeit gestört werden würden (vgl. IW 3, S. 4, Z. 111). Außerdem könne man in der ersten Zeit nach einer Rotation nicht effektiv arbeiten, weil man sich erstmal in der neuen Arbeitsumgebung orientieren müsse (vgl. IW 13, S. 8, Z. 226- 238).

Diese Aussagen weisen auf einen Entwicklungsprozess innerhalb einer Kolonne hin, der durch entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse bestätigt wird. O’Leary et. al. (2011) beruft sich in seiner Studie auf Thompson (2008) und berichtet ebenfalls von einem Lernprozess innerhalb eines Teams. Genauso wie Stumpf und Thomas (2003). Bay (1998) kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass sich Teams entwickeln und im Laufe der Zusammenarbeit unterschiedliche Reifegrade vorweisen. Dadurch lasse sich auch die unterschiedliche Synergie verschiedener Teams erklären, sowie die divergierenden Beziehungen der Teammitglieder.

Van Dick und West (2005) belegen diese Resultate anhand des Phasenmodells zur Teamentwicklung nach Tuckmann (1965). Darin gliedert sich der Entwicklungsprozess eines Teams in fünf Phasen. Tuckmann beschreibt diese als „Forming“, „Storming“, „Norming“, „Performing“ und „Adjorning“ bezeichnet. Erst in der vierten Phase gelingt es einem Team, am Maximum seiner Leistungsfähigkeit zu arbeiten, weil in den Phasen zuvor bestimmte Prozesse durchlaufen werden, die durch Unsicherheit, Rollenunklarheit oder Konflikte bestimmt sind. Das Adjorning bezeichnet die Auflösung eines Teams. Während neu zusammen rotierte Kolonnen die drei Phasen erst noch durchlaufen müssen, bis sie ihre Leistung optimieren können, befinden sich bewährte Kolonnen nach den Aussagen der Arbeiter bereits in der Phase des Performing. „In Stammkolonnen ist man effektiver, weil die nötige Routine der Arbeitsabläufe ausgebildet werden kann.“ (IW 7, S. 5, Z. 146-147). In einer festen Kolonne hat jeder seine Aufgabe und jeder weiß, was zu machen ist jeder seine Aufgaben hat und weiß, was zu machen ist (vgl. IW 7, S. 11, Z.334-338). Francis et. al. (2006, S. 74) bestätigen die Entwicklungsfähigkeit eines Teams ebenso: "Ein reifes, leistungsfähiges Team entwickelt sich erst nach und nach, nachdem es Probleme gelöst, Beziehungen vertieft und Rollen geklärt hat." Im Bereich der Arbeitsorganisation nehmen die Arbeiter eine Rotation also negativ wahr, betonen aber, dass es möglich ist, diese negativen Effekte zu beseitigen. Dazu muss die Kolonne nach einer Rotation aber genügend Zeit bekommen, um effektive Strukturen ausbilden zu können, die ihnen eine hohe Leistung ermöglicht.

[...]

Ende der Leseprobe aus 251 Seiten

Details

Titel
Teamzusammenstellung von Baukolonnen
Untertitel
Analyse der Wahrnehmung einer Personalrotation im Hinblick auf Arbeitszufriedenheit, Motivation und Leistung der Mitarbeiter
Hochschule
Universität Paderborn
Note
2,7
Autor
Jahr
2013
Seiten
251
Katalognummer
V352218
ISBN (eBook)
9783668396357
ISBN (Buch)
9783668396364
Dateigröße
2058 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Dienstleistungsmanagement, Baukolonnen, Rotation, Arbeitszufriedenheit, Motivation, Leistung
Arbeit zitieren
Christian Metz-Pieper (Autor:in), 2013, Teamzusammenstellung von Baukolonnen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/352218

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