Wortbildung als Teil der Wortschatzarbeit


Hausarbeit (Hauptseminar), 2016

34 Seiten, Note: 2,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Wortbausteine
2.1 Das Wort
2.2 Lexikalische Morpheme
2.3 Grammatische Morpheme
2.3.1 Flexionsmorpheme
2.3.2 Derivationsmorpheme
2.3.3 Kompositionsmorpheme

3. Wortbildung
3.1 Gründe für die Wortbildung
3.2 Abgrenzungen

4. Wortbildungsarten
4.1 Komposition
4.1.1 Determinativkompositum
4.1.2 Kopulativkompositum
4.1.3 Possessivkompositum
4.2 Derivation
4.2.1 Explizite Ableitung
4.2.2 Implizite Ableitung
4.3 Kurzwortbildung
4.4 Kontamination
4.5 Konversion
4.6 Entlehnung

5. Was kann die Wortbildung für die Wortschatzarbeit leisten?
5.1 Didaktische Analyse
5.2 Bildungsplanbezug
5.3 Kompetenzen
5.3.1 Prozessbezogene Kompetenzen
5.3.2 inhaltsbezogene Kompetenzen
5.3 Unterrichtsbeispiel
5.3.1 Einstieg mit Regelerklärung und Tafelbild
5.3.2 Arbeitsphase mit Aufgabenstellung und Arbeitsblättern

6. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Eine der bedeutungsvollsten Aufgaben des Deutschunterrichts ist die Förderung der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit von Schülerinnen und Schüler jeden Alters, zudem die Ausweitung ihres inneren Lexikons sowie die Vergrößerung des rezeptiven und produktiven Wortschatzes.

Sprache ist lebendig und untersteht einem stetigen Wandel. Allerdings ist der Grammatikunterricht bei vielen Schülerinnen und Schülern unbeliebt. Die Inhalte sind eher trocken und einen Bezug zu deren Lebenswelt lässt sich oft nur sehr schwer herstellen. Auch Wortbildungen spielen im Deutschunterricht eher eine kleine Rolle, denn deren Regeln werden nur am Rande bis überhaupt nicht erklärt. Der Bildungsplan 2004 fordert zudem auch keine intensive Thematisierung der Wortbildung. Der neue Bildungsplan 2016 hat die Notwendigkeit der Wortschatzarbeit für eine zukünftige berufliche Bildung der Schülerinnen und Schüler erkannt und Wortbildungen unter Ausdruckserweiterungen aufgelistet. Dadurch kann das Interesse am Grammatikunterricht durch den bis dato unverbrauchten Begriff der Wortbildung, geweckt werden.

Weiterhin ist ein Wort viel kürzer und übersichtlicher als eine syntaktische Einheit, dessen Analyse so manchem Schüler Kopfzerbrechen bereitet. Folglich ist die Wortanalyse weniger abschreckend als die eines Satzes. Als Ansatzpunkt bieten sich Wortbildungen aus der Alltagssprache an. Aus den Bereichen der Politik, Werbung oder Gesetzgebung entstehen immer wieder neue Wortschöpfungen, die unter Umständen auch Gegenstand gesellschaftlicher Diskussionen werden können. Eine Jury der Frankfurter Universität kürt seit dem Jahr 1991 ein „Unwort des Jahres“ (vgl. www.unwortdesjahres.net [gesehen am: 1.11.2016]). Mit dieser Aktion soll in erster Linie ein sprachkritisches Sprachbewusstsein und eine Sprachsensibilität angeregt werden. Dabei werden sachlich unangemessene oder gar inhumane Formulierungen im öffentlichen Sprachgebrauch untersucht. Unworte sind meist Neologismen und zudem Komposita. Das Unwort aus dem Jahre 2015 lautete „Gutmensch“. Dabei handelt es sich um einen Begriff, der im Zusammenhang mit dem Flüchtlingsthema verwendet wurde. Als „Gutmenschen“ wurden Menschen bezeichnet, die sich vor allem ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagierten oder sich gegen Angriffe auf Flüchtlingsheime stellten. Mit diesem Begriff wurden Toleranz und Hilfsbereitschaft pauschal als naiv und dumm bezeichnet. Nicht nur rechtspopulistische Parteien verwendeten diesen Ausdruck, sondern auch in der Presse wurde er hin und wieder benutzt. Hierbei wird ein gut handelnder Mensch in seinem Handeln schlechtgemacht und gegen ihn selbst verwendet.

Neologismen werden immer häufiger in die Alltagssprache integriert und unreflektiert verwendet, was dazu führt, dass ein Wort in den Alltagswortschatz aufgenommen, aber nicht immer im richtigen Kontext verwendet wird. An diesem Beispiel wird deutlich, wie schnell in der deutschen Sprache Komposita erschaffen werden können, bei denen die Bedeutung der Einzelbestandteile eine ganz andere ist.

In der deutschen Sprache kann nahezu jedes Substantiv mit einem weiteren Substantiv oder Wort einer anderen Wortart kombiniert werden. Zu noch eigenartigeren Ergebnissen führt die Kombination zweier Komposita, wie zum Beispiel das Unwort des Jahres 2004 „Luftverschmutzungsrecht“. Für die Behandlung im Unterricht eignen sich diese Worte besonders gut, denn sie sind aktuell, waren häufig in den Medien und enthalten oft einen Sprachwitz und Ironie. Im Folgenden wird die Wortbildung zunächst sprachwissenschaftlich erläutert, anschließend auf ihren Nutzen für die Wortschatzarbeit untersucht sowie eine didaktische Analyse als auch ein Unterrichtsbeispiel in Form von Arbeitsblättern erstellt.

2. Wortbausteine

2.1 Das Wort

Wörter sind die Grundlage der Sprache (vgl. Ulrich 2007, S.3). Das Wort wird von vielen Sprechern als eine Einheit gesehen, die beim Sprechen durch Zwischenräume abgetrennt ist. Das ist allerdings nur das orthographische Abgrenzungskriterium für die linguistische Einheit Wort. Weiterhin kann ein Wort anhand der phonetisch-phonologischen, den morphologischen, den lexikalisch-semantischen und den syntaktischen Kriterien abgegrenzt werden. Auf morphologischer Ebene betrachtet, bestehen Wörter aus einem oder mehreren Morphemen. Nach Ulrich (2007, S. 4) ist ein Morphem die „kleinste bedeutungstragende Einheit der Sprache.“ Busch/Stenschke (2007, S.81) ergänzt, dass das Morphem „aus einem Morph oder mehreren Allomorphen (Ausdrucksseite) und einer Bedeutung bzw. einem grammatischen Merkmal (Inhaltsseite)“ besteht. Dabei werden die Morpheme in Basismorpheme wie z.B. „Fisch“, „Kind“, „schön“ und in Wortbildungsmorpheme wie z.B. „–heit“, „-ung“, „ver-“ unterschieden.

Komplexe Wörter wie z.B. „Frühaufsteher“ werden Wortbildungsprodukte genannt, wohingegen einfache Morpheme, die nur aus einem einzigen Morph bestehen und nicht weiter zerlegt werden können, als Simplex bezeichnet werden (Busch/Stenschke 2007, S.79). Weiterhin werden lexikalische und grammatische sowie freie und gebundene Morphemtypen unterschieden.

2.2 Lexikalische Morpheme

Lexikalische Morpheme tragen eine lexikalische Bedeutung und sind in einem Lexikon als eigene Einträge verzeichnet. Sie kommen demnach frei vor und sind selbständige Lexeme. Sie weisen drei unterschiedliche Gestalten auf: einfache Wörter, komplexe Wörter sowie feste Wortgruppen oder Redewendungen und werden als die Vokabeln einer Sprache gelernt (vgl. Ulrich 2007, S.6). Das gilt für substantivische, adjektivische und adverbiale sowie für konjunktionale, pronominale und präpositionale Basismorpheme. Bis auf wenige Ausnahmen wie z.B. „Seh“ in „Sehhilfe“ treten lexikalische Morpheme als freie Morpheme auf. Lexikalische Morpheme weisen auf etwas „Außersprachliches“ (Linke/Nussbaumer 2004, 67) hin. Demnach tragen sie eine Bedeutung im engeren Sinne.

Beispiele:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.3 Grammatische Morpheme

Im Gegensatz zu den, oben beschriebenen, lexikalischen Morphemen tragen die grammatischen Morpheme eine „innersprachliche“ Bedeutung. Häufig kommen sie in gebundener Form vor, allerdings können sie auch als freie Morpheme auftreten, beispielsweise als Präposition oder Konjugation (vgl. Volmert 1995, S.88). Gebundene grammatische Morpheme werden Affixe genannt und je nach ihrer Position in Präfixe (vorn), in Suffixe (hinten), in Infixe (in ein Morphem hinein) und in Zirkumfixe (um ein Morphem herum) unterschieden (vgl. Linke/Nussbaumer 2004, S. 67).

Beispiele:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Infix: beziehungs - un - fähig – Bedeutung für keine Beziehung führen zu können

Weiterhin können grammatische Morpheme auch nach ihrer Funktion in Flexions- und Derivations- sowie Kompositionsmorpheme unterschieden werden.

2.3.1 Flexionsmorpheme

Bedeutend für die Wortformenbildung und die syntaktische Funktion eines Wortes sind die Flexionsmorpheme. Sie werden in drei Großgruppen, Deklination, Konjugation und Komparation unterschieden. Die Deklination ist die Flexion von Nomen, Adjektive, Pronomen und Artikel nach Genus, Numerus, Kasus und Person. Zu der Konjugation hingegen zählen die Verben, die nach Person, Numerus, Tempus, Modus und Genus sowie im Aktiv und Passiv flektiert werden. Bei der Komparation werden die Komparativ- und Superlativformen von Adjektiven gebildet.

Beispiele:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.3.2 Derivationsmorpheme

Der Begriff der „Derivation“ bedeutet, aus dem Lateinischen übersetzt, „ableiten“. Demnach sind Derivationsmorpheme Wortbildungselemente, die zur Ableitung neuer Wörter dienen. Im Gegensatz zu der Flexion, bei der unterschiedliche Wortformen eines Lexems gebildet werden, entstehen bei der Derivation neue Lexeme. Sie bestimmen unter anderem auch die Wortkategorie.

Beispiele:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.3.3 Kompositionsmorpheme

Kompositionsmorpheme enthalten mindestens zwei Kernmorpheme und können zusätzlich noch ein oder mehrere Derivations- oder Flexionsmorpheme sowie Fugenelemente enthalten. Ein Fugenelement hat weder eine grammatische noch eine lexikalische Bedeutung, sondern dient lediglich dem Übergangslaut zwischen zwei lautlich schwer zu verbindenden Konsonanten.

Beispiel: Geburt-s-tag-s-geschenk

3. Wortbildung

Der Wortschatz jeder gesprochenen Sprache unterliegt einer stetigen Veränderung. Gesellschaftliche, wissenschaftliche sowie technische Entwicklungen bedürfen einer sprachlichen Benennung. Gerade in der heutigen Zeit der Kommunikationstechnologien entsteht eine ganze Reihe neuer Wörter, die dem Großteil der Menschen noch vor zehn Jahren völlig unbekannt waren. Zu nennen wären hier beispielsweise „faxen“, „E-Mail“, „im Internet surfen“, „chatten“, „bloggen“ u.v.m. Neben der Übernahme von Wörtern und deren Bedeutungsentwicklung aus anderen Sprachen „trägt vor allem die Wortbildung zu einer Anpassung des Wortschatzes einer Sprache an die Erfordernisse bei“ (Volmert, 1995, S. 99), indem neue Wörter aus bereits bestehenden Wörtern, aus Wortbestandteilen oder mit Wortbildungsmitteln gebildet werden. Busch/Stenschke definiert die Wortbildung als einen „Prozess der Bildung neuer Wörter, welcher der Erweiterung des Wortschatzes einer Sprache dient. Dabei werden auf verschiedene Weise Morpheme miteinander kombiniert oder verändert“ (2008, S. 94). Zudem wird deutlich, dass jede Sprache zum einen über einen sich verändernden Bereich und zum anderen gleichzeitig auch über einen relativ konstanten Bereich verfügt. Demnach spielen Variabilität und Stabilität eine wichtige Rolle und erweisen sich als universelle Eigenschaft natürlicher Sprachen (vgl. Volmert 1995, S. 100).

Die Wortbildung schafft im Gegensatz zu der Wortschöpfung keine völlig neuen sprachlichen Zeichen und Wörter, sondern greift durch Neukombination, Erweiterung und Entlehnung auf vorhandene sprachliche Einheiten zurück (vgl. Erben 1993, S.18). Grundsätzlich hat die Wortbildung das Ziel, die Kommunikation zu vereinfachen und die sprachliche Kreativität zu fördern. In der tagtäglichen Kommunikation trifft der Sprecher ständig auf neue Wortbildungsprodukte, die meistens ohne großen Aufwand entschlüsselt werden können.

3.1 Gründe für die Wortbildung

Nach Erben (1993, S.19-23) werden die Gründe für die Wortbildung in objektive, subjektive sowie sprachstrukturelle (lexikalische und grammatische) Gründe unterschieden.

- Objektive Gründe

In einer entwickelten Sprache besteht ein enormer Bedarf an Neuwörtern. Nicht nur eine geistig-sprachliche Auseinandersetzung mit der sich ständig verändernden Wirklichkeit, sondern auch die kommunikative Notwendigkeit, alles Neue sowie auch Empfindungen, Erfindungen und Ahnungen von Neuem benennen zu müssen, bedingt die Bildung neuer Wörter (vgl. Erben 1993, S.19).

Beispiele: Winker – Blinker

- Subjektive Gründe

Ein durch Wortbildung bedingter Bezeichnungswandel oder die Neustrukturierung kompletter Begriffsfelder ist nicht nur die sprachliche Modernisierung neuer technischer oder poetischer Begriffe, sondern oft ist ein Ausdruck vielmehr abgenutzt, veraltet, nicht ausdrucksstark genug oder enthält bestimmte Wertungen, Sichtweisen, Urteile oder Absichten, die durch neue zeitgemäße Ausdrücke ersetzt werden (vgl. Erben 1993, S.20).

Beispiele:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

- Sprachstrukturelle Gründe

- Lexikalische Gründe

Ein weiterer Grund für die Wortbildung ist das Bedürfnis nach sprachlichen motivierten Zeichen und einem durchschaubaren Aufbau von Wörtern. Dabei sind die Wörter durch Motivationsbeziehungen verbunden und stehen nicht isoliert im Zeichensystem (vgl. Erben 1993, S.21).

Beispiel: Lenz – Früh-ling, Früh-jahr

Zudem besteht das Bedürfnis sprachliche Zeichen nicht mit zu vielen Inhalten und zu vielen Bedeutungen zu belasten. Die Polysemie der Wörter nimmt zunächst zu, da neue Sachverhalte zuerst mit dem vorhandenen Zeichenbestand erklärt werden. Anschließend werden teilmotivierte Wörter gebildet um die Begriffe voneinander abzugrenzen.

Beispiel: Stoff – Begriff für: Material zum Nähen

Rauschgift

- Grammatische Gründe

Weiterhin ist Wortbildung notwendig um morphologische Mängel im Flexionssystem zu beseitigen. Dabei werden fehlende Pluralformen durch Wortbildungen ergänzt.

Beispiele: Schnee – viel Schnee = Schnee-massen

Regen – mehrere Regen-fälle

Zusätzlich ist die Univerbierung ein Grund für die Wortbildung. Hierbei werden Wörter oder lange, umständliche Satzteile durch ein einziges komplexes Wort ersetzt (vgl. Erben 1993, S.22f.).

Beispiel: mit dem Pflug arbeiten – pflügen

[...]

Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
Wortbildung als Teil der Wortschatzarbeit
Hochschule
Pädagogische Hochschule Heidelberg
Note
2,5
Autor
Jahr
2016
Seiten
34
Katalognummer
V352183
ISBN (eBook)
9783668385276
ISBN (Buch)
9783668385283
Dateigröße
782 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
wortbildung, teil, wortschatzarbeit
Arbeit zitieren
Edith Trupp (Autor:in), 2016, Wortbildung als Teil der Wortschatzarbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/352183

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Wortbildung als Teil der Wortschatzarbeit



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden