Autismus im Schulalltag. Ist Inklusion bereits sinnvoll umgesetzt?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2014

18 Seiten, Note: 3,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Kennzeichen des Krankheitsbildes
2.1 Behandlung

3. Autismus im Schulalltag
3.1 Sicht der Lehrer
3.2 Optimierungsvorschläge der Lehrer
3. 3 Sicht der Eltern

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Diese Hausarbeit beschäftigt sich im Allgemeinen mit dem Thema des Autismus, konkreter jedoch mit der Fragestellung, ob und in welchem Alter, autistische Kinder in die Schule inkludiert werden sollten, und auf welche Aspekte dabei besonders geachtet werden muss. Dafür ist es zentral, zunächst die wichtigsten Aspekte der Autismus-Spektrum-Störung aufzuzeigen und anschließend an verschiedenen Studien darzulegen, welche Fortschritte in der Integration bereits getroffen wurden und welche Maßnahmen noch ergriffen werden müssen, um diese zu perfektionieren. Dabei sollübergreifend der Frage nachgegangen werden, ob die Einbindung von autistischen Kindern in einen normalen Schulalltagüberhaupt als sinnvoll zu betrachten ist und wenn ja, ob es Unterschiede hinsichtlich des Alters und des Grades der Krankheit gibt. Sinnvoll erscheint es auch, die Differenzen zwischen elterlichen Maßnahmen sowie Meinungen und denen der Lehrer herauszuarbeiten, bzw. eine mögliche Verbindung herzustellen.

Auch ist es von Bedeutung, anhand von Therapieangeboten herauszuarbeiten, auf welche Besonderheiten, bzw. auf welche Maßnahmen geachtet werden muss, um den autistischen Kindern eine Förderung zu ermöglichen. Anhand dieser Beobachtungen soll der Bogen zu den schulischen Aspekten gezogen werden und somit der oben beschriebenen Fragestellung genauer nachgegangen werden.

Im Fazit wird eine Zusammenfassung des Erarbeiteten gezogen, welche sich an den Studien sowie der daraus resultierten eigenen Meinung, orientiert.

2. Kennzeichen des Krankheitsbildes

Autismus-Spektrum-Störungen werden gekennzeichnet durch die Einschränkung dreier Bereiche. Dazu zählt die soziale Interaktion, die Kommunikation und Sprache sowie stereotypes Verhalten und Sonderinteressen (Freitag & Petermann, 2014). Die Krankheit gehört zu der Gruppe der tiefgreifenden Entwicklungsstörungen, welche als Untergruppen neben dem frühkindlichen Autismus, ebenfalls den a-typischen Autismus, das Rett-Syndrom sowie das Asperger-Syndrom beherbergen (Steinhausen, 2010).

Festgestellt wird die Krankheit häufig erst zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr, manchmal sogar erst viel später, weshalb frühe Behandlungen oftmals nicht stattfinden können.

Kinder, die bis zum fünften oder sechsten Lebensjahr jedoch noch gute sprachliche Fähigkeiten entwickeln, können davon ausgehen, dass ihnen mehr intellektuelle und soziale Kompetenz zukommt, als Kindern, die bis zu diesen Lebensjahren noch keine weiteren großen Fortschritte erzielt haben (Sigman & Capps, 2000).

Diese späte Erkennung der Krankheit liegt daran, dass sie sich vor allem in Sprachschwierigkeiten und sozialer Isolation äußert, was man bei Kleinkindern nur schwierig erkennt, oder oftmals als normal abstempelt.

Häufig wird ihr fehlender Kontakt zu Gleichaltrigen und ihr Hang zu Spezialgebietenübersehen und als „frühkindliche, vorpubertäre oder spätpubertäre Fehlanpassung gewertet“ (Fröhling, 2012, S. 11).

Besonders auffällige Bereiche, an denen man die Krankheit erkennt, sind die sprachlichen Schwierigkeiten, ihre „Kontaktarmut“ (Sigman et al., 2000, S.10), die Neigung zu repetitiven Verhalten und ihr zwanghaftes Ordnungsbedürfnis. Kanner, Kinderpsychologie und erster Autor, der 1943 eine explizite Veröffentlichung zum Thema Autismus herausbrachte, bezeichnet diesen Ordnungszwang als ein „Beharren auf Eintönigkeit“ (Sigman et al., 2000, S.10) und man kann es zusammenfassend als einen Widerstand gegen Veränderungen bezeichnen.

Daran lässt sich gut erkennen, dass das Verlassen dieser Eintönigkeit oder ein aggressiver Schnitt darein, dazu führt, dass das autistische Kind in seiner Lebenswelt gestört wird. Diese Störung kann sich in Stress äußern, was zu einer stärkeren Fokussierung führt und den Weitblick vermindert (Fröhling, 2012).

Hinsichtlich der Kontaktarmut, welche sich weitgehend auf das Themenfeld der Sozialisation beziehen lässt, lassen sich noch weitere Untergruppen finden, an welchen man erkennt, dass es sich um ein autistisches Kind handelt.

Oftmals geht von dem erkrankten Kind kein, oder mangelnder Blickkontakt aus, welcher häufig mit eingeschränkter Empathie verbunden ist. Eltern erkennen dieses Verhalten daran, dass ihre Kinder im Kleinkindalter weniger lachen oder weinen und keine Reaktion zeigen, auf den Arm genommen zu werden (Sigman et al., 2000).

Festgestellt wurde dies ebenfalls in einer Studie (Greimel et al., 2011), welche sich mit der Selbst-und Fremdbeurteilung der Empathie bei Jugendlichen mit Autismus beschäftigt. Diese Studie zählt als wichtiges Charakteristikum für autistische Störungen das Defizit der Empathie, welches normalerweise „eine grundlegende Voraussetzung für eine erfolgreiche soziale Interaktion“ (Greimel et al., 2011, S.114) darstellt.

Die Kinder sind nachweislich also weniger in der Lage, sich in ihr Gegenüber einzufühlen, bzw. Gefühle mitzuerleben, was jedoch an verschiedenen Aspekten liegen könnte. Die Studie findet keine zentrale Antwort, gibt aber Möglichkeiten, dieses Verhalten zu erklären, wie beispielsweise, dass es autistischen Kinder schwer falle, „eigene Gefühlszustände und innerpsychische Vorgänge wahrzunehmen und zu beschreiben“ (Greimel et al., 2011, S.119) sowie die Schwierigkeit, ihr möglicherweise inneres Mitfühlen nach außen hin zu zeigen.

Hinsichtlich der Sprache lässt sich feststellen, dass das Sprachvermögen eingeschränkt ist durch eine auffällige pedantisch und monotone Sprechweise.

Überraschend jedoch ist, dass autistische Kinder häufig dazu neigen, sich auf bestimmte Themengebiete zu versteifen, die sie auf einem sehr hohen Niveau beherrschen, welches manchmal sogarüber das der normalen Kinder hinausgeht. Diese Interessensgebiete beziehen sich jedoch meist auf Gebiete, in denen es weniger auf die verbale und soziale Kompetenz ankommt. So weisen Tests nach, dass sie in visuell-räumlichen Bereichen gut ausgeprägt sind und vor allem ihr Gedächtnis ihnen dabei hilft, lange Texte oder Vokabeln auswendig zu lernen. Verlässt man den Bereich des Auswendiglernens jedoch und fragt sich, ob die Ergebnisse auch logisch verstanden worden sind, so muss man diese Frage verneinen. Dies ist eine sehr wichtige Erkenntnis für den Umgang mit autistischen Kindern im Schulalltag, auf welche später noch eingegangen wird.

Beim Betrachten der Verteilung der Krankheit auf das Geschlecht wird auffällig, dass eine Jungenhäufigkeit besteht. Aus 10000 Kindern sind ca. 4-10 Kinder erkrankt, wovon 75% noch zusätzlich geistig behindert sind. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Zahlen in der Realität abweichen, da vor allem Entwicklungsländer, aufgrund der komplizierten Untersuchungsmöglichkeiten, nicht in den Erhebungen miteingeschlossen sind.

Die erwähnte Jungenhäufigkeit bezieht sich auf ein Verhältnis von 1,4:1 bis 3,4:1 (Sigman et al., 2000). Diese extreme Differenz lässt sich jedoch nicht nur bei dieser Krankheit feststellen, sondern ist allgemein unter den psychiatrischen Störungen bekannt (Steinhausen, 2010).

Schaut man sich die Schichtzugehörigkeit der Kinder an, so wird auffällig, dass dort keine Signifikanz vorherrscht, anders als damals angenommen, jedoch ist festzustellen, dass in der Bereitschaft Hilfe anzunehmen und dies frühzeitig zu tun, Familien aus der höheren Schicht dazu eher neigen (Sigman et al., 2000). Ob dies an finanziellen Mitteln oder sozialen Kontakten liegt, ist fraglich, jedoch anzunehmen, da diese Familien nicht mehr Bereitschaft, aber mehr Möglichkeiten haben, ihren Kindern zu helfen.

2.1 Behandlung

Um geeignete therapeutische Arbeit anzuwenden, ist vor allem die frühe Erkennung der Krankheit von Bedeutung, welche nach dem heutigen Stand der Forschung und deren Methoden schon ab dem zweiten Lebensjahr möglich scheint (Becker & Kamp-Becker, 2010). Ein entscheidender Zusammenhang für die Verbesserung der Störung, ist ein höherer IQ sowie eine frühe funktionale Sprachentwicklung. (Kitzerow et al., 2014).

Daher wurden bisher international auch mehr Studien durchgeführt, welche sich mit therapeutischen Ansätzen der Frühförderung beschäftigen (Freitag et al., 2014).

Der Schwerpunkt liegt auf verhaltenstherapeutischen und pädagogischen Ansätzen, welche als Ziele die Unterstützung der sozialen und kommunikativen Entwicklung, Förderung der allgemeinen Lern- und Problemlösefähigkeit, der Abbau von Verhalten, welches mit Lernen und Zugang zu Möglichkeiten normaler Erfahrung interferiert sowie die Vermittlung von Hilfe zur Bewältigung des Autismus für die Familie genannt (Steinhausen, 2010).

Es gibt in Deutschland jedoch „keine autismusspezifische Grundversorgung, auf die jeder Patient Anspruch haben könnte“ (Kitzerow et al., 2014, S.35), wodurch die meisten Ansätze eher unspezifischer Herkunft sind.

Dazu zählt beispielsweise das Frankfurter Frühinterventionsprogramm (Kitzerow et al., 2014), im Folgenden FFIP abgekürzt, welches ein verhaltenstherapeutischer Ansatz, basierend auf dem natürlichen Lernformat, ist. Dieser hat zum Ziel, die soziale Motivation zu fördern, hinsichtlich des Sprachverständnisses und der Kommunikation, der wechselseitigen Interaktion sowie das Spielverhalten und alltagspraktische Fähigkeiten. Dabei ist die Zusammenarbeit mit den Eltern und Erziehern von großer Bedeutung, da die Ziele im Alltag konkret umgesetzt werden sollen. Hilfen werden in dieser Therapie nur so viel zur Bereitschaft gestellt, wie das Kind es nötig hat, ansonsten ist es ein weiteres Ziel, die Selbstständigkeit des Kindes zu fördern.

Anhand der Ergebnisse lässt sich feststellen, dass dieser Therapieansatz einen signifikanten Anstieg des Entwicklungsalters zeigt sowie eine Verbesserung der rezeptiven und expressiven Sprache. Dies erklärt man sich daran, dass „Komponenten wie eine natürliche Lernumwelt, Förderung von Imitation und gemeinsame Aufmerksamkeit“ (Kitzerow et al., 2014, S. 39) sich als wichtigste Prädikatoren für die Sprachentwicklung erwiesen. Außerdem spielt das Alter eine entscheidende Rolle, weshalb immer wieder die Rede von frühmöglichster Intervention ist, da sie in diesem Stadium dem Kind am meisten hilft. Es lässt sich also feststellen, dass eine Verbesserung und Förderung von wichtigen Entwicklungsbereichen stattfinden kann, wenn wichtige Prädikatoren berücksichtigt werden und in Kleingruppen gearbeitet wird, sodass den Kindern individuell geholfen werden kann.

Dies zeigt sich auch in einer weiteren Studie (Hartmann, Willner & Esser, 2004), welche ebenfalls den Prädikator der Imitation nutzt, um effektiv bei frühkindlichem Autismus zu sein. Ziel war es, die gegenseitige Kommunikation zu fördern, das Spontanverhalten der Kinder zuzulassen sowie „die Zunahme der Differenziertheit dieses Verhaltens“ (Hartmann et al., 2004, S.3).

Dabei war es wichtig, dem Kind Zeit zu geben, um das spontane Verhalten zuzulassen. Dieses „Warten“ (Hartmann et al., 2004, S.2) stellt einen wichtigen Punkt der Therapie dar, ebenso wie das „Spiegeln“ und das „parallele Handeln“ (Hartmann et al., 2004, S.3). Diese drei Prinzipien der AIT, förderten nachweislich „aktuelle[ ] Impulse, Motivationen, Handlungen und Ausdrucksweisen der autistischen Kinder“ (Hartmann et al., 2004, S.3). Eine enorme Wichtigkeit spielt in dieser Studie ebenfalls die Rolle der Eltern, welche aufmerksam sein müssen, um auf das aktuelle Verhalten der Kinder reagieren zu können und ihre Interaktionsangebote an dieses Verhalten anzupassen.

Man merkt, dass die verschiedenen Therapieangebote häufig die selben, oder zumindest ähnliche Prädikatoren nutzen, um einen spezifischen Bereich der autistischen Kinder zu fördern und das vor allem die Eltern dazu aufgefordert sind, an diesen Angeboten teilzuhaben und die Kinder mit zu fördern. Auch erkennt man daran, dass den autistischen Kindern eine große Menge an Zeit und Aufmerksamkeit geschenkt werden muss, um Effekte zu erzielen und seine Ziele umsetzen zu können.

Ob dies in der Schule, besonders für die Lehrer,überhaupt machbar ist, wird im Folgenden herausgearbeitet.

3. Autismus im Schulalltag

Ausgeschlossen aus einem schulischen Alltag hinsichtlich mancher Qualifikationen dürften autistische Kinder eigentlich nicht sein, da sie wie andere Kinder ebenfalls lesen, schreiben und rechnen können (Sigman et al., 2000). Jedoch gibt es, wie bereits erwähnt, Gebiete, auf denen die autistischen Kinder zurückliegen und welche sie oftmals daran hindern, an einem normalen Schulalltag teilzunehmen. Besonders das Verständnis und die Verballogik sind nicht gut ausgeprägt, wenn es darum geht, Informationen des Lehrers aufzunehmen. Diese Defizite verweisen auf die „begrenzte soziale Urteilsfähigkeit und [das] geringe Bewusstsein für kulturelle Gepflogenheit im Umgang mit anderen und bei der aktiven Teilnahme am täglichen Leben“ (Sigman et al., 2000, S.83).

Soziale Interaktion erzeugt bei diesen Kindern häufig sogar Angst, Aggressionen und Hilfslosigkeit, was dem Lehrer Schwierigkeiten bereiten könnte, das Kind richtig zu verstehen und seine Emotionen zu deuten. Die Hilflosigkeit scheint hierbei also nicht nur auf einer Seite stattzufinden, sondern ist vermutlich auf Seiten des Lehrers ebenfalls gegeben.

Soziale Interaktion wird so zu einem Stressobjekt gemacht, welches das Lernen kaum möglich macht und gleichzeitig dazu führt, dass die Lernmotivation sinkt. Begegnet man einer Sache, die einem emotional belastet, kommt keine Energie auf, sie wirklich zu bewältigen. Schulfähigkeit, Konzentration und Lernfähigkeit werden so immer stärker beeinträchtigt und lassen die Frage aufkommen, wie die Lehrerschaft mit diesen Schwierigkeiten umgehen soll und ob sie dazu, zeitlich, aber auch fachlich,überhaupt in der Lage dazu sind (Fröhling, 2012).

[...]

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Autismus im Schulalltag. Ist Inklusion bereits sinnvoll umgesetzt?
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum
Note
3,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
18
Katalognummer
V352113
ISBN (eBook)
9783668394957
ISBN (Buch)
9783668394964
Dateigröße
881 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
autismus, schulalltag, inklusion
Arbeit zitieren
Vanessa Wetzel (Autor:in), 2014, Autismus im Schulalltag. Ist Inklusion bereits sinnvoll umgesetzt?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/352113

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