Die Rolle des Obersalzbergs auf der Schaubühne des NS-Regimes


Bachelorarbeit, 2016

47 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Berchtesgaden und der Obersalzberg bis 1923
2.1 Fremdenverkehr in Berchtesgaden

3. Hitlers erste Begegnung mit dem Obersalzberg

4. Hitlers Flucht auf den Berg

5. Der Obersalzberg als Hitlers taktisches Rückzugsgebiet

6. Hitler wird sesshaft
6.1. Das Haus Wachenfeld

7. Hitler erste Verhandlung mit Goebbels am Obersalzberg

8. Hitler lernt den Berg zu nutzen

9. Wallfahrtsort der Deutschen

10. Der „gute Nachbar“ wandelt sich

11. Die Auslöschung des Dorfes

12. Hitlers engste Komplizen siedeln sich an
12.1 Das Landhaus Göring
12.2 Das Landhaus Speer

13. Hitler etabliert sich zum Regieren auf dem Berg.
13.1 Der Berghof als Regierungssitz

14. Die Umgebung des Berghofes
14.1 Das Kehlsteinhaus
14.2 Der Gutshof

15. Der Obersalzberg wird zum Sperrgebiet

15.1 Die Bunkeranlagen
15.2 Luftabwehr- sowie Luftschutzmaßnahmen für das Führerhauptquartier
15.3 Die Attentate am Obersalzberg

16. Der Obersalzberg als Instrument der politischen Propaganda

17. Anfänge der Politik am Obersalzberg
17.1 Zentrum großer Politik
17.2 Hitlers Versuch die Kirche auf seine Seite zu ziehen
17.3 Hitler trifft Schuschnigg
17.4 Premierminister Chamberlain
17.5 Diplomatie am Obersalzberg

18. Operation Foxly

19. D-Day am Obersalzberg

20. Das Ende des Obersalzberges

21. FAZIT

Literaturnachweis:

1. Einleitung

Selten hat ein Ort sein Gesicht und seine Bedeutung so oft gewechselt wie der Obersalzberg in Berchtesgaden. Wo sich noch vor Jahrhunderten ein bergbäuerliches Siedlungsgebiet befand, wurde dieses Gebiet Ende des 19. Jahrhunderts als Luftkurort von berühmten Persönlichkeiten genutzt. In den Jahren der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft wurde der Obersalzberg zum „Führungssperrgebiet“ und zweiten Regierungssitz Hitlers ausgebaut. 1923 verweilte Hitler erstmals am Obersalzberg. Diese Kulturlandschaft hinterließ auf ihn einen großen Eindruck. Er fühlte sich so wohl, dass er diesen Ort zu seiner zweiten Heimat wählte. Diese Entscheidung sollte jedoch für Berchtesgaden eine folgenschwere Entscheidung bedeuten. Es war nicht nur ein Bergdorf welches von den Mächtigen des Dritten Reiches zerstört wurde, sondern auch der Ort für die Gründung der Herrschaft des Terrors.[1] Zur Berühmtheit gelangte Berchtesgaden nicht nur weil es sich zum Erholungs- und Lieblingsort Hitlers entwickelte, sondern ebenso zu einer Regierungsstadt mit einer exterritorialen Verwaltung ausgebaut wurde.[2] In meiner Arbeit werde ich analysieren, wie dieser idyllische Ort der Sommerfrische zum zweiten Regierungssitz Hitlers werden konnte. Welche Bedeutung hatte diese „Festung“ für Hitler? Weshalb konnten auf dieser „Ewigen Baustelle“ in Zeiten von Rohstoffknappheit mehr Rohstoffe in kürzester Zeit verarbeitet werden als in mancher Rüstungsfabrik? Ein knappes Drittel seiner Regierungszeit war Hitler am Obersalzberg ansässig. Welche politischen Themen wurden hier besprochen, verhandelt und in den meisten Fällen sogar entschieden? Ich werde hinterfragen, weshalb der Führer das „Ermächtigungsgesetz“ verabschiedet hat, um entscheidende Teile der Macht vom Hauptsitz Berlin nach Berchtesgaden zu verlegen? Des Weiteren soll herausgearbeitet werden, wer hiervon profitierte? In diesem Zusammenhang spielt natürlich Martin Bormann eine große Rolle, welcher der „Herrgott vom Obersalzberg“ genannt wurde. Welchen Einfluss hatte er als Verwalter des Berges auf die Umbauarbeiten und die Entscheidungen Hitlers? Im Fokus dieser Arbeit soll unter anderem auch die Frage beantwortet werden: „Welche Bedeutung hatte dieses Machtzentrum sowohl für Hitler persönlich als auch für das NS-Regime?

2. Berchtesgaden und der Obersalzberg bis 1923

Das in Oberbayern gelegene Berchtesgadener Land ist eine der schönsten Landschaften in Deutschland. Darin eingebettet befindet sich der Obersalzberg.

Das Gebiet wurde erstmals Anfang des 12. Jahrhunderts urkundlich erwähnt. Dieser Zeitpunkt war beherrscht von großen Veränderungen und der zwischen Kaiser und Papst herrschende Investiturstreit, in welchem es um die Amtseinsetzung von Geistlichen durch die weltliche Macht ging, verursachte eine Welle von Klostergründungen. Der Anstoß für die Entstehung Berchtesgadens ging von der Gattin des Grafen Gebhard von Sulzbach aus. Sie galt als besonders gläubig und versprach die Gründung eines Klosters. Dieses Versprechen konnte jedoch erst ihr Sohn einlösen und genau diese Klosterstiftung war die früheste urkundliche Erwähnung. Chorherren des Augustinerordens wurden mit der Umsetzung vertraut. 1156 legte Kaiser Barbarossa die Gebietsgröße des Klosters sowie dessen Freiheit zur Forstwirtschaft und die Schürfrechte für Salz und Metall fest. Diese Zugeständnisse waren für den ersten wirtschaftlichen Aufschwung des Gebietes verantwortlich. Doch aufgrund des ertragreichen Salzvorkommens kam es zwischen den Nachbarn Salzburg und Bayern immer wieder zu Konflikten und dies führte zu einer Verschuldung von Berchtesgaden, so ging das Gebiet letztendlich zur Gänze an Salzburg. Erst im Jahre 1455 durch die Fürsprache des Kaisers wurde es von Salzburg gelöst und Rom unterstellt. 1611 wurde seitens Salzburgs nochmals der vergebliche Versuch unternommen, das Gebiet zu erobern, denn der Petersberger Salzstollen war wirtschaftlich von großer Bedeutung. Trotz allem wurde der Schuldenberg nicht weniger. Ganz im Gegenteil musste 1795 der letzte Fürstpropst Joseph Conrad Freiherr von Schroffenberg im „Salinenvertrag“ die Berchtesgadener Salzwerke „auf ewigen Zeiten“ an Bayern verpfänden. Die Schulden drückten schwer und 1803 unterschrieb Propst Schroffenberg im Zuge der Säkularisation die Entsagungsurkunde, wodurch Berchtesgaden zunächst dem Großherzog von Toskana und 1805 schließlich von Pressburg an das Kaisertum Österreich abgetreten wurde. Nach einigen Turbulenzen ging es 1810 an das Königreich Bayern, wo 1816 im „Münchner Vertrag“ die Landesgrenzen zwischen Salzburg und Berchtesgaden vermerkt wurde.[3]

2.1 Fremdenverkehr in Berchtesgaden

Die oben genannten Turbulenzen waren für das einfache Volk nicht zu spüren. Sie waren überwiegend einfache Bergbauern, Bergknappen und Holzarbeiter. Ihre Existenz war ärmlich und bescheiden. Da der Boden für Landwirtschaft nicht sehr erträglich war, mussten die Menschen sich mit Alm- und Viehwirtschaft begnügen. Doch obwohl dieser Herrschaftswechsel für die einstmalig „stolze“ Provinz, einen politischen Abstieg bedeutete und sie trotz des Salzvorkommens und dem Marmorsteinabbau zutiefst verschuldet war, kann man eigentlich von einer wirtschaftlich guten und profitablen Entscheidung sprechen. Die bayrischen Könige entdeckten Berchtesgaden als ihren Ruhepol und Jagdgebiet. Die romantische und ruhige Natur veranlasste viele der Herrscher teilweise sogar ihre Jagd- bzw. Sommerresidenzen oder gar den Hauptwohnsitze dorthin zu verlegen. Allmählich entwickelte sich durch die Jagdgesellschaften ein Tourismus und die Natur war rasch auch bei Geologen und Naturforschern gefragt. Anfang des 19. Jahrhunderts erschien Berchtesgaden immer mehr in Reiseberichten und wurde zu einem berühmten Erholungs- und Kurort für Künstler aus Europa. Durch den Aufschwung des Erholungs- und Jagdtourismus führte dies zu einer Verbesserung der Infrastruktur. Wo zuerst noch Kutschen die Gäste nach Berchtesgaden brachten, wurde bald das Eisenbahnnetz erweitert, sodass die Gästeanzahl stieg. Diese Entwicklung verhalf den Einwohnern zu neuen Erwerbschancen. 1877 kaufte Moritz Mayer das urkundlich erwähnte Steinhauslehen mit Grund und Boden auf dem Kehlstein für 13500 Mark. 1878 entstand hier das erste Gästehaus am Obersalzberg; die Pension Moritz. 1923 wurde das Gebirgskurhaus von Bruno Büchner aufgekauft und nach Judith Platter benannt. Die Namensgebung „Platterhof“ beruht auf der Geschichte zweier unglücklich Verliebter, nämlich Judith Platter und dem Priester Graf Rochus. Der wirtschaftliche Aufstieg dieser Pension entging den Einheimischen nicht und so mancher wurde zum Nachahmer. Das Geschäft mit den Kurgästen wurde bald zu einer leichteren Einkommensquelle als die körperlich harte Tätigkeit im Bergbau. Einige, die anfangs als Gäste kamen, kauften sich ein Grundstück und ließen sich hier nieder. Die durch den Ersten Weltkrieg entstandene Hyperinflation konnte aufgrund des Fremdenverkehrs bald beseitigt werden und es entstand ein beliebter Urlaubsort.[4]

3. Hitlers erste Begegnung mit dem Obersalzberg

Es war nicht die Umgebung, die Hitler anfangs auf diesen Berg führte, auch nicht wie oft erwähnt eine Vorsehung, oder dass er diesen Ort bewusst ausgewählt hatte. Es war eher ein Zufall, die ihn auf den Berg führten. Dietrich Eckart sein zukünftiger Mentor war antisemitisch, antirepublikanisch und bewegte sich in der gehobenen Münchner Gesellschaft.[5] Er war Herausgeber der antisemitischen Zeitschrift „Auf gut deutsch“ sowie Chefredakteur des „Völkischen Beobachter“. Eckart hielt an der Illusion fest, dass das deutsche Volk zur "Erlösung der Welt" aufgerufen sei, das 3. Reich zu gründen. Doch dieser Illusion wurde von kaum jemand Gehör geschenkt. Anfang 1920 hörte er Hitler auf einer Versammlung. Man vermutet, dass zuvor im Herbst oder Dezember bereits eine Begegnung zwischen den beiden stattgefunden hatte. Hitler war ein großer und temperamentvoller Redner. Die oftmalige Wiederholung seiner Parolen ließ ihn sichergehen, dass auch der letzte Zuhörer im Raum die Botschaft verstand. Eckart war von Hitlers Reden und Engagement begeistert und sah in ihm bereits den Mann, der das Volk befreien könne.[6] Für ihn war Hitler das Idealbild seiner Vorstellung eines Befreiers, ein alleinstehender Mann aus der Arbeiterschicht, jemand, der die Menschen mit seinen Reden nicht nur in den Bann ziehen konnte, sondern auch eine enorm glaubhafte Überzeugungskraft hatte.[7] Beide hegten eine extreme Ablehnung gegen Juden. Für Hitler waren sie eine zu minderwertige Rasse, Eckart sah in ihnen nur ein Volk mit einer zu ablehnenden Geisteshaltung. In seiner Bildung war Eckart Hitler weit überlegen und dieser sah schon sehr bald in ihm einen Mentor und väterlichen Freund. Durch diese Freundschaft wurde Hitler nicht nur gesellschaftsfähig, sondern auch durch seine neuen Bekanntschaften äußerst kreditwürdig. Eckart sah bald die Vorzüge seines Schülers in dessen Überzeugungskraft und der leidenschaftlichen dogmatisch verbissenen Redegabe.[8] Inspiriert von der Euphorie dieses jungen Schülers schrieb ihm Eckart viele Reden. Einer der Vorzüge dieses väterlichen Freundes war für Hitler, dass Eckart in vielen seiner eigenen Reden das Kommen des Führers huldigte. In ihm fand Hitler seinen Wegbereiter. Er lehrte ihm nicht nur Umgangsformen und korrigierte dessen Ausdruck, sondern machte ihn auch mit seinen einflussreichen, finanzkräftigen und arrivierten Freunden bekannt. Unter diesen Bekanntschaften befanden sich wichtige industrielle und finanzkräftige Gönner, die durch ihre großzügigen Spendengelder den Aufbau der Partei möglich machten.[9] Im Sommer 1921 kam es zu einer internen Parteikrise. Es war Eckarts Intervention und Eingreifen als Vermittler zu verdanken, dass Hitler den Sieg erringen und sich selbst zum Diktator der NSDAP machen konnte.[10] Gegen Eckart wurde wegen „Beleidigung des Reichspräsidenten“ eine Verhandlung angesetzt. Als dieser zum festgesetzten Gerichtstermin nicht erschien, wurde ein Haftbefehl erlassen. Anfangs noch etwas zweifelnd, konnte er dazu überredet werden, sich unter dem Namen Dr. Hoffman in der Pension Moritz am Obersalzberg zu verstecken. Hitler selbst wusste nur, dass er oberhalb von Berchtesgaden in einer Pension untergebracht war und besuchte ihn unter dem Decknamen „Herr Wolf“ 1923.[11] So kam es im Frühjahr 1923 zum ersten Zusammentreffen am Obersalzberg zwischen den beiden. Seine erste Begegnung mit der verschneiten Berglandschaft fand anfangs überhaupt nicht Hitlers Zustimmung. Es war ihm der Aufstieg schon zu steil und mühsam, keine ordentlichen Wege, alles schneebedeckt. Doch bald schon schlug diese Abneigung in Begeisterung um. Hitler fand bereits am nächsten Morgen die Aussicht auf den Untersberg atemberaubend und war von der Stille beeindruckt. Er kam nun öfters auf den Obersalzberg, um Ausflüge mit seinen Freunden zu unternehmen. Bei den Besuchen auf dem Berg führte Hitler mit Eckart viele Gespräche über grundlegende politische Fragen und Probleme. Je erfolgreicher die Karriere Hitlers wurde, desto bedeutungsloser wurde die seines väterlicher Freundes und Mentors. Denn gleichzeitig mit Hitlers Aufstieg, verlor er mit der Zeit an Bedeutung. Es dauerte nicht lange und der zukünftige Führer kam immer wieder auch in Begleitung von Parteifreunden. Unter ihnen befand sich Emil Ganssner, die Baronin Abegg, Hermann Esser, Heinrich Hoffman und Anton Drexler. Jahre danach bezeichnete er diese Phase als die glücklichste in seinem Leben.[12]

4. Hitlers Flucht auf den Berg

Im Sommer desselben Jahres rief der Führer rechtsgerichtete Kräfte zusammen. Sinn und Zweck war es mittels eines Putsches, der am 8/9. November 1923 gegen die Weimarer Republik stattfand, die Regierung in Berlin abzusetzen. Dieser misslang jedoch und wurde mit Waffengewalt niedergeschlagen. Es wurde ein Verbot gegen die NSDAP ausgesprochen.[13] Nach der Verbüßung von nur neun Monaten, statt der laut Urteil festgelegten fünf Jahre Haftstrafe zieht sich Hitler auf den Obersalzberg zurück. Aufgrund des über ihn verhängten Redeverbotes nutzte Hitler diese Ruhephase, um den zweiten Band von „Mein Kampf“ zu diktieren. Hierfür mietet er sich in verschiedenen Pensionen wie z.B. in der Pension Moritz, dessen Besitzer zu seinen frühen Anhängern zählt, als „Herr Wolf“ ein. Doch von allen Pensionen war ihm der Platterhof am liebsten. Später stellt man ihm eine Blockhütte, welche nach Jahren den Namen „Kampfhäusle“ erhielt, da Hitler hier Teile des 2. Bandes „Mein Kampf“ diktierte, zur Verfügung. Die Veröffentlichung des Buches ermöglichte ihm seine revolutionären Gedanken unter das Volk zu bringen.[14] Es war der Ort, an welchem sein früherer und bereits verstorbener Freund Eckart über lange Zeit lebte. Hitler erkannte schon bald, dass der Obersalzberg nicht nur ein ideales Versteck ist, sondern im politischen Notfall die „Grüne Grenze“ zu Österreich zur Flucht nicht unweit entfernt war. Während seines Haftaufenthaltes kam es zu großen innerparteilichen Veränderungen. Diese Machtkämpfe und Konflikte innerhalb der Partei führten zu einer Spaltung. Doch Hitler hielt sich zurück und versuchte sich mit der, während seiner Abwesenheit entstandener, schlechter politischer und wirtschaftlicher Situation der Partei, auseinanderzusetzen. Durch Hitlers Rückzug auf den Berg war er für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Dadurch wurden seine Parteianhänger ungeduldig und er noch gefragter und interessanter.[15] Über seine frühe Zeit am Obersalzberg gibt es nicht sehr viel Quellenmaterial. Fast alle Informationen sind größtenteils in den „Partei- und Führer-Hagiographie“ festgehalten, welche einen sehr lockeren Umgang mit den geschichtlichen Fakten hatte. Dass über diese ersten Jahre kaum etwas bekannt ist, mag daran liegen, dass Hitler diesen Platz so wie schon zuvor Eckart als Versteck nutzte, als er gegen das auferlegte Redeverbot verstieß. Über lange Zeit zog er sich zurück und gab sich den Wahnvorstellungen hin. Dieses Versteckspiel war für ihn nicht sehr schwierig, denn bis 1923 gab es keine veröffentlichten Fotografien von Hitler.[16]

5. Der Obersalzberg als Hitlers taktisches Rückzugsgebiet

Da der Ausnahmezustand in Bayern am 16.2.1925 aufgehoben wurde, gab es keine Rechtsgrundlage mehr für das Verbot der NSDAP. Nun war es für Hitler an der Zeit in die kritische – verfahrene innerparteiliche Situation einzugreifen, um diese in den Griff zu bekommen. Die Wiederbegründung der Partei erfolgte durch ihn am 27.2.1925. Er betrat nach langer Abwesenheit erstmals wieder die „öffentliche Bühne“ im Bürgerbräukeller. Es war der gleiche Bierkeller, in dem er 1923 den Putsch begonnen hat. Dieser Auftritt wurde am Obersalzberg sorgfältig vorbereitet und die Erwartungen der zerstrittenen Parteimitglieder an ihn waren sehr hoch. In seiner spektakulären Rede kündigte er den Bürgerkrieg und das rücksichtslose Vorgehen gegen alle Gegner der Partei an. Während der langen Verbotszeit teilte sich die NSDAP in die „nationalsozialistische Freiheitsbewegung“ und den „Völkischen Block. Diese empathische Rede führte allerdings dazu, dass sich die bis dato zerstrittenen Kräfte in der Partei vereinten und Hitler sich die alleinige Herrschaft über diese sicherte. Parteimitglieder konnten nur jene werden, die sich ihm bedingungslos unterwarfen. Dieser triumphale Erfolg machte der bayrischen Regierung aufs Neue deutlich, wie gefährlich die Überzeugungskraft Hitlers für die Sicherheit des Landes war. Um seine Macht zu schwächen, wurde über ihn am 9.3.1925 für den Raum Bayer und später über ganz Deutschland ein Redeverbot für öffentliche Zusammenkünfte erlassen. Nun konnte er nur mehr in geschlossenen Mitgliederversammlungen und privaten Veranstaltungen sprechen. Damit man nicht auf die Idee kommen würde, ihn nach Österreich abzuschieben, stellte er einen Antrag auf Entlassung aus der österreichischen Staatsbürgerschaft. Diesem wurde auch am 30.5.1925 Folge geleistet und Hitler war somit staatenlos.[17] Doch trotz des Redeverbotes reiste er durchs Land, um den Ruf seiner Partei zu stärken. Immer wieder kam er zurück, um teilweise in Berchtesgaden und am Obersalzberg, im Platterhof zu wohnen, denn in dieser Ruhe konnte er sein Buch „Mein Kampf“ beenden, dessen Einnahmen auch für lange Zeit seine einzigen sein sollten.[18]

6. Hitler wird sesshaft

Mit dem Anwachsen von Hitlers Macht gewann der Obersalzberg immer mehr an Bedeutung für ihn. Es war der Ort, an welchem er seine Pläne schmieden konnte, dort baute er die Einschränkungen des Versailler Friedensvertrages aus und plante seine politischen „Schachzüge“. Viele Bewohner beobachten das Treiben ihres Nachbarn mit Argwohn. Zu der Zeit, als er mit dem Schreiben seines Buches „Mein Kampf“ beschäftigt war, hatte er sich bereits in ein zweistöckiges Haus im bayrischen Landhausstil eingemietet, ehe es ihm nach der "Machtergreifung" zum Kauf angeboten wurde.

6.1. Das Haus Wachenfeld

Damals war es noch ein kleines Ferienhaus, das sich im Besitz von Kommerzialrat Winter befand. Es stand ziemlich einsam gelegen am Nordhang des Obersalzberges. Hitler war sofort begeistert von dem ortstypischen Baustil und der Lage, welche einen uneingeschränkten Blick auf den von ihm so gern gesehenen Untersberg ermöglichte. Von Bedeutung für Hitler war auch die Tatsache, dass dieses Haus am Nordhang lag, denn er hatte sehr empfindliche Augen und musste das direkte Sonnenlicht meiden. Es war also nicht überraschend, dass Hitler sofort zugriff.[19] Für den Besitzer des Hauses kam Hitler genau zum richtigen Zeitpunkt, denn das Haus stand leer und war nicht mehr profitabel. Mit zunehmender Macht wuchs auch seine Präsenz am Obersalzberg. So kann man eigentlich behaupten, Hitler wurde auf dem Berg genauso sesshaft wie viele Sommerfrischler schon vor ihm.[20] Es sollte ein Rückzugsort für ihn werden. Wachenfeld war nun doch ein beeindruckendes Haus für jemanden, der eigentlich nur ein ärmliches Untermietzimmer in München besaß. Dieses Häuschen hatte dagegen einen großen Wohnraum mit Veranda sowie drei Zimmer im ersten Stock. Hitler, der eigentlich als mittellos galt, finanzierte sich die Miete durch seine Tantiemen aus dem Buch „Mein Kampf“. Anfangs lief es für ihn sehr profitabel. Nach einiger Zeit fand er auch für die Einrichtung seines Hauses zahlreiche weibliche Unterstützung. Eine Fabrikantengattin half ihm beim Mobiliar. Frau Bechstein stiftete einen Flügel. Hitler, der bis dahin kärglich gelebt hatte, wechselte nun zu einem etwas flotteren Lebensstil. So erstand er einen sechssitzigen Mercedes, mit welchem er sich für viele Fotoaufnahmen ablichten ließ. Er wurde zum Markenzeichen für ihn. Seine Halbschwester Angela Raubal führte für ihn den Haushalt. Sie wohnte mit ihrer Tochter Geli im Haus, wodurch Hitler ihr auch näher kam. Wie innig und ernst diese Beziehung war, darüber lässt sich nur vermuten. Für Hitler war sein Domizil nie nur der idyllische Ort des Rückzugs und der Erholung, vielmehr ein Ort der Verschwörung und des Pläneschmiedens. Er benutzte die Idylle des Obersalzberges, um Machtkämpfe auszuüben oder Freundschaften zu beschließen, welche ihn von großem politischem Nutzen sein konnten. Relativ kurz nach der Machtübernahme kam er immer öfter zu seinem Zweitwohnsitz am Obersalzberg. Sein eigentlicher Regierungssitz in Berlin verlor an Priorität. Man konnte nun mit Recht behaupten, dass Haus Wachenfeld nun zum zweiten Regierungssitz wurde, wo große politische Entscheidungen sowie strategisch-politische Pläne entstanden.

7. Hitlers erste Verhandlung mit Goebbels am Obersalzberg

Hitler war sich der Wirkung des Obersalzberges auf Besucher stets im Klaren. Diese großartige Bergkulisse ermöglichte es ihm strategische Gespräche in einer entspannten Atmosphäre zielstrebig zu führen. Einer seiner Schachzüge war, den jungen Goebbels einzuladen, der schon während Hitlers Haftzeit ein großer Bewunderer von ihm war.[21] Der Führer benötigte dringend einen Mann seines Vertrauens. Doch dieser wurde zum Verbündeten des Parteigegners Gregor Strasser und somit für Hitlers politische Karriere hinderlich. Er plädierte sogar dafür, ihn aus der Partei zu eliminieren. Zur Verwirklichung seiner List diente das Haus Wachenfeld. Er lud Goebbels ein, führte mit ihm in der idyllischen Umgebung lange Gespräche. Normalerweise musste jeder Hitler zuhören, denn er duldete keine Unterbrechungen oder wollte nur, wenn es unbedingt sein musste, längere Reden von anderen hören. Doch für Goebbels machte er eine Ausnahme, er schenkte ihm stundenlang Gehör und schmeichelte ihm solange, bis dieser dachte, er stünde nun in der vollen Gunst des Führers. Sein ehemaliger Gegner Goebbels wurde zu einem der engsten Verbündeten. Er war so begeistert, dass er bei seiner Heimkehr den Brüdern Strasser den Rücken zukehrte. Hitler ernannte ihn nur wenige Tage später zum Gauleiter von Berlin. An diesem Beispiel lässt sich erkennen, wie der Parteiführer dazu neigte die Kulisse des Obersalzberges taktisch zu nutzen. Dies war der Augenblick, indem sich das Haus Wachenfeld vom Landhaus zur Befehlszentrale der Partei entwickelte.

8. Hitler lernt den Berg zu nutzen

Wenn Hitler Einladungen auf den Obersalzberg aussprach, so war dies niemals ein geselliges Zusammentreffen, auch wenn es oftmals den Anschein hatte. Bereits in Zeiten des äußeren Friedens hatte der Führer diesem Domizil eine wichtige politische Rolle zugedacht. Er nutzte diesen Ort, um vor einer wunderbaren idyllischen Kulisse Staatsmänner zu manipulieren oder unter Druck zu setzen.[22] Er lud stets aus strategisch, politischen Gründen ein. Sei es nun, um seine Macht zu demonstrieren oder sich zu verbünden. Bis Hitler 1933 tatsächlich an die Macht kam, blieb das Haus genauso, wie es anfangs war. Vor jedem entscheidungsträchtigen Auftritt oder Parteitag zog sich Hitler immer vorher einige Tage auf den Obersalzberg zurück, um eine Denk-, Planungs- und Formulierungsphase einzulegen. Hierfür war die Größe des Hauses ideal und es waren keine größeren Räumlichkeiten nötig. Niemand ahnte, welchen Stellenwert der Berg für Hitler hatte.[23] Anfangs hielt sich der Führer noch an die nachbarschaftlichen Gepflogenheiten. Er verschickte Postkarten zu diversen Anlässen, grüßte und blieb auch ab und zu für ein Pläuschchen mit seinen Nachbarn stehen. Als Grundstücksgrenze diente ein niedriger Maschendrahtzaun. Er war bis 1932/33 der nette aufgeschlossene Nachbar von nebenan.[24]

[...]


[1] Vgl. Chaussy, Ulrich: Nachbar Hitler. Führerkult und Heimatzerstörung am Obersalzberg. Berlin:

Ch. Links Verlag. 2012, S. 9-10

[2] Vgl. Dahm, Volker: Die tödliche Utopie. Bilder, Texte, Dokumente, Daten zum Dritten Reich. Hg.v. Dahm Volker/Feiber, Albert/Merhirnger Hartmund/Möller Horst. München-Berlin: AZ Druck und Datentechnik GmbH 2011. S. 13-17

[3] Vgl. Feiber, Albert: Die tödliche Utopie. Bilder, Texte, Dokumente, Daten zum Dritten Reich. Hg. v. Dahm, Volker/Feiber Albert/Merhirnger Hartmund/ Möller Horst. München-Berlin: AZ Druck und Datentechnik GmbH 2011. S. 53-54

[4] Vgl. Feiber A. Albert: Die tödliche Utopie. Bilder, Texte, Dokumente, Daten zum Dritten Reich. München- Berlin: AZ Druck und Datentechnik GmbH 2011. S54-61

[5] Vgl. Chaussy Ulrich/Püschner Christoph: Nachbar Hitler Führerkult und Heimatzerstörung am Obersalzberg. Berlin: Christoph-Links Verlag GmbH 2012. S. 25-31

[6] Vgl. Thule-Gesellschaft: Nationalsozialismus und Okkultismus: http://www.relinfo.ch/thule/info.html#eckart (20.9.2016)

[7] Vgl. Chaussy Ulrich/Püschner Christoph: Nachbar Hitler Führerkult und Heimatzerstörung am Obersalzberg. S.25

[8] Vgl. Thule-Gesellschaft: Nationalsozialismus und Okkultismus: http://www.relinfo.ch/thule/info.html#eckart

[9] Vgl E.R. Carmin: „Guru“ Hitler. Die Geburt des Nationalsozialismus aus dem Geiste von Mystik und Magie, Zürich 1958, S.114-117

[10] Vgl. Thule-Gesellschaft: Nationalsozialismus und Okkultismus: http://www.relinfo.ch/thule/info.html#eckart (20.9.2016)

[11] Vgl. Feiber Albert: Die tödliche Utopie. S. 60-62

[12] Vgl. Hitler Adolf: Monologe im Führerhauptquartier 1941-1944. Die Aufzeichnungen Heinrich Heims, Hg.v. Jochmann Werner: Hamburg 1980 S. 203-207

[13] Vgl. Frank Bernhard: Geheime Regierungsstadt Hitlers. Berchtesgaden: 2004. Plenk Verlag S. 16-18

[14] Ebd. S 59-60

[15] Vgl. Zitelmann Rainer: Adolf Hitler. Eine politische Biographie, Göttingen-Zürich: 1989 S. 44-46

[16] Vgl. Chaussy Ulrich/Püschner Christopher: Nachbar Hitler. S 29.-31

[17] Vgl. Toland John: Adolf Hitler. Biographie 1889-1945, Augsburg 2004 S. 265-268

[18] Vgl. Van Capelle H/ Van de Bovenkamp A.P.: Der Berghof Adlerhorst-Hitlers verborgenes Machtsezntrum Wien: Verlag Carl Ueberreuter 2007. S. 12-13

[19] Vgl. Frank Bernhard: Geheime Regierungsstadt Hitlers. Berchtesgaden: Plenk-Verlag 2004. S 62-63

[20] Vgl. Chaussy Ullrich/ Püschner Christoph: Nachbar Hitler S. 45

[21] Vgl. Frank Bernhard: Geheime Regierungsstadt Hitlers. S 62-63

[22] Vgl. Beierl Florian: Hitlers Berg Licht ins Dunkel der Geschichte. Geschichte des Obersalzberges und seiner geheimen Bunkeranlagen. Berchtesgaden: Verlag Beierl 2015. S. 20

[23] Vgl. Frank Bernhard: Geheime Regierungsstadt Hitlers. S. 61-64

[24] Vgl. Chaussy Ullrich/Püschner Christoph: Nachbar Hitler S 45-46

Ende der Leseprobe aus 47 Seiten

Details

Titel
Die Rolle des Obersalzbergs auf der Schaubühne des NS-Regimes
Hochschule
FernUniversität Hagen
Note
2
Autor
Jahr
2016
Seiten
47
Katalognummer
V352047
ISBN (eBook)
9783668384583
ISBN (Buch)
9783668384590
Dateigröße
803 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Obersalzberg
Arbeit zitieren
Sylvia Attoh-Oppenauer (Autor:in), 2016, Die Rolle des Obersalzbergs auf der Schaubühne des NS-Regimes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/352047

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