Bewertung durch Rating-Agenturen. Potentielle Probleme und die Regulierung im europäischen Raum


Bachelorarbeit, 2015

31 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Problemstellung

2. Definition von Rating
2.1. Analyseziel und Rating- Klassifikation
2.2. Rating-Verfahren

3. Struktur des Ratingmarktes

4. Funktionen und Bedeutung
4.1. Für Emittenten und Investoren
4.2. Regulatorische Funktionen

5. Fehler und Probleme von Rating-Agenturen
5.1. Interessenkonflikte
5.1.1. Issuer-pay-Bezahlmodell
5.1.2. Beratungsfunktion
5.1.3. Rating Shopping
5.2. Fehlprognosen
5.3. Relevanz und Spillover-Effekte

6. Regulierungen im europäischen Raum
6.1. Regulierungen vor der Finanzkrise
6.2. Die Finanzkrise
6.3. Ratingverordnung 2009

7. Fazit

Anhang

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Ratingarten

Abbildung 2: Ratingskalen der drei großen Rating-Agenturen

Abbildung 3: Ratingprozess

Abbildung 4: Verteilung der Ratings zwischen den NRSRO's

Abbildung 5: Marktanteil 2013

Abbildung 6 : Basel-II-Risikogewichtung

Abbildung 7: Bewertungshorizont für Enron und Worldcom

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Problemstellung

Nach der Liberalisierung der Finanzmärkte in den 1970er Jahren schlossen sich ihnen dauernd neue Akteure an und erweiterten die Finanzwelt durch immer komplexere Produkte. Dies führt dazu, dass der Bedarf der Investoren an zuverlässigen Informationen und realistischen Risikoeinschätzung der Emittenten immer weiter steigt. Dieser Hintergrund bietet Ratingagenturen einen guten Nährboden, um ihre standardisierten und aufwendig recherchierten Bonitätsbeurteilungen anzubieten und zu verkaufen. Als „Massenproduzenten auf dem Informationsmarkt“1 ersparen sie Investoren aufwendige Recherchen, da ein Rating als Kernaufgabe gegenwärtige und zukünftige Zahlungsfähigkeiten eines Schuldners ermittelt und in mehrstufigen Skalen einstuft.2 Speziell für die Aufnahme von Fremdkapital sind Ratings für Unternehmen und sogar für Staaten von zentraler Bedeutung. Fremdkapitalbedarf wird zunehmend durch Begebung von Wertpapieren befriedigt. Ein positives Rating steigert die Investitionsbereitschaft von Investoren und ermöglicht es ihnen darüber hinaus, Kapital unter günstigeren Konditionen aufzunehmen.3 Ein ebenfalls wichtiges Indiz in Bezug auf die Signifikanz von Rating-Agenturen ist die Tatsache, dass viele Staaten, vor allem Schwellenländer, sich mittlerweile durch Emissionen von Anleihen finanzieren, die von den Agenturen bewertet werden.4 Spätestens an diesem Punkt stellt sich die Frage, ob es den Bonitätsbeurteilungen von Rating-Agenturen gelingt, die Zahlungsfähigkeit von Emittenten tatsächlich realistisch einzuschätzen. Die Vergangenheit bietet zahlreiche Beispiele, wo Ratingagenturen massive Fehleinschätzungen unterliefen und so in die Kritik gerieten. Vor allem der Skandal im Jahre 2002 im Zusammenhang mit dem US-Großunternehmens Enron, wo drei große Ratingagenturen Bilanzfälschungen nicht erkannten und dem Unternehmen vier Tage vor dem Insolvenzantrag noch das Qualitätsurteil investment Grade verliehen, stellte die Prognosefähigkeit von Ratings in Frage,5 und spätestens seit der berüchtigten Subprime-Krise Ende 2007 halten viele Politiker, Ratingagenturen gar für die Mitverursacher dieser Krise, da sie bestimmte strukturierte Finanzprodukte zu optimistisch bewertet hätten.6

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die möglichen Schwächen von Rating-Agenturen zu analysieren und sie mit den durchgeführten Regulierungen im europäischen Raum in Verbindung zu setzen, sodass ein kritisches Urteil über die Wirksamkeit dieser Reformen ableitbar ist. Meine Arbeit ist in drei große Bereiche gegliedert: Der erste Bereich umfasst die Kapitel zwei bis vier und gibt einen kurzen Einblick darüber, welche Ziele ein Rating verfolgt, welche Arbeit die Agenturen leisten und warum sie heute eine so wichtige Rolle auf den Finanzmärkten spielen. Hierbei gehe ich gesondert auf die besondere Marktstruktur der Rating-Agenturen ein, wobei deutlich wird, dass das gesamte Rating-Geschäft weltweit über lediglich drei Agenturen abgewickelt wird. Der zweite Bereich bildet den Kern dieser Arbeit und umfasst das Kapitel fünf, das die Probleme und das Versagen von Ratings und der dahinter stehenden Agenturen untersucht. Der dritte Bereich, das sechste Kapitel, nimmt die Regulierungen vor und nach der Finanzkrise in den Blick, wobei nur die europäischen Märkte betrachtet werden. Hier spielt die Ratingverordnung im Jahre 2009 die zentrale Rolle, die nach immer lauterer Kritik an den kaum regulierten Rating-Agenturen schließlich durchgesetzt wurde. Abschließend ziehe ich im letzten Kapitel ein Fazit, indem ich kritisch untersuche, in welchem Umfang die Reformen der EU das mögliche Versagen der Agenturen eindämmen und ob die Hauptprobleme mit ihnen gelöst wurden.

2. Definition von Rating

Everling definiert Rating als „die in Symbolen ausgedrückte Meinung eines spezialisierten Finanzintermediärs - der Ratingagentur - hinsichtlich der Bonität eines Schuldners als seiner Fähigkeit und Willigkeit seinen Zahlungsverpflichtungen aus der Begebung von Schuldverschreibungen vollständig und termingerecht nachzukommen.“7 Dementsprechend drückt ein Rating die Kreditqualität aus und stellt eine Meinung zur Zahlungsfähigkeit bzw. -unfähigkeit dar.8 Unter Zahlungsunfähigkeit wird nicht nur die Wahrscheinlichkeit eines Teil- oder Totalausfalls der Zahlung verstanden, sondern auch das Risiko, dass die Tilgung fristgerecht und in der vorher vereinbarten Art und Weise geleistet wird. Besonders aus Opportunitätsgründen ist es für Investoren wichtig, zu wissen, ob alle Leistungen zum beschlossen Zeitpunkt erfolgen.9

2.1. Analyseziel und Rating- Klassifikation

Bewertet werden nicht nur Industrieunternehmen, sondern auch Banken, Versicherungsunternehmen, Investmentfonds und sogar Staaten.10 Ziel der Ratingagenturen ist die Klassifikation von Finanztiteln und den dahinterstehenden Emittenten.11 Die Klassifikation folgt bei allen Agenturen mittels Buchstabenkombination. Der Nutzen liegt hier bei in der einfachen Verständlichkeit. Durch meist ähnliche Symbole können Bonitätsurteile mithilfe der Definition der Legende, mühelos verstanden werden. Ein Investor muss insofern nicht die ganze Bewertung eines Ratingobjektes lesen, um sein Risiko einschätzen zu können.12 Jedoch können sich Ratingaussagen je nach Adressat ändern. Ein Überblick über die Adressaten und Aussagen von Ratings stellt die Abbildung 1 dar:

Abbildung 1: Ratingarten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Ott (2011), S.9.

Wie aus der Abbildung 1 zu erkennen ist, sind alle Ratingarten aus dem Credit Rating abgeleitet und können somit als Rating im engeren Sinne bezeichnet werden.13 Das Ergebnis einer Bonitätsanalyse wird üblicherweise mit „Ratingsymbolen“ versehen, die zusammen mit ihrer Definition die Ratingskala ergeben. Hierbei wird zwischen lang- und kurzfristigen Ratings unterschieden. Dabei ist die Skala für kurzfristige bedeutend kleiner als die Skala für langfristige.14 Der Grund dafür liegt vor allem im niedrigeren Risiko eines Zahlungsausfalls, da für kurzfristige Ratings ein kürzerer Zeitraum antizipiert werden muss. Die Ratingskala wird im Allgemeinen in zwei Bereiche unterteilt: in „investment grade“ sowie in „spekulative grade“. Folglich legen viele Investoren nur in Finanztiteln an, die mit „investment grade“ apostrophiert werden.15 Die Abbildung 2 informiert über die langfristige Bewertungsskala der drei großen Ratingagenturen:

Abbildung 2: Ratingskalen der drei großen Rating-Agenturen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: In Anlehnung an www.boerse-frankfurt.de o.J.

Zudem haben Rating-Agenturen die Möglichkeit, einzelne Ratings in eine Überwachungsliste aufzunehmen. Diese Liste zeigt die mögliche Richtung eines Urteils an, die sie in einem nahen Zeithorizont annehmen kann. Sich auf dieser Liste befindenden Ratings können die Attribute „postive“, „negative“ sowie „direction uncertain“ (Moody’s) / „developing“ (S&P)/ „evolving“ (Fitch) annehmen.16 Wichtig ist jedoch, dass ein Rating trotz Überwachung nicht geändert werden muss, oder gegenteilig ohne Überwachung mittels Überwachungsliste geändert werden kann.17

2.2. Rating-Verfahren

Beim Ratingverfahren wird grundsätzlich zunächst zwischen Auftrags- (solicited Rating) und auftragslosen- Ratings (unsolicited Rating) unterschieden. Beim Auftragsrating erteilt der Emittent einen kostenpflichtigen Auftrag, bei dem alle von der Agentur erwünschten Informationen bereitgestellt werden. Das auftragslose Rating ist hingegen, wie der Name schon impliziert, vertragslos, wobei die Informationsbeschaffung von Seiten der Agenturen erfolgt und sie sich auf öffentliche Daten stützen müssen. Die Vorgehensweise des Ratings folgt nach dem „Top-Down-Ansatz“. Zunächst werden makroökonomische Bedingungen des Staates erfasst, in dem der Emittent ansässig ist. Grundsätzlich gilt, dass das Rating eines Emittenten nicht günstiger ausfallen kann, als das Rating seines Sitzstaates. Nur in seltenen Fällen wird ein höheres Rating vergeben. Abstufend werden Branchen, Unternehmen und letztendlich die Finanztitel analysiert.18 Das Verfahren eines Auftragsratings fasst die folgende Abbildung 3 zusammen:

Abbildung 3: Ratingprozess

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Ott (2011), S.13.

Die Abbildung 3 macht deutlich, dass ein Rating keine Gleichung ist, bei der nur Werte in eine Formel eingegeben werden müssen, um das gewünschte Ergebnis zu erhalten. Ein Rating besteht sowohl aus quantitativen als auch aus qualitativen Maßstäben.19 Quantitativ werden Daten wie Gewinne, Cashflow, Liquidität und Verschuldungsgrad in Betracht gezogen. Qualitativ werden im Gegensatz dazu sowohl die Fähigkeiten des Managements als auch bonitätsrelevante Erfolgspotentiale und die Gesamtbeurteilung der Unternehmensstrategie betrachtet. Die Informationsbasis resultiert aus intensiven Gesprächen zwischen den Agenturen und dem Management. Nach Auswertung der Informationen wird ein Bericht an das Ratingkomitee ausgeliefert, um über das festzusetzende Rating abzustimmen.20 Problematisch ist jedoch die Gewichtung der einzelnen Maßstäbe, da diese geheim gehalten und bei jedem Rating anders gewertet werden. Es wird zwar bekannt gegeben, welche Maßstäbe und Indikatoren zur Bemessung der Bonität genutzt werden, aber nicht, wieviel Einfluss einzelne Indikatoren auf das Gesamtergebnis haben. Dies hat zur Folge, dass besonders die drei großen Agenturen S&P, Fitch und Moodys oftmals divergierende Ergebnisse für das selbe Ratingobjekt erstellen, da ein gewisser subjektiver Einfluss auf ein Rating ausgeübt wird. Folglich ist ein Rating, wie jede Agentur selbst ausdrücklich bekannt gibt, nur eine subjektive Meinung, die keine Kaufbzw. Verkaufsempfehlung ausdrückt. Sie hängt infolgedessen von der Qualifikation der Analysten ab, bonitätsrelevante Informationen aufzugreifen und richtig einzuschätzen.21

3. Struktur des Ratingmarktes

Ratingagenturen sind private Unternehmen mit dem Ziel der Gewinnmaximierung. Obwohl weltweit um die 150 Agenturen präsent sind, werden nur derzeit zehn von der U.S Securities and Exchange Commission (SEC) als Nationally Recognized Statistical Rating Organization (NRSRO’s) anerkannt.22 Der gesamte Markt für Ratings wird allerdings von drei Agenturen dominiert. Standard and Poor’s (S&P), Moody’s und Fitch Ratings bilden das Triopol. Gemessen an den vergebenen Ratings zwischen den NRSRO’s erreichten die drei großen Agenturen im Jahre 2009 einen Anteil von 97%. Folgende Tabelle gibt eine detaillierte Auskunft über die Marktverhältnisse bezüglich der 10 relevantesten Agenturen.

Abbildung 4: Verteilung der Ratings zwischen den NRSRO's

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Hiß/Nagel (2012), S.34.

Obwohl alle zehn Agenturen, eine gewisse Qualifikation aufweisen und somit der Liste der NRSRO’s angehören, ist der Unterschied der Aufträge deutlich. Nach einem Bericht der European Securities and Markets Authority (ESMA) liegt der Marktanteil der drei großen Agenturen, gemessen an allen registrierten Agenturen, aktuell bei 87%. Insgesamt wurden 22 Agenturen in Betracht gezogen. Die Abbildung 5 illustriert die Marktverhältnisse im Jahre 2013.

Abbildung 5: Marktanteil 2013

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: ESMA Bericht (2013), S.6.23

[...]


1 Vgl. Windolf (2005), S.44.

2 Vgl. Achleitner/Everling et al. (2007), S.4.

3 Vgl. Heinke (1998), S.209.

4 Vgl. Rosenbaum (2009), S.18.

5 Vgl. Buschmeier (2011), S.1.

6 Vgl. Hiß/Nagel (2012), S.17.

7 Vgl. Everling/Schneck (2004), S.27.

8 Vgl. Reidenbach (2006), S.278.

9 Vgl. Heinke (1998), S.15.

10 Vgl. Reidenbach (2006), S.275.

11 Vgl. Heinke (1998), S.17.

12 Vgl. Reidenbach (2006), S.278.

13 Vgl. Ott (2011), S.9.

14 Vgl. Pukropski (2013), S.31.

15 Vgl. Stemper, (2010), S.42.

16 Vgl. Pukropski (2013), S.34.

17 Vgl. Stemper (2010), S.41.

18 Vgl. Reidenbach (2006), S.282.

19 Vgl. Zheng (2012), S.44.

20 Vgl. Heinke (1998), S.24.

21 Vgl. Eijffinger (2012), S.914.

22 Vgl. Stützle (2011), S.1.

23 Detaillierte Tabelle der Marktanteile aller Agenturen im Anhang Nr.1.

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Bewertung durch Rating-Agenturen. Potentielle Probleme und die Regulierung im europäischen Raum
Hochschule
Universität Bielefeld
Autor
Jahr
2015
Seiten
31
Katalognummer
V352013
ISBN (eBook)
9783668384521
ISBN (Buch)
9783668384538
Dateigröße
1534 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
bewertung, rating-agenturen, potentielle, probleme, regulierung, raum
Arbeit zitieren
Serhat Kutlu (Autor:in), 2015, Bewertung durch Rating-Agenturen. Potentielle Probleme und die Regulierung im europäischen Raum, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/352013

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