Das wilhelminische Reich. Auf dem Weg in ein parlamentarisches System?

Die Entwicklung des Parlamentarismus im Kaiserreich


Hausarbeit, 2016

17 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Das parlamentarischen Regierungssystem nach Lehner/Widmaier

3 Die Reichsverfassung

4 Verfassungsrealität
4.1 Die Ära Bülow und die parlamentarische Blockbildung
4.2 Die Reichstagsdebatte in Folge der Daily Telegraph-Affäre
4.3 Die Ära Bethmann-Hollweg und die Wahl 1912

5 Fazit und Folgen

Quellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Das Wilhelminische Zeitalter von 1890 bis 1914/18, benannt nach dem letzten deutschen Kaiser, Wilhelm II. (1859-1941) zeichnet sich in der heutigen Wahrnehmung vor allem durch ein imperialistisches Weltmachtstreben[1] und dem Militär als Kernelement der Gesellschaft des Reiches aus[2]. Der Kaiser selbst war Träger dieses Zeitgeistes, was auf den Fotografien, Gemälden und Plastiken des Monarchen zu erkennen ist, etwa wenn er in Admirals- oder Kürassieruniformen abgebildet wurde.

Aus heutiger Perspektive könnte man vermuten, dass das Reich eine absolute Monarchie gewesen sei, in der allein der Kaiser die Politik gestaltete. Tatsächlich jedoch war der Monarch selbst an eine Verfassung gebunden und es gab auch keinen Zentralstaat, sondern eine Vielzahl von teilsouveränen, zum größten Teil konstitutionell-monarchischen, Bundesstaaten und den Reichstag als Parlament. Diese Arbeit wird sich vor allem mit der Rolle des Reichstages und der sich in ihm befindlichen Kräfte auseinandersetzen. Auch wird im Hinblick auf die Frage beleuchtet werden, ob es in der Spätphase des Reiches Tendenzen zur Parlamentarisierung gab und wie die Parteien zu einer solchen standen.

Zum Einstieg wird eine Definition des parlamentarischer Systems nach Lehner und Widmaier vorgestellt mit dem Fokus auf parlamentarische Monarchien wie beispielweise Großbritannien. Daraufhin wird ein Blick in die Reichsverfassung von 1871 geworfen, worauf eine Analyse der Verfassungswirklichkeit folgt, bezogen auf das Zusammenwirken von Reichstag und der kaiserlichen Reichsleitung mit dem Fokus auf die Regierungszeit des Reichskanzlers Bernhard von Bülow (1849-1929). Außerdem werden die innenpolitischen Folgen der Daily Telegraph-Affäre und zu guter Letzt die Phase der Instabilität ab 1909 bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges vorgestellt.

Der Schwerpunkt der verwendeten Literatur liegt bei dem Werk „Machtstaat vor der Demokratie“ von Thomas Nipperdey und weiterhin bezieht sich die Arbeit auf Texte von Manfred Botzenhart, Hartwig Brandt und Werner Frauendienst. Außerdem werden Blicke in Reichstagsdebatten geworfen wie etwa jene bekannte in Folge der Daily Telegraph-Affäre.

2 Das parlamentarischen Regierungssystem nach Lehner/Widmaier

Nach Lehner und Widmeier gibt es drei Prinzipien wie moderne, westliche parlamentarische Regierungssysteme aufgebaut sind: 1. Nicht mehr der Monarch ist der Souverän, sondern das Volk, dessen Souveränität wiederum im Parlament repräsentiert wird. - 2. Es herrscht Gewaltenverschränkung und keine Gewaltenteilung, das heißt die Zusammensetzung der Regierung wird direkt[3] oder indirekt[4] vom Parlament bestimmt. 3. Es gibt verschiedene Parteien die im Wettstreit miteinander bei Wahlen antreten und im Parlament versuchen die Mehrheiten zu erlangen sowie eine Regierung zu bilden[5].

Verdeutlicht wird dieses Modell am „Paradebeispiel“ Großbritanniens, welches sich bereits im Laufe des 18.Jahrhunderts herauskristallisiert hat[6]. Für dieses „Westminster Modell“ ist charakteristisch, dass es in der Regel zwei große Parteien gibt, die mehr oder minder abwechselnd die Mehrheit im vom Volk gewählten Unterhaus erlangen. Dem gegenüber wirkt, das historisch vom Adel besetzte Oberhaus, früher noch gleichrangig, heute nur noch eingeschränkt an der Gesetzgebung mit[7]. Wichtig ist außerdem, dass ein relatives Mehrheitswahlrecht gilt, was auch als Grund angeführt wird warum der Parteienwettstreit hauptsächlich auf nur zwei große Parteien beschränkt ist. Allerdings haben auch regionale Parteien außerhalb Englands gute Chancen auf Mandate, deren Stimmen sich in der Peripherie ballen[8].

Entscheidend zur Abgrenzung zu konstitutionellen Systemen ist, dass es durch den Zugriff der Mehrheitsfraktion auf das Amt des Premierminister zur Bildung von Regierung und Opposition kommt. Der Premierministers wiederum trägt die politische Verantwortlichkeit, mitsamt seinem Kabinett bestehend aus selbstverantwortlichen Ministern[9].

Wird in dieser Arbeit also von einer Parlamentarisierung gesprochen, geht es um eine Entwicklung von einem konstitutionellen System, dieses ist gekennzeichnet von einem Parlament mit der Möglichkeit die (nicht vom Parlament abhängige) Regierung zu kontrollieren[10], hin zu einem parlamentarischen System, gekennzeichnet durch eine vom Parlament abhängige Regierung[11], sei es verfassungs- oder gewohnheitsrechtlich vorgeschrieben.

3 Die Reichsverfassung

Nach der Reichsverfassung gab es vier Verfassungsorgane, welche an der politischen Gestaltung mitwirkten: den Bundesrat, bestehend aus Regierungsvertretern der Bundesstaaten[12], das Bundespräsidium in Person des Königs von Preußen, mit der Titulatur des „Deutschen Kaisers“[13], den Reichskanzler, der dem Bundesrat vorsaß[14] und zuletzt den Reichstag, das allgemein, direkt und geheim gewählte Parlament[15].

Das Recht zur Gesetzgebung führten Reichstag und Bundesrat gemeinsam aus[16], allerdings besaß der Bundesrat darüber hinaus gewisse Exekutivfunktionen, so verabschiedete er auch Verwaltungsvorschriften[17] und gemeinsam mit dem Kaiser entschied er über eine Auflösung des Reichstages und über Krieg und Frieden[18]. Der Reichskanzler übernahm als Vorsitzender des Bundesrates bei allen Reichsgesetzen und dazu gehörigen Verwaltungsvorschriften die Verantwortlichkeit[19]. Der Kaiser wiederum vertrat das Reich völkerrechtlich[20] und hatte kein Gesetzgebungsrecht[21]. Gesetzesinitiativen der Reichsleitung konnten erst nach Annahme durch den Bundesrat in den Reichstag gelangen[22].

War das Kaiserreich de jure also eine parlamentarische Monarchie? Die Frage muss mit einem klaren „Nein“ beantwortet werden. So war der Reichskanzler als Regierungschef[23] nicht dem Parlament, sondern nur dem Kaiser gegenüber verantwortlich[24]. Darüber hinaus konnten mit Bundesrat und Bundespräsidium zwei Verfassungsorgane den Reichstag als drittes Verfassungsorgan auflösen, über eine solche Sachlage urteilte bereits Thomas Hobbes: „Wer das Recht zur Auflösung besitze, besitze auch ein Recht sie zu kontrollieren und folglich zur Kontrolle ihrer Kontrolle“[25]. Abschließend kann man die Verfassung als eine konstitutionellen Typs charakterisieren[26].

[...]


[1] Vgl. Nipperdey S.631.

[2] Vgl. Ebd. S. 201.

[3] Siehe Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Artikel 63, der Bundeskanzler wird direkt durch den Bundestag gewählt, nur nach mehrmaligen Fehlversuchen ist eine Ernennung ohne Wahl durch den Bundespräsidenten möglich (4). Notwendig ist, in der Regel, eine Mehrheit für den Bundeskanzler.

[4] Siehe Grundgesetz des Reiches Dänemark §14 und §15, der Staatsminister (Regierungschef) und das Kabinett werden ohne Wahl durch das Folketing vom Monarchen ernannt, das Parlament kann dem Staatsminister aber sein Misstrauen aussprechen, was zu Neuwahlen oder einer neuen Regierung führen muss. Es besteht also nur die Notwendigkeit, das es keine Mehrheit gegen die Regierung gibt.

[5] Vgl. Lehner/Widmaier S.83-84.

[6] Vgl. Hartung S.296.

[7] Vgl. Lehner/Widmaier S.88-89.

[8] Vgl. Ebd. S.93.

[9] Vgl. Ebd. S.90-91.

[10] Vgl. Hartung S. 287.

[11] Vgl. Schönberger S. 634-635.

[12] Vgl. RV Art. 6.

[13] Vgl. RV Art. 11.

[14] Vgl. RV Art. 15.

[15] Vgl. RV Art. 20.

[16] Siehe Botzenhart S.99-100: Die Zuständigkeiten des Reiches waren auf wenige Kompetenzen beschränkt u.a auf überregionalem Verkehr, Marinepolitik und Straf- und Zivilrecht.

[17] Vgl. RV Art. 7.

[18] Vgl. Nipperdey S.89.

[19] Vgl. Wehler S.61.

[20] Vgl. RV Art. 11.

[21] Vgl. Botzenhart S.98.

[22] Vgl. Nipperdey S. 88-89.

[23] Siehe Botzenhart S.99: „Eine kollegiale Reichsregierung mit selbstständig verantwortlichen Ministern wurde nicht eingerichtet. Es gab nur den Reichskanzler und die ihm untergeordneten Staatssekretäre der einzelnen Ressorts.“

[24] Vgl. RV Art. 15.

[25] Hobbes, zitiert nach Wehler S.61-62.

[26] Vgl. Nipperdey S. 99.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Das wilhelminische Reich. Auf dem Weg in ein parlamentarisches System?
Untertitel
Die Entwicklung des Parlamentarismus im Kaiserreich
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Seminar: Analyse und Vergleich politischer Systeme
Note
2,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
17
Katalognummer
V351855
ISBN (eBook)
9783668381995
ISBN (Buch)
9783668382008
Dateigröße
492 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Der Autor nutzt politik- und geschichtswissenschaftliche Methoden. Diese Arbeit kann als interdisziplinäre Arbeit von Politikwissenschaft und Geschichtswissenschaft verstanden werden, da in der Arbeit mit beiden Perspektiven gearbeitet wird.
Schlagworte
Deutsches Kaiserreich, Politisches System, Parlamentarismus, Konstitutionelle Monarchie, Parlamentarische Monarchie
Arbeit zitieren
Maximilian Klasen (Autor:in), 2016, Das wilhelminische Reich. Auf dem Weg in ein parlamentarisches System?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/351855

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