Die Übersetzung von Kulturspezifika in der Kinder- und Jugendliteratur. Eine Übersetzungsanalyse des Romans "Susis geheimes Tagebuch/Pauls geheimes Tagebuch" von Christiane Nöstlinger


Bachelorarbeit, 2013

37 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Kinder- und Jugendliteratur (KJL)
2.1 KJL als Forschungsgegenstand in der Translationswissenschaft
2.2 Charakteristika des kinderliterarischen Übersetzens
2.3 Problematik der Übersetzung von Kulturspezifika in der KJL

3 Der Roman Susis geheimes Tagebuch/Pauls geheimes Tagebuch
3.1 Die Autorin Christine Nöstlinger
3.2 Die Übersetzerin Marinella Terzi
3.3 Thema und Inhalt
3.4 Sprache und Stil

4 Javier Franco Aixelá: Culture Specific Items (CSI)
4.1 Allgemeine Aspekte
4.2 Übersetzungsverfahren von Culture Specific Items
4.2.1 Conservation
4.2.2 Substitution
4.3 Explanatory variables
4.3.1 Supratextual Parameter
4.3.2 Textual Parameter
4.3.3 The nature of the CSI
4.3.4 Intratextual Parameter

5 Textanalyse
5.1 Vorbemerkungen zur Analyse
5.2 Toponyme
5.3 Währungseinheiten
5.4 Kinderspiele
5.5 Ernährungsgewohnheiten
5.6 Unmittelbare Lebensumwelt und Wohnsituation
5.7 Kraftausdrücke
5.8 Schule und Ausbildung
5.9 Diminutive
5.10 Explanatory variables nach Franco
5.11 Zusammenfassung der Textanalyse

6 Schlussfolgerung

Bibliographie

1 Einleitung

Bei der Übersetzung von Kinder- und Jugendliteratur (KJL) stoßen Übersetzer/innen auf einige Besonderheiten und Herausforderungen. Zu diesen zählt die Übersetzung von kulturspezifischen Elementen. Ziel dieser Bachelorarbeit ist es diese Problematik anhand einer Textanalyse der spanischen Übersetzung des Kinderbuchs Susis geheimes Tagebuch/Pauls geheimes Tagebuch der österreichischen Schriftstellerin Christine Nöstlinger zu beleuchten.

In der Hypothese wird davon ausgegangen, dass sich die Übersetzerin für eine Teiladaptation an die Zielkultur entschieden hat. Davon ableitend wird angenommen, dass ein Österreich-Bezug beibehalten wird, einige kulturspezifische Elemente der Ausgangskultur allerdings an die spezielle Zielgruppe angepasst werden und Nöstlingers Stil nur in abgeschwächter Form in der spanischen Übersetzung übernommen wird. Die Übersetzungsanalyse beschäftigt sich daher mit folgenden Fragen: Welche Übersetzungsverfahren werden zur Übersetzung kulturspezifischer Elemente angewandt und warum werden diese gewählt? Wie wird mit dem für Nöstlinger typischen kindlichen, authentischen und mündlichen Schreibstil umgegangen?

Als Instrumentarium für die Analyse wurde das Modell der Culture Specific Items (CSI) von Javier Franco Aixelá gewählt, welches eine Reihe möglicher Übersetzungsverfahren für Kulturspezifika aufzeigt sowie mögliche Gründe für die Entscheidungen der Übersetzer/innen anführt.

Inhaltlich gliedert sich die Arbeit wie folgt: In Kapitel 2 werden einleitend die Charakteristika des kinderliterarischen Übersetzens beleuchtet. Anschließend werden unter Punkt 3 übersetzungsrelevante Informationen zu Autorin, Übersetzerin, Inhalt, Sprache etc. des Untersuchungsgegenstands gegeben. In Kapitel 4 wird das Analysemodell von Franco vorgestellt, womit im folgenden Kapitel die Textanalyse durchgeführt wird. Abschließend werden die Ergebnisse der Analyse zusammengefasst und in der Schlussfolgerung unter Punkt 6 in Bezugnahme auf die aufgestellte Hypothese diskutiert.

2 Kinder- und Jugendliteratur (KJL)

Bevor in diesem Kapitel einführend auf einzelne Aspekte des kinderliterarischen Übersetzens eingegangen wird, soll zu Beginn kurz geklärt werden, was unter dem Begriff Kinder- und Jugendliteratur zu verstehen ist. Eine allgemeingültige Definition des Terminus KJL vorzunehmen fällt schwer, da in der Wissenschaft eine Vielzahl an Termini für diese Literatur verwendet wird und dementsprechend unterschiedliche Definitionen existieren.

Hans-Heino Ewers (2000) geht in seinem Grundlagenwerk zur Kinder- und Jugendliteraturforschung schließlich soweit, dass er die Möglichkeit einer allumfassenden und zu allen Zeiten gültigen Definition von KJL verwirft. In seinen Ausführungen hält er fest, dass sich das Gegenstandsfeld der KJL nicht klar eingrenzen lässt, da KJL in mehreren kulturellen Feldern vorkommt, die sich auch überschneiden können (vgl. ibid.:7).

Im Zuge dieser Arbeit bezieht sich der Begriff KJL auf jene Literatur, die bewusst für Kinder und Jugendliche geschrieben wird. In Ewers Terminologie entspricht dies der intendierten Kinder- und Jugendlektüre. Es handelt sich dabei um Lesestoffe, die mit den Vorstellungen von Erwachsenen von geeigneter Kinder- und Jugendlektüre übereinstimmen (vgl. ibid.:19). Diese Definition wurde deswegen gewählt, da der Untersuchungsgegenstand der Textanalyse diesem Teil der KJL zuzuordnen ist.

2.1 KJL als Forschungsgegenstand in der Translationswissenschaft

Die Übersetzung von KJL stand lange Zeit nicht im Forschungsinteresse der Translationswissenschaft (TLW). Begründet liegt dies zu einem Teil darin, dass die KJL im Polysystem der Literatur lange Zeit an den Rand gedrängt wurde und sich erst spät als Forschungsgegenstand etablierte. Tabbert (2002) verweist in seinem Aufsatz, in dem er einen Überblick über die relevantesten wissenschaftlichen Beiträgen zur Übersetzung von KJL seit den 1960er Jahren bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts gibt, auf die Parallelen zwischen der Entwicklung der Kinderliteraturforschung und der TLW als eigenständige wissenschaftliche Forschungsfelder:

„In the course of the past 30 years new fields of academic research have been defined and established, two of which are Translation Studies (or, in German, Übersetzungswissenschaft) and Children’s Literature Studies (Kinderliteraturforschung). (Tabbert 2002:303; Hervor. im Orig.)

Kinderliteraturforschung wird erst seit der Gründung der International Research Society for Children’s Literature im Jahr 1970 international vernetzt und auf akademischer Ebene betrieben (vgl. ibid.:304). Dies hatte zur Folge, dass zuvor auch keine eingehendere Auseinandersetzung mit der Thematik des kinderliterarischen Übersetzens stattfand.

Erste Beiträge zur Übersetzung von KJL stammen aus den 1950er und 1960er Jahren von Edmond Cary, Georges Mounin und Jiři Levý. Cary hielt damals erstmals fest, dass Übersetzer/innen beim Übersetzen von KJL auf spezifische Herausforderungen stoßen. Davon ausgehend listete Mounin ein paar dieser spezifischen Schwierigkeiten genauer auf. Levý beschränkte sich in seinen Ausführungen wiederum darauf, dass beim Übersetzen von KJL besonders auf die kindlichen bzw. jugendlichen Zieltextleser/innen Rücksicht genommen werden muss (vgl. Reiß 1982:7).

Schließlich bildet sich die Übersetzung von KJL aber erst zu Beginn der achtziger Jahre zu einem eigenen Forschungsgegenstand in der TLW heraus (vgl. Pascua 1995:73). Katharina Reiß war eine der ersten Translationswissenschaftler/innen, die sich im Detail mit der Übersetzung von KJL beschäftigte. In den folgenden Jahren schlossen sich besonders Wissenschaftler/innen aus skandinavischen Ländern, wie der schwedische KJL-Forscher Göte Klingberg oder die finnische Translationswissenschaftlerin Oittinen, Reiß an.

Reiß (1982:7) begründet die Sonderstellung des kinderliterarischen Übersetzens in der TLW darin, dass die Übersetzungsprobleme beim Übersetzen für Kinder und Jugendliche zwar häufig dieselben sind wie jene beim Übersetzen für Erwachsene, im Fall von KJL aber oftmals andere Lösungen gewählt werden müssen. Dafür sind laut Reiß mehrere Faktoren ausschlaggebend, auf die im nächsten Abschnitt näher eingegangen wird.

2.2 Charakteristika des kinderliterarischen Übersetzens

Das Übersetzen von KJL unterscheidet sich in einigen Punkten wesentlich vom Übersetzen von Erwachsenenliteratur. Reiß (1982:7) weist dabei zunächst auf die Asymmetrie des Übersetzungsprozesses hin, womit sie das Verhältnis zwischen Erwachsenen und Kindern bzw. Jugendlichen beschreibt. In diesem Zusammenhang betont sie, dass Erwachsene Texte für eine Zielgruppe verfassen, deren Sprach- und Lesekompetenz noch nicht voll ausgebildet ist. Übersetzer/innen von KJL müssen ihre Sprache an die Kenntnisse der jungen Zieltextleser/innen anpassen. Es ist also erforderlich, dass sie „die Sprache für Kinder und Jugendliche ebenso wie die Sprache von Kindern und Jugendlichen beherrschen“ (ibid.:8; Hervorh. im Orig.). Pascua (1995:72) spricht von der Aufgabe der Übersetzer/innen, in die Welt der Kinder und Jugendlichen einzutauchen und selbst wieder Kind zu sein.

Als zweiten wichtigen Faktor führt Reiß die sogenannten Vermittlerinstanzen (Eltern, Pädagogen/innen, Verlage) an, die mit ihren Forderungen und Vorstellungen zusätzlich Druck auf die Übersetzer/innen ausüben (vgl. Reiß 1982:8). Inwieweit diese Vermittlerinstanzen Einfluss auf den Übersetzungsprozess haben, soll hier kurz am Beispiel der Rezeption Astrid Lindgrens in Frankreich veranschaulicht werden:

Lindgren ist eine der weltweit bekanntesten Kinderbuchautoren/innen, die mit der rothaarigen, aufmüpfigen und mutigen Mädchenfigur Pippi Langstrumpf in der KJL neue Wege ging. Mit Pippi feierte sie in Deutschland als auch in Russland oder den USA große Erfolge. Nur in Frankreich sollte Lindgren weder mit Pippi noch mit einem anderen ihrer Werke der große Durchbruch gelingen (vgl. Schindler 2004:148). Schindler führt dieses Scheitern zu einem Teil auf die französische Auffassung von Kinderliteratur Mitte der 1940er und 1950er Jahre zurück. Der mit der Verlegung der Pippi- Bücher beauftragte Verlag Hachette hatte der Übersetzerin unter Berücksichtigung der zu dieser Zeit in Frankreich herrschenden gesellschaftlichen Normen den Auftrag gegeben, „ Pippi zu ‘reinigen‘“ (ibid.:153; Hervor. im Orig.). In der französischen Übersetzung war Pippi kaum wiederzuerkennen:

„Die starke, freche, selbstständige redegewandte Pippi erscheint plötzlich als schwaches, etwas einfältiges, unerfahrenes, egoistisches und bemitleidenswertes Mädchen, das weder stark genug ist, ein Pferd zu heben und sich deshalb mit einem Pony begnügen muss, noch aufgeweckt und frech genug, um ohne Reue ihre Auffassung gegenüber den Erwachsenen zu vertreten.“ (Ibid.:153; Hervor. im Orig.)

Schindler fügt hinzu, dass auch die schlechte Vermarktung der Lindgren-Bücher in Frankreich und die von Schwierigkeiten geprägte Zusammenarbeit zwischen der Autorin und den französischen Verlegern, Ursachen für den vergleichsweise niedrigen Bekanntheitsgrad der Kinderbuchautorin in Frankreich sind (vgl. ibid.:162). An diesem Beispiel wird klar ersichtlich, dass die Handlungsfreiheit der Übersetzer/innen durch die Vermittlerinstanzen eingeschränkt werden kann. Eingriffe dieser Art auf den Ausgangstext sieht Radegundis Stolze (2003) kritisch. Sie konstatiert, dass die Inhalte von Kinder- und Jugendbüchern bereits auf die Gedankenwelt von Kindern und Jugendlichen abgestimmt sind. Die Tätigkeit des/der Übersetzers/in sollte sich ferner auf die Übertragung des Ausgangstextes von der Ausgangssprache in die Zielsprache konzentrieren und nicht auf eine inhaltliche Adaptierung (vgl. ibid.:209).

Der dritte Faktor den Reiß (1982:8) anspricht, ist die aufgrund des Entwicklungsstandes und des jungen Alters noch eingeschränkte Weltkenntnis und Lebenserfahrung der Zieltextrezipienten/innen. Dadurch ergeben sich für Übersetzer/innen von KJL zusätzliche Schwierigkeiten: Kinderliterarische Übersetzer/innen befinden sich in einem Zwiespalt zwischen Rezipient/innenangemessenheit und Originaltreue (vgl. Rieken-Gerwing 1995:99). Sie stehen vor dem Dilemma

„[…] die Balance zwischen der Forderung nach Erweiterung des Horizonts und gegenseitigem Kennenlernen unterschiedlicher Verhaltens- und Denkweisen, Wertvorstellungen, Lebensformen und Umwelten einerseits und der Forderung nach Verständlichkeit der Lektüre (die durch allzu viel Fremdes erschwert würde) zu halten.“ (Reiß 1982:11)

Der/die Übersetzer/in muss sich also, in Anlehnung an Venutis Terminologie (1995), grundlegend zwischen den Strategien der Verfremdung (Erhaltung der fremdkulturellen Elemente) und der Domestizierung (Anpassung der fremdkulturellen Merkmale an die Zielkultur) entscheiden. Auf die Frage, welche dieser Strategien im Fall von KJL vorzuziehen ist, kann keine allgemeingültige Antwort gegeben werden (vgl. Rieken-Gerwing 1995:97). Reiß (1982:8) weist darauf hin, dass die Wahl der Übersetzungsstrategie letzten Endes davon abhängig ist, welche Funktion die Übersetzung in der Zielkultur erfüllen soll. Fischer (2006:420) schlussfolgert in seiner Untersuchung von vier spanischen und vier katalanischen Übersetzungen von Kinderbüchern der österreichischen Autorin Christine Nöstlinger wiederum, dass die Entscheidungen für die eine oder andere Übersetzungsmethode häufig vom KJL-Verständnis des/der Übersetzers/in abhängig sind.

Im folgenden Abschnitt wird die hier angesprochene Problematik, die kulturspezifische Elemente in der kinderliterarischen Übersetzung darstellen, bezugnehmend auf in diesem Bereich durchgeführte Studien genauer besprochen.

2.3 Problematik der Übersetzung von Kulturspezifika in der KJL

Übersetzen wird heute mehr denn je als eine Tätigkeit gesehen, die zwischen Kulturen und nicht nur zwischen Sprachen vermittelt. Übersetzer/innen müssen heute sowohl bilingual als auch bikulturell ausgebildet sein. Zudem stehen sie vermehrt vor der Herausforderung multikulturelle Texte zu übersetzen (vgl. Pascua 2003:279). Wenn die Zielgruppe dieser Texte Kinder und Jugendliche sind, erschwert sich die Situation meist zusätzlich. Dies kann sich in einer zeitlichen Mehrbelastung für den/die Übersetzer/in niederschlagen (vgl. Rieken-Gerwing 1995:99).

Grundlegend muss beim Übersetzen für Kinder und Jugendliche mit kulturspezifischen Elementen häufig anders umgegangen werden, als beim Übersetzen für eine erwachsene Zielgruppe. Während bei erwachsenen Zieltextlesern/innen davon ausgegangen werden kann, dass sie über ein bestimmtes Allgemeinwissen verfügen, kann dies vom jungen und noch wesentlich unerfahrenerem Zielpublikum der KJL nicht erwartet werden (vgl. ibid.:96). Dadurch werden Kulturbarrieren beim kinderliterarischen Übersetzen oft anders überbrückt als beim Übersetzen von Erwachsenenliteratur.

Generell lässt sich in der KJL seit den achtziger Jahren eine stärkere Tendenz zu verfremdenden Übersetzungsstrategien hin erkennen (vgl. Pascua 1995:73f). Studien von Marcelo Wirnitzer (2003), Ruzicka Kenfel (2003a), und González Cascallana (2006) bestätigen diese Feststellung teilweise. Sie weisen alle auf das steigende Interesse in der Übersetzung von KJL hin, dem jungen Zielpublikum fremde Länder und Kulturen näherzubringen. González Cascallana resümiert beispielsweise:

„The present analysis demonstrates that the translations examined do not fully favour either the domestication or foreignization of the ST’s [Ausgangstext] features. Nevertheless, it can be argued that translators primarily aim to stay close to the STs and to expose the target child audience to the experience of the foreign text. “ (González Cascallana 2006:108)

Marcelo Wirnitzer stellt in ihrer Analyse der spanischen Übersetzung von Nöstlingers Kinderbuch Liebe Susi! Lieber Paul! zusammenfassend fest , dass sich die Übersetzerin für eine „extranjerización, es decir, acercar la CO [Ausgangskultur] al lector meta“ (2003:213) entschieden hat. Ruzicka Kenfel (2003a) zeigt auf, dass dies allerdings nicht auf alle ins Spanische übersetzte Werke von Nöstlinger zutrifft. Insbesondere beim Übertragen von Ernährungsgewohnheiten, Kinderspielen und Eigenheiten von Nöstlingers Schreibstil, werden etwa oft neutralisierende bzw. domestizierende Übersetzungsstrategien angewandt um Unklarheiten oder Fehlinterpretationen zu vermeiden (vgl. Ruzicka Kenfel 2003a:305f). Dennoch wurde in den letzten Jahren immer mehr erkannt, dass die Beibehaltung fremdkultureller Elemente in der KJL wesentlich zur Förderung des interkulturellen Verständnisses von Kindern und Jugendlichen beitragen kann. Vorreiter auf diesem Gebiet ist das Einwanderungsland Kanada, welches die KJL zur interkulturellen Erziehung der heranwaschsenden Generation nutzt (vgl. Pascua 2003:278). Nach dem Vorbild Kanadas, wurden in Spanien im Rahmen eines Forschungsprojekts sechs Werke von kanadischen KJL-Autoren/innen ins Spanische übersetzt. Dabei wurde bewusst eine verfremdende Übersetzungsstrategie gewählt, die darauf abzielte, Kindern und Jugendlichen das Kennen- und Verstehenlernen fremder Kulturen zu ermöglichen. Dadurch sollten sie auf die multikulturelle Gesellschaft in der wir heute leben besser vorbereitet werden (vgl. ibid.:283).

In Kapitel 4 wird die hier dargelegte Problematik der Übersetzung von Kulturspezifika in der KJL bei der Vorstellung des Analysemodells der Culture Specific Items (CSI) nach Javier Franco Aixelá noch einmal aufgegriffen. Im Zuge dessen wird genauer definiert, was unter einem kulturspezifischen Element zu verstehen ist. Darüber hinaus werden mögliche Übersetzungsverfahren für Kulturspezifika und Gründe für die von den Übersetzern/innen getroffenen Entscheidungen aufgelistet.

Eingangs lässt sich hier zusammenfassend festhalten, dass kulturspezifische Elemente in der KJL spezielle Übersetzungsprobleme darstellen und mit diesen aufgrund der eingeschränkten Weltkenntnis und Lebenserfahrung der Zielgruppe häufig anders als in der Übersetzung von Erwachsenenliteratur umgegangen werden muss.

Der nächste Abschnitt gibt Hintergrundinformationen zum Untersuchungsgegenstand, welche später von Relevanz sein werden, wenn der Frage nachgegangen wird, warum die Übersetzerin Marinella Terzi bestimmte Übersetzungsverfahren wählt.

3 Der Roman Susis geheimes Tagebuch/Pauls geheimes Tagebuch

Im Folgenden werden übersetzungsrelevante Informationen zur Autorin, zur Übersetzerin, zum Thema und Inhalt sowie zu Sprache und Stil des Untersuchungsgegenstands gegeben.

3.1 Die Autorin Christine Nöstlinger

Christine Nöstlinger wurde am 13. Oktober 1936 in Wien geboren. Sie wuchs im Arbeitermilieu der Wiener Vorstadt auf und studierte nach der Matura Gebrauchsgrafik an der Akademie für Angewandte Kunst in Wien. Anfang der 1960er Jahre heiratete sie und bekam zwei Kinder (vgl. Dilewsky 1995:7).

Da das Leben als Hausfrau und Mutter allerdings nicht ihren Vorstellungen entsprach, fing sie an zu schreiben. Zunächst war sie als Redakteurin für Tageszeitungen, Magazine und den Rundfunk tätig. 1970 veröffentlichte sie mit „Die feuerrote Friederike“ beim Wiener Verlag Jugend und Volk schließlich ihr erstes Kinderbuch, welches den Beginn ihrer erfolgreichen Karriere als Kinder- und Jugendbuchautorin markiert (vgl. Fuchs 2001:48).

Nöstlinger entwickelte sich in Laufe der Jahre zu einer äußerst produktiven Schriftstellerin. Ihr literarisches Schaffen umfasst mittlerweile über einhundert Werke, darunter sowohl Kinder- und Jugendbücher als auch einige Romane für Erwachsene, Mundartgedichte und Beiträge für Radio und Fernsehen. Daher, wie Ruzicka Kenfel (2003b:170) anmerkt, wird sie oft als „Vielschreiberin“ bezeichnet. Fuchs (2001:126) widmet dieser Thematik unter dem Titel „Buchstabenfabrikantin“ ein eigenes Kapitel.

Für ihre Arbeit erhielt Nöstlinger mehrere Preise und Auszeichnungen, darunter der Deutsche Jugendliteraturpreis (1973), der Hans-Christian-Andersen-Preis (1984) und der Astrid-Lindgren-Preis (2003). 2011 wurde ihr für ihr Lebenswerk der CORINE-Buchpreis verliehen (vgl. Verlagsgruppe BELTZ 2011).

Die Gründe für ihren großen Erfolg sind vielfältig. Nöstlinger durchbricht in ihren Werken sprachliche und thematische Tabus und geht in der KJL neue Wege. Ihr Stil zeichnet sich durch die Verwendung typisch österreichischer Ausdrücke und Wendungen, durch Wortneuschöpfungen und seine Mündlichkeit aus (vgl. Fuchs 2001:107). Thematisch behandelt sie all das, wovon sie glaubt, dass es ihr intendiertes Zielpublikum interessiert (vgl. Fischer 2006:87). Aus diesen Gründen können sich Leser/innen besonders gut mit der Sprache, den Figuren und Handlungen ihrer Werke identifizieren. Dilewsky erläutert dazu:

„Sie beschönt die Wirklichkeit nicht. Sie schreibt von miesen Elternhäusern, kaputten Ehen, frustrierten Erwachsenen und unterdrückten Kindern. Sie übt Kritik am Spießertum und der täglichen Einengung kindlicher Freiräume. Sie setzt sich ein für die Emanzipation der Mütter, die Gleichberechtigung der Kinder mit den Erwachsenen. Sie schreibt über Probleme mit Vätern, Müttern, Schule und Sexualität. […] Kurzum, Christine Nöstlinger ist die Anwältin der Schwächeren.“ (Dilewsky 1995:20)

Besonders ihre ersten Werke zeugen von Nöstlinger als aufmüpfige Antipädagogin und Gesellschaftskritikerin, im Laufe der Jahre schreibt sie weniger kritisch (vgl. ibid.:21f).

Mit Hinblick auf die Rezeption der österreichischen Autorin in Spanien kann festgehalten werden, dass Nöstlinger „zu den meist übersetzten und am besten verkauften deutschsprachigen Kinderbuchautoren“ (Ruzicka Kenfel 2003a:298) in Spanien zählt und sich ihre Beliebtheit in den zuvor erwähnten Aspekten begründet (vgl. ibid.:299f).

3.2 Die Übersetzerin Marinella Terzi

Marinella Terzi Huguet wurde am 22. Dezember 1958 in Barcelona geboren. Ihre Kindheit und Jugend verbrachte sie zunächst in Valencia, später übersiedelte die Familie nach Madrid. Dort studierte Terzi an der Universität Complutense Informationswissenschaft mit dem Schwerpunkt Journalismus.

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Details

Titel
Die Übersetzung von Kulturspezifika in der Kinder- und Jugendliteratur. Eine Übersetzungsanalyse des Romans "Susis geheimes Tagebuch/Pauls geheimes Tagebuch" von Christiane Nöstlinger
Hochschule
Karl-Franzens-Universität Graz  (Institut für Theoretische und Angewandte Translationswissenschaft)
Veranstaltung
BA-Seminar
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
37
Katalognummer
V351833
ISBN (eBook)
9783668383876
ISBN (Buch)
9783668383883
Dateigröße
890 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Spanisch, Kinder- und Jugendliteratur, Übersetzung Kulturspezifika, Javier Franco Aixelá, Translationswissenschaft, Übersetzungsanalyse, Culture Specific Items, Literaturübersetzung, Christine Nöstlinger
Arbeit zitieren
Eva Schöttl (Autor:in), 2013, Die Übersetzung von Kulturspezifika in der Kinder- und Jugendliteratur. Eine Übersetzungsanalyse des Romans "Susis geheimes Tagebuch/Pauls geheimes Tagebuch" von Christiane Nöstlinger, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/351833

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