Individuelle und gesellschaftliche Werte und daraus folgende Bewertungen


Seminararbeit, 1997

15 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhalt

I. Einführung

II. Ethik

III. Max Scheler

IV. Liebe und Erkenntnis

V. Ästhetik und Werturteil

Literatur

I. Einführung

Der Mensch fühlt, denkt, erwägt, agiert und reagiert in einer Gesellschaft, aus der er sich nicht ausschließen kann. Umgeben von Menschen, Gesetzen, Regeln, Verboten und Geboten muß er sich seiner Gesellschaft fügen bzw. anpassen, da die zwischenmenschlichen Beziehungen sein Dasein auf einer gewissen Ebene bestimmen.

Der Wert einer Sache, eines Menschen oder einer Menschengruppe beeinflußt zum größten Teil seine Bereitschaft zum leben, wollen, kämpfen und hoffen. Jener Wert kann durch die allgemeingültige positive Wertschätzung bedingt sein, so daß der Mensch eine Sache für positiv wertvoll hält, da dies bei der Mehrheit in seiner Gesellschaft so akzeptiert oder empfunden wird, das heißt er verinnerlicht sich den objektiven Wert, oder aber er sieht unabhängig von der Allgemeinheit in einer Sache oder einen Menschen einen Wert, den er rein individuell für tatsächlich begehrungs- und schätzungswürdig empfindet.

Im Endeffekt aber ist der Mensch stets am urteilen, in jeglicher seiner Handlungen oder Gedankenvorgänge und Emotionen steht er wertend da. Er handelt, indem er ein Werturteil fällt. Es kann sich später als irrational oder unpassend zur eigenen Person herausstellen, doch in dem Moment, wo er handelt, ist jener Handlungsweg für ihn „richtig“, akzeptabel, für ein bestimmtes Ziel ausschlaggebend oder unumgänglich. Jegliche „freie“ Handlung ist also bedingt durch das vorherige Werten.

Wie verhält es sich aber mit der objektiven Wertschätzung? Wer bestimmt jene Werte, die Allgemeingültigkeit besitzen? Muß eine Sache einen allgemeingültigen positiven Wert haben, wenn sie von der Mehrheit gewollt und begehrt wird?

Im nationalsozialistischen Deutschland fand man in den Juden den Gegner schlechthin. Das jüdische Volk war verurteilt, vernichtet zu werden. Dörfer und Städte wetteiferten „Judenrein“ zu werden. Gewiß hat die Mehrheit der Deutschen jene Barbarei nicht gebilligt, sie hat sie jedoch geduldet - meist aus Angst vor Bedrohung des eigenen Lebens.

Anders als im Marxismus und Kommunismus lag der nationalsozialistischen „Weltanschauung“ keine konsistente Philosophie oder Theorie zugrunde. Appelliert wurde an die Überlegenheit des „deutschen Geistes“. Irrational wurde begründet, weshalb dieser die Herrschaft über die Menschheit „verdienen“, und die Juden als minderwertige „Rasse“ ein menschenwürdiges Dasein nicht verdienen würden.

Der Wert eines jeden Menschen und dessen Freiheit auf „Leben“ wurde in der Vergangenheit nicht wahrgenommen. Doch hat die Menschheit bzw. haben die Völker aus früheren Fehlern oder Fehlinterpretationen der „Menschenrechte“ gelernt? Das Prinzip der Menschenrechte wird heute fast überall anerkannt. Und fast überall verstößt man dagegen. Noch in unserer Zeit geschehen Verbrechen, die wir aus den Medien kennen.

Im ehemaligen Jugoslawien haben serbische Besatzer Konzentrationslager für Frauen und Kinder eingerichtet. Kleine Kinder, Mädchen und Frauen wurden vor den Augen der Angehörigen vergewaltigt, gequält und massakriert. Ein geplantes Verbrechen wurde angewandt, um die kulturelle, traditionelle und religiöse Integrität einer Gesellschaft zu vernichten. Wer war der Verbrecher jener bestialischen Taten? Es war der einfache Mann aus dem Volke. Jahrelang hatte er vielleicht mit jenem Opfer Tür an Tür gewohnt, und nun stand er diesem als Feind gegenüber und trug ein Haßgefühl in sich - der Gegner war es nicht Wert - als ein minderwertiger Sterblicher mußte er Unterdrückung und Quälerei erleiden.

II. Ethik

Die Ethik ist diejenige philosophische Disziplin, die sich explizit mit Werten beschäftigt. Eine Philosophie der „Lebenspraxis“, bei der es um die zentrale Frage „WAS SOLL ICH TUN?“ geht. Kant sah in dieser Frage eine der Grundfragen des Philosophierens.

Die Orientierung des Handelns an objektive Werte, die sich nicht aus persönlichen Interessen leiten, ist der Kern der praktischen Philosophie. Es können zwar auch eigene Interessen sein, aber nicht nur private Neigungen, sondern „überindividuelle“ Interessen, wie das unparteiliche Interesse am Wohl anderer. Die Pflicht, die Menschenwürde anderer zu achten, ist oberstes Prinzip der Ethik. Hierbei wird der Mensch als „Persönlichkeit“ verstanden.

Der Mensch als „Person“ soll geachtet werden, nicht seine Talente, soziale Stellung, Erfahrenheit oder Intelligenz. Denn dies sind Nebenerscheinungen, welche nicht die Menschenwürde des Menschen ausmachen. Primär trägt die Menschenwürde Wert. Dieser Wert ist jeglicher Menschennatur zuzuschreiben, da ein Jeder als Person „gleich“ charakterisiert werden kann. Und zwar ist jede „Person“ frei in ihrem Handeln und in der Wahl ihrer Ziele. Sie ist erkenntnisfähig, so daß sie sich in ihren Entscheidungen nach ihren Erkenntnissen richten kann. Sie steht jederzeit in einer sozialen Gesellschaft, ist abhängig von den zwischenmenschlichen Verhältnissen und ist ein Subjekt von Rechten und Pflichten. Sie hat eine Individualität, die sich in ihrer Persönlichkeit entfaltet und durch die sie sich von allen anderen Menschen (Personen) unterscheidet.

Wenn es also um eine Wertung beim Menschen geht, dann gilt dieser für jeden als „Person“ positiv. In der Bergpredigt wird das älteste ethische Prinzip positiv so formuliert: „Alles, was ihr wollt, das euch die Leute tun, das sollt auch ihr ihnen tun“ (Mt 7, 12)[1]

Kein „freier“ Mensch möchte sich zum „Untertan“ entwickeln, das heißt dem anderen das Recht einräumen, mit ihm zu machen, was dieser will. Der Mensch hat also eine Selbstachtung, begreift sich als Subjekt von Rechten und Pflichten. Wie der Mensch die Achtung vor seiner eigenen Person als eine Selbstverständlichkeit versteht, muß er auch Achtung vor Leistungen und Zielen anderer haben. Auch derjenige, der negative Ziele befolgt, der rücksichtslos und heuchlerisch ist, verdient die Achtung von seiner Umwelt, da er eben auch (nur) ein Mensch ist.

Das ethische Grundgesetz zielt nicht nur auf die Anerkennung der Rechte des anderen ab, sondern fordert eine persönliche Einstellung zu ihm - diese drückt sich dann z.B. aus in Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft, Aufgeschlossenheit und Ehrlichkeit.

„Es ist meine Pflicht, den anderen als Person von Rechten zu akzeptieren, so akzeptiere ich dies.“ So eine Aussage besagt nicht, daß man sich positiv zum anderen wendet, sondern nur die Einsicht in die Pflicht. Dies aber ist ethisch nicht effektiv. Der Wert des Menschen als Person soll sich ein Jeder verinnerlichen und daraus eine positive Einstellung zum anderen entwickeln, und nicht aus einem „Muss“ heraus, der Gegenseite seine Rechte einräumen.

III. Max Scheler

Der deutsche Philosoph Max Scheler lebte von 1874 bis 1928. In seinem Hauptwerk „Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik“ (2 Tle, 1913/16) vertritt er auf der Grundlage der Wesensschau und des Wertfühlens apriorischen Gehalte einen ethischen Absolutismus und Objektivismus, der zugleich Personalismus ist, und leistet damit einen wesentlichen Beitrag zur Überwindung des naturalistischen oder positivistischen Wertrelativismus.[2]

Nach Scheler hat das, was mit „Wert“ bezeichnet wird, keine dingliche oder vom Menschen unabhängige Existenz. Der Wert einer Sache liegt nicht nur in ihrer Eigenschaft. Denn wenn Werte Eigenschaften der Dinge bedeuteten, müßte man die gemeinsamen Eigenschaften guter oder böser Handlungen, Gesinnungen oder Menschen konkret festhalten können. Doch man kann z.B. gute Handlungen nicht vereinheitlichen. Jede gute Handlung ist situations- und zeitbedingt. Werte können ursprünglich keine Eigenschaften der Dinge sein. Sie sind Kräfte, Dispositionen und Fähigkeiten, welche durch die fühlenden und begehrenden Subjekte bedingt sind.

[...]


[1] von Kutschera Franz: „Grundlagen der Ethik; Berlin; New York: de Gruyter, 1982

[2] Halder, Alois / Müller, Max: „Philosophisches Wörterbuch“; Bonn 1992; S. 266

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Individuelle und gesellschaftliche Werte und daraus folgende Bewertungen
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover  (Philosophisches Institut)
Veranstaltung
Seminar: Liebe und Erkenntnis
Note
1
Autor
Jahr
1997
Seiten
15
Katalognummer
V3518
ISBN (eBook)
9783638121675
ISBN (Buch)
9783656827344
Dateigröße
522 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Werte, Seminar, Liebe, Erkenntnis
Arbeit zitieren
Zehra Sentürk (Autor:in), 1997, Individuelle und gesellschaftliche Werte und daraus folgende Bewertungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/3518

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