Das Tier in der Mode. Seide als modisches Mysterium und tierisches Martyrium


Hausarbeit, 2016

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


1. Seide - Modisches Mysterium - Tierisches Martyrium - Eine Einleitung

In Form von verarbeitetem, organischem Material finden wir das Tier vielfach in der Mode heutiger und früherer Zeiten, sei es nun in Kleidung aus Tierhaut/Leder, Pelz, Federn, Fischgräten, Tierhaar bzw. Wolle oder Raupenkokons. Diese Abhandlung möchte ich Letzterem widmen: Der tierischen Naturfaser, die gemeinhin als die schönste und eleganteste betrachtet wird, als „Königin der Fasern“1, der Seide. Dazu möchte ich zunächst von einer selbst gewählten Bildquelle, eine Laufstegfotografie, ausgehen. Ich werde diese in Kapitel 1.1 ausführlich beschreiben, um sie - in Verbindung mit den Erkenntnissen aus Kapitel 2 - 2.4, in der abschließenden Bildinterpretation (Kap.3) zu deuten und in Kapitel 3.1 einen größeren Bedeutungszusammenhang herzustellen.

Im Hauptteil werde ich versuchen, das Material Seide so facettenreich vorzustellen, wie es im Rahmen dieser Hausarbeit möglich ist, indem ich meine Recherche-Ergebnisse ausführe:

In Kapitel 2 möchte ich mich der Beschreibung des Materialtyps widmen, sowie der natürlichen Entstehung des Rohstoffs in der Natur. Hierbei sollen unter anderem folgende Fragen beantwortet werden:

- Mit welcher Art Faser haben wir es zu tun?
- Welche Tiere produzieren die Rohseide, die weltweit am häufigsten zu Stoffen verwoben wird?
- Was ist Serikultur ?

In Kapitel 2.1 möchte ich den Ursprüngen der Serikultur und Seidenverarbeitung auf den Grund gehen.

Dabei werde ich chronologisch vorgehen und zunächst die Entstehung der Seidenkultur in den asiatischen Ländern näher beleuchten, um anschließend darauf einzugehen, wie die Seide und die Serikultur nach Europa und in die Welt gelangten. Ich möchte zusätzlich auf die vielfältigen, überlieferten Legenden besonderes Augenmerk legen und Antworten auf folgende Fragen ersuchen:

- Welches Land ist als Geburtsland der Seidenproduktion anzusehen?
- Wie konnte das Geheimnis der Serikultur Verbreitung finden?
- Wie nahm die Seidenproduktion Einfluss auf die Wirtschaftslage verschiedener Länder?
- Welche Länder führen heutzutage noch auf dem Seiden-Weltmarkt?

Mit Kapitel 2.2 möchte ich eine chronologische Annäherung des Gebrauchs von Seide in der Mode weltweit wagen, die in frühster Zeit beginnen und bis zu den Designern der heutigen Zeit reichen soll. U.a. sollen folgende Schlüsselfragen beantwortet werden:

- Welche Bedeutung hatte die Seidenkleidung im Kastensystem Indiens, im Absolutismus, etc.
- In welchen Epochen der Modegeschichte war Seide besonders populär?
- Für welche Designer und Labels spielt oder spielte Seide eine wichtige Rolle?
- Welche Kleidungsstücke aus Seide sind spezifisch, welche unspezifisch?
- Welche Stellung nimmt Seide in der Modegeschichte allgemein ein?

Kapitel 2.3 soll dann die physikalischen und physiologischen Materialeigenschaften der Seide beinhalten, wobei ich vergleichend die Eigenschaften von Wildseide aufführen möchte, um mich anschließend zu fragen:

- Was macht die Seide - im Gegensatz zu anderen Materialien - so einzigartig?
- Sind Wildseide und Zuchtseide miteinander vergleichbar?
- Welche Bedeutung kann Wildseide für den Tierschutz haben?

In Kapitel 2.4 werde ich weitere Alternativen zu Zuchtseide, bzw. zu Maulbeerseide vorstellen. Dabei möchte ich die Vor- und Nachteile von Synthetikseide, Muschelseide und Spinnenseide und deren Gewinnung in Bezug auf Tierschutzaspekte, Qualität, Quantität und Aufwand anreißen, um im Schlussteil (Kap.3.1) mit diesem Wissen weiterarbeiten zu können. Außerdem möchte ich über die Recyclingprodukte Bourette- und Schappeseide informieren.

Im ersten Teil des Schlussteils (Kap.3) möchte ich einige meiner Ergebnisse aus den vorangehenden Kapiteln auf die Bildquelle aus Kapitel 1.1 beziehen. So möchte ich die mögliche Intention des Designers bzw. Fotografs herausarbeiten.

In Kapitel 3.1 werde ich diese und andere Gedanken mithilfe des zuvor erworbenen Hintergrundwissens aufgreifen und weiterführen, um Antwort auf folgende zentrale Fragestellungen zu erhalten:

- Was macht die Seide mystisch?
- Welchen Wert hat Seide für uns heute noch?
- Welche Stellung nimmt Seide auf dem weltweiten Fasermarkt ein? / Welche Bedeutung hat sie für die Wirtschaft?
- Ist die Serikultur ethisch vertretbar?
- Könnten alternative Fasern die Seide in Zukunft sinnvoll ersetzen und gleichzeitig den Tierschutz eher gewährleisten?

Ich werde unter Berücksichtigung der vorherigen Ergebnisse auch selbst Stellung beziehen und den Versuch einer Prognose für die Serikultur und Seidenmode der Zukunft wagen.

1.1 Seidene Flügel - Eine Bildbeschreibung

Meine selbstgewählte Bildquelle ist eine Laufstegfotografie, die das Model Nastya Choo 2012 auf einer Pariser Modenschau zeigt. Choo trägt Kleid und Accessoires aus der Ready-to-Wear-Kollektion des Modelabels Andrew GN für Herbst/Winter 2012-2013. Die Fotografie wurde auf der Internetseite www.hellomagazine.com veröffentlicht, einem amerikanischen Online-Magazin für Mode und Lifestyle. Im Vordergrund ist Nastya Choo in ihrer ganzen aufrechten Figur mittig ins Bild gesetzt. Sie läuft geradewegs auf den Betrachter zu und blickt in die Kamera, die sich beinahe auf Augenhöhe befindet. Ihr Blick ist düster, starr und ernst. Choos Gesicht wirkt umso härter, da ihr dunkelblondes Haar streng nach hinten frisiert und die hellblauen Augen dunkel geschminkt wurden. Das Model trägt ein breites schwarzes Halsband aus Stoff mit einer Art runder Brosche aus geschliffenen, schwarzen Edelsteinen darauf, dessen Form an eine Blüte erinnert.

Das bodenlange, tief ausgeschnittene Kleid ist aus grüner Seide gefertigt und besitzt daher einen starken Oberflächenglanz und fließenden Fall. Im Rockteil ist das

Material durchscheinend, wodurch schwarze Stiefel zum Vorschein kommen, die an der Fußrücken- und Zehenpartie Aussparungen besitzen. Von der Brust abwärts breitet sich ein aufgesetztes schwarzes Schmuckperlen-Ornament in organischen bis floralen Verästelungen bis hinunter zur Hüfte aus. Es wirkt ähnlich wie ein Korsett, wobei sich in der Gesamtform deutlich ein Schmetterling mit ausgebreiteten Flügeln erkennen lässt. Auf Choos Schultern befinden sich weitere schwarze Perlenornamente, die jedoch eher undefinierbare, geometrische Formen bilden, und in die Schulterträger überlaufen. Seitlich entspringt aus ihnen jedoch eine Art grüne Seidenschärpe oder -stola, die über die Arme und auf Taillenhöhe im Rücken locker verläuft. Beachtenswert ist weiterhin wie das Model in der Gehbewegung das Kleid seitlich hochrafft, sodass die Seide zur Seite geweht wird wie der zarte Flügel eines Schmetterlings.

Im Hintergrund erkennt man einen erdfarben braunen Gang inmitten besetzter Zuschauerreihen, der als Catwalk dient, und eine barock verzierte, cremefarbene Tür mit eingelassenen Spiegelfenstern gibt das Spiegelbild des Models wieder. Dadurch wird ihr langes Haar, die Stola und der ansonsten freie Rücken auch für den Betrachter des frontal geschossenen Fotos sichtbar.

2. Königin der Fasern - Raupe und Rohmaterial

Seide ist eine natürliche Proteinfaser1, somit eine Naturfaser. Produziert wird sie von der Raupe des Seidenspinners/Seidenfalters, laut den Autoren G.H.C. Lippold und Carl Philipp Funke in der Vergangenheit auch Seidenvogel, Seidenschwanz oder Seidenwurm genannt.2 Diese spinne, so die Autoren Clive Hallett und Amanda Johnsten, ihren Kokon zur Verpuppung, indem sie die Seidenflüssigkeit Fibroin in ständiger „Achterbewegung“ ihres Kopfes aus den zwei Drüsen ihrer Spinnwarze presse und so um ihren Körper lege. Das Fibroin sei vom Seidenleim Serizin umgeben, wodurch der entstehende lange Doppelfaden an der Luft fest werde.3 Autorin Hannelore Eberle u.a. ergänzen, dass das Spinnen des etwa taubeneigroßen Kokons aus einem ca. 3000 Meter langen Faden zwei bis drei Tage dauere. Nach vierzehn Tagen der Verpuppung schlüpfe der Schmetterling in der freien Wildbahn.4 Dabei werde der Kokon laut Hallett und Johnsten durchbrochen und das Filament somit zerstört. Diese Art Seide, bei der die leeren, beschädigten Hüllen einfach gesammelt und dann weiterverarbeitet würden, nenne sich Wildseide. Weltweit gebe es über zweihundert wildlebende Seidenspinnerarten, von denen der Tussahspinner der bekannteste sei, da seine Filamente weniger leicht brächen, als die der übrigen Arten. Schon früh habe sich jedoch, im Bestreben einen unbeschädigten Seidenfaden zu erhalten, die Serikultur entwickelt, die Seidenraupenzucht. Gezüchtet werde in der Regel der Bombyx mori, der Maulbeerspinner, der sich ausschließlich von Blättern des Weißen Maulbeerbaums ernähre. Anstatt zu schlüpfen, werden die Larven in der Verpuppungsphase durch Heißdampf, trockene Hitze oder ein heißes Wasserbad getötet, entnommen und die Kokons nach Größe und Qualität sortiert. Aus 5,5 kg Kokons lassen sich etwa 0,5 kg Rohseide gewinnen, so Hallett und Johnsten.5

2.1 Von Seidenmenschen und Raupen - Materialherkunft / Historie der Serikultur

Zur Entdeckung der Seidenherstellung geben die Quellen unterschiedliche Versionen einer alten chinesischen Legende an. So berichtet die Autorin Brita Hansen in ihren Ausführungen von Kaiserin Xiling, der Frau des mythischen Urkaisers, des sogenannten Gelben Kaisers Huangdi, die 2698 v. Chr. bei einem Spaziergang auf runde, helle „Früchte“ gestoßen sei, die sich aus der Nähe jedoch im wahrsten Sinne des Wortes als „bepelzte Schmetterlinge entpuppt“ haben. Die Kaiserin habe sich daraufhin ein Gewand von ähnlicher Weichheit und Geschmeidigkeit gewünscht. Darum habe sie die Entwicklung des Seidenkokons studiert und veranlasst, die Arbeitsweise der Raupen nachzuahmen.1 Eine andere Legende - mit verblüffenden Namensähnlichkeiten - beschreiben Hallett und Johnsten: Demnach sei der Dame Hsi-Ling, der ersten Frau des Kaisers Huang Ti (2677-2597 v. Chr.) - Kaiserin der Seidenraupen genannt - eines Tages ein Kokon aus einem Maulbeerbaum in ihre heiße Tasse Tee gefallen. Sie habe den Faden, der sich dabei gelöst habe, um den Finger gewickelt und so zufällig das Prinzip des Abhaspelns 2 entdeckt. Hallett und Johnsten geben gleichzeitig jedoch zu bedenken, dass die Serikultur - bewiesen durch Ausgrabungen neuerer Zeit - damals bereits lange betrieben worden sei. Die frühesten gefundenen Beispiele für Zuchtseide seien demnach um 3000 v. Chr. einzuordnen.3 Auch Hannelore Eberle u.a. gehen weiter zurück, indem sie eine, der ersten sehr ähnliche, Legende in einer Zeit „vor fast 5000 Jahren“ ansiedeln: Die hier Si Ling Schi oder Lei Zu genannte Kaiserin habe eine Seidenraupe beim Einspinnen beobachtet, den Faden abgehaspelt und daraus ein Gewebe hergestellt.4 Hansen und viele weitere Quellen geben China an anderer Stelle ganz explizit als „Geburtsland der Seidenproduktion“ an. Sie belegt dies anhand der frühesten archäologischen Funde von Seidengewebe im Dorf Xiyincun, datiert im Neolithikum (Yangshao- Kultur, 5. - frühes 2. Jahrtausend v. Chr.). Die systematische Seidenherstellung habe ihren Ursprung jedoch erst zur Zeit der Shang -Dynastie (16.-11. Jh. v. Chr.). Nach der Entdeckung habe China das Geheimnis der Serikultur und Seidenproduktion viele Jahrhunderte für sich behalten können, ohne dass Informationen darüber nach außen gedrungen seien, so Hansen.5 Hallett und Johnsten führen weiter aus, dass der in China beheimatete Vorfahre des Seidenspinners, der wild lebende Bombyx mandarina moore auf den Weißen Maulbeerbäumen die Grundlage für Chinas Monopolstellung gewesen sei. In der chinesischen Wirtschaft sei der Seidenstoff so wichtig geworden, dass noch heute 230 der 5000 am häufigsten verwendeten Schriftzeichen im Mandarin-Chinesisch das Symbol für Seide enthielten. Und man glaube, dass zu der Zeit, als China bereits qualitativ hochwertige Zuchtseide gewonnen und exportiert habe, in der Mittelmeerregion, im Nahen Osten und Indien - wenn überhaupt - allenfalls geringe Mengen an Wildseide hergestellt worden seien.6

Diese erste Hochblüte der chinesischen Seide siedelt Hansen in der Regierungszeit Qin Shi Huangdi s 221-206v.Chr. an. Weitere Blütezeiten der Seidenproduktion in China seien erst unter der Herrschaft der Song- Dynastie (960-1279n.Chr.) und in Umgebung des Ming- Kaiserhofes (1368-1644n.Chr.) gefolgt.7 Im 2.Jh.n.Chr. habe die sogenannte Seidenstraße, bestehend aus Handelsrouten von insgesamt über 8000 km zu Wasser und zu Land (die Reise von einem Ende zum anderen habe ein Jahr gedauert), den Handel entscheidend vorangetrieben, sodass Seidenstoffe und -produkte aus China nicht mehr nur nach Zentralasien (wie ab 133v.Chr. vermehrt8 ), sondern fortan in die ganze, damals bekannte Welt exportiert worden seien, so z.B. nach Rom. Die Griechen, später die Römer, seien laut Hallett und Johnsten auch die Ersten gewesen, die von den Bewohnern Chinas als Seres, also Seidenmenschen gesprochen haben, nachdem die chinesische Seide weltweit berühmt geworden sei.9 Damals, in der Han -Dynastie (202v.Chr. - 220n.Chr.) sei im Westen auch die Vorstellung von China als „ Land der Seide “ entstanden, führt Hansen aus.10

Durch ein kaiserliches Dekret, wonach es unter Todesstrafe gestanden habe, Seidenspinner oder ihre Eier außerhalb Chinas zu bringen, sei das Geheimnis der Zucht bis zu diesem Zeitpunkt bewahrt worden. Im 2. Jh. habe sich die Serikultur dennoch ausgebreitet; Hallett und Johnsten führen eine alte Legende an, die erklären soll, wie es dazu kam: Demnach sei eine chinesische Prinzessin mit einem Prinz von Khotan (am südlichen Ende der Seidenstraße gelegen, heute Hotan in der Provinz Xingjang) verheiratet worden und habe in ihren kunstvoll aufgetürmten Haaren einige Seidenspinner-Kokons nach Kothan geschmuggelt. Dieses sei daraufhin durch die Seidenspinner-Zucht ein sehr reiches Land geworden.11 Darüber hinaus erfahren wir von Hansen, dass im 2.Jh. Kenntnisse über die Seidenspinnerzucht von China nach Korea gelangt seien. Im Zuge der Besetzung Koreas durch die Japaner im folgenden Jahrhundert sei das Wissen an Japan weitergegeben worden.1 Hallett und Johnsten ergänzen in ihren Ausführungen, dass von diesem Zeitpunkt an, der vermutlich heimische Yamamaispinner in Japan gezüchtet worden sei, wobei dort bereits im Jahrhundert zuvor Wildseide produziert worden sei. Ab dem 3.Jh. haben koreanische und chinesische Seidenweber über Jahrhunderte für den Fortschritt in der japanischen Seidenproduktion gesorgt und chinesische Importe seien dadurch unwichtiger geworden. Die Nachfrage an Seide allgemein sei in dieser Zeit jedoch so enorm angestiegen, dass feine Seidenstoffe in Gold aufgewogen worden seien, so Hallett und Johnsten. Weiter erklären sie, dass die Nachfrage nur mit Mischstoffen hätte bewältigt werden können, die bei der breiten Bevölkerung sehr beliebt gewesen seien. Daraus habe sich ergeben, dass reine Seidenstoffe von da an fast ausschließlich von höheren Schichten getragen worden seien. Eine Unterscheidung der Stände durch Kleidung habe sich auch im indischen Kastensystem durchgesetzt. Demnach haben sich nur die oberen Kasten früher in Seide gekleidet, für die unteren sei Baumwolle vorgesehen gewesen. In Indien habe es außerdem mehrere Zentren für Brokat- und Jamawar-Weberei gegeben, wie Hallett und Johnsten erwähnen.2 Laut Hansen habe China seine Monopolstellung endgültig eingebüßt, als das Geheimnis der Serikultur nach Europa gelangt sei. Die bekannteste Legende diesbezüglich (die auch Hallett und Johnston sowie Lippold und Funke in ähnlicher Form wiedergeben) besage, dass zwei Mönche im Auftrag des oströmischen Kaisers Justinians im 6.Jh. Seidenraupen, den Maulbeerbaum und das Wissen über die Verwebung der Seidenfäden nach Byzanz geschmuggelt haben. Unter Justinian, der sich selbst als „ Seidenkaiser “ bezeichnet habe, - so Hansen3 - habe das oströmische Reich anschließend eine starke Seidenindustrie aufgebaut und lange Zeit das Monopol für Seide in Europa besessen, heben Hallett und Johnston hervor.4

Wie Hansen in ihren Ausführungen beschreibt, haben die arabischen Eroberungszüge im 7.Jh. zur weiteren Verbreitung der einstigen Seiden-„Geheimnisse“ in den gesamten islamischen Machtbereich geführt, wobei sich Damaskus dort zur Seidenhauptstadt entwickelt habe.5 Von dort sei das Wissen, laut Hallett und Johnsten, erst im 12.Jh. nach Sizilien gelangt. Daraufhin habe sich die Serikultur über ganz Europa ausgebreitet und das oströmische Reich seine Monopolstellung verloren. Noch im selben Jahrhundert seien die Normannen in Byzanz, Korinth und Theben - den einstigen Zentren der Seidenproduktion in Europa also - eingefallen und haben Tiere, Maschinen und Menschen mit nach Palermo genommen, was der sizilianischen Seidenindustrie zum Aufstieg verholfen habe. Erheblich dazu beigetragen habe auch die Übersiedlung vieler Seidenweber nach Sizilien, als Konstantinopel gefallen sei. Schon im 13.Jh. sei die Seide daraufhin in ganz Italien ein wichtiges Handelsgut gewesen - führen Hallett und Johnston weiter aus - und in der Stadt Como sei zu dieser Zeit die wertvollste Seide der Welt hergestellt worden. Als einziger Rivale Italiens in dieser Beziehung habe Spanien gegolten, das in den 1490er-Jahren durch die Vertreibung der Juden und Mauren jedoch einen wirtschaftlichen Rückschlag erlitten habe. Ebenfalls im 13.Jh. habe die Seidenproduktion in der Schweiz seine Anfänge genommen, die noch heute auf dem Weltmarkt hochgeachtet sei.6

Hansen beschreibt, dass die Seidenspinnerraupe und der Maulbeerbaum 1522 beim Eroberungszug des Spaniers Cortez von ebendiesem nach Mexico, in die sogenannte „Neue Welt“ gebracht worden seien, von wo aus sie im 16.Jh. in die Toskana, nach Venetien, in die Lombardei, nach Piemont und Rhônetal gelangt seien.7 Hallett und Johnston führen aus, dass sich wenig später, in der Mitte des 15.Jh. unter König Ludwig XI. die Seidenindustrie auch in Frankreich entwickelt habe und später Lyon das Monopol für französische Seide erhalten und zum Zentrum des europäischen Seidenhandels geworden sei. Erst 1560 hätten französische Hugenotten das Wissen nach England gebracht, wo König Heinrich IV. zuvor wegen mangelnder Erfahrung an der Serikultur gescheitert sei. Wegen des launischen Klimas habe es die englische Seide dennoch nicht an die Weltspitze geschafft.

Nach dem 15.Jh. habe dann der Handel auf der Seidenstraße abgenommen und der weniger gefährliche Seeweg sei stattdessen vermehrt genutzt worden, wodurch laut Hallett und Johnston der Handel zwischen Indien, China, Südostasien und Europa neu belebt worden sei.8

Im 17. und 18.Jh. - berichtet Hansen - habe die französische, also die Lyoner Seidenindustrie ihren Höhepunkt erreicht und ihr Erfolg habe seitdem bis heute angehalten, während die preußische Seide nur Ende des 18.Jh. eine kurze Blütezeit genossen habe.9 Zur gleichen Zeit habe die industrielle Revolution einen Boom in der Textilindustrie ausgelöst, so Hallett und Johnston.

[...]


1 Hallett, Clive / Johnston, Amanda: Naturfaserstoffe. Handbuch für Modedesigner. London 2010.

1 Hallett / Johnston 2010, wie Anm.1, S.3.

2 Lippold, G.H.C. / Funke, Carl Philipp: Neues Natur- und Kunstlexikon enthaltend die wichtigsten und gemeinnützigsten Gegenstände aus der Naturgeschichte, Naturlehre, Chemie und Technologie. Zum bequemen Gebrauch insonderheit auch für Ungelehrte und für gebildete Frauenzimmer. Band 6. Wien 1811.

3 Hallett / Johnston 2010, wie Anm.1, S.3.

4 Eberle, Hannelore u.a.: Fachwissen Bekleidung. 10. Auflage. Haan-Gruiten 2013.

5 Hallett / Johnston 2010, wie Anm.1, S.3.

1 Hansen, Brita: DuMont´s Handbuch der Seidenmalerei. Köln 1988.

2 Beim Abhaspeln wir der Seidenfaden mit einer Haspel in Form eines Stranges gebracht, vgl. Hallett / Johnston 2010, wie Anm. 1, S.3.

3 Hallett / Johnston 2010, wie Anm.1, S.3.

4 Eberle u.a. 2013, wie Anm. 4, S.4.

5 Hansen 1988, wie Anm. 1, S.5.

6 Hallett / Johnston 2010, wie Anm. 1, S.3.

7 Hansen 1988, wie Anm. 1, S.5.

8 Ebd., S.5.

9 Hallett / Johnston 2010, wie Anm. 1, S.3.

10 Hansen 1988, wie Anm. 1, S.5.

11 Hallett / Johnston 2010, wie Anm. 1, S.3.

1 Hansen 1988, wie Anm. 1, S.5.

2 Hallett / Johnston 2010, wie Anm. 1, S.3.

3 Hansen 1988, wie Anm. 1, S.5.

4 Hallett / Johnston 2010, wie Anm. 1, S.3.

5 Hansen 1988, wie Anm. 1, S.3.

6 Hallett / Johnston 2010, wie Anm. 1, S.3.

7 Hansen 1988, wie Anm. 1, S.5.

8 Hallett / Johnston 2010, wie Anm. 1, S.3.

9 Hansen 1988, wie Anm. 1, S.5.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Das Tier in der Mode. Seide als modisches Mysterium und tierisches Martyrium
Hochschule
Fachhochschule Trier - Hochschule für Wirtschaft, Technik und Gestaltung
Note
1,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
18
Katalognummer
V351603
ISBN (eBook)
9783668383449
ISBN (Buch)
9783668383456
Dateigröße
680 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Seide, Seidenraupe, Tierschutz
Arbeit zitieren
Anna Franken (Autor:in), 2016, Das Tier in der Mode. Seide als modisches Mysterium und tierisches Martyrium, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/351603

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