Europapläne vor dem 20. Jahrhundert


Seminararbeit, 2004

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Welches Erbe tritt die Europäische Union an?

2. Vier Pläne für ein vereintes Europa
2.1 Sullys „Grand Dessein“
2.2 William Penns „An Essay Towards the Present and Future Peace of Europe“
2.3 Abbe de Saint Pierres „Projet de la paix perpetuelle“
2.4 Immanuel Kants „Zum ewigen Frieden“
2.5 Diskussion

3. Einigungspläne im Mittelalter

4. Der moderne Staat im Staatenbund

5. Europapläne im 19. Jahrhundert

6. Die Erbschaft eines vereinten Europa

7. Literaturverzeichnis

8. Quellenverzeichnis

1. Welches Erbe tritt die Europäische Union an?

Die vorliegende Arbeit handelt von den Plänen der europäischen Einheit, welche vor dem 20. Jahrhundert entworfen wurden. In unserem heutigen Alltag ist ein vereinigtes Europa in Form der EU zu einer Selbstverständlichkeit geworden, obgleich diese Einheit ein geschichtliches Novum darstellt. Anders als die Nationalstaaten, die sich durch uralte Traditionen legitimierten, besitzt die Europäische Einheit kein solches Erbe; zumindest gab es in der Vergangenheit kein zwischenstaatliches Gebilde, welches den Dimensionen der heutigen Europäischen Einheit nahekommt.

Zwar könnten das Imperium Romanum oder das weitläufige Reich Karls des Grossen zu ihren historischen Ebenbildern ernannt werden, allerdings können diese allenfalls nur den territorialen Anspruch auf ein vereintes Europa stellen. Unserer heutigen Einheit sind sie jedoch fremd, entsprechen sie doch nicht unserem heutigen Staatenverbund, sondern entstanden vielmehr dem Expansionsdrang ihrer Führungen, auch wenn die Bedeutungen dieser Großreiche zur Ausbildung einer gemeinsamen europäisch-christlicher Identität nicht ausser Acht lassen darf, die in dieser Arbeit jedoch nicht behandelt werden soll.[1]

Zwar gab es keine europäische Einigung, doch gab es seit dem Mittelalter Diskurse über eine Vereinigung aller Europäer. Laut Foerster 182 Eingungspläne im Zeitraum von 1306 bis 1945.[2] Aus dieser Vielzahl Einigungspläne, die die unterschiedlichsten Ziele verfolgten und von unterschiedlichsten Motiven und Werten geprägt wurden, werden insgesamt vier besonders häufig als geistige Grundlage der heutigen Europäischen Integration in der für sie zuständigen Literatur genannt. Dies sind die Pläne Sullys de Bethune, William Penns, Abbes de Saint Pierre und Immanuel Kants.[3]

Im Folgenden möchte ich aufzeigen, warum es gerade diese Pläne waren, die für die heutige europäische Integration von so großer Bedeutung waren und sind. Hierzu soll zunächst ein kurzer Überblick über diese Pläne gegeben werden.

2. Vier Pläne für ein vereintes Europa

2.1 Sullys „Grand Dessein“

Der Hugenotte Sully, der 1560 geboren wurde, stieg unter Heinrich IV. von Frankreich, dessen Vertrauter er war, zum Finanzminister auf.[4] In seinen Memoiren legte der mittlerweile pensionierte Sully 1623 seinem König den Entwurf eines großen Planes in den Mund, der eine Neuordnung des von Glaubenskriegen bedrohten Europas vorsah: Es sollten durch die Neuordnung Europas 15 gleichwertige Staaten geschaffen werden, die gemeinsam eine „Christliche Republik“ bilden sollten.[5] Die Staatsoberhäupter der Mitgliedstaaten sollten ihre Probleme künftig durch eine gemeinsame Ratsversammlung an einem festen Ort, also auf friedlichem Wege, lösen.[6] Der Plan sah ebenfalls eine Zerschlagung des mächtigen Hauses Habsburg vor, welches den größten Widersacher der französischen Krone darstellte und von Sully als Behinderung seiner Pläne angesehen wurde. Sully plante seine „Christliche Republik“ als einen Staatenbund beider Konfessionen, erachtete allerdings eine konfessionelle Homogenisierung der Staaten erforderlich.[7] Die Fürsten der „Christlichen Republik“ würden nur Nutzen aus ihr ziehen: Die Grenzen bräuchten vor nun freundlichen Nachbarn nicht mehr gesichert zu werden und man könne mit weniger Aufwand ein europäisches Heer aufstellen, dessen Aufgabe es sei die Außengrenzen der „Republik“, innerhalb derer freier Handel stattfinden sollte, zu sichern und angrenzende islamische Gebiete zu erobern.[8] Die Authentizität des Planes wurde häufig angezweifelt, da er stark von Editoren des 18. Jh. geändert wurde,[9] jedoch ist davon auszugehen, dass seine Grundzüge im Wesentlichen beibehalten wurden.[10] In ihm lässt sich eine Einheits- und Friedenssehnsucht erkennen, die angesichts der Glaubenskriege verständlich wirkt; nicht zuletzt knüpft der Plan an die Kreuzzugsidee an, indem er eine christliche Einheit gegen die Bedrohung durch die Türken erwähnt. Dennoch verfolgt der Plan Sullys in erster Linie die Hegemonialinteressen Frankreichs.[11]

2.2 William Penns „An Essay Towards the Present and Future Peace of Europe“

Der „Große Plan“ Sullys hatte ebenfalls erheblichen Einfluss auf den Briten William Penn. Der 1644 geborene Sohn eines Admirals schloss sich während seines Studiums der Sekte der Quäker an, die jegliche Formen von Gewalt aus Glaubensgründen ablehnten. Das Erbe seines Vaters brachte für den Quäker Penn die Übernahme eines eigenen Staates in den amerikanischen Kolonien ein, den er Pennsylvania nennen sollte. Dort war er bemüht, ein Staatssystem zu etablieren, welches den von Toleranz und Friedfertigkeit geprägten Vorstellungen des Quäkertums gerecht wurde. Trotz anfänglicher Erfolge scheiterte seine Utopie; Penn wurde als Gouverneur gestürzt und kehrte nach England zurück. Noch während seiner Tätigkeit in Pennsylvania verfasste er, auf Grundlage der dort gewonnenen Erfahrungen, einen Plan für einen dauerhaften Frieden durch die Einheit in Europa, den er „An Essay Towards the Present and Future Peace of Europe by the Establishment of an European Dyet, Parliament or Estates“ nannte, und 1693 veröffentlichte.[12]

Grundlage für Penns Friedensplan bildete die auf Hobbes zurückgehende Überlegung, dass gewaltsame Konflikte zwischen Individuen nur dann entstehen können, wenn durch die Abwesenheit einer Rechtsordnung nicht erfüllte Rechtsansprüche oder erlittenes Unrecht vorausgegangen sind.[13] Daher ist eine Rechtsordnung, die durch eine Regierung, welche dem gesellschaftlichen Konsens entsprungen ist, für einen dauerhaften Frieden innerhalb eines Staates von fundamentaler Bedeutung.[14] Penn bezieht diesen Gedanken auf die Beziehungen der Staaten untereinander und kommt zu dem Schluss, dass sich die Fürsten bei all ihren zwischenstaatlichen Beziehungen in einem rechtsfreien Raum bewegen. Um einen dauerhaften Frieden zu sichern, müssten sich auch diese einer Rechtsordnung unterwerfen, die von einer Versammlung der Vertreter aller Oberhäupter geschaffen werden müsste.[15] Jene Versammlung sollte in regelmäßigen Abständen zusammenkommen und zwischenstaatliche Probleme schlichten.[16] Zudem wäre die Gefahr durch einzelne Aggressoren gebannt, da die Gemeinschaft der Mitglieder diesem ihr gefälltes Urteil aufzwingen könnte.[17] Die Sitzverteilung der Versammlung, an der alle europäischen Staaten beteiligt sein sollten, sollte der Wirtschaftskraft des jeweiligen Staates angemessen sein.[18] Obgleich der überzeugte Christ Penn mit seinem Plan an eine Einheit der Christen anknüpft und ihn als Schutz vor einer Bedrohung durch die Türken ansieht,[19] begrüsst er auch deren Teilnahme am Rat.[20] Besonders Protokollfragen werden bei Penn besonders penibel beschrieben; er geht selbst soweit ins Detail, dass er bereits einen Vorschlag für die Architektur des Versammlungsraumes unterbreitet.[21] Die Wirkungen eines Friedens wären für Europa ein Segen, da er u. a. die Wirtschaft begünstigen, die Gesellschaften der Mitgliedstaaten befrieden und das Verhältnis zwischen Herrschern und Beherrschten verbessern würde.[22]

[...]


[1] Vgl. Fuhrmann, Manfred: Europa - zur Geschichte einer kulturellen und politischen Idee. Konstanz 1981, S. 10f.

[2] Vgl. Foerster, Rolf Hellmut: Europa, Geschichte einer politischen Idee. München 1967. (im Folgenden zitiert als: Foerster: Idee)

[3] Vgl. Brunn, Gerhard: Die europäische Einigung von 1945 bis heute. Stuttgart 2002, S. 21.

Vgl. Loth, Wilfried: Der Weg nach Europa: Geschichte der europäischen Integration 1939-1957. Göttingen 1990, S. 9.

Vgl. Rinsche, Günther: Menschenwürdiges Leben im Europa des 21. Jahrhundert, Grundlagen, Erfordernisse, Perspektiven der europäischen Integration. Köln 1998, S. 7.

[4] Vgl. Foerster: Idee, S. 137.

[5] Vgl. Foerster: Idee, S. 142.

[6] Vgl. Foerster: Idee, S. 142.

[7] Vgl. Foerster: Idee, S. 139.

[8] Vgl. Davies, Norman: Europe: a history. Oxford 1996, S. 662. (im Folgenden zitiert als Davies: Europe)

[9] Vgl. Davies: Europe, S. 662-663.

[10] Vgl. Foerster: Idee, S. 142-143.

[11] Vgl. Gollwitzer, Heinz: Europabild und Europagedanke. München 1951, S. 51. (im Folgenden zitiert als Gollwitzer: Europabild)

[12] Vgl. Foerster: Idee, S. 163-165.

[13] Vgl. Penn, William: An Essay Towards the Present and Future Peace of Europe by the Establishment of an European Dyet, Parliament Or Estates, London 1693. in: van der Dungen, Peter (Hg.): An Essay towards the Present and Future Peace in Europe. New York u. a. 1983, S. 6-10. (im Folgenden zitiert als Penn: Peace)

[14] Vgl. Penn: Peace, S. 6-10.

[15] Vgl. Penn: Peace, S. 16-17.

[16] Vgl. Penn: Peace, S. 17.

[17] Vgl. Penn: Peace, S. 18-19.

[18] Vgl. Penn: Peace, S. 26-27.

[19] Vgl. Penn: Peace, S. 53.

[20] Vgl. Penn: Peace, S. 29.

[21] Vgl. Penn: Peace, S. 30-35.

[22] Vgl. Penn: Peace, S. 43-61.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Europapläne vor dem 20. Jahrhundert
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Institut für soziale Bewegungen)
Veranstaltung
Geschichte der europäischen Integration 1945-2000
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
18
Katalognummer
V35147
ISBN (eBook)
9783638351577
Dateigröße
524 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Europapläne, Jahrhundert, Geschichte, Integration
Arbeit zitieren
Johann Mair (Autor:in), 2004, Europapläne vor dem 20. Jahrhundert, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/35147

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