Die Bedeutung des Symbols im Zusammenhang mit kulturellen Konflikten in Deutschland


Bachelorarbeit, 2015

75 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Ziel der Arbeit
1.3 Aufbau der Arbeit

2 Multikulturalität
2.1 Multikulturalismus - Definition
2.2 Das Multikulturalismusmodell nach Charles Taylor
2.3 Ausblick

3 Symbole
3.1 Das Wesen der Symbole
3.2 Die Sprache als Symbolismus
3.3 Der Symbolismus von unseren Sinnen
3.4 Die Funktion von Symbolen in Hinblick auf die Gesellschaft
3.5 Zusammenfassung und Ausblick

4 Kulturelle Konflikte
4.1 Kulturelle Konflikte – Definition
4.2 Auslöser von kulturellen Konflikten
4.3 Die Ebenen kultureller Konflikte
4.4 Zusammenfassung und Ausblick

5 Kulturelle Konflikte in Deutschland
5.1 Der Islam in Deutschland
5.2 Das Judentum in Deutschland

6 Methode der Datenerhebung
6.1 Auswahl und Ziel der Methode
6.2 Herstellung des Feldzugangs
6.3 Die Durchführung der Datenerhebung
6.4 Methode der Datenauswertung

7 Ergebnisse
7.1 Die Bedeutung von Symbolen für das Judentum und für den Islam
7.2 Das Verhältnis von Judentum und Islam zur Gesellschaft
7.3 Das Islamische Kopftuch
7.4 Der Streit um den Bau von repräsentativen Moscheen
7.5 Staatssymbole als Identitäts- und Vorurteilsgegenstand
7.6 Der sekundäre Antisemitismus

8 Fazit
8.1 Ausblick in die Praxis

9 Literaturverzeichnis

10 Anhang
10.1 Interviewleitfragebogen

Danksagung

Ich möchte allen danken, die mich beim Schreiben der Bachelorarbeit mit dem Titel „Die Bedeutung des Symbols im Zusammenhang mit kulturellen Konflikten in Deutschland“ durch ihre fachliche und persönliche Kompetenz unterstützt und somit am Gelingen der Arbeit mitgewirkt haben. Dabei gilt besonderer Dank meinen beiden Gutachtern Frau Prof. Dr. Hanne Seitz und Herrn Rudi- Karl Pahnke, die mich auf meinem Weg durch Ratschläge und Anregungen begleitet haben

Besonders danke ich den Vertretern der Jüdischen Gemeinde Potsdam und dem Verein der Muslime in Potsdam e.V. für die in Anspruch genommene Zeit und ihre Bereitschaft, mir für Interviews zur Verfügung zu stehen

Abstract

Deutschland ist ein Land, dessen Gesellschaft sich dadurch kennzeichnet, von einer Vielfalt an Kulturen geprägt zu sein. Jedoch treten in verschiedenen Epochen, durch verstärkte Zuwanderung Ablehnung und feindschaftliche Haltungen gegenüber Einwanderern und Minderheiten und deren Kultur zu Tage

Die Bachelorarbeit mit dem Titel „Die Bedeutung des Symbols im Zusammenhang mit kulturellen Konflikten in Deutschland“, beschäftigt sich mit den Verhältnissen und Beziehungen zwischen der Mehrheitsgesellschaft und den in Deutschland beheimateten Minderheiten der Muslime und Juden. Dazu werden die Begriffe Multikulturalismus, Symbol und kultureller Konflikt beleuchtet und in Verbindung zu aktuell stattfindenden Konflikten gesetzt

Die in Bezug auf den Multikulturalismus verwendete Theorie besagt, dass in einer Kultur eine allgemeingültige Wahrnehmung und Sozialorientierung vorherrscht, welche es kulturellen Gemeinschaften ermöglicht, sich nach außen und innen abzugrenzen. Das Symbol stellt in dieser Arbeit ein durch kulturell- soziale Prozesse entstandenes Bild eines sozialen Verhältnisses dar, es ist Teil eines Konflikts, aus welchem es entwächst und ihn wiedergibt. In den kulturellen Konflikten, in denen es seine Einbindung findet, stehen vor allem Werte, Normen und Identitäten im Vordergrund. Um einen Ausgangspunkt zur Darstellung der Ergebnisse in der Beantwortung der Forschungsfrage zu finden, wurde je ein Experteninterview mit einem Vertreter einer Gemeinde durchgeführt. Durch die qualitative Datenerhebung sollte es möglich sein, neben den theoretischen Ausführungen, auch erlebnisorientierte Beispiele in die Arbeit mit einfließen zu lassen

Die Diskussion der theoretischen und empirischen Informationen ergab, dass bestimmte kulturelle Merkmale dem Prozess der Symbolisierung unterliegen, wenn sich eine gewisse Beziehung zwischen zwei Kulturen entwickelt hat oder besteht.

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Problemstellung

In einer Zeit, in welcher die politischen Ereignisse in Europa und seinen Nachbarkontinenten dazu führen, dass immer mehr Menschen ihre Heimat verlassen müssen, um in ein anderes Land zu fliehen, zeigt sich umso deutlicher, wie wichtig es ist, in der von einer Multipräsenz an Kulturen gekennzeichneten Gesellschaft, in einen gemeinsamen Dialog zu treten, um dieses Beieinander sein für alle gerecht zu gestalten. In Deutschland gibt es jedoch innerhalb der Gesellschaft Bewegungen und Strömungen, welche sich an der Anwesenheit anderer Kulturen stören und Misstrauen und Ängste gegenüber diesen verbreiten.

Ablehnung wird deutlich auf Plakaten, sei es durch schriftliche oder bildliche Darstellung, offen gezeigt; kulturelle Merkmale werden verunglimpft und zu Symbolen der Ablehnung verformt oder angegriffen.

Diese Arbeit soll sich mit dem Themenfeld „Multikulturalismus“ beschäftigen. Ferner wird es darum gehen, die in einer Gesellschaft, welche von der Präsenz mehrerer Kulturen gekennzeichnet ist, stattfindenden kulturellen Konflikte zu beleuchten. Hierbei soll besonderes Augenmerk auf die in den Konflikten in Erscheinung tretenden Symboliken und Symbole gelegt werden.

Die Literatur zum Thema „Multikulturalismus“ ist sehr vielfältig und umfasst nahezu fast jede in Deutschland lebende Minderheit und behandelt ein internationales, beziehungs­weise interkontinentales Phänomen.

Zum Thema Symbole existiert ein sehr breites Feld an Literatur, da dieses Themenfeld sehr weit gefächert ist. Es reicht von der Bildenden Kunst, zur Philosophie bis hin zur Soziologie und der Sprachwissenschaft und wurde in vielerlei verschiedenen Werken aufgegriffen und vertieft.

Das Themenfeld „kulturelle Konflikte“ ist ebenfalls sehr weitläufig erforscht. Hierzu gibt es in verschiedenen Feldern, wie der internationalen Zusammenarbeit innerhalb der Wirtschaft, verschiedene Werke, zum Beispiel von Geert Hofstede. In Bezug auf die deutsche Gesellschaft wäre Wilhelm Heitmeyer zu nennen, welcher sich mit kulturellen Konflikten zwischen Minderheiten und der Mehrheitsgesellschaft auseinandergesetzt hat.

1.2 Ziel der Arbeit

Das Ziel der Arbeit mit dem Titel „Die Bedeutung des Symbols im Zusammenhang mit kulturellen Konflikten in Deutschland“ soll es sein, ein Verständnis dafür zu entwickeln, was die Ursachen von kulturellen Konflikten sind und weshalb sie bestimmte Äußerungsformen annehmen. Auch soll vermittelt werden, wie Symbole und deren Verwendung im Zusammenhang mit Vorurteilen gegenüber kulturell anders geprägten Gruppen stehen.

Von der Annahme ausgehend, dass dem Symbol in Konflikten eine bestimmte Rolle zukommt, stellt sich die folgende Forschungsfrage: „Inwiefern spiegeln Symbole innerhalb der in Deutschland stattfindenden kulturellen Konflikte, gesellschaftliche Prozesse, Beziehungen und soziale Verhältnissen wieder?“. Besonders soll dabei die jeweilige Verwendung, Wahrnehmung und Reflexion der Symbole innerhalb von Konflikten, Berücksichtigung finden.

Für die Soziale Arbeit scheint das Thema interessant, da in der Verständigung zwischen kulturellen Gruppen Vorurteile oftmals eine Rolle spielen, welche, wie sich zeigen wird, durch Symbole und kulturelle Merkmale hervorgerufen werden können.

Den Symbolen gilt mein besonderes Interesse, da sie in der Arbeit mit Menschen etwas darstellen, was nicht direkt ausgesprochen wird, sondern ein Teil ihrer persönlichen und sozialen Performance und damit Ausdruck von Kommunikation sind. Kommunikationsprozesse sollen über einen verbalen Austausch hinaus verständlicher werden, wenn wir verstehen, was mit Symbolen, gerade in Konflikten ausgedrückt werden kann.

Der Bezug zu Konflikten zwischen Kulturen ergibt sich daraus, dass in der Kultur, also dem ohnehin schwierigen Kommunikationsprozessen noch hinzukommt, dass hier verschiedene soziale Sprachen in Kontakt miteinander kommen, welche zuerst übersetzt werden müssen, um einander zu verstehen.

1.3 Aufbau der Arbeit

Diese Arbeit wird in einem bestimmten Verhältnis von Theorie und Empirie stehen. Sodass die theoretischen Erkenntnisse durch beispielhafte Erfahrungen gestützt werden und eine zusätzliche „Informationsbasis“ (Bogner et al. 2014, S. 73) in Bezug auf das Thema liefern. Dabei werden neben den aus der Literaturrecherche gesammelten Informationen, die Daten aus zwei in der Stadt Potsdam geführten Interviews in die Diskussion mit eingebunden. Die Interviews wurden mit einem Rabbiner und einem Imam geführt, die Darstellung der Gründe für die Auswahl dieser beiden Religionsvertreter erfolgt im fünften und sechsten Kapitel der Arbeit.

Im zweiten Kapitel soll eine Definition des Begriffes „Multikulturalismus“ gegeben und anhand einer Theorie vertieft werden. Bei dieser handelt es sich um das „pluralistische Homogenitätsmodell“ (Reckwitz, 2001, S. 181) nach Charles Taylor, welches in einem Beitrag des Soziologen und Kulturwissenschaftler Andreas Reckwitz referiert wird. Anhand dieser Theorie soll gezeigt werden, was sich hinter dem Begriff Multikulturalität verbirgt und aus welchen Blickwinkeln diese zu verstehen sein kann. Es wird sich zeigen, dass, was für diese Arbeit aufgrund des Rahmens wichtig sein wird, die angewandte Theorie einen vereinfachten Blick auf Multikulturalität darstellt. Im Wesentlichen wird zu erkennen sein, worin sich Kulturen voneinander unterscheiden und was ihr Antrieb in einer multikulturellen Gesellschaft ist. Hinzu werden kurze Erläuterungen der Begriffe Ethnie und Minderheit kommen, da sie für das Verständnis einiger Textpassagen nötig sein werden.

Im dritten Kapitel der Arbeit soll der zentrale Begriff „Symbol“ erläutert werden. Wir werden hierbei die Theorie des englischen Philosophen Alfred North Whitehead „Kulturelle Symbolisierung“ nutzen, um zu zeigen, wie sich aufbauend auf das Modell von Charles Taylor, Symbole innerhalb von kulturellen Gemeinschaften herausbilden, beziehungsweise entwickeln. Hinzu kommen Texte von Wolfgang Lipp und Oswald Schwemmer in denen die generelle Bedeutung von Symbolen sowie deren Einfluss und Wirkung auf Kulturen und Gemeinschaften beleuchtet wird.

Im vierten Kapitel wird definiert was ein kultureller Konflikt ist und auf welchen Ebenen er stattfindet. Dazu wird uns eine Analyse kultureller Auseinandersetzungen von Aurel Croissant und weiteren Autoren dienen, in welcher die wesentlichen Charakteristika von Konflikten, sowie von kulturell bedingten Auseinandersetzungen dargestellt sind. Hinzu kommen weitere theoretische Grundlagen von Wilhelm Heitmeyer und Peter Imbusch, welche in ihrem Reader „Integration- Desintegration“ die Entstehungsmechanismen und Auswirkungen von Konflikten zwischen verschiedenen Kollektiven[1] in Deutschland untersucht und von verschiedenen Autoren zusammengetragen haben. Hinzu kommt in der Betrachtung von kulturellen Konflikten ein Zeitschriftenaufsatz von Anja Weiß, in welchem die Wirkung von Machtverhältnissen in kulturellen Konflikten im Vordergrund steht.

Im Anschließenden Kapitel werden zwei der in Deutschland augenscheinlich stattfindenden Konflikte, nämlich der zwischen dem Islam und der Mehrheitsgesellschaft und jener zwischen dem Judentum und der Mehrheitsgesellschaft, dargestellt. Hierzu wird aufgezeigt, wie sich die beiden Religions- und Kulturgemeinschaften in Deutschland entwickelt haben. Dazu werden die wesentlichsten Aspekte der Geschichte der beiden Gemeinschaften anhand verschiedener Literaturen herausgearbeitet. Im Anschluss an die geschichtliche Darstellung der jeweiligen Religionsgemeinschaft, wird ein kurzer Einblick in die bestehenden Konflikte gegeben, um auf den Ergebnisteil hinzuleiten.

Im sechsten Kapitel wird die Methode der für die Arbeit nötig gewesenen qualitativen Datenerhebung dargestellt. Hierzu wird kurz erläutert, auf welcher Grundlage die Interviews mit den Vertretern der Jüdischen Gemeinde Potsdam und dem Verein der Muslime in Potsdam e.V. entwickelt und ausgewertet worden sind, wobei sich auf Literatur zur qualitativen Sozialforschung von Uwe Flick, Phillip Mayring und Alexander Bogner et al. bezogen wird.

In siebten Kapitel werden mit den Ergebnissen der Interviews Bezüge zu den Theorien hergestellt, um die Forschungsfrage zu beantworten zu können. Die Aussagen der Interviewten werden durch Literatur aus verschiedenen Medien gestützt und vor dem Hintergrund eines gesamtgesellschaftlichen und historischen Kontexts interpretiert. Dabei wird sich mit kulturellen Merkmalen und Symbolen des Islams und des Judentums in Hinblick auf ihre Wirkung in Konflikten und ihrer Wahrnehmung auseinandergesetzt. Dieses Kapitel bildet den inhaltlichen Kern der Arbeit, da anhand dessen die Diskussion der gesammelten Daten und der Literatur mit den erarbeiteten Theoremen vollzogen werden soll. Abschließend folgen das Fazit der Arbeit und ein kurzer Ausblick auf die Praxis.

Es soll darauf hingewiesen sein, dass sich in dieser Arbeit vor allem auf die sozialen Verhältnisse in der Gegenwart bezogen wird. Auch in der Betrachtung der Geschichte der Muslime und des Judentums in Deutschland, wird vor allem die Geschichte beider Gemeinschaften in der Bundesrepublik Deutschland dargestellt. Dies soll der Eingrenzung des Themas dienen und einen Bezug zur heutigen Gesellschaft verdeutlichen.

In der Darstellung und Erwähnung von Menschengruppen sind immer beide Geschlechter in diese mit einbezogen, eine gesonderte Kennzeichnung wurde aufgrund der Ansicht und des Umfangs der Arbeit nicht vorgenommen. Die transkribierten Interviews liegen der Arbeit in digitaler Form bei.

2 Multikulturalität

„Unter Kultur versteht man – ganz allgemein- die erlernten oder sonstwie angeeigneten, über Nachahmung und Unterweisung tradierten, strukturierten und regelmäßigen, sozial verbreiteten und geteilten Gewohnheiten, Lebensweisen, Regeln, Symbolisierungen, Wert- und Wissensbestände der Akteure eines Kollektivs, einschließlich der Arten des Denkens, Empfindens und Handelns.“ (Esser 2001, S. IX)

In Deutschland leben etwa 16, 5 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund[2], was einen Anteil von 20, 5 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht (vgl. Statistisches Bundesamt 2013). Seit den 1950er Jahren sind Menschen aus Ländern, wie der ehemaligen Sowjetunion, der Türkei, dem ehemaligen Jugoslawien, Süd- und Osteuropa, Afrika und aus Ländern Asiens nach Deutschland migriert (vgl. ebd.). Die Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland ist demnach durch kulturelle Vielfalt gekennzeichnet. Im folgenden Abschnitt sollen Konzepte welche unsere Gesellschaft in Bezug auf ihre multikulturellen Strukturen beschreiben, vorgestellt werden.

2.1 Multikulturalismus - Definition

In Giddens, Fleck und Egger de Campos „Soziologie“ wird der Multikulturalismus als eine Form des kulturellen Pluralismus bezeichnet. Der Multikulturalismus stellt eine neue Abwandlung dar, in welcher „ethnische Gruppen verschieden, aber gleichwertig nebeneinander existieren.“ (Giddens et al. 2009, S. 446) Hier wird angeführt, dass die Multipräsenz von ethnischen Gruppen in dieser Form jedoch noch nicht erreicht ist, sondern teilweise eher als eine Bedrohung für die eigenen Ressourcen und die ‚Nationalkultur‘ (ebd.) wahrgenommen wird (vgl. ebd., S. 446). Eine ähnliche Definition bietet Andreas Reckwitz in seinem Artikel „Multikulturalismustheorien und der Kulturbegriff: Vom Homogenitätsmodell zum Modell kultureller Differenzen“ (Reckwitz 2001), indem er sagt: „ ‚Multikulturalismus‘ verweist auf eine neuartige (oder zumindest als neuartig wahrgenommene) Konstellation der gelockerten Bindung von Nationalstaaten an Nationalkulturen, die sich in einer Parallelität unterschiedlicher Einzelkulturen, insbesondere solcher, ethnischer Art, innerhalb der gleichen Nationalstaaten niederschlägt.“ (ebd., S. 179) Beide Definitionen beinhalten demnach ungefähr den gesellschaftlichen Entwurf eines „Nebeneinander“ oder eines „Nebenher“ von Kulturen. Ebenfalls bedienen sich beide Definitionen des Begriffes der „Ethnie“, welcher folgend kurz erläutert werden soll.

2.1.1 Der Begriff Ethnie

Der Begriff Ethnie oder Ethnizität umfasst und beschreibt die Zugehörigkeit aller Menschen in Hinblick auf ihre „Sprache, die Geschichte oder die Herkunft […], die Religion, die Kleidung oder den Schmuck.“ (Giddens et al. 2009, S. 437) Eigenschaften, durch welche sich Menschen im Kontext von Gruppen selbst identifizieren und durch welche sie sich von anderen Gruppen bewusst abgrenzen können. Man spricht von einer innerethnischen Solidarität, also einem Zusammen- und Zugehörigkeitsgefühl von Menschen gleicher ethnischer Herkunft. Die Ethnizität stellt demnach einen Faktor dar, der für das kulturelle Selbstbewusstsein und Verständnis von Personen und Personengruppen von Bedeutung ist (vgl. ebd., S. 436–437). Meist ist jedoch von „Ethnien“ die Rede, wenn eine Gruppe im Sinne einer Minorität auftritt. Bildet sie in einem Staat die Mehrheit, würde man von einem Volk oder einer Nation sprechen (vgl. Croissant et al. 2009, S. 45).

2.1.2 Der Begriff Minderheit

Da uns in dieser Arbeit der Begriff Minderheit mehrmals begegnen wird, soll er an dieser kurz erläutert werden.

Eine Minderheit kennzeichnet sich nicht nur dadurch, dass sie im Gegensatz zu einer anderen Gruppe zahlenmäßig unterlegen ist. Minderheit (ethnisch) bedeutet, dass eine Gruppe von Menschen in einer Mehrheitsgesellschaft aufgrund ihrer ethnischen, sozialen, körperlichen oder auch geschlechtlichen Merkmale benachteiligt ist. Charakteristisch für eine Minderheitsgruppe ist die räumliche und soziale Trennung von der Mehrheitsgesellschaft, sowie die interne Geschlossenheit der Minderheitsgruppe (vgl. Giddens et al. 2009, S. 438–439).

2.2 Das Multikulturalismusmodell nach Charles Taylor

Andreas Reckwitz beschreibt das Multikulturalismusmodell, welches im folgenden Abschnitt vorgestellt werden soll, als das „pluralistische Homogenitätsmodell der Kultur“. (Reckwitz 2001, S. 181) Laut Charles Taylor ist Multikultur die Multipräsenz mehrerer einzelner, in sich geschlossener Kulturen in einem Nationalstaat. Diese kennzeichnen sich durch ihre jeweiligen, für alle ihrer Mitglieder, ihres ‚Kollektivs‘(Reckwitz 2001, S. 179ff) vorhandenen Lebensweisen und Weltverständnisse. Darin enthalten sind Wertvorstellungen, Bewertungssysteme, Lebenspraxis und eine Identität, welche es ermöglicht, sich von anderen Kollektiven klar abzugrenzen. Dieses Weltverständnis ist im jeweiligen Kollektiv für alle seine Mitglieder gleich, durch welches es das Attribut ‚homogen‘ (vgl. ebd., S. 179ff) erhält. „Pluralistisch“ (ebd.) ist das Modell Taylors, da in einem Nationalstaat von mehreren Existenzen an Weltverständnissen ausgegangen werden kann, welche sich voneinander unterscheiden und diese Unterschiede auch klar wahrnehmen, was sie wiederrum voneinander abgrenzt (vgl. ebd., S. 179–184).

„Taylors Modell des ‚Multi‘-Kulturalismus ist damit letztlich im Sinne einer Multiplizierung mehrerer ‚Mono‘-Kulturen aufgebaut, die jeweils als vorausgesetzte Einheit von Personengruppe, homogenen Sinnhorizont, gemeinsamer Lebensform und einer Selbstidentifizierung als Kollektiv gegenüber ‚anderen‘ Kollektiven einander gegenüberstehen.“ (ebd., S. 183)

Diese Abgrenzung lässt sich über den sogenannten „totalitätsorientierten Kulturbegriff“ (ebd., S. 179 ff) begründen. Dieser besagt, dass Kultur und Gesellschaft miteinander einhergehen, sodass sich eine Kultur an ein ganzes Volk oder einen Staat bindet. Weltverständnisse innerhalb dieser kulturellen Gruppen ermöglichen somit eine klare Abgrenzung zu anderen Kollektiven, Gemeinschaften oder Völkern, wobei innerhalb der einzelnen Kollektive jeder „Akteur“ (ebd., S. 185ff) unter dem gleichen Weltverständnis handelt (vgl. ebd., S. 185–186). Dem gegenüber steht der „bedeutungsorientierte Kulturbegriff“ (ebd., S. 185 ff) welcher es erlaubt, in mehreren kulturellen Sinnwelten verortet zu sein, da Kultur in diesem Sinne als Sammelbegriff nicht definierter kulturell bedingter Handlungs- und Verhaltensmöglichkeiten verstanden wird, von denen Akteure gleichzeitig mehrere wahrnehmen können (vgl. ebd., S. 185 ff).

Zentrale Fragen, welche sich für Taylor aus der Bearbeitung des Konzeptes des Multikulturalismus ergeben, und welche auch für die Arbeit von Bedeutung sein können, sind erstens: „Wie lässt sich eine gegenseitige Anerkennung unterschiedlicher kultureller Gemeinschaften begründen, die sich in ihren Wertgrundlagen möglicherweise gegenseitig dementieren?“. (ebd., S. 181) und zweitens, wie Kollektive/Gemeinschaften ihre Ansprüche gegenüber anderen Kollektiven legitim geltend machen können (vgl. ebd., S. 181). Hierbei wird darauf verwiesen, und das ist für unsere Betrachtungen möglicherweise ebenfalls von Bedeutung, dass das oberste Ziel einer kulturellen Gemeinschaft in einer Mehrheitsgesellschaft dessen „Fortbestand“ (Taylor et al. 2009, S. 55), also die Lebenserhaltung der Minderheitskultur – „der kollektiven Lebensform“ (Reckwitz 2001, S. 183), ist.

2.3 Ausblick

Taylor bezog sich, wie viele seiner Zeitgenossen zwar auf „den angloamerikanischen Sprachraum“ (Neubert 2008, S. 9; vgl. Reckwitz 2001, S. 180), aber diese Theorie ist für unsere Betrachtung von Konflikt und Symbol ausreichend, da wir in den Konflikten gerade über die Grenzen der kulturell geprägten Weltverständnisse, welche sich aneinander reiben, diskutieren werden. Das Modell bietet uns daher ein gutes Instrument für die Bearbeitung des Themas. Hieraus ergab sich der Begriff des Weltverständnis in welchem sich Lebenspraxis und Normverständnis einen und sich, wie zu sehen sein wird, auch die verschiedenen Symbolwelten anknüpfen lassen.

3 Symbole

Im vorherigen Abschnitt haben wir erkennen können, dass die Zugehörigkeit zu einer Kultur immer mit einem bestimmten Verständnis für die Umwelt und Lebensweisen einhergeht. Anhand der Symbole werden wir sehen, wie eng das Verständnis der Umwelt, ihre Sinnhaftigkeiten und auch Lebenswelten an diese gebunden sind. Durch die folgenden Abschnitte schaffen wir uns außerdem eine theoretische Basis für die Interpretation und Einordnung der Symbole, die wir im Hauptteil der Arbeit untersuchen wollen.

„Wo immer etwas eine Ausdrucksqualität hat, wo es etwas besagt, und wo dieses Etwas eine dingliche, eine sinnlich präsente Form besitzt, handelt es sich um ein Symbol“ (Schwemmer 2006, S. 7)

Der Begriff „Symbol“ findet in verschiedenen wissenschaftlichen Bereichen Anwendung, etwa in der Soziologie, der Philosophie, der Mathematik in den Sprachwissenschaften sowie in der Kunst. Im Werk „Kulturelle Symbolisierung“ von Alfred North Whitehead, wird das Symbol an sich als etwas bezeichnet, was durch einen von Akteuren zugeschriebenen Sinngehalt erhält. Dieser Sinngehalt ergibt sich aus der durch Erfahrung geprägten „Sinnzuschreibungen“ (Reckwitz 2001, S. 182) und kann demnach je nach kultureller Zugehörigkeit sehr unterschiedlich sein, wie wir rückblickend anhand des Modells von Charles Taylor erkennen können.

Hinter dem Begriff „Symbolisierung“ (Whitehead und Lachmann 2000) verbirgt sich, in welcher Form Symbole dargestellt werden können, durch was sie also ihren Ausdruck finden. Schwemmer bezeichnet dies auch als „ Formulierung “ (Schwemmer 2006, S. 13)

3.1 Das Wesen der Symbole

„Symbole bestimmen in vielfältiger Art und Weise unseren Alltag. Abzeichen und Emble­me stehen exemplarisch für eine bestimmte Gesinnung; Denkmäler erinnern symbolisch an die Vergangenheit; Flaggen und Hymnen sollen ein ganzes Land repräsentieren.“ (Kötzing 2006, S. 3) Aber auch politische Handlungen, können als Symbol gewertet werden (vgl. Jessen 2006, S. 3–6); die historischen Wurzeln einer kulturellen Gemeinschaft werden symbolisch durch Traditionen erhalten (vgl. Croissant et al. 2009, S. 36). Symbole finden sich generell in fast allen alltäglichen Gegebenheiten und Gegenständen, mit denen wir unseren Alltag bestreiten. Durch sie erschließen wir uns die Welt. Vor allem durch unsere Sprache und Worte werden Dinge symbolisch zum Ausdruck gebracht. Auch unsere Körpersprache steht symbolisch für unser Empfinden. Die menschliche Wahrnehmung drückt sich in allen gesellschaftlichen Funktionssytemen durch Symboliken aus. Erst durch sie ist es uns möglich, uns oder unsere Umwelt zu erfassen, zu ordnen und unser Handeln zu verstehen (vgl. Esser 2001, S. IX; Kötzing 2006, S. 3).

Symbole sind mit Erfahrung, Wissen und vor allem mit Emotionen behaftet (vgl. Whitehead und Lachmann 2000, S. 67 ff). Ein wichtiges Charakteristikum von Symbolen ist, dass sie stets in Beziehung zueinander stehen und erst in ihrem Zusammenspiel einen Sinn ergeben, welcher sich aus einer Wahrnehmung und der dazugehörigen Erfahrungsbedeutung ergibt (vgl. Schwemmer 2006, S. 7). Erst im „Situationszusammenhang“ (ebd., S. 7) finden sie ihren Anklang.

„Der menschliche Geist arbeitet symbolisch, wenn einige Komponenten seiner Erfahrung Bewußtsein, Annahmen, Emotionen und Verwendungsweisen bezüglich anderer Komponenten seiner Erfahrung hervorrufen. Die erste Menge von Komponenten sind die ‚Symbole‘, und die letztere Menge von Komponenten bilden die ‚Bedeutung‘ der Symbole.“ (Whitehead und Lachmann 2000, S. 67)

Hieraus ergibt sich aufgrund der Verschiedenheit der Menschen und Kulturen auch, dass Symbole niemals nur eine Zuschreibung haben, sondern in ihrer Bedeutung sehr vielfältig sind. Sie lassen sich nicht, wie Zeichen, nur auf ein Signifikat[.] (Lipp 2014, S. 103) festlegen, sondern sind unterschiedlich deutbar und werden auch dementsprechend verschieden verwendet (vgl. ebd., S. 103). Das Symbol ist also in seiner Bedeutung nicht festgelegt. Es können neue Bedeutungen entstehen und ihm können neue Einordnungen und Bewertungen zugeschrieben werden. Die Bewertung und Einordnung von Symbolen sind in einer Person selbst von unterschiedlicher Bedeutung und Stärke vorhanden und werden auch kulturell verschieden beansprucht. Sie sind, wie bereits erwähnt, eng an die Erfahrungswelten der Betrachter gebunden und unterliegen den „Mechanismen der Psyche“ (Ronnberg und Martin 2011, S. 6) (vgl. ebd.).

Gerade wenn sie einen besonderen kulturellen Bezug aufweisen, können sie Ausdruck einer gesellschaftlichen Ordnung, aber auch eines inneren Zustandes sein (vgl. Lipp 2014, S. 104). So kann ein Symbol, etwa eine Flagge oder bestimmte Kleidung, als Ausdruck der Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder Kultur gelten, und so kann dasselbe Symbol in seiner Bedeutung umgekehrt werden und damit das Gegenteil bewirken oder aussagen. Der Sinngehalt eines Symbols kann demnach, je nach Aussageabsicht des Symbolträgers in verschiedene Richtungen verlaufen (vgl. ebd., S. 105–106). Dies wird, wenn wir die Bedeutung der einzelnen Symbole innerhalb der kulturellen Konflikte betrachten möchten, eine wichtige Rolle spielen. Denn womöglich wird uns genau dies begegnen, Umkehrungen und Verformungen.

3.2 Die Sprache als Symbolismus

Der Symbolismus ist das Mittel, durch das eine Symbolisierung, also die Symbolwerdung vollzogen wird. Anhand der Sprache soll gezeigt werden, wie etwas zu seiner symbolischen Form gelangt, indem es Ausdruck durch einen Symbolismus findet. „Das Wort ist ein Symbol, und seine Bedeutung wird durch die Ideen, Vorstellungen und Emotionen, die es im Geiste des Hörers hervorruft, konstituiert.“ (Whitehead und Lachmann 2000, S. 61–62) Der Begriff Symbolismus ist laut Whitehead das Medium, durch welches Symbole hör- oder sichtbar zum Ausdruck gebracht werden. Beispielsweise werden auch Rituale oder die Architektur als Symbolismen bezeichnet (vgl. ebd.)

In der Sprache verbirgt sich etwas wie ein „kultureller Code“ (Reckwitz 2001, S. 180), welcher es Angehörigen von kulturellen Gemeinschaften ermöglicht, innerhalb desselben kulturellen Symbolhorizonts miteinander in Verbindung zu treten und einander das gleiche Sinnverständnis zu teilen (vgl. Schwemmer 2006, S. 9). Somit ergibt sich, dass eine Symbolisierung immer auch Ausdruck kultureller Prägung ist und damit das Symbol als ein Kommunikationsmittel bezeichnet werden kann.

3.3 Der Symbolismus von unseren Sinnen

Die Sprache wird bei Whitehead neben der Algebra als einer der fundamentalsten Symbo­lismen angesehen, über welchen sich nur der als „Symbolismus von unseren Sinnen zu symbolisierten Körpern“ (Whitehead und Lachmann 2000, S. 64) beschriebene Symbolismus stellt (vgl. ebd., S. 62). In ihm ist etwas verhaftet, was wir auch als Vorurteil bezeichnen könnten. Zur Erklärung des Konzeptes des Symbolismus von den Sinnen zu den Körpern, wird bei Whitehead der Vergleich mit einem Stuhl, den wir stets als solchen wahrnehmen und ihn auch entsprechend behandeln, herangezogen. Würden wir ihn nur aus der Perspektive betrachten, er wäre ein farbiger Gegenstand, so würde uns dies viel abverlangen, da wir unseren gesamten Sinnhorizont ausklammern müssten (vgl. ebd., S. 62–63). Zusammengefasst handelt es sich hierbei um „Sinnes Wahrnehmungen“ (ebd., S. 65). Über die Erfahrungen, die wir gemacht haben, haben wir auch ein Wissen über die Zusammenhänge, die uns durch unsere Sinneswahrnehmungen vermittelt werden. Darin liegt aber laut Whitehead auch die Gefahr, dass wir uns schnell täuschen lassen würden (vgl. ebd., S. 63–64). „Direktes Wissen ist unfehlbar. Was man erfahren hat, hat man erfahren. Aber Symbolisierungen sind in dem Sinne sehr irrtumsbehaftet, daß sie Handlungen, Gefühle, Emotionen und Meinungen über Dinge hervorrufen, die bloße Vorstellungen sind und ohne jede Exemplifikation dessen in der Welt, was uns die Symbolisierung annehmen lässt.“ (ebd., S. 66) Demnach würde das Symbol oder vielmehr die Art, wie wir etwas symbolisch bewerten, einer echten Wissensbasis voraus sein, da die symbolische Komponente schneller angesprochen wird, als die rationale Komponente des Denkens. In Bezug auf unsere Arbeit heißt das, dass sich Vorurteile rascher festigen, als explizites Wissen - beispielsweise über ein kulturelles Merkmal. In Verbindung mit dem im Abschnitt über den Multikulturalismus gebildeten Begriff des Weltverständnisses eines Kollektivs, würde dies bedeuten, dass sich Vorurteile als ein Ausdruck kultureller Symbolisierung bezeichnen ließen.

3.4 Die Funktion von Symbolen in Hinblick auf die Gesellschaft

Da wir uns in dieser Arbeit mit der Bedeutung von Symbolen innerhalb kultureller Kon­flikte beschäftigen, wird im folgenden Abschnitt ein Einblick darüber gegeben werden, welche Funktionen Symbole vor allem für Gemeinschaften haben können.

„Erst mittels der Symbolisierung [...]gewinnt das menschliche Bewusstsein seine immer wieder identifizierbare Form. Der Mensch gewinnt mit ihr seine geistige Identität.“ (Schwemmer 2006, S. 9)

Durch die Verflechtung in kulturellen Gemeinschaften, in denen wir eine gemeinsam symbolisierte, also mit Sinn und Erfahrung behaftete Welt erschaffen haben, ist es uns möglich, uns auszudrücken und verstanden zu werden. Durch unsere Interaktion mit Menschen der gleichen symbolischen Welt, können wir unser Handeln reflektieren und anhand dieser Erfahrungen ein Selbst, beziehungsweise eine Andersartigkeit entwickeln (vgl. ebd., S. 8 u. 9). Denn: Symbole schaffen Identität dadurch, dass sie den Subjekten zu etwas verhelfen, worin sie sich selbst sinnbildlich vertieft wiederfinden können und was sie auch selber reproduzieren können (vgl. Lipp 2014, S. 110). Einerseits, da sie in Form von Tradition „einen Rückgriff auf einen gemeinsamen Besitz an Einstellungen und Überzeugung­en“ (Schwemmer 2006, S. 14) darstellen, andererseits über gezieltes „Zurechtdefinieren“ (Lipp 2014, S. 110). Beides bietet einen unermesslichen Spielraum, was den Gebrauch von Symbolen zur Beeinflussung von sozialen Gebilden betrifft. Da Symbole darüber hinaus formbar sind weil sie mehrheitlich gedeutet werden können, ist es möglich, sie auf das jeweilige soziale Handlungsfeld zuzuschneiden, in welchem sie Bedeutung finden und indem sie rezipierbar sein sollen (vgl. ebd., S. 110). Diese Eigenschaft wird dadurch bekräftigt, da Symbole „multipolar“ (Lipp 2014, S. 104) sind, das heißt, mehrere Komponenten in Bezug auf ihre Wirkung gegenüber anderen in sich tragen.

Es ist demnach zu erkennen, dass im Sinne des totalitätsorientierten Kulturbegriffes einer Gemeinschaft, welche sich durch eine gleiche Sinneswelt kennzeichnet deren Abgrenzung nach außen hin über die geteilten Symbolismen geschieht und ihnen damit zu einem Abgrenzungs- und Identifikationsmodus verhilft. Gemeinschaften und Kollektive sind daher abhängig von Symbolen, die allgemein verstanden, interpretiert und gemeinsame Assoziationen und Emotionen hervorrufen. Sie dienen der Lenkung und Orientierung und lassen sich auf sogar zum Erhalt von poltischen Systemen, Machtverhältnissen und zur Durchsetzung ökonomischer Interessen anwenden (vgl. Whitehead und Lachmann 2000, S. 134–135).

3.5 Zusammenfassung und Ausblick

Symbole sind allgegenwärtig. Sie bilden einen Referenzrahmen für die Bewertung der Umwelt. Die Symbole können somit, was sich anhand der Theorie über die Kulturen zeigt, einen Ausdruck der kulturellen Zugehörigkeit darstellen. Sie sind mit Erfahrung, Wissen und vor allem Emotionen behaftet (vgl. ebd., S. 67 ff) und vermögen es durch ihre Identitätsstiftende Wirkung soziale Gebilde zu beeinflussen.

Aus der Auseinandersetzung mit den Theorien zu den Symbolen ergaben sich folgende Annahmen für diese Arbeit: Sie erschaffen Vorurteile oder erwachsen aus ihnen, welche durch eine kulturelle Zuschreibung über ein Merkmal entstehen. Die Zuschreibung erfolgt über ein gemeinsam geteiltes „Sinnverstehen“ einer Sache. Zudem wird durch das erschaffene Symbol aufgrund seiner kollektiven Sinnesherkunft eine gemeinschaftliche Identität oder auch Negativ-Identität erschaffen, das heißt, sie könnten auch Ausdruck der Ablehnung gegen etwas sein. Da sich Akteure auch darin „versinnbildlicht“ sehen könnten.

In Rückblick auf den Symbolismus von den Sinnen, ist anzumerken, dass innerhalb von Konflikten vor allem die Gefahr zu bestehen scheint, oft nur das Symbol zu sehen und ihm Folge leisten, ohne den tatsächlichen Gehalt, den es beinhaltet zu erkennen. Denn: „Symbole sind etwas reales, sie stellen nämlich auch Tatsachen dar.“ (Lipp 2014, S. 113) Dies würde bedeuten, dass wir das, was wir als symbolisiert wahrnehmen, auch für Realität halten.

4 Kulturelle Konflikte

Aufgrund der Globalisierung und den damit vereinfachten Reise- und Kommunikationsmöglichkeiten hat das Zusammentreffen verschiedener Kulturen an Zuwachs erhalten und findet auf allen Ebenen der Gesellschaft, d.h. in Institutionen, Politik, Freizeit, Bildung und Wirtschaft, sowohl national als auch international statt. Wo verschiedene Kulturen aufeinandertreffen, können unbeabsichtigt Konflikte mit zum Teil weitreichenden Folgen entstehen (vgl. Hofstede und Hofstede 2009, S. 441–442).

Die dritte theoretische Grundlage der Arbeit bilden die Theorien zu den kulturellen Konflikten, anhand welcher wir die Bedeutung des Symbols beschreiben wollen.

Zu Beginn soll kurz erläutert werden, was ein Konflikt ist, damit ersichtlich wird, worum es sich bei einem kulturellen Konflikt handelt. Es soll uns auch helfen, bestimmte Handlungen richtig einordnen zu können und als Konflikthandlungen zu identifizieren beziehungsweise auszuschließen.

4.1 Kulturelle Konflikte – Definition

Für den Begriff Konflikt ist wesentlich, dass er als eine „Kommunikationssituation“ (Croissant et al. 2009, S. 30) verstanden werden kann. „Die Konfliktparteien stellen dabei die Kommunikationspartner dar (Akteure), die Konfliktmaßnahmen die Kommunikationsmittel (Medium) und der Konfliktgegenstand den Kommunikationsinhalt. (Thema)“ (ebd., S. 30) Dies umfasst sowohl Einzelpersonen als auch Situationen zwischen Gruppen. Ziel in einer Konfliktsituation ist es, durch eine Aktion jeder Art (Kommunikationsmittel), eine bestimmte Änderung im Bewusstsein in Bezug auf das Thema bei seinem Konfliktpartner beziehungsweise Gegner zu erwirken. Dies kann bewusst oder unbewusst geschehen (vgl. ebd., S. 30) und: „Wenn Akteure Kultur, das heißt den kulturellen Rahmen, in dem ihre Interaktion und Kommunikation eingebettet ist, in konflikthafter Weise thematisieren, dann liegt ein kultureller Konflikt vor“ (ebd., S. 22). In anderen Worten: Das Kulturelle wird zum Kommunikationsinhalt innerhalb eines Konfliktes zwischen kulturellen Gruppierungen und bildet den „ Gegenstand “ (ebd., S. 22) um welchen der Konflikt sich dreht (vgl. ebd., S. 22).

In Croissant et al. 2009 steht in einem kulturellen Konflikt die Auseinandersetzung um die „Hervorbringung und Wahrung der Identität“ (ebd., S. 22) im Vordergrund. Er ist dann nicht von Interessen an materiellen Dingen oder Machtstatus geleitet, sondern Impuls des Konfliktes ist die Identität, womit kulturelle Konflikte als „Identitätskonflikte“ (ebd., S. 37) oder „Anerkennungskonflikte“ (Weiß 2001, S. 88–89) bezeichnet werden können (vgl. Croissant et al. 2009, S. 37). In Heitmeyer und Imbusch 2008 werden neben verschiedenen Arten kultureller Konflikte die sogenannten „ Regelkonflikte“ (Heitmeyer 2008, S. 578), in denen „im Kern eine Kontroverse um die Gültigkeit von kulturellen Werten und Normen“ (ebd., S. 578) geführt wird, erwähnt. Sie werden für unsere Betrachtung eine wichtige Rolle spielen.

4.2 Auslöser von kulturellen Konflikten

Interessant für diese Arbeit sind die sogenannten „identitätsbezogenen Konfliktfelder[.]“ (Croissant et al. 2009, S. 39), welche die für eine Kultur wichtigen Aspekte wie Sprache, Religion und die Geschichte eines Kollektivs beinhalten und oftmals in kulturellen Kon­flikten thematisiert werden (vgl. ebd., S. 39). Anhand dieser Merkmale werden die historisch fundierten Unterschiede zwischen einzelnen Kollektiven deutlich (vgl. Hofstede und Hofstede 2009, S. 442). Diese beeinflussen den Konflikt dahingehend, dass, die sich gegenüberstehenden Akteure „eine fundamentale Differenz hinsichtlich des Rahmens, in dem die Kommunikation stattfindet, wahrnehmen.“ (Croissant et al. 2009, S. 39), sich also als Fremde begreifen und diese Fremdheit stets thematisieren.

Kulturelle Konflikte können innerhalb eines Landes, zwischen der einheimischen Gesellschaft und migrierten Gruppen oder zwischen kleineren kulturellen Gemeinschaften selbst entstehen (vgl. Schulte 1998, S. 13 u. 15). Sie entstehen als eine Folge sozialer Neustrukturierung; vor allem dann, wenn eine Kultur durch diese Neustrukturierung ihren Fortbestand „in einer Gesellschaft mit eindeutig dominanter Mehrheit und ethnischer Unterschichtung […]“ (Heitmeyer 2008, S. 578) sowie „asymmetrischer Konfliktkonstellationen“ (ebd., S. 578) gefährdet sieht und wenn das Verhältnis zwischen verschiedenen Gruppen neu austariert werden muss.[3] Dies geschieht insbesondere in Zeiten, in denen sich eine Gesellschaft in einem Zustand befindet, welcher sich durch strukturelle und normative Schwäche kennzeichnet (vgl. ebd., S. 572 u.578).

Mitglieder verschiedener kultureller Gemeinschaften betrachten und bewerten Handlungen nicht gleich und schreiben ihnen unterschiedliche Bedeutungen zu. Im direkten interpersonellen Bereich können kulturell bedingte Auseinandersetzungen somit auch durch gewöhnliche, alltägliche Handlungen hervorgerufen werden, welche aufgrund verschiedener Bedeutungen unterschiedlich starke Emotionen hervorrufen können (vgl. Weiß 2001, S. 88).

Eine weitere Ursache für die Entstehung und vor allem Vertiefung von kulturellen Konflikten wird in der ungleichmäßigen Verteilung von Macht gesehen. Die sogenannte „Machtasymmetrie“ (ebd., S. 89 ff) zwischen kulturellen Gruppen wird ausgelöst, indem sich eine dominierende Mehrheit auf allgemein gültige Normen und Werte, sowie die Beherrschung der Institutionsstrukturen, welche in der jeweiligen Gesellschaft vorherrschen bezieht und diese als Druckmittel nutzen kann, welche der Minderheit nicht zuteil sind. Die Minorität dagegen ist aufgrund der durch die Mehrheitskultur erschaffenen Machtverhältnisse per se benachteiligt und zudem zur Anpassung an die vorherrschenden Verhältnisse gezwungen(vgl. ebd., S. 100). Die Mehrheit kann über deren Verhalten mit der Gewissheit der rechtmäßigen Anwendung von Werten und Normen über diese richten und urteilen, wobei die unterdrückten keine Chance auf Gleichwertigkeit besitzen, da sie die „Regeln des Spiels“ nicht kennen und beherrschen (vgl. ebd., S. 100–104).

[...]


[1] Der Begriff Kollektiv wird in Reckwitz 2001 immer in Zusammenhang mit kulturellen Gemeinschaften benutzt und beschreibt eine kulturell abgegrenzte Gruppe von Menschen.

[2] „Zur Bevölkerung mit Migrationshintergrund zählen alle, die nach 1949 auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zugezogen sind, alle in Deutschland geborenen Ausländer/-innen und alle in Deutschland mit deutscher Staatsangehörigkeit Geborene mit zumindest einem zugezogenen oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil.“ (Statistisches Bundesamt (Destatis) 2013)

[3] Einen entsprechenden Hinweis hatten wir bereits in der Betrachtung der Theorie von Charles Taylor.

Ende der Leseprobe aus 75 Seiten

Details

Titel
Die Bedeutung des Symbols im Zusammenhang mit kulturellen Konflikten in Deutschland
Hochschule
Fachhochschule Potsdam  (Sozialwissenschaften)
Note
2,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
75
Katalognummer
V351260
ISBN (eBook)
9783668414815
ISBN (Buch)
9783960950073
Dateigröße
575 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kulturkonflikt, Multikultur, Multikulturalität, Symbole, kulturelle Symbole, Integration, Judentum in Deutschland, Islam in Deutschland, Moscheenstreit, Kopftuchstreit, Davidstern, Kippa, Religion, Minderheiten, Muslime in Deutschland, Juden in Deutschland nach 1945, Vorurteile, Islam in Deutschen Medien
Arbeit zitieren
Johannes Trubel (Autor:in), 2015, Die Bedeutung des Symbols im Zusammenhang mit kulturellen Konflikten in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/351260

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