Die Friedenssicherungsmodelle von Kant und der UNO

Eine kritische Betrachtung unter besonderer Beachtung des UN-Sicherheitsrates


Hausarbeit, 2016

16 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. EINLEITUNG

2. „ZUM EWIGEN FRIEDEN"
2.1 DIE PRÄLIMINARARTIKEL
2.2 DIE DEFINITIVARTIKEL
2.3 VÖLKERBUND NACH KANT

3. DIE UNITED NATIONS ORGANISATION
3.1 GRÜNDUNGSGESCHICHTE DER UNO
3.2 ZIELE UND GRUNDSÄTZE DER UNO
3.3 AUFBAU UND ORGANE DER UNO

4. ZENTRALE UNTERSCHIEDE ZWISCHEN KANTS VÖLKERBUND UND DER UNO

5. FAZIT

6. LITERATURVERZEICHNIS

1. Einleitung

„Wenn es Pflicht ist, wenn zugleich begründete Hoffnung da ist, den Zustand eines öffentlichen Rechts, obgleich nur in einer ins Unendliche fortschreitenden Annäherung wirklich zu machen, so ist der ewige Friede [...] keine leere Idee, sondern eine Aufgabe, die nach und nach aufgelöst, ihrem Ziele [...] beständig näher kommt.“1

Mit diesen Worten beendet der Moral- und Rechtsphilosoph Immanuel Kant seine 1795 veröffentlichte Friedensschrift „Zum ewigen Frieden“, in welcher er einen freiwilligen Föderalismus der Staaten zur internationalen Friedensicherung fordert. Ein solcher Bund freier Nationen scheint sich 150 Jahre später mit der Gründung der United Nations Organisation (UNO) verwirklicht zu haben. Tatsächlich finden sich zwischen den beiden Friedenssicherungsmodellen zahlreiche Parallelen und laut Albrecht bildet Kants Schrift „[...] aus deutscher Feder den wichtigsten Beitrag zur Idee von „Vereinten Nationen““.2

In dieser Hausarbeit sollen vorrangig die Differenzen zwischen den beiden Friedenssicherungsmodellen betrachtet werden. Im Fokus wird dabei der UN-Sicherheitsrat stehen, insbesondere die Rolle seiner ständigen Mitglieder.

Nachdem in Kapitel 2 der Arbeit Kants Friedensschrift und seine Vorstellung einer internationalen Friedensinstitution dargelegt und analysiert wird, folgt in Kapitel 3 die Untersuchung des Aufbaus und der Ziele der UNO. Schließlich werden in Kapitel 4 die zentralen Unterschiede aufgezeigt, und die Funktion des Sicherheitsrats wird tiefergehend beleuchtet.

2. „Zum ewigen Frieden"

Die im Stile eines Friedensvertrages verfasste Schrift „Zum ewigen Frieden“ besteht aus zwei Abschnitten sowie zwei Zusätzen und einem Anhang. Im ersten Abschnitt stellt Kant in sechs Präliminarartikeln die negativen Voraussetzungen für zwischenstaatlichen Frieden auf. Es handelt sich hier um Verbotsgesetze, welche eine Art „Vorfrieden“ ermöglichen sollen.3

Soll Frieden jedoch nicht nur temporär, sondern endgültig realisiert werden, bedürfe es zusätzlicher vertragsrechtlicher und konstitutioneller Bedingungen.4 Diese legt Kant im zweiten Abschnitt seiner Schrift, den drei Definitivartikeln, dar.

Die beiden Zusätze und der Anhang sollen in dieser Arbeit nicht weiter explizit thematisiert werden. Vielmehr werden im Folgenden alle Präliminar- und Definitivartikel kurz dargelegt. Der fünfte und sechste Präliminar- sowie vor allem der zweite Definitivartikel werden dabei genauer beleuchtet, da diese besonders gut einen direkten Vergleich zur Charta der UN zulassen.

2.1 Die Präliminarartikel

Im ersten Präliminarartikel wird ein irreversibler Friedensschluss gefordert, welcher nicht „[...] mit dem geheimen Vorbehalt des Stoffs zu einem künftigen Kriege gemacht worden [...]“5 ist. Es dürfe sich also nicht um einen bloßen Waffenstillstand handeln.

Der zweite Artikel zielt auf den Schutz der Autonomie von Staaten ab und verurteilt den „machtpolitischen Staatenhandel“6. Staaten dürfen laut Kant weder durch „[...] Erbung, Tausch, Kauf oder Schenkung erworben werden können.“7

Mit dem dritten Präliminarartikel wird die Auflösung von stehenden Heeren zugunsten einer freiwilligen Armee von Staatsbürgern gefordert. Ein ständig einsatzbereites Militär führe zum Wettrüsten zwischen den Staaten, wodurch eine ständige Bedrohung herrsche.8 Der vierte Artikel stellt ein Verbot von Staatsschulden für Rüstungszwecke dar. „Diese Leichtigkeit Krieg zu führen, mit der Neigung der Machthabenden [...]“9 zur Kriegsführung sieht Kant als große Barriere zur Schaffung von friedlichen zwischenstaatlichen Verhältnissen. Der fünfte Präliminarartikel verbietet militärische Interventionen in die Innenpolitik anderer Staaten. Denn ein solches Eingreifen in eine fremde Verfassung könne zu ausartenden Gewaltanwendungen führen, „[...] durch welche die Menschenrechte mehr Schaden nähmen als unter einem Regime, das sie nicht achtete.“10 Rein verbale Kritik sowie wirtschaftliche Sanktionen, wie wir sie heute kennen, werden von Kant nicht explizit ausgeschlossen. Dieser Artikel wird hinsichtlich des strikten Souveränitätsdogmas häufig als zu absolut kritisiert.11 Vor allem durch die Zunahme von innerstaatlichen Konflikten scheint es schwierig, diesen Artikel mit der globalen Sicherung der Menschenrechte in Einklang zu bringen.

Der sechste Artikel stellt die letzte Vorbedingung des Friedens dar. Auch im Kriegsfall müssten Grundregeln der Menschlichkeit gelten. Da das Verhältnis zwischen zwei Kriegsparteien nicht rechtlich geregelt ist, es also kein unabhängiges Gericht gibt, müsse es ein Restvertrauen in die Ethik des Feindes geben. Sollte dieses Restvertrauen fehlen, ist kein dauerhafter Frieden möglich. Es bestehe so die Gefahr eines „Ausrottungskrieges“12.

Mit dem Internationalen Gerichtshof wurde 1946 erstmals eine vermittelnde Instanz geschaffen, deren Nichtexistenz Kant in diesem Artikel bemängelte. Dieser Gerichtshof ist das Hauptrechtsprechungsorgan der UNO.13

2.2 Die Definitivartikel

Im ersten Definitivartikel wird eine republikanische Verfassung für Staaten gefordert.14 Jeder Bürger, der sich zu einer solchen Verfassung bekennt, erhalte das Staatsbürgerrecht. In einem solchen Rechtsgebilde müssten sowohl die Grundsätze von rechtlicher Gleichheit und Freiheit gelten, als auch die Teilung der drei Gewalten existent sein. Unter diesen Bedingungen komme es zu einem Wandel von passiven zu aktiven Staatsbürgern.15 Da diese auf ihren eigenen Nutzen bedacht handeln, geben sie ihre Zustimmung zum Krieg nur im Verteidigungsfall. Republiken seien so in der Lage, Streitfragen mit anderen Republiken ohne Gewaltanwendung zu lösen.16 Dieselbe Hypothese entwirft die „Democratic Peace Theory“, nach welcher demokratisch verfasste Staaten untereinander keine Kriege führen.17 Direkte Demokratien lehnt Kant explizit ab, da diese das Prinzip der Gewaltenteilung nicht verwirklichen.18

Der zweite Definitivartikel zielt auf die Schaffung eines Föderalismus von freien Staaten ab, welcher das Völkerrecht sichern soll. Dieser Artikel wird in Kapitel 2.3 genauer thematisiert.

Im dritten und letzten Artikel werden Richtlinien in der Beziehung von Individuen zu auswärtigen Staaten definiert. Diese bilden das Weltbürgerrecht, welches jedoch kein „Gastrecht“, sondern ein bloßes „Besuchsrecht“19 darstelle. Kant richtet hier eine direkte Kritik an die aggressive Kolonialpolitik der europäischen Mächte seiner Zeit.20

2.3 Völkerbund nach Kant

Hier soll nun der im zweiten Definitivartikel geforderte Völkerbund hinsichtlich Aufbau und Aufgaben genauer erläutert werden.

Staaten im Naturzustand, also unbeeinflusst von äußeren Gesetzen, reizen sich laut Kant allein durch ihr Nebeneinander und gefährden so ständig die zwischenstaatliche Sicherheit. Um diesem Zustand endgültig zu entgehen, bedürfe es eines Völkerstaats, in welchem die Staaten ihre Souveränität aufgeben und sich „[...] zu öffentlichen Zwangsgesetzen bequemen [...]“21. Kant ist sich jedoch bewusst, dass keine Regierung der Welt zu einem solchen Souveränitätsverlust bereit wäre. Um das Ziel des ewigen Friedens realisierbar zu machen, plädiert er daher für das „[...] negative Surrogat eines den Krieg abwehrenden [...]“22 Völkerbundes. Dieser soll ein freiwilliger Zusammenschluss von Republiken sein, der die Friedenssicherung zum primären Ziel hat. Nach außen blieben die Staaten dabei politisch souverän, müssen sich also keiner transnationalen Gewalt unterordnen.

Ein solcher Bund solle keine legitimierte Exekutivmacht besitzen und ein Austritt aus der Föderation sei jederzeit möglich. Während er den Mitgliedsstaaten innenpolitisch völlige Souveränität lässt, agiert er zwischenstaatlich als vermittelnde Instanz, ohne dabei „[...] die Möglichkeit, eine Entscheidung mit Waffengewalt durchzusetzen [...]“ zu besitzen.23 Neben der grundsätzlich friedlichen Natur der republikanischen Mitgliedsstaaten24 sieht Kant vor allem den Welthandel als verknüpfende und Abhängigkeit schaffende Kraft zur erfolgreichen Verwirklichung des Völkerbundes.25

[...]


1 Kant, Immanuel (1795). Zum ewigen Frieden, in: Karl Vorländer (Hg.), Kleinere Schriften zur Geschichtsphilosophie Ethik und Politik, 1. Aufl. Hamburg: Felix Meiner Verlag, S. 118-169, hier S. 169.

2 Albrecht, Ulrich (1995). Kants Entwurf einer Weltfriedensordnung und die Reform der Vereinten Nationen, in: Die Friedens-Warte, Vol. 71, Berlin: Berliner Wissenschafts-Verlag, S. 196.

3 Vgl. Hidalgo, Oliver (2012). Kants Friedensschritt und der Theorienstreit in den Internationalen Beziehungen. 1. Aufl. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 60.

4 Vgl. Dicke, Klaus (2012): Immanuel Kant, Zum ewigen Frieden, in: Manfred Brocker (2012): Geschichte des politischen Denkens, 4. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, S. 377-378, hier S. 378.

5 Kant. Zum ewigen Frieden. a.a.O., S. 118.

6 Dicke. Kant, Zum ewigen Frieden. a.a.O., S.377.

7 Kant. Zum ewigen Frieden. a.a.O., S. 119.

8 Ebd., S. 120.

9 Ebd.

10 Zanetti, Véronique (1996): Widerstandsrecht und Interventionsrecht, in: Klaus-Michael Kodalle (Hg.) (1996): Der Vernunftfrieden, 1. Auflage, Würzburg: Königshausen & Neumann, S. 125-127, hier S. 127.

11 Vgl. Merkel, Reinhard (1996): „Lauter leidige Tröster“: Kants Friedensschrift und die Idee eines Völkerstrafgerichtshofs, in: Reinhard Merkel/ Roland Wittmann (Hg.) (1996): Zum ewigen Frieden. Grundlagen, Aktualität und Aussichten einer Idee von Immanuel Kant, 2. Auflage, Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, S. 323.

12 Kant. Zum ewigen Frieden. a.a.O., S. 122.

13 O.V. (1945): Charta der Vereinten Nationen, in http://www.unric.org/de/charta, (Zugriff am 29.02.2016), Artikel 92.

14 Solche Staaten sind mit heutigen repräsentativen Demokratien vergleichbar. Daher sollen im Folgenden die Begriffe Republik und Demokratie sowie republikanisch und demokratisch synonym verwendet werden.

15 Vgl. Kant. Zum ewigen Frieden. a.a.O., S. 125-130.

16 Vgl. Brandt, Reinhard (1996): Quem Fata Non Ducunt, Trahunt, in: Klaus-Michael Kodalle (1996): Der Vernunftfrieden, 1. Auflage, Würzburg: Königshausen & Neumann, S. 65-69, hier S. 69.

17 Vgl. Reese-Schäfer, Walter (2012): Politische Theorie der Gegenwart in achtzehn Modellen, 2. Auflage, München: Oldenbourg Verlag, S. 238.

18 Vgl. Kant. Zum ewigen Frieden. a.a.O., S. 129.

19 Ebd., S. 135.

20 Vgl. Ebd., S. 135-139.

21 Ebd., S. 134.

22 Ebd.

23 Brandt. Quem Fata Non Ducunt, Trahunt. a.a.O., S. 65.

24 Siehe Kapitel 2.2

25 Vgl. Kant. Zum ewigen Frieden. a.a.O., S. 143

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die Friedenssicherungsmodelle von Kant und der UNO
Untertitel
Eine kritische Betrachtung unter besonderer Beachtung des UN-Sicherheitsrates
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen  (Institut für Politikwissenschaften)
Veranstaltung
Einführung in den politischen Liberalismus
Note
1,7
Autor
Jahr
2016
Seiten
16
Katalognummer
V351189
ISBN (eBook)
9783668376533
ISBN (Buch)
9783668376540
Dateigröße
522 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
UN, UNO, Kant, Völkerbund, Zum ewigen Frieden, Menschenrechte, Sicherheitsrat, Friedensinstitution, Politik
Arbeit zitieren
Marco Lehmann (Autor:in), 2016, Die Friedenssicherungsmodelle von Kant und der UNO, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/351189

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