Die USA in den Vereinten Nationen: Rollentheoretische Betrachtungen zur Doppel-Identität Amerikas als gutmütiger Gulliver vs. hegemonialer Herkules


Diplomarbeit, 2003

96 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Themenstellung und Relevanz der vorliegenden Untersuchung
1.2 Vorgehensweise
1.3 Übersicht über Forschungsstand und verwendete Forschungsliteratur

2. Rollentheorie in der Außenpolitikanalyse
2.1 Grundlegendes zur Rollentheorie und zu außenpolitikbezogenen rollen-theoretischen Untersuchungen
2.2 Rollentheoretische Überlegungen bei der Bewertung der Beziehung der USA zu den Vereinten Nationen

3. Wesentliche Grundlinien und Bestimmungsfaktoren amerikanischer politischer Kultur und Außenpolitik
3.1 Amerika zwischen Isolationismus und Internationalismus, Unilateralismus und Multilateralismus
3.2 Ideologisch-moralische Grundlinien amerikanischer politischer Kultur und Außenpolitik
3.3 Politisch-institutionelle Eigenarten amerikanischer Außenpolitik

4. Die USA in den Vereinten Nationen: Gutmütiger Gulliver vs. hegemonialer Herkules
4.1 Rollenbekenntnis: Amerika in der Rolle des wohlwollenden Schöpfers bei der Gründung der Vereinten Nationen
4.2 Rollenkonflikt: Entfremdung und Spannungen im Verhältnis der USA zu den Vereinten Nationen
4.2.1 Streitpunkt Repräsentation
4.2.2 Streitpunkt Souveränität und Legitimität
4.2.3 Streitpunkt Effizienz
4.2.4 Die öffentliche Meinung und die amerikanische UN-Mitgliedschaft
4.3 Rolle rückwärts: Vom „unipolaren Moment“ zur multilateralen Epoche?
4.4 Rollensimultanität: Amerikanische UN-Politik unter neokonservativer Lenkung

5. Amerikanische Weltpolitik und die USA in der UN im 21. Jahrhundert: Ausblick und Prognose

6. Schlußbemerkungen

Anhang

Literaturverzeichnis

„Die Sache Amerikas ist die Sache der ganzen Welt.”

– Benjamin Franklin

„We have it in our power to begin the world all over again.”

– Thomas Paine in ´ Common Sense´

„The United States has always played a twin role to the United Nations,

first friend and first critic.”

– William J. Clinton

1. Einleitung

1.1 Themenstellung und Relevanz der vorliegenden Untersuchung

Wenig mehr als ein dutzend Jahre ist es her, als das Weltgeschehen noch voll und ganz im Zeichen des Systemkonflikts zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion stand. Obwohl der Kalte Krieg jederzeit in ein apokalyptisches nukleares Inferno eskalieren konnte, gab ein in eine Erste, Zweite und Dritte Welt aufgeteilter Globus zumindest die Illusion einer ideologischen und machtpolitischen Ordnung, in die sich für einige Jahrzehnte das von nie gekannter Kriegszerstörung heimgesuchte 20. Jahrhundert vielleicht nicht gerade vollends unwillig zu fügen wußte. Von den Fesseln ideologischer Systemkonkurrenz befreit mußte die Welt jedoch nach dem Fall der Berliner Mauer und dem mit ihm einhergehenden Kollaps des Sowjetimperiums erkennen, daß mit dem scheinbaren Triumph des politischen und wirtschaftlichen Liberalismus die Auflösung des Ost-West-Gegensatzes keineswegs ein Ende der Geschichte[1] und die Ausschüttung einer großen Friedensdividende mit sich brachte. „Just when the end of U.S.-Soviet rivalry held out the promise that rationality and reason would triumph over ideology” (Stedman 1993: 1), wurde die Welt nunmehr durch failing oder gar failed states von Jugoslawien bis Somalia, mit ethnischen Konflikten, Bürgerkriegen, Völkermord und in jüngster Zeit verstärkt mit globalem Terrorismus und den nuklearen oder militärisch aggressiven Machenschaften autokratischer Führer sogenannter rogue states in Atem gehalten. Statt der nach den Ereignissen von 1989-90 optimistisch verkündeten neuen Weltordnung ist die Welt vielmehr in ein neues Chaos getaumelt, das vielfach treffenderweise auch als „neue Weltunordnung“[2] bezeichnet worden ist: „The World“, stellt der renommierte amerikanische Politikwissenschaftler Joseph Nye einleitend in einem seiner jüngeren Essays fest, „is off balance“ (2003b: 60). In einer von solchen Zerwürfnissen geprägten Zeit, in der „[n]umerous and ever-changing trouble spots clamor for the public´s attention“ (Schlesinger 1993: 28), sehnt sich die Menschheit verständlicherweise wieder verstärkt nach Instanzen, die in einer durch die gleichzeitig auftretenden Effekte von Globalisierung und Fragmentierung herausgeforderten und auch bisweilen überforderten Welt für mehr Ordnung und Sicherheit sorgen könnten.

Auf der Suche nach Akteuren, die dieser Funktion gerecht werden könnten, hat sich das Augenmerk vieler Menschen hierbei seit dem Ende des Kalten Krieges im besonderen auf zwei Fixpunkte im Konzert der internationalen staatlichen und nicht-staatlichen Akteure gerichtet: zum einen auf die Vereinigten Staaten von Amerika, deren Macht, Einfluß und Stärke sowohl im militärischen und wirtschaftlichen, als auch im kulturellen Bereich zum Beginn des 21. Jahrhundert als unbestritten gelten können,[3] wie zum anderen auch auf die Vereinten Nationen, deren Nützlichkeit und Funktion als „most widely accepted source of international legitimacy“ (Albright 2003: 17) inzwischen von kaum jemandem mehr ernsthaft angezweifelt werden. Eine Verbindung der machtpolitischen Stärke der USA auf der einen Seite und der weitreichenden Legitimität der nunmehr 191 Mitglieder umfassenden Vereinten Nationen auf der anderen Seite, so mag vielerseits gehofft und gewünscht werden, könnte im 21. Jahrhundert die Basis für eine für das Wohl der gesamten Menschheit fruchtbaren und gewinnbringenden Zusammenarbeit sein.

Hoffnungen auf ein produktives Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und der UN erscheinen auf den ersten Blick auf vielfältige Weise genährt zu werden. Zum einen sei in diesem Zusammenhang beispielsweise auf die Gründung der Vereinten Nationen im Jahre 1945 hingewiesen, die, wie noch genauer herauszustellen sein wird, in sehr entscheidender Weise auf amerikanische Initiative zurückging. Zum anderen sollte auch ein Hinweis darauf nicht fehlen, daß durch die Identität Amerikas als quasi prototypisches Einwanderungsland inzwischen in den USA eine demographische Situation entstanden ist, in der „Americans have familial, business, and financial ties with virtually every nation on earth“ (Martin 1983: 285) – ein Umstand, aus dem die Vermutung erwachsen könnte, daß auch aus der Perspektive der amerikanischen öffentlichen Meinung einem intensiven und positiven Verhältnis der USA zur UN-Weltorganisation nichts im Wege stehen sollte. Bei einer allgemeinen Betrachtung dieses Verhältnisses ergeben sich bei genauerem Hinsehen in der Tat viele Gemeinsamkeiten und ein interessantes Geflecht wechselseitiger Beziehungen, die die Supermacht und die Vereinten Nationen verbinden und die sich unter Verweis auf einige Symboliken leicht zusammenfassen und gegenüberstellen lassen.

In einem ersten Punkt kann hierbei auf die offensichtliche historische und physisch-geographische Verflechtung hingewiesen werden, die die USA und die UN ganz automatisch eng miteinander verbindet: die USA sind Gründungsmitglied der UN, während sich die UN-Zentrale zugleich auf dem Staatsterritorium der USA befindet, was der Organisation auf der einen Seite mit Blick auf die beträchtlichen Machtmittel Amerikas im Bereich von Diplomatie und Militär erhöhte Glaubwürdigkeit, auf der anderen Seite jedoch im Laufe der vergangenen Jahrzehnte bei vielen Gelegenheiten auch Vorwürfe bezüglich mehr oder weniger deutlich festgestellter amerikanischer Einflußnahme eingebracht hat.

Zweitens ergibt sich mit Blick auf die oben bereits angesprochene große Bedeutung des Einwanderungsfaktors eine sozio-historische Symbolik, was New York als den Sitz der UN betrifft. So wie die Stadt über die vergangenen Jahrhunderte zum Schmelztiegel und zum zumeist friedlichen Ort des Zusammenlebens für Einwanderer mit verschiedenster ethnischer und religiöser Herkunft geworden ist, sollte auch die UN-Organisation die Völker dieser Welt zur friedlichen Regelung ihrer gemeinsamen Angelegenheiten zusammenführen.

Drittens sollte, eng mit dem vorangegangenen Gedanken verbunden, auf die ideelle und verbale Symbolik bzw. auf die konzeptionelle Kongruenz hingewiesen werden, welche jeweils in der Namens- bzw. Mottogebung der USA und der UN mit Blick auf die durch vereintes Handeln zu gewinnende Stärke Ausdruck finden soll. So wie mit dem deutlichen Bezug auf das Vereintsein in der Namensgebung „United Nations“ auf die Stärke und die besseren Problemlösungskapazitäten hingewiesen wird, die durch ein gemeinsames Handeln der Völker erzielt werden könnten, findet sich ein ähnliches Konzept in der amerikanischen Staatsmotto-Formel E pluribus unum. Der amtierende UN-Generalsekretär Kofi Annan weist zudem darauf hin, daß einige der zentralsten Werte, für die die UN stünde, sehr deutlich mit amerikanischen kongruieren, wenn er feststellt, daß „values such as tolerance and equal rights [are also] America’s own founding values” (2000: 28). Sowohl hinsichtlich der USA als einem staatlichen, als auch hinsichtlich der UN als einem nicht-staatlichen Akteur sollte zudem unbedingt auf das Vorhandensein eines deutlichen idealistischen Faktors hingewiesen werden, der sich im ersten Fall oft in den Motivationen amerikanischer Außenpolitik und im zweiten Fall in den Zielsetzungen – sowie in den nicht selten mühsamen und bisweilen auch sehr riskanten Feldmissionen – der UN-Organisation gezeigt hat. Zudem scheint sich bereits eine klare geistig-konzeptionelle Befruchtung zwischen USA und UN bei der Konzipierung der UN-Charta ereignet zu haben, deren Präambel mit den Worten „We the Peoples of the United Nations“ beginnt.[4] Sowohl diese Formulierung in diesem zentralen UN-Dokument, als auch der auf sie zurückgreifende Titel „We the Peoples”,[5] den Kofi Annan seinem anläßlich des Jahrtausendwechsels verfaßten UN- Millennium Report gab, erinnern sehr auffällig – und sicherlich auch nicht unintendiert – an die amerikanische Verfassung, die bekanntermaßen mit der Formel „We the People of the United States“ beginnt.[6]

Als vierter und letzter Punkt sei natürlich noch auf die politische Bedeutung und den fast schon symbiotischen Charakter des Verhältnisses zwischen der Supermacht Amerika und der UN-Weltorganisation hingewiesen. Die Vereinigten Staaten bedürfen der Legitimität der UN für Eingriffe in das Weltgeschehen, wenn sie in solchen Situationen das Wohlwollen der Weltgemeinschaft nicht verlieren wollen, während die UN sehr häufig auf die Stärke und die diplomatische – und v.a. natürlich auch die militärische – Glaubwürdigkeit der Vereinigten Staaten zur erfolgreichen Erfüllung zahlreicher Missionen angewiesen ist. Dieser Sachverhalt findet beispielsweise Ausdruck in einigen Aussagen des ehemaligen UN-Generalsekretärs Boutros Boutros-Ghali, der sich mit Bemerkungen wie der folgenden zitieren läßt: „I need the United States. The United Nations needs the United States. Finding the right relationship between the U.N. and the U.S. may be one of the most important tasks of our time”.[7] Eine vergleichbare Sichtweise kann ebenso den Äußerungen des derzeitigen UN-Generalsekretärs Annan entnommen werden, so etwa in dessen Feststellung, daß „[t]he world needs the United States and the United Nations to work well together” (2000: 27). Auch außerhalb der UN-Administration finden sich Einschätzungen, die in eine ähnliche Richtung zielen, so etwa in der Bemerkung eines Kolumnisten, daß „[t]he UN’s diplomatic weight and reach can’t be ignored. But the world body, in turn, needs the lone superpower’s active support to retain credibility” (Jordan 2001: 7).

Gleichwohl kann die Existenz der soeben beschriebenen Gemeinsamkeiten und der aufgezeigten vermeintlichen oder auch reellen symbiotischen Beziehung zwischen USA und UN nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich, wie zu einem späteren Zeitpunkt noch eingehend darzustellen sein wird, nach einem spürbar deutlichen Gründungsenthusiasmus das Verhältnis der Supermacht zu der multinationalen Organisation spätestens seit dem Anfang der 1970er Jahre ganz und gar nicht mehr als harmonisch dargestellt hat. In der Tat haben im Laufe der vergangenen Jahrzehnte zahlreiche Dissonanzen und Verstimmungen, auf die noch genauer einzugehen sein wird, für erheblichen Konfliktstoff zwischen den USA und der UN gesorgt. Diese Verstimmungen haben beispielsweise dazu geführt, daß in jüngerer Zeit bereits mehrere Abgeordnete des US-Kongresses das Verhältnis zwischen der UN und den USA als derart irreparabel zerrüttet eingestuft und sich von der Leistung der Weltorganisation in einem solchen Maße enttäuscht gesehen haben, daß sie verschiedene Gesetzesentwürfe eingebracht haben, die den gänzlichen Austritt der USA aus den Vereinten Nationen einforderten.[8]

Doch nicht nur in Amerika ist die Enttäuschung über die entstandenen Disharmonien im Verhältnis zwischen den USA und der UN gewachsen. In den Augen vieler Staaten sind die USA insbesondere seit den 1970er Jahren durch negatives und ungemeinschaftliches Verhalten im UN-Sicherheitsrat und in den diversen anderen Gremien der Weltorganisation hervorgetreten. Zum einen zeigte sich ein auf eine solche Weise empfundenes Verhalten der USA z.B. hinsichtlich der amerikanischen finanziellen Erpressung der Vereinten Nationen, bei der die amerikanische Legislative und Exekutive die Fortführung von amerikanischen Beitragszahlungen und die Überweisung von bis dato verweigerten UN-Mitgliedsbeiträgen mit von den USA eingeforderten UN-Reformen in Verbindung brachten – eine Strategie der US-Außenpolitik, die die Weltorganisation schon wiederholt an den Rand des budgetären Kollaps gebracht hat.

Nicht weniger kritisch wurde die deutliche Einflußnahme der US-Regierung bei einigen zentralen UN-Personalentscheidungen zur Kenntnis genommen, wie beispielsweise die heftige Kontroverse zum Ende der ersten Amtszeit des damaligen UN-Generalsekretärs Boutros-Ghali zeigte, als die USA mit allen Mitteln eine zweite Amtszeit des ihnen ungenehm gewordenen Ägypters zu verhindern versuchten. Ähnlich negative Reaktionen seitens der internationalen Staatengemeinschaft hatte die Ablehnung der USA einiger zentraler UN-Vertragswerke zur Folge, so beispielsweise die Nicht-Ratifizierung des Kyoto-Protokolls zur Reduzierung schädlicher Abgasemissionen sowie die langzeitige Totalverweigerung der USA, amerikanische Staatsbürger der Jurisdiktion des internationalen Strafgerichtshofs (ICC) zu unterstellen, dessen Statut unlängst in Kraft trat.

Auch sahen sich die USA schon des öfteren Beschuldigungen gegenübergestellt, die auf eine Kritik der wiederholt wahrgenommenen Neigung Amerikas abgezielt haben, die UN-Organisation instrumentalisieren bzw. außenvorlassen zu wollen. Als ein jüngeres Beispiel dafür, wie die Welt das Verhalten der Supermacht gegenüber der UN als Instrumentalisierung wahrgenommen hat, kann die UN-Politik der USA vor und während des letzten Alliierten Golfkriegs gegen den Irak (s. Bild Nr. 1; alle Bildverweise s. Anhang) zählen, die von vielen als letzte deutliche Manifestation von Disharmonie im Verhältnis zwischen den USA und den Vereinten Nationen angesehen wurde. Manch ein kritischer Beobachter mag im Rahmen dieser Vorgänge einige Gründungsansprüche der amerikanischen Republik in entscheidender Weise in Frage gestellt gesehen haben. Zu diesen Ansprüchen könnte beispielsweise die von Alexander Hamilton in seinem Federalist Essay Nr. 11 niedergelegte Verhaltensmaßgabe gezählt werden, nach der die Vereinigten Staaten anstreben sollten, ein Land zu sein „which with wisdom might make herself the admiration and envy of the world“ (Rossiter 1999: 56), sowie auch der in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung formulierte Appell, auf Basis eines „decent respect to the opinions of mankind“ (Rossiter 1999: 496) zu handeln.

In gleichem Maße mögen einige Zweifel am Selbstverständnis der „sole superpower“ (Maynes 1999: 36) USA angebracht gewesen sein, als im letzten Golfkrieg gegen den Irak trotz der Tatsache, daß die Vereinigten Staaten den bei weitem größten Teil des aufgebotenen Truppenkontingents gestellt haben, in von der US-Administration bzw. vom amerikanischen Militär abgehaltenen Pressekonferenzen beharrlich der Begriff „coalition“ verwendet wurde. Beobachter mögen diesen Umstand zum Anlaß genommen haben, sich zu fragen, ob die US-Führung durch die Benutzung einer solchen Terminologie den Unwillen der Welt von einem Vorgehen ablenken wollte, von dem sie wußte, daß es weitgehend unilateralistischen Handlungsimpulsen entsprang, oder ob US-Regierungen einfach nur chronisch dazu neigen, den eigenen Willen automatisch mit dem der Weltgemeinschaft gleichzusetzen (Huntington 1999: 40). Für die erstere Lesart würde sprechen, daß inzwischen Anzeichen dafür zu Tage getreten sind, daß in der UN bei der Präsentation der Fakten für einen Irak-Krieg durch die Bush- (und wohl auch durch die Blair-) Administration Informationen aufgebauscht wurden und damit sowohl der UN-Sicherheitsrat als auch die Weltgemeinschaft zumindest teilweise in die Irre geführt werden sollten. Träfe dies in der Tat zu, hätte wohl eine weitere Maßregel aus der amerikanischen Gründerzeit, der Ratschlag des ersten amerikanischen Präsidenten George Washington nämlich, daß „honesty is always the best policy”,[9] in ihrer Bedeutung als zu befolgende außenpolitische Handlungsmaxime einen schweren Schlag erlitten. In der Tat könnte die Vorstellung, die sich die Welt von der Position, Funktion und Rolle der USA in den internationalen Beziehungen macht, durch die Ereignisse, die sich im Frühjahr 2003 im UN-Sicherheitsrat und auch später bei der Verwaltung des unterworfenen Irak zugetragen haben, in nicht unerheblicher Weise negativ beeinflußt worden sein.

Sehr oft ist in den letzten Jahrzehnten von der Rolle Amerikas in der Welt gesprochen worden.[10] So wie Amerikas Führungsrolle zur Zeit des Kalten Krieges die wichtige Funktion einer moralischen Richtschnur für die westliche Welt zukam, ist eine ebensolche Rolle auch seit dem Ende des Kalten Krieges in einer von beträchtlicher „Unordnung“ geprägten neuen Weltordnung mit Blick auf die einzigartigen geo-militärischen Möglichkeiten der USA von großer Bedeutung gewesen. Können und wollen die Vereinigten Staaten jedoch weiterhin dieser Rolle, insbesondere jedoch auch im Rahmen von multilateralen Verhandlungen und Kompromissen, v.a. in den Vereinten Nationen, gerecht werden oder hat sich Amerika bereits vom Willen der Weltgemeinschaft zu sehr entfremdet? Worauf lassen sich das Mißtrauen und die unübersehbare Skepsis der Vereinigten Staaten im Umgang mit der UN-Weltorganisation zurückführen? Aus den oben dargelegten Beobachtungen ergibt sich schon recht zwangsläufig die deutliche Relevanz und Brisanz der Thematik der Position und Rolle der USA in den Vereinten Nationen, was in den Augen des Autors Grund genug für eine eingehende Analyse des Verhältnisses der USA zur UN vornehmlich im high politics -Bereich sein soll.

Ausgehend von den oben formulierten Fragestellungen soll in der vorliegenden Studie die These aufgestellt werden, daß sich für Amerika in seinem Verhältnis zu den Vereinten Nationen sowohl aus den Besonderheiten der politisch-historischen Kultur der USA als auch aus den Entwicklungen, die im 20. Jahrhundert zum Aufstieg Amerikas zur Supermacht geführt haben, ein entscheidendes Identitätsdilemma ergeben hat. Die Vereinigten Staaten, so wird argumentiert werden, sind in ihrer Beziehung zu den Vereinten Nationen gefangen zwischen zwei gegensätzlichen Identitäten, der eines „gutmütigen Gullivers“ und der eines „hegemonialen Herkules“,[11] die die US-Politik gegenüber den Vereinten Nationen seit der Gründung der UN geprägt haben. Es soll zudem ausgeführt werden, daß sich die aus diesen konfligierenden Identitäten – die zu einem Teil aus Selbst- und zu einem anderen Teil aus Fremdbildern und aus von außen an die Vereinigten Staaten herangetragenen Erwartungen hervorgegangen sind – ergebende Spannung als ein Hauptaspekt des sehr konfliktgeladenen Verhältnisses der USA zu der multinationalen Organisation darstellen läßt. Zur Durchführung dieser Untersuchung soll die nachfolgend zu erläuternde methodische Vorgehensweise erkenntnisleitend sein.

1.2 Vorgehensweise

Die vorliegende Arbeit gliedert sich in vier Teile, deren Abfolge eine systematische Herangehensweise an das in Thema und These formulierte Untersuchungsinteresse dieser Studie ermöglichen soll. Um das Verhältnis der USA zur UN mit Blick auf das in der These formulierte Dilemma der USA zwischen den beiden formulierten Identitäten herausstellen zu können, müssen zunächst einige Vorbetrachtungen teils theoretischer Art angestellt werden.

Da sich die Arbeit mit Identitäten bzw. Identitätsbildung und -wandel beschäftigt und zudem den häufig zu findenden Bezug auf die Rolle Amerikas in der Welt aufgreifen will, wurde ein rollentheoretischer Ansatz zur Analyse der amerikanischen Außenpolitik für sinnvoll erachtet. Dieser Ansatz soll zunächst mittels eines kurzen theoretischen Exkurses im zweiten Kapitel unter Bezugnahme auf die in diesem Bereich der internationalen Beziehungen zu findenden Forschungstheorien und -methoden dargestellt werden.

In einem weiteren auf den Hauptteil der Arbeit hinarbeitenden kurzen Exkurs sollen im dritten Kapitel die entscheidenden Grundlinien und Bestimmungsfaktoren der politischen Kultur und der Außenpolitik Amerikas herausgearbeitet werden, ohne die ein Verständnis der amerikanischen Außenpolitik gegenüber der UN nicht möglich ist. Zuerst sollen hierbei in Unterkapitel 3.1 die relevanten Dualismen Isolationismus versus Internationalismus sowie Unilateralismus versus Multilateralismus hervorgehoben werden, die seit der Gründung der Vereinigten Staaten das Verhältnis der USA zu ihrer Außenwelt in entscheidender Weise bestimmt haben. Daran anschließend soll zweitens in Unterkapitel 3.2 die politische Kultur der USA aus der Perspektive ihrer ideologisch-moralischen Grundlinien aufgezeigt werden, welche ebenso von hohem Interesse für die vorliegende Untersuchung sind. Drittens wird in Unterkapitel 3.3 amerikanische Außenpolitik auch aus einem politisch-institutionellen bzw. strukturellen Blickwinkel zu betrachten sein.

Im sich anschließenden vierten Kapitel, dem Hauptteil der Arbeit, soll sodann die Beziehung der USA zur UN einer eingehenden Rollenanalyse zugeführt werden, aus der das geschilderte Rollendilemma der USA ersichtlich werden wird. Hierfür wurde eine weitgehend chronologischen Gesichtspunkten folgende Herangehensweise für sinnvoll erachtet, die einen Schwerpunkt auf Vorgänge und Entwicklungen im UN-Sicherheitsrat, und somit auf den Bereich der high politics, setzen will. Diese Vorgänge und Entwicklungen sollen mittels einer Aufteilung des amerikanischen Rollenverhaltens in der UN in verschiedene zeitliche Phasen Darstellung finden. Mit Bezug auf die entscheidende Beteiligung der USA an der Gründung der UN soll Unterkapitel 4.1 den wohlwollenden Schöpfercharakter von Identität und Rolle der USA als einem „gutmütigen Gulliver“ herausheben. Das sich anschließende Unterkapitel 4.2 soll Gründe für die Entfremdung der Vereinigten Staaten von den Vereinten Nationen bzw. für die Entstehung von Spannungen im Verhältnis beider Akteure auf das Auftreten von Rollenkonflikten auf amerikanischer Seite zurückführen. In diesem Zusammenhang wird sowohl auf Repräsentations-, Souveränitäts- und Effizienzaspekte als zentrale Kritikpunkte der USA an der UN, als auch auf die Rolle der öffentlichen Meinung bei der amerikanischen Bewertung der UN hinzuweisen sein. Daraufhin sollen im UN-Bezug die Vereinigten Staaten in Unterkapitel 4.3 v.a. im Zusammenhang mit den Entwicklungen um den ersten Alliierten Golfkrieg als ein „wiedergefundener Schöpfer“ dargestellt werden, wobei die Frage zentral thematisiert werden soll, ob dem sogenannten „unipolaren Moment“ (Krauthammer 1991) weltpolitischer Konstellation eine multilaterale Epoche der engen Zusammenarbeit der USA mit den Vereinten Nationen folgte. Das abschließende Unterkapitel 4.4 befaßt sich mit dem weltpolitischen Rollenbild der Vereinigten Staaten in der deutlich von neokonservativen Tendenzen geprägten Politik der Administration von George W. Bush, sowie mit den Folgen, die diese Politik bisher auf das Verhältnis der USA zur UN gehabt hat.

Das fünfte Kapitel der Arbeit will einen Ausblick auf die Beziehung zwischen den Perspektiven zukünftiger amerikanischer Weltpolitik und dem Verhältnis Amerikas zur UN im 21. Jahrhundert wagen. Es soll versucht werden, einige Auswege aus dem beschriebenen Identitätsdilemma der USA aufzuzeigen. Die prägnantesten der im Verlauf der vorliegenden Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse werden, in Perspektive gesetzt, im Schlußkapitel eine knappe Zusammenfassung finden. Weiterhin sollen an dieser Stelle Problemstellungen hervorgehoben werden, für die im Laufe der vorliegenden Untersuchung keine abschließende Antwort gefunden werden konnte und die sich deshalb für weiterführende Studien anbieten würden. Nach einer im Anhang zusammengestellten Auswahl themenrelevanten Bildmaterials schließt eine Übersicht der verwendeten Literatur die Arbeit ab.

1.3 Übersicht über Forschungsstand und verwendete Forschungsliteratur

Die für die vorliegende Untersuchung herangezogene Forschungsliteratur läßt sich in drei Großbereiche einteilen. Es handelt sich hierbei zum einen um Werke zur Rollentheorie in der Außenpolitikanalyse, zum zweiten um Literatur zur amerikanischen politischen Kultur und zur US-Außenpolitik im allgemeinen, sowie drittens um Quellen zum Verhältnis der USA zu den Vereinten Nationen im speziellen. Auf diese drei Literaturbereiche ist zum besseren Überblick im folgenden genauer einzugehen.

Da für die vorliegende Untersuchung als theoretischer Ansatz die Rollentheorie in der Außenpolitikanalyse verwendet wird, wurden für das einleitende Theoriekapitel (Kapitel 2) zahlreiche politikwissenschaftliche Werke herangezogen, welche sich als richtungsweisend in der außenpolitischen Rollentheorieforschung erwiesen haben. Im Besonderen ist hierbei auf die grundsteinlegende und vielzitierte Studie von Holsti (1970) hinzuweisen, in der erstmals eine konzeptionell umfangreiche Übertragung und Anwendung der Rollentheorie auf die Erforschung von Außenpolitik erfolgte.[12] Auf Holstis Untersuchung aufbauend legten Wish, Walker und Kirste et al. in den nachfolgenden Jahren jeweils eigene weiterführende Studien vor,[13] die Einbeziehung finden sollten. So entwickelten z.B. Kirste et al. (1996) auf Basis des rollentheoretischen Ansatzes das Modell der Zivilmacht, auf das in einem USA-Bezug an späteren Stellen noch zurückzugreifen sein wird.

Für das dritte Kapitel war es nötig, umfangreiches Literaturmaterial einzubeziehen, das sich mit der amerikanischen politischen Kultur beschäftigt, da ihr Verständnis für eine Darstellung des in der These formulierten außenpolitischen Identitätsdilemmas der USA als von essentieller Wichtigkeit erachtet wurde. Zur Ausarbeitung der beiden in Unterkapitel 3.1 beschriebenen Dichotomien sowie zur Bearbeitung von Unterkapitel 3.2 wurde insbesondere auf Essays bzw. Monographien von Luce, Kagan, Kissinger, Johnson und Wasser, wie auch auf einen Artikel aus der politischen Wochenzeitschrift Der Spiegel zurückgegriffen.[14] Die Ausführungen in Unterkapitel 3.3 zum außenpolitischen Entscheidungsprozeß der USA und zu den politisch-institutionellen Eigenarten amerikanischer Außenpolitik beruhen größtenteils auf den Beobachtungen von Czempiel (1979), Nogee (1981), Destler (1984) und Dittgen (1998).

Für diesen zweiten Literaturbereich sind zudem viele Studien herangezogen worden, die sich in eher allgemeiner Weise mit Fragestellungen aus dem Bereich der amerikanischen Außenpolitik auseinandersetzen, so zum Beispiel einige zentrale Essays zur Interpretation des amerikanischen nationalen Interesses, die sich insbesondere auf die Zeit nach dem Ende des Kalten Krieges beziehen.[15] Für die vorliegende Untersuchung als besonders anregend und erkenntnisfördernd erwiesen sich hierbei ebenso zahlreiche – hauptsächlich in einschlägigen politikwissenschaftlichen Fachzeitschriften wie Foreign Affairs,International Affairs und Foreign Policy veröffentlichte – Beiträge, welche sich über die Jahre aus verschiedenen Perspektiven mit neueren Entwicklungen in der amerikanischen Außenpolitik beschäftigt haben. Auf diese Beiträge, von renommierten Politik- und Sozialwissenschaftlern sowie Ökonomen verfaßt, wird an gegebener Stelle im Hauptteil der Arbeit zu verweisen sein. Im besonderen sei jedoch bereits im Vorfeld auf einige erhellende Essays von Joseph Nye und Robert Kagan zur Rolle der Vereinigten Staaten als einzig verbliebener Supermacht in der neuen Weltordnung nach dem Ende des Kalten Krieges hingewiesen, die oft erst in Form von Artikeln und später in überarbeiteter Form als Monographien vorgelegt wurden.[16]

Für das vierte Kapitel, den Hauptteil der Arbeit, war das Heranziehen einschlägiger Untersuchungen essentiell, die sich speziell mit dem Verhältnis der Vereinigten Staaten zu den Vereinten Nationen befassen. Obgleich es dem Autor der vorliegenden Analyse nicht möglich war, Literatur in der Größenordnung zumindest einer Magisterarbeit aufzufinden, die sich bei ihrer Untersuchung des Verhältnisses der USA zu den Vereinten Nationen speziell eines rollentheoretischen Ansatzes bedient, sind in den letzten Dekaden durchaus eine Reihe wissenschaftlicher Abhandlungen zur Beziehung Amerikas zur UN vorgelegt worden, so z.B. eine Vielzahl von Essays in den oben bereits erwähnten Fachpublikationen.[17]

Die Studien und Essays, die zum komplexen Verhältnis der USA zu den Vereinten Nationen veröffentlicht worden sind, gehen an dieses Thema auf vielfältige Weise heran. Zum einen findet sich eher episodisch ausgelegte Forschungsliteratur, wie z.B. die von Münzing (1995) vorgelegte Analyse zur UN-Politik der Bush-Administration in den Jahren 1988-1992, sowie weitere Dokumentationen zum amerikanischen Verhältnis zur UN vor und während des ersten Alliierten Golfkriegs 1991, so z.B. Hellmann (1991), Arnold (1991), Matthews (1993) und Salinger (1995). Andere Werke weisen hingegen eine eher panoramatische Perspektive auf. Hierzu zählt u.a. die Analyse von Gregg (1993), in der sich der Autor nach einem Blick auf die Gründungs- und Entwicklungsgeschichte der UN mit der Frage beschäftigt, ob der erste Alliierte Golfkrieg das Verhältnis Amerikas zur UN nach einer Periode weitgehender Ignorierung und Verachtung in den 1970er und 80er Jahren grundlegend und nachhaltig positiv verändert habe. In der verfügbaren Forschungsliteratur ist drittens auch eine Vielzahl perspektivischer Beiträge zu finden, die konkrete Aspekte bzw. Policy -Bereiche im Verhältnis zwischen den USA und der UN ausleuchten, so z.B. Fingers (1988) Analyse zum Einfluß und zur Rolle der amerikanischen Botschafter bei den Vereinten Nationen, wie auch Moores (1999) Studie zum Einfluß der bisherigen amerikanischen Präsidenten auf das Verhältnis der USA zur UN; Stoessinger (1978) wiederum analysiert das Verhältnis der Veto-Mächte China, Sowjetunion und USA zur UN, während Imber (1989) eine Analyse zu den Hintergründen und Auswirkungen der Politisierung von – und zum Rückzug einiger Mitglieder aus – UN-Spezialorganisationen vornimmt. Diese Organisationen im UN-System (so z.B. die IAEA, UNESCO und WHO) stehen auch im Zentrum des Interesses von Karns et al., die in ihrer Untersuchung „patterns of instrumentality and influence“ (1990: 15) im Verhältnis der USA zu multilateralen Institutionen analysieren und hierfür einen Analyseansatz entwickeln.

Bei der Durchsicht der vorhandenen Forschungsliteratur fiel auf, daß – obwohl nicht primär zum eigentlichen Thema der vorliegenden Arbeit gehörend – leider noch Beiträge und Untersuchungen z.B. dahingehend fehlen, welche Strategien die Administration der Vereinten Nationen entwickelt haben mag, um den Herausforderungen durch eine in ihrer Unterstützung für die UN oft wankelmütig erscheinende Supermacht USA nicht vollends unvorbereitet und hilflos gegenüberzustehen. Alleyne (2002) versucht, mit seiner Untersuchung zur Bedeutung von UN-Propaganda dieser Forschungslücke Rechnung zu tragen und mag in den kommenden Jahren mit seinen Ergebnissen weiterführende Beiträge in dieser Richtung anstoßen.

Mit Blick auf die Forschungsliteraturlage steht ebenso zu wünschen, daß vor allem der Bereich der Rollentheorie in der Außenpolitikanalyse, insbesondere mit Bezug auf die USA, noch weiteres Forschungsinteresse anregen wird. Wie das nachfolgende Kapitel u.a. aufzeigen wird, ist das methodische Potential der Rollentheorie sicher noch nicht so weit ausgeschöpft, als daß dieses Forschungsgebiet in der Zukunft nicht noch mit neuen Ansätzen und weiteren Studien bereichert werden könnte.

2. Rollentheorie in der Außenpolitikanalyse

2.1 Grundlegendes zur Rollentheorie und zu außenpolitikbezogenen rollentheoretischen Untersuchungen

Der Begriff der Rolle und die aus ihm hervorgegangene Rollentheorie fanden zum Beginn der 1970er Jahre Eingang in die Politikwissenschaft. Ursprünglich aus der Welt des Theaters (Walker 1979: 173) stammend hatte sich der Rollenbegriff in der Soziologie und Sozialpsychologie bereits „seit langem zur Erklärung menschlichen Verhaltens im Rahmen sozialer Beziehungen etablieren“ (Kirste et al. 1996: 286) können. In der Politikwissenschaft im allgemeinen bzw. in der Außenpolitikanalyse im speziellen erfolgte nun eine Übertragung des Rollenansatzes von der Mikroebene zwischenmenschlichen bzw. gesellschaftlichen Verhaltens auf die Makroebene staatlichen Verhaltens in den internationalen Beziehungen.

Eine derartige „role-oriented theoretical perspective in the study of foreign policy” (Walker 1987a: 241) hat dabei das Erkenntnisziel, unterschiedliche Muster außenpolitischen Verhaltens zu untersuchen bzw. ein möglichst aussagekräftiges Bezugsraster zu entwickeln, anhand dessen sich ein bestimmtes Verhalten eines Staates in seinen Außenbeziehungen systematisch und rollentypisch verorten ließe. Für eine recht prägnante Definition des politikwissenschaftlichen Rollenbegriffs können u.a. die Ausführungen von Gaupp (1983) herangezogen werden. Der Schweizer Politikwissenschaftler erklärt in seiner Untersuchung, die sich zunächst in guter sozialpsychologischer Tradition mit interpersonellen Rollen, anschließend mit internationalen Rollen und schließlich mit Rollen, Verhaltenstypen und Gruppenfiguren in der schweizerischen Außenpolitik beschäftigt, daß „[i]nternationale Rollen [...] geplante – d.h. kollektiv normierte und individuell konzipierte – und von Repräsentanten realisierte Einstellungs- und Verhaltensmuster von Staaten [...] in internationalen Systemen“ (1983: 109) seien.

Unter Benutzung eines solchen konzeptionellen Gerüsts gelangt man schnell zu der Vermutung, daß die verschiedenen Staaten in den internationalen Beziehungen zwangsläufig auch recht unterschiedliche außenpolitische Rollen einnehmen. Die von einem beliebigen Staat eingenommene Rolle wird dabei von zwei entscheidenden Faktoren bestimmt: zum einen von Rollenkonzepten (role conceptions), die Holsti als „the [country’s] policy makers´ own definitions of the general kinds of decisions, commitments, rules, and actions suitable to their state, and [...] the functions, if any, their state should perform on a continuing basis in the international system [...]“ (1970: 245f.) charakterisiert; zum anderen zudem aber auch von Rollenerwartungen (role prescriptions), welche „emanate from the external environment“ (Wish 1980: 534). Letzterer Faktor soll ausdrücken, daß die Art des Rollenverhaltens gemäß des Typs der von einem Staat eingenommenen Rolle Erwartungen widerspiegelt – oder auch solchen Erwartungen diametral entgegenläuft –, die an den Staat von außen, d.h. zum Beispiel durch andere Staaten, herangetragen werden. Auf eben diesen Aspekt von Erwartungen und Verpflichtungen weist auch Holsti, der im Rahmen seiner oben angesprochenen bedeutenden Studie eine Typologie nationaler Rollenkonzepte mittels einer Inhaltsanalyse zentraler Reden von Staatsführern aus 71 Ländern zwischen 1965-1967 entwickelt, mit folgender Bemerkung hin:

„In response partly to the general structure of power within an international system, governments adopt general orientations toward the outside world, as neutrals, bloc leaders, faithful alliance partners, international mediators, or carriers of an ideology. In each instance the role creates certain obligations and commitments which policy-makers will usually attempt to fulfill“ (1967: 172).

So ist für ein Land beispielsweise sowohl die Rolle eines treuen Verbündeten oder eines neutralen Staates, im Rahmen welcher sich das jeweilige Land für gewöhnlich an den es betreffenden externen Erwartungen zu orientieren versucht, als auch die Rolle eines die Isolation von der Außenwelt suchenden Staates nicht nur vorstellbar, sondern auch relativ leicht empirisch nachzuweisen.[18]

Aus der bisherigen Darstellung geht bereits sehr deutlich hervor, daß es sich bei der Rollentheorie eher um einen akteurs- als um einen systembezogenen Ansatz handelt, der argumentieren will, daß sich die Verhaltensweisen eines Staates und die sie motivierenden „nationale[n] Interessen [...] nicht primär infolge systemischer Zwänge, sondern eher im Rahmen einer akteursspezifischen Werteordnung“ (Kirste et al. 1996: 286) herausbilden. Da „die Rollentheorie methodisch explizit auf eine Identifizierung und Analyse unterschiedlicher außenpolitischer Strategien der Akteure ausgerichtet ist, kann sie unterschiedliche Strategien deutlicher herausarbeiten und voneinander abgrenzen“ (Kirste et al. 1996: 293f.), als dies beispielsweise einer Systemtheorie gelingen würde. Dennoch kann die Rollentheorie durchaus als „Scharnier zwischen Akteursebene und Systemebene“ (Kirste et al. 1996: 294) fungieren, da sie in der Verfolgung ihres Erkenntnisinteresses neben der Betrachtung einzelner Akteure den Blick auf das Gesamtsystem der Außenpolitik nicht verlieren will.

Nachdem oben bereits im Bezug auf die Herausbildung staatlicher Verhaltensweisen der Begriff der Werteordnung hervorgehoben wurde, muß nun eine eingehende Erläuterung der entscheidenden Bestimmungsfaktoren erfolgen, die für die Ausprägung der teilweise sehr unterschiedlichen außenpolitischen Rollen von Staaten verantwortlich sind. Hierbei muß im Besonderen auf die Bedeutung von Werten und Normen im nationalen Charakter und in der politischen Kultur eines Staates hingewiesen werden. Dieser Aspekt kann beispielsweise gut den Ausführungen von Kirste et al. entnommen werden, die herausstellen, daß:

„[s]taatliche Rollenkonzepte [...] immer auch die innere Verfaßtheit eines Staates wider[spiegeln], denn sie beinhalten zumindest teilweise international ausgerichtete Normen, die direkt von nationalen, gesellschaftlichen Normen und Wertevorstellungen abgeleitet sind” (1996: 292).

Auf welche Weise sich die Rollentheorie zudem in ihrer besonderen Berücksichtigung von Konzepten wie Werte und Moral in das Erkenntnisinteresse der politischen Großtheorien Realismus und Institutionalismus einfügt, wird aus weiteren Erläuterungen von Kirste et al. ersichtlich:

„Die Rollentheorie ergänzt [...] die Erklärungskategorien des Neo-Realismus (Macht, Sicherheit) und des Neo-Institutionalismus (Wohlfahrt, Nutzen) um die Analysevariablen Normen, Werte und Moral“ (Kirste et al. 1996: 308) und kann „[d]ie außenpolitische Orientierung eines Staates, seine Ziele und die Wahl bestimmter außenpolitischer Instrumente und Mittel [...] als Ergebnis eines kognitiven Prozesses, als Reflexion der Akteure über ihre Ziel-, Mittel- und Wertpräferenzen [herausstellen]“ (1996: 294).

Diese methodologische Ausrichtung sowohl auf einen vornehmlich akteursbezogenen Forschungsansatz als auch auf die Bedeutung von Begriffen und Konzepten wie Normen und Moral sind für die vorliegende Studie von zentraler Wichtigkeit. Ihre Relevanz ergibt sich aus dem stark identitätsbezogenen Blickwinkel der im weiteren anzustellenden Betrachtungen, da zu argumentieren sein wird, daß sich einige bedeutende Charakteristika des Verhältnisses der USA zu den Vereinten Nationen leicht auf Aspekte der amerikanischen politischen Kultur und auf zentrale amerikanische Werte zurückführen lassen.

2.2 Rollentheoretische Überlegungen bei der Bewertung der Beziehung der USA zu den Vereinten Nationen

Nachdem somit bereits einige allgemeine Betrachtungen zum Hintergrund und zur Entwicklungsgeschichte rollentheoretischer Ansätze angestellt worden sind, müssen nunmehr verstärkt die Vereinigten Staaten in ihrem Verhältnis zu den Vereinten Nationen in ein rollentheoretisches Blickfeld gerückt bzw. in ein ebensolches Analyseraster eingefügt werden. Da das Verhältnis und die Einstellungen der USA zu einer multinationalen Organisation zur Untersuchung stehen, bietet sich Holstis (1970) schon oft angeführte Studie schon deshalb als ein guter Einstieg an, da dessen Untersuchung einen allgemeinen (d.h. nicht auf ein einzelnes Land beschränkten) Versuch darstellt, eine Analyse der „relationships between national role conceptions and one type of foreign policy behavior, the level of international involvement or participation” (Wish 1980: 534f.) durchzuführen.

Es ergeben sich zunächst zwei Aufgaben: zum einen muß geklärt werden, welche Rollenkonzept-Begriffe in der einschlägigen Forschungsliteratur auf die Vereinigten Staaten angewendet worden sind (bzw. welche dieser Begriffe man auf die USA anwenden könnte), auf Basis derer sich konzeptionell die Einstellung Amerikas zur UN allgemein beschreiben lassen könnte. Zu diesem Zweck sollen die Untersuchungen von Holsti (1970), Wish (1980) und Kirste et al. (1996) herausgegriffen werden. In einem zweiten Schritt ist zu ergründen, ob sich für die Zwecke der vorliegenden Analyse nicht unter Umständen andere Rollenbegriffe als die dargestellten als hilfreicher erweisen könnten.

In einer nach Rollenkonzept-Typen geordneten Tabelle weist Holsti (1970) innerhalb der 17 insgesamt von ihm identifizierten Rollenkonzepte nach der Auswertung von 25 USA-bezogenen Rede-Quellen den Vereinigten Staaten u.a. drei Rollenkonzepte zu: das eines „regionalen Beschützers“, eines „Glaubensverteidigers“ und eines „Entwicklers“.[19] Das erste Rollenkonzept, so Holsti, „implies special leadership responsibilities on a regional or issue-area basis [and] places emphasis on the function of providing protection for adjacent regions“ (1970: 261f.). Das zweite Rollenkonzept sieht Holsti bei Ländern wie den Vereinigten Staaten übernommen, deren Regierungen:

„[identify foreign policy] objectives and commitments in terms of defending value systems (rather than specified territories) from attack. Those who espouse [...] [this] role conception presumably undertake special responsibilities to guarantee ideological purity for a group of other states” (1970: 264f.)

Das Rollenkonzept eines „Entwicklers” wiederum wird von Holsti auf die folgende Weise charakterisiert:

„The themes in this national role conception indicate a special duty or obligation to assist underdeveloped countries. References to special skills or advantages for undertaking such continuing tasks also appear frequently” (1970: 266).

Diese drei Rollenkonzepte eignen sich jedoch aus verschiedenen Gründen nur bedingt für eine Analyse der Einstellung der USA zu bzw. der Rolle der USA in den Vereinten Nationen: die erste Rolle erscheint zu „regionalbezuglastig“ und kann daher dem globalen UN-Bezug der vorliegenden Untersuchung nicht gerecht werden; das zweite Konzept macht mit Blick auf die Vereinigten Staaten durchaus Sinn, hat jedoch wahrscheinlich nach dem Ende der Systemkonkurrenz zwischen USA und Sowjetunion etwas an Aussagekraft verloren; das dritte Konzept schließlich erscheint sehr sinnvoll, wenn man beispielsweise an das starke amerikanische Engagement beim Wiederaufbau Europas nach dem Zweiten Weltkrieg oder an die bekundete Absicht der Administration von George W. Bush denkt, signifikante Mittel zur Bekämpfung der AIDS-Epidemie vor allem in Afrika bereitzustellen,[20] wird aber wohl den machtorientierten Interessen der USA, welche die Supermacht oft im Bewußtsein ihrer Stärke zu vertreten und auch durchzusetzen gewußt hat, nicht sonderlich gerecht.

Aus den soeben angestellten Überlegungen kristallisiert sich bereits die Erkenntnis heraus, daß ein umfassenderes Rollenkonzept entwickelt werden muß, welches mehrere Identitäten eines Staates bzw. das Schwanken eines Staates zwischen mehreren Identitäten bzw. Rollen (im vorliegenden Fall zwischen Amerikas Rolle sowohl eines „Entwicklers“ als auch eines machtbewußten Staates) darzustellen vermag. Interessanterweise ist sich hierbei Holsti bereits durchaus bewußt, daß sich ein „problem of single versus multiple national role conceptions (1970: 273) ergibt, überläßt es jedoch späteren Untersuchungen, sich dieses Problems anzunehmen. Wichtige Impulse in dieser Richtung gingen hierbei jedoch bereits in den 1980er Jahren, wie in Kürze noch zu zeigen sein wird, v.a. durch Walker (1987b) und Rosenau (1987) aus.

Wish (1980) folgt im wesentlichen der Methodologie Holstis (1970) mit ihrer Studie zu den nationalen Rollenkonzepten von außenpolitischen Eliten, zu der sie eine Inhaltsanalyse von wichtigen Reden von 29 entscheidenden politischen Persönlichkeiten aus 17 Ländern anfertigt. Als Ergebnis ihrer Analyse identifiziert Wish auffällige Parallelen zwischen zehn Rollenkonzepten (welche verschiedenen Rollen in den Bereichen „status”, „motivational orientation” sowie „substantive problem areas” entsprechen)[21] und vier Verhaltensmustern bzw. Variablen in der Außenpolitik, nämlich „international participation“, „hostility“, „independence of action“ und „resource commitment“. Wish stellt hinsichtlich Holstis (1970) Studie einen Mangel an „empirischer Unterfütterung“ fest, den sie in ihrer eigenen Analyse dadurch vermeiden will, daß „the extent of involvement or participation by the nation in the international arena is measured by the average number of external events initiated per month in office by the government of each nation“ (1980: 541).

Für den Fall der USA identifiziert Wish (1980) in ihrer Untersuchung anhand einiger zentraler Reden der Präsidenten Eisenhower, Kennedy und Johnson einen hohen „Status“-Wert, der nach Wishs Interpretation einem hohen „Dominanz“-Faktor im amerikanischen Rollenkonzept, sowie einem hohen Wert für internationale Partizipation als außenpolitisches Verhalten entspricht.[22] Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind für die vorliegende Studie deshalb von besonderem Interesse, da sie die in etwa gleiche Zugkraft kooperativer sowie kompetitiver Impulse im amerikanischen außenpolitischen Verhalten hervorheben.[23] Die Tatsache, daß sich diese Verhaltenscharakteristika zumindest in der der Untersuchung zugrundeliegenden Zeitperiode in etwa die Waage zu halten schienen, könnte als ein klares Indiz für die Existenz bzw. die (imminente) Entstehung des in der These der vorliegenden Arbeit formulierten Identitätsdilemmas der USA in ihrem Verhältnis zu den Vereinten Nationen gewertet werden. Auch auf die Existenz und das Ausspielen multipler Rollen im Fall der USA ließe sich anhand von Wishs Erkenntnissen somit leicht hinweisen. Obwohl Wishs Ergebnisse aus diesen Gründen als durchaus erkenntnisreich einzustufen sind, wären jedoch statt der von der Verfasserin benutzten Adjektive ausdrucksstärkere Begrifflichkeiten zur Benennung und Beschreibung von Rollenkonzepten, wie sie etwa Holsti (1970) in seiner Studie verwendet, wünschenswert gewesen.

Kirste et al. (1996) heben schließlich in ihrem Beitrag zur Rollentheorie die, wie von ihnen argumentiert wird, hohe Aussagekraft der Rolle der Zivilmacht hervor, die für sie ein mögliches Rollenkonzept in der außenpolitischen Identität und Orientierung eines Staates darstellt. Eine Zivilmacht wird hierbei als ein Staat charakterisiert, der sich „der Aufgabe verschrieben [hat], den Prozeß der nationalen Zivilisierung auch auf internationaler Ebene zu fördern, indem [er] durch eine Zivilisierungspolitik günstige Voraussetzungen dafür schaff[t]“ (Kirste et al. 1996: 298f.). Es handelt sich hierbei um einen Prozeß, in dessen Rahmen die Zivilmacht zudem auch „die partielle Überführung staatlicher Souveränität an internationale Institutionen akzeptiert“ (Kirste et al. 1996: 299). Zu den wesentlichen Charakteristika einer Zivilmacht zählen – Kirste et al. zufolge – die Erbringung von Leistungen für eine wachsende Verrechtlichung und Verregelung der internationalen Beziehungen, für eine Intensivierung multilateraler Kooperation und für die Schaffung partizipatorischer Entscheidungsprozesse zur breiten Legitimierung einer internationalen Ordnung, die Förderung globaler sozialer Ausgewogenheit und Gerechtigkeit, sowie ein Interesse an verstärkter Institutionenbildung, deren Ziel eine mit besonderen Auflagen und Prinzipien verbundene Kanalisierung der Austragung von Konflikten sein sollte.[24]

[...]


[1] Vgl. die These von Francis Fukuyama (1992), die oft aufgegriffen und sehr kontrovers diskutiert wurde.

[2] Nach Kühne (1995: 8) geht dieser Ausdruck ursprünglich auf den ehemaligen französischen Präsidenten François Mitterand zurück.

[3] Vgl. hierzu u.a. Nye (2002a: 24) und (2003b: 65), der ein 3-dimensionales Schachbrett-Modell entwickelt hat, nach dem die USA in der Weltpolitik auf der obersten militärischen Ebene in den internationalen Beziehungen als uneingeschränkter Hegemon agieren können, die Macht auf der mittleren ökonomischen Ebene jedoch mit anderen Akteuren (v.a. mit der EU und Japan) teilen müssen und auf einer unorganisierten unteren dritten Ebene der transnationalen Fragen der internationalen Beziehungen nur ein Akteur unter vielen darstellen.

[4] Vgl. Nicholas (1975: 221), dessen Werk in einem Appendix auf den Seiten 221-253 die vollständige Charta der Vereinten Nationen enthält.

[5] Der komplette Millennium Report ist im Internet über die UN-Seite verfügbar (s. Literaturverweis am Ende).

[6] Vgl. Rossiter (1999: 509), der neben den Federalist Papers auch die amerikanische Unabhängigkeitserklärung und die US-Verfassung abdruckt.

[7] Zitiert in Meisler (1995: 194).

[8] Vgl. Helms (1996: 7), der auf einen Gesetzesentwurf des Kongreßabgeordneten Joe Scarborough aus Florida hinweist, wie auch Knight (2003) zu dem von dem texanischen Abgeordneten Ron Paul erneut angeregten Votum über einen sogenannten „American Sovereignty Restoration Act“ (H.R. 1146), der jedoch am 15.07.03 mit der deutlichen Mehrheit von 350 zu 74 Stimmen abgelehnt wurde.

[9] Dieses Zitat ist George Washingtons politischer Abschiedsrede entnommen, die nie mündlich gegeben wurde, sondern am 19. September 1794 im American Daily Advertiser in Philadelphia Veröffentlichung fand. Diese „Rede“ kann in ihrer vollständigen Länge im Internet eingesehen werden (Internetadresse s. unter „Washington“ in den Literaturangaben am Ende); zum Zitat vgl. S. 9 (Internet-Ausdruck).

[10] In der wissenschaftlichen Literatur zum Beispiel von Mandelbaum et al. (1979: 49-54).

[11] Diese beiden vom Autor der vorliegenden Untersuchung gewählten Terminologien werden in Kapitel 2.2 noch einer genaueren Charakterisierung und einer eingehenden Konzeptualisierung zugeführt.

[12] Einige Grundgedanken zur Existenz nationaler Rollenkonzepte treten jedoch bereits in Holsti (1967: 172f.) deutlich hervor.

[13] Wish (1980), Walker (1987a, 1987b) und Kirste et al. (1996). Obwohl rollentheoretische Ansätze somit seit Jahrzehnten schon in der politikwissenschaftlichen Diskussion bekannt sind, fällt auf, daß ein entsprechender Eintrag in dem von Manfred G. Schmidt zusammengestellten und als Standardwerk geltenden „Wörterbuch zur Politik“ aus dem Jahre 1995 fehlt.

[14] U.a. der bekannte Aufsatz von Luce (1941), der für einen amerikanischen Eintritt in den Zweiten Weltkrieg plädiert, sowie auch Kagan (2002), Kissinger (1996), Johnson (1999), Wasser (1996) und Der Spiegel (8/2003).

[15] Talbott (1996), Mandelbaum (1996), Nye (1999) und Rice (2000).

[16] Zu Nye siehe v.a. (2002a), (2002b) und (2003b); zu Kagan siehe v.a. (1998) und (2003b).

[17] Vgl. u.a. bei Gardner (2000), der in diesem Essay mit dem Titel „The One Percent Solution“ die geringe Höhe des den US-Außenbeziehungen gewidmeten Bundesbudgetanteils beklagt, sowie bei Krauthammer (1987), der ein Scheitern der UN in ihren zentralen Aufgaben feststellt und sich für einen raschen Austritt der USA aus der Organisation einsetzt.

[18] Diese drei Rollenkonzepte, von denen man zum Beginn des 21. Jahrhunderts beispielsweise behaupten könnte, daß sie in obiger Reihenfolge von Großbritannien (u.a. besonders auffallend im Verhältnis zur USA im jüngsten Irak-Konflikt), der Schweiz (die bis vor kurzem sogar eine UN-Mitgliedschaft als potentielle Aufweichung ihrer traditionellen staatlichen Neutralitätsrolle ansah) und Nordkorea (in der fast vollständigen Abschottung dieses „Steinzeit-kommunistischen“ Staates von der Außenwelt) eingenommen werden, sind Holsti (1970) entnommen, wo sie als „faithful alliance partner“, „independent“ und „isolate“ auftauchen (zu Holstis Beschreibung dieser drei Rollen s. jeweils die Seiten 267f., 268 und 270). Holstis Rollenkonzepttabelle, die in gekürzter Form auch in Walker (1987b: 272) abgedruckt ist, weist insgesamt 17 verschiedene nationale Rollenkonzepte aus.

[19] Holsti (1970: 261f., 264f., 266), wo diese drei Rollen im englischen Original jeweils als „regional protector“, „defender of the faith“ und „developer“ aufgeführt sind.

[20] Vgl. z.B. den Essay von Radelet (2003) zur foreign aid -Politik von Präsident George W. Bush.

[21] Vgl. Wish (1980: 540).

[22] Vgl. Tabelle 1 in Wish (1980: 544).

[23] Vgl. Graphik 1 in Wish (1980: 547).

[24] Kirste et al. (1996: 300f.).

Ende der Leseprobe aus 96 Seiten

Details

Titel
Die USA in den Vereinten Nationen: Rollentheoretische Betrachtungen zur Doppel-Identität Amerikas als gutmütiger Gulliver vs. hegemonialer Herkules
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Wissenschaftliche Politik)
Note
1,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
96
Katalognummer
V35092
ISBN (eBook)
9783638351232
Dateigröße
2215 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Vereinten, Nationen, Rollentheoretische, Betrachtungen, Doppel-Identität, Amerikas, Gulliver, Herkules
Arbeit zitieren
Christian Jacobi (Autor:in), 2003, Die USA in den Vereinten Nationen: Rollentheoretische Betrachtungen zur Doppel-Identität Amerikas als gutmütiger Gulliver vs. hegemonialer Herkules, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/35092

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