Der Innovationskontext als wirtschaftshistorischer Analyserahmen


Diplomarbeit, 2004

73 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Darstellungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Gang der Argumentation

2. Überblick über die Entwicklung der Innovationstheorie
2.1 Der Begriff der Innovation
2.2 Der Begründer der Innovationstheorie: Joseph Alois Schumpeter
2.3 Neoklassische Ansätze
2.3.1 Wichtige Vertreter der neoklassischen Innovations-forschung
2.3.2 Entscheidungstheoretische neoklassische Ansätze
2.3.3 Spieltheoretische neoklassische Ansätze
2.3.4 Neoklassische und neue Wachstumstheorie
2.4 Evolutionsökonomische Ansätze
2.4.1 Das Nelson-Winter-Modell
2.4.2 Institutionenökonomische Innovationstheorie
2.5 Nachfragetheoretische Ansätze

3. Der Innovationskontext als wirtschaftshistorischer Analyserahmen
3.1 Technology Push und Demand Pull
3.2 Der verbundene Innovationsprozess
3.3 Die Netzwerkanalyse von Michael Porter
3.4 Innovationssysteme und Innovationsräume
3.5 Der Innovationskontext
3.5.1 Lead-Märkte als entscheidender Innovations-kontext
3.5.2 Arten von Innovationskontexten
3.5.3 Kontextabhängige Organisationsformen
3.5.4 Die Rolle von Wissen, Transfereinrichtungen und Lernen in der kontextuellen Sichtweise
3.5.5 Die Rolle von Staaten, Staatenverbünden und Technologiepolitik im Innovationskontext
3.5.6 Fragestellungen zur Identifikation weiterer wichtiger Kontextfaktoren

4. Möglichkeiten zur Messung von Innovationsaktivitäten
4.1 Input-Indikatoren aus Forschung und Entwicklung
4.1.1 Personal in Forschung und Entwicklung
4.1.2 Ausgaben für Forschung und Entwicklung
4.2 Ausgewählte Output-Indikatoren
4.2.1 Zahl der Patente
4.2.2 Technometrischer Indikator
4.2.3 Zählung von Innovationen
4.2.4 Umsatzstruktur
4.3 Der Lebenszyklusaufwand als ganzheitliche Bewertungs-methode
4.4 Klassifikation von Messverfahren
4.4.1 Lagging-Verfahren
4.4.2 Echtzeitmessverfahren
4.4.3 Leading-Verfahren
4.4.4 Lern-Verfahren
4.5 Innovationsindikatoren im Innovationskontext

5. Schlussbetrachtung

6. Quellenverzeichnis
6.1 Quellen der Literaturzitate
6.2 Quellen der Darstellungen

Darstellungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

„Innovation ist ein Lebenselixier unserer Gesellschaft. Die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft hängt entscheidend davon ab, immer wieder neue Produkte, Verfahren und Dienstleistungen der Nachfrage anzubieten.“[1]

Dennoch gibt es bisher keine umfassende Theorie, die vollständig erklären kann, welche Gegebenheiten Innovationen ermöglichen, welche sie verhindern oder welche Faktoren Innovationsaktivitäten begünstigen oder sie eher hemmen. Deswegen werden zu Anfang dieser Arbeit in Kapitel 2 Forschungsansätze aus den Jugendjahren der Innovationsforschung kurz dargestellt. Beginnend mit Schumpeter und dem „Prozess der kreativen Zerstörung“ werden neoklassische, evolutionsökonomische und nachfragetheoretische Forschungsrichtungen angerissen, um zu zeigen, dass durch sie sehr wohl wichtige Aspekte des Innovationsgeschehens erklärt werden können, jedoch diese Erklärung meist recht einseitig auf einen oder einige wenige Faktoren konzentriert ist.

Der erste Schritt um mehrere der bisherigen Ansätze, die sich gut unter den Schlagworten Technology Push und Demand Pull zusammenfassen lassen, zu vereinigen, wird mit dem verbundenen Innovationsprozess getan, mit dem auch Kapitel 3 beginnt. Eine kurze Betrachtung genügt hier, da der verbundene Innovationsprozess lediglich auf einer Kombination bisheriger Modelle beruht. Neues bringt hingegen Michael Porter mit seiner Netzwerkanalyse und dem von ihm eingeführten Begriff des Branchen- oder Innovationsclusters. Er erklärt einen entscheidenden Erfolg von Innovationsprozessen mit den Beziehungen, die zwischen seinen Akteuren bestehen. Insofern liefert Porter auch für die kontextuelle Sichtweise wichtige Anknüpfungspunkte. Außerdem führt er neben bisher rein ökonomischen oder technischen Gesichtspunkten neue Variablen für das Gelingen von Innovationsprozessen ein. Hand in Hand mit diesem Ansatz geht die Theorie der Innovationsräume oder Innovationssysteme, die ebenfalls kulturelle, gesellschaftliche, organisatorische und noch andere Faktoren berücksichtigt, jedoch bleibt sie dabei sehr stark auf regionale Gesichtpunkte beschränkt.

Eine Kombination aller Einflussgrößen, ohne jedoch dabei das Augenmerk zu sehr auf regionale Entwicklungen zu richten, liefert das Modell des Innovationskontextes, der in verschiedenen Ausprägungen und Organisationsformen, mit einem Fokus auf den Kontext des Lead-Marktes, geschildert wird. Des Weiteren werden in Kapitel 3 ausgewählte Kontextfaktoren dargestellt, deren Fülle jedoch nahezu unbegrenzt ist, weswegen Wissen, Transfereinrichtungen, Lernen und Technologiepolitik herausgegriffen werden und am Beispiel des Kontextfaktors Kultur ein Fragenkatalog für weitere Faktoren erarbeitet wird.

Kapitel 4 zeigt unterschiedlichste Formen der Messung und Beurteilung von Innovationsaktivitäten, wobei auch hier aufgrund der unüberschaubaren Menge eine Auswahl aus bekannten und praxisnahen Input- und Outputindikatoren getroffen wurde. Besonderes Augenmerk wird im Anschluss auf das Konzept des Lebenszyklusaufwandes gelegt, um zu zeigen, dass dieses Konzept Grundlagen zur Messung und Beurteilung von Innovationsaktivitäten auch in einer kontextuellen Sichtweise bietet. Weiter werden diese Indikatoren in ein Klassifikationsschema eingeordnet, um, gerade weil eine vollständige Aufzählung innerhalb dieser Arbeit nicht möglich ist, mögliche Gruppen von Mess- und Beurteilungsverfahren mit ähnlichen Eigenschaften aufzuzeigen. Zum Abschluss dieses Kapitels und der Arbeit wird diskutiert, inwieweit die vorgestellten Indikatoren geeignet sind, auch innerhalb des Innovationskontextes Innovationsaktivitäten befriedigend zu erfassen.

1. Überblick über die Entwicklung der Innovationstheorie

1.1 Der Begriff der Innovation

Die Ursprünge des Begriffs Innovation gehen auf das Kirchenlatein Tertullians zurück. Etwa 200 nach Christus findet sich dort der Begriff „innovatio“, der gleichbedeutend mit (Er-)Neuerung und Veränderung ist.[2] Diese Bedeutung blieb gemäß dem Duden weitgehend bis in unsere Zeit erhalten.[3] Da der Begriff jedoch auch außerhalb des hier betrachteten, rein ökonomischen Kontextes in den verschiedensten Wissenschaften unter unterschiedlichsten Aspekten Anwendung findet, existiert keine allgemein akzeptierte Definition[4] oder ein geschlossener, allgemeingültiger Innovationsansatz. Gemeinsam sind allen Definitionsversuchen folgende Aspekte:

(1) Eine Neuheit oder (Er-)Neuerung eines Objekts oder einer sozialen Handlungsweise zumindest für das betrachtete System.
(2) Eine Veränderung bzw. ein Wechsel durch die Innovation in und durch die Unternehmung, das heißt, eine Innovation muss entdeckt oder erfunden, eingeführt, genutzt, angewandt und institutionalisiert werden.[5]

Darstellung 1 gibt eine einfache Übersicht über Theorien und Ansätze der Innovationsforschung und Innovationsökonomik, von denen die wichtigsten in den folgenden Abschnitten chronologisch erläutert werden. Zur Vertiefung der einzelnen Ansätze sind in der untersten Ebene der Darstellung Autoren aufgeführt, die sich mit den jeweiligen Theorien auseinandergesetzt haben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Vgl. Grupp,Wandels, 1997, S.51.

1.2 Der Begründer der Innovationstheorie: Joseph Alois Schumpeter

Vor Schumpeter wandten sich schon andere Ökonomen der Betrachtung von Innovationen zu, z.B. Adam Smith oder Karl Marx[6], jedoch geht die Verwendung des Begriffs Innovation im heutigen Sprachgebrauch und volkswirtschaftlichen Zusammenhang zurück auf den österreichisch-amerikanischen Ökonom Joseph Alois Schumpeter (1883-1950). Schumpeter lehrte Volkswirtschaft an Universitäten in Österreich, Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika, dort im Besonderen in Harvard und war für kurze Zeit österreichischer Finanzminister.[7] Er meinte mit Innovation die erstmalige kommerzielle Nutzung einer Neuerung in der Wirtschaft, sah den Innovationsprozess als „Prozess der kreativen Zerstörung“ und teilte ihn in drei Hauptphasen ein: Erfindung (Invention), Erstmalige Nutzung (Innovation) sowie Verbreitung (Diffusion durch Imitation).[8]

Schumpeter identifizierte innerhalb seiner Forschung folgende fünf Arten von Innovationen:

- Produktinnovationen (bzw. Differenzierung der Produktqualität) beinhalten die kreative Entwicklung und Vermarktung grundlegend neuer Produkte oder Dienstleistungen, die häufig auf neuen Technologien basieren und bisher nicht befriedigte Kundenbedürfnisse ansprechen.[9] Sie tragen wesentlich zur Erhöhung der materiellen Wohlfahrt bei. Jedoch ergeben sich bei der Bestimmung der Vorteile der Produktinnovation große Messprobleme.[10]
- Prozessinnovation im Produktions- und Vertriebsbereich (z.B. neue Fertigungstechniken) erfordern die Entwicklung neuer Verfahren, um Produkte und Dienstleistungen zu liefern, die Kosten- oder Qualitätsvorteile oder die Verkürzung der Lieferzeit herbeiführen.[11] Das bedeutet, dass bei gleichbleibendem Einsatz der Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und Boden eine größere Gütermenge hergestellt werden kann oder aber, dass die gleiche Produktionsmenge mit geringerem Einsatz der Produktionsfaktoren realisiert werden kann.[12]
- Erschließung neuer Absatzwege im In- und Ausland
- Erschließung neuer Vorproduktmärkte und Rohstoffquellen im In- und Ausland.
- Veränderung der Markt- und / oder Unternehmensorganisation (z.B. Fusionierung, Konzernbildung).[13]

Die Positionen drei, vier und fünf können auch unter dem Begriff der wirtschaftlichen Innovation zusammengefasst werden. Gemeint ist damit die Entwicklung neuer Unternehmensbereiche und neuer Wege, Geschäfte abzuwickeln, die einen deutlichen Wettbewerbsvorteil mit sich bringen.[14]

Als Basisinnovationen werden besonders herausragende Innovationen bezeichnet, deren Schlüsseltechnologien Grundlage für die Erschließung einer Vielzahl von Anwendungsbereichen darstellen und die zahlreiche Folgeinnovationen (oder Verbesserungsinnovationen) nach sich ziehen.[15]

Die Entstehung aller Innovationsarten versuchte Schumpeter mit Hilfe einer komplexen, wissensbasierten Produktionsstruktur zu erklären. Aufgrund dieser Komplexität treten diskontinuierliche Konjunkturzyklen auf, die von der Dynamik des technischen Wandels leben. Weiter unterschied Schumpeter zwei Arten von Wirtschaftssubjekten, die Unternehmer, die risikofreudig sind und stets Mut zur Innovation zeigen, und die Wirte, die ihre Aufgaben pflichtbewusst und verwaltungsmäßig erledigen.[16]

Mit Schumpeter werden zwei entscheidende Hypothesen in Verbindung gebracht: Die sogenannte Schumpeter-Hypothese beschreibt den Innovations-Wettbewerb-Zusammenhang: „Die Möglichkeit, monopolistische Praktiken anzuwenden, erhöht die Bereitschaft zur Übernahme des Innovationsrisikos und begünstigt daher die Durchsetzung neuer Kombinationen mit einem positiven Effekt auf das Innovationstempo.“[17] Die zweite Hypothese Schumpeters besagt, dass große Unternehmen innovativer sind als kleine.

Zusammenfassend interpretierte Schumpeter die Durchsetzung neuer Kombinationen (Innovationen) als Keimzelle für Evolution und Wachstum einer Volkswirtschaft.[18]

1.3 Neoklassische Ansätze

Schumpeters Gedanken erleben in den neoklassischen Ansätzen zur Erklärung des Innovationsverhaltens, die das gewinnmaximierende Unternehmen in den Mittelpunkt stellen, eine Art von Renaissance. Neu jedoch ist, dass neben Preisen und Produktionsmengen auch Forschung und Entwicklung eine Ressource des Unternehmens darstellen. In aktuelleren neoklassischen Modellen treten hierzu noch dynamische Aspekte, die zu Wettläufen rivalisierender Unternehmen (z.B. um Patente) führen. Wesentliche Elemente neoklassischer Innovationstheorien sind also Teile der Wettbewerbstheorie, der Entscheidungstheorie und der Spieltheorie.[19]

Die oben schon beschriebene Schumpeter-Hypothese kann selbst als Teil der Wettbewerbstheorie gesehen werden und wurde in dieser Sichtweise z.B. von Witt weiterverwendet. Dieser fasste die Schumpeter-Hypothese folgendermaßen zusammen: Eine Marktstruktur, die große Firmen mit einem beträchtlichen Maß an Marktmacht enthält, ist der Preis, den die Gesellschaft für raschen technologischen Wandel bezahlen muss.[20]

Andere Wettbewerbstheoretiker erkennen wichtige neoklassische Betrachtungen, wie zur maximalen Befriedigung der Konsumentenwünsche und zum Wohlstand für alle Wirtschaftssubjekte, zwar weiterhin an, jedoch werden mehr und mehr bestimmte Schwachstellen untersucht. Diese können sich aus einer Monopolstellung, aus Informationsmängeln bei den Konsumenten oder aus einer unzureichenden Bereitstellung von Kollektivgütern ergeben. Für den technischen Wandel sind letztere von besonderer Bedeutung, z.B. im Bereich von Wissenschaft und Forschung.

2.3.1 Wichtige Vertreter der neoklassischen Innovationsforschung

Arrow identifizerte innerhalb seiner neoklassischen Innovationsforschung die Marktstruktur als entscheidende Variable und zeigte, dass durch vollkommenen Wettbewerb größere Innovationsanreize geschaffen werden, als durch eine Monopolstellung.[21] Von Hayek dagegen untersuchte die Bedeutung des Faktors „Wissen“ und bezeichnete deshalb die Möglichkeiten eines Unternehmens, durch Marktmechanismen Informationen zu erhalten, welche Dienstleistungen oder Güter nachgefragt werden, als essentiell.[22] Kantzenbach forderte eine ausreichende, aber auch nicht zu große Produktdifferenzierung sowie ein Oligopol mit nicht zu geringer Anbieteranzahl und nennt den technischen Fortschritt als eine der wichtigsten Wettbewerbsfunktionen. Er widersprach in gewisser Weise Arrow, indem er sagte, dass vollständige Konkurrenz den Unternehmen die Fähigkeit zu Forschung und Fortschritt aufgrund zu geringer Gewinne nehme.[23] Grossekettler entwickelte das sogenannte Koordinationsmängelkonzept zum Aufspüren nichtfunktionsfähiger Märkte. Er betrachtete innerhalb dieses Konzepts die Marktfunktionen Markträumung, Renditennormalisierung, Übermachterosion, Produktfortschritt und Verfahrensfortschritt genauer. Vor allem die letzten beiden weckten das Interesse der Innovationsforschung.[24]

2.3.2 Entscheidungstheoretische neoklassische Ansätze

Entscheidungstheoretische Überlegungen können das Innovationsgeschehen insoweit realistischer darstellen, als sie Phänomene wie Unsicherheit, Dynamik, Externalität usw. berücksichtigen können. Eines dieser Modelle stammt von Kamien und Schwartz und erklärt, wie die Entscheidung eines Unternehmens im Innovationswettbewerb aussieht, wenn es sich risikoneutral verhält und seinen Gewinn maximieren möchte. Innerhalb dieses Modells können sich bei zu starker Konkurrenz auch Situationen ergeben, in denen das Forschungs- und Entwicklungs-Projekt gar nicht erst begonnen wird oder in denen ein Maximum an Innovationstätigkeit erlangt wird, nach dessen Erreichen die Innovationsaktivitäten abnehmen.[25]

2.3.3 Spieltheoretische neoklassische Ansätze

Spieltheoretische neoklassische Ansätze zur Erklärung von Innovationsaktivitäten können als Weiterführung von entscheidungstheoretischen Modellen betrachtet werden. Es wird nun möglich, einige Wechselwirkungen zwischen Entscheidungen der Unternehmen bezüglich Forschung und Entwicklung einzubeziehen, das heißt, Reaktionen anderer Unternehmen fließen in die optimale Innovationsentscheidung des betrachteten Unternehmens mit ein. Solche Modelle gibt es etwa von Scherer, Levin und Reiss oder Dasgupta und Stiglitz.[26] Vor allem das letztere stellt sich aber überaus komplex dar.[27]

2.3.4 Neoklassische und neue Wachstumstheorie

Als Begründer der neoklassischen Wachstumstheorie gilt Solow, der als weiteren Faktor neben Kapital und Arbeit die technische Fortschrittsrate in die makroökonomische Produktionsfunktion aufnimmt.[28] Die Wachstumstheorie beschäftigt sich also vornehmlich mit der Frage, „[...]welche Faktoren das langfristige Wirtschaftswachstum treiben, ob sich Wachstumskräfte im Zeitablauf abschwächen, ob es im Wachstumsprozess zu einer räumlichen Konzentration oder Dekonzentration wirtschaftlicher Aktivitäten kommt und unter welchen Bedingungen eine zunehmende (sektorale und/oder funktionale) Spezialisierung von Ländern bzw. Regionen zu erwarten ist.“[29]

In der neuen Wachstumstheorie wird zusätzlich davon ausgegangen, dass zum Erwerb von technologischem Wissen Mittel aufgewendet werden müssen, die Forschungs- und Entwicklungsergebnisse kein öffentliches Gut mehr darstellen und daher Innovationstätigkeiten als eine spezifische Art von Investitionen gelten, über die die Wirtschaftssubjekte Erwartungen bilden. Deswegen erfolgt in diesen Modellen eine Endogenisierung des technischen Fortschritts (bei Solow war die technische Fortschrittsrate exogen gegeben).[30]

2.4 Evolutionsökonomische Ansätze

Die evolutorische Innovationstheorie beschäftigt sich im Wesentlichen mit folgenden Forschungsthemen:

„- Veränderungen in makroökonomischen Aktivitäten unter dem Einfluss eines möglicherweise diskontinuierlichen Zuflusses von Innovationen,
- das Durchsetzen von Industrien und Unternehmen im innovativen Wettkampf und die Relevanz des Darwinschen Konzepts zum Verständnis dieses Problems,
- die Funktionsfähigkeit von Märkten und die Bahnabhängigkeit der historischen Wirtschaftsentwicklung,
- das Entstehen und das Abwandeln von gesellschaftlichen Regeln und Institutionen, welche den sich verändernden Rahmen für ökonomische Wechselwirkungen abgeben
- der Wandel der Produktionstechnologie, Auswirkungen auf das Wachstum der Erdbevölkerung und die gesellschaftliche Wohlfahrt in langfristiger Hinsicht und
- Antriebskräfte für Veränderungen des Niveaus individuellen Verhaltens.“[31]

Nach heutigem Kenntnisstand müssen wenigstens folgende drei Grundannahmen erfüllt sein, um einen Ansatz als evolutionsökonomisch bezeichnen zu können: Zum ersten handeln auf der Mikroebene eingeschränkt rationale Akteure. Weiter sind die Transaktionen nicht gleichgewichtsorientiert und können fern von Gleichgewichtszuständen auftreten. Zum dritten werden die Selektionsmechanismen zwischen heterogenen Institutionen und technischen Möglichkeiten durch Märkte und andere Einrichtungen dargestellt.[32]

2.4.1 Das Nelson-Winter-Modell

Nelson und Winter verbinden in ihrem Modell behavioristische Erkenntnisse über das Verhalten von Unternehmern mit dem biologischen Evolutionsmodell nach Darwin. Gemäß Nelson und Winter sind Unternehmer fortwährend auf der Suche nach Möglichkeiten um ihre Gewinnsituation zu verbessern. Diese Suche basiert auf dem Potenzial an Wissen und Fertigkeiten sowie bestimmten Entscheidungsregeln. Beides kann sich durch den Zugewinn von Erfahrung aber auch durch zufällige Ereignisse verändern. Auf dem Markt herrscht Rivalität unter den Unternehmen, die zu einem „Survival of the Fittest“ führt.

Die dynamischen Beziehungen, die zum Innovationsgeschehen führen, sind hierbei so komplex, dass eine analytische Lösung unmöglich wird und deshalb Simulationsexperimente herangezogen werden müssen. Speziell den technischen Leistungsstand betreffend werden zwei Fälle unterschieden. Einmal ist der technische Leistungsstand exogen als konstant wachsend bestimmt, im anderen Fall sind die technologischen Bedingungen endogen vorherbestimmt.

Aus den verschiedenen Ansätzen ergibt sich, dass die erfolgreichen Unternehmen stärker wachsen und sich dabei die Innovationsrenten aus den technologischen Möglichkeiten besser als die weniger erfolgreichen aneignen können. Aufgrund dieses Wachstums sind Folgeerfolge bei diesen Unternehmen wahrscheinlicher, woraus sich im Zeitablauf eine Zunahme der Konzentration im Wettbewerb ergibt.[33]

2.4.2 Institutionenökonomische Innovationstheorie

Die institutionenökonomische Innovationstheorie bildet einen deutlichen Gegenpol zu neoklassischen Ansätzen, indem sie qualitative Hypothesen und nicht mehr Formalmodelle konstruiert. Dazu werden Typologien und Klassifikationen aus dem Alltag, technik- und sozioökonomische Strukturentwicklungen in historischer Betrachtung und statistisches Datenmaterial herangezogen, mit denen technisch-wirtschaftliche Zusammenhänge abgebildet werden sollen.[34]

So zeigte z.B. Freeman mit einer Untersuchung wachstumsstarker Wirtschaftszweige des 20. Jahrhunderts, dass Innovationsaktivitäten immer professioneller gestaltet werden und immer stärker von wissenschaftlichen Erkenntnissen geprägt sind. Besonders wichtig zeigten sich hierbei Forscherteams, Arbeitsteilung und Spezialisierung, sowie neuere System- und Netzwerktechniken.[35]

Dosis entwickelte den Begriff des technologischen Paradigmas, das besagt, dass Innovationen paradigmen-gebundene Problemlösungsprozesse sind, die sich hauptsächlich zwei Einflussfaktoren ausgesetzt sehen: Den technologischen Chancen und den Aneignungsmöglichkeiten von Innovationsrenten. Dabei unterscheidet er die intersektorale und die intrasektorale Betrachtungsebene.[36] Eine sektorale Klassifikation ist z.B. nach der Industriegruppeneinteilung von Pavitt möglich, der nach lieferantenbeherrschten Sektoren, skalenintensiven Sektoren, Spezialanbietern und wissensbasierten Sektoren unterscheidet.[37]

2.5 Nachfragetheoretische Ansätze

Ausgangspunkt nachfragetheoretischer Ansätze ist die oben beschriebene Unterscheidung in Produkt- und Prozessinnovationen, wobei davon ausgegangen wird, dass Produktinnovationen von Haushalten und Prozessinnovationen von Unternehmen konsumiert werden. Lassen sich nun Möglichkeiten finden, veränderte Eigenschaften von Produktinnovationen zu messen, ist es möglich, die marktlichen und präferenzbedingten Einflussfaktoren der Nachfrage auf die neuen Haushaltsgüter darzustellen. Eine Messung der Produkteigenschaften kann in Mengen, Preisen oder einer Reihe von Faktoren, die als Produktqualität zusammengefasst werden können, erfolgen. Nahezu identisch lässt sich die Nachfrage der Unternehmen nach Prozessinnovationen behandeln. Jedoch ist eine genaue Trennung von Prozess- und Produktinnovation nicht immer möglich, da die Produktinnovation eines Sektors die Prozessinnovation eines anderen sein kann oder auch beide Innovationsarten kombiniert auftreten können, wenn die Produktinnovation die Prozessinnovation erzwingt oder umgekehrt ermöglicht.[38]

[...]


[1] Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (Hrsg.),Gesellschaft, 2002, S.7, Spalte1.

[2] Vgl. Müller,Gewinnt, 1997, S.9.

[3] Vgl. Wissenschaftlicher Rat der Duden Redaktion (Hrsg.),Fremdwörterbuch, 1982, S.345,

Spalte 3.

[4] Vgl. Salice-Stephan / Salice-Stephan,Innovation, 2002, in Microsoft Corporation (Hrsg.), Encarta, 2002, Stichwort: Innovation.

[5] Vgl. Gabler,Lexikon, 1997, S.1898, Spalte 1.

[6] Vgl. Grupp,Wandels, 1997, S.54-55.

[7] Vgl. Microsoft Corporation (Hrsg.),Encarta, 2002, Stichwort: Schumpeter, Joseph Alois.

[8] Vgl. Gabler,Lexikon, 1997, S.1899, Spalte 1.

[9] Vgl. Jonash / Sommerlatte,Weg, 2000, S.151.

[10] Vgl. Baßeler / Heinrich / Koch,Grundlagen, 1995, S. 732-733.

[11] Vgl. Jonash / Sommerlatte,Weg, 2000, S.151.

[12] Vgl. Baßeler / Heinrich / Koch,Grundlagen, 1995, S. 732-733.

[13] Vgl. Gabler,Lexikon, 1997, S. 1898, Spalte 2.

[14] Vgl. Jonash / Sommerlatte,Weg, 2000, S.151.

[15] Vgl. Gabler,Lexikon, 1997, S.1899, Spalte 2.

[16] Vgl. Grupp,Wandels, 1997, S.55-56.

[17] Witt,Ökonomik, 1987, S.48.

[18] Vgl. Franke,Netzwerke, 2000, S.24.

[19] Vgl. Grupp,Wandels, 1997, S.57.

[20] Vgl. Witt,Ökonomik, 1987, S.48.

[21] Vgl. Cantner,Innovationsökonomik, 2004, Seite 4.

[22] Vgl. Grupp,Wandels, 1997, S.59.

[23] Vgl. Grupp,Wandels, 1997, S.60.

[24] Vgl. Grupp,Wandels, 1997, S.61.

[25] Vgl. Grupp,Wandels, 1997, S.61-62.

[26] Vgl. Grupp,Wandels, 1997, S.63-64.

[27] Vgl. Cantner,Innovationsökonomik, 2004, Folie 16.

[28] Vgl. Frauenhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung (Hrsg.),Verteilung, 2000, S.4.

[29] Frauenhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung (Hrsg.),Verteilung, 2000, S.5.

[30] Vgl. Grupp,Wandels, 1997, S.64-66.

[31] Witt,Economics, 1992, S.14.

[32] Vgl. Grupp,Wandels, 1997, S.74.

[33] Vgl. Grupp,Wandels, 1997, S.76-78.

[34] Vgl. Grupp,Wandels, 1997, S.79.

[35] Vgl. Grupp,Wandels, 1997, S.80.

[36] Vgl. Grupp,Wandels, 1997, S.81.

[37] Vgl. Grupp,Wandels, 1997, S.80.

[38] Vgl. Grupp,Wandels, 1997, S.84-92.

Ende der Leseprobe aus 73 Seiten

Details

Titel
Der Innovationskontext als wirtschaftshistorischer Analyserahmen
Hochschule
Universität Regensburg  (Institut für Wirtschaftsgeschichte)
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
73
Katalognummer
V35055
ISBN (eBook)
9783638350976
Dateigröße
1005 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Zu Anfang werden bisherige Innovationstheorien vorgestellt. Danach richtet sich das Augenmerk auf den Innovationskontext, der versucht, möglichst viele dieser Einzel-Theorien unter einem Dach zu vereinigen. Im Anschluss werden Möglichkeiten zur Messung von Innovationsaktivitäten dargestellt, und es wird diskutiert inwieweit sich diese auch auf den Innovationskontext anwenden lassen.
Schlagworte
Innovationskontext, Analyserahmen
Arbeit zitieren
Michael Hamoser (Autor:in), 2004, Der Innovationskontext als wirtschaftshistorischer Analyserahmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/35055

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