Melito von Sardes und der Gottesmordvorwurf


Referat (Ausarbeitung), 2004

12 Seiten, Note: 2

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Biografie des Meliton

2 Was ist der Gottesmordvorwurf an sich?

3 Ablösung des Christentums vom Judentum - Geschichtlicher Hintergrund der Osterhomilie

4 Melito von Sardes: Passah – Homilie
a. Ausgaben und Entstehung
b. Literarische Form
c. Aufbau und Inhaltsangabe
d. Zeitgeschichte und lokale Begebenheiten
e. Hintergründe und Wurzeln der Osterliturgie im Judentum – Analyse des Textes
f. Die Vorwürfe gegen die Juden und ihre Gründe
g. Bedeutung der Homilie

5 Kurzer Überblick der Folgen des Gottesmordvorwurfes und mögliche Punkte einer Widerlegung

1 Biografie des Meliton

Informationen über den wohl bekannten Gelehrten Meliton von Sardes besitzen wir leider nur in geringem Umfang. Wir wissen, dass er in Kleinasien um 150 n. Chr. gelebt hat und es ist anzunehmen, dass er in Sardes[1][2] Bischof gewesen ist. Er war ein Wortführer der Quartodezimanischen Osterpraxis und lebte in Abstinenz. Die Bezeichnung ´Quartodezimaner´ wurde gewählt, da diese Christen einem kleinasiatischen Kreis angehörten, die das Passafasten mit den Juden am 14. Nisan und nicht unbedingt am Sonntag beendeten. Überliefert sind uns diese Daten von Eusebius (Bischof von Cäsarea (Palästina), Kirchenschriftsteller, »Vater der Kirchengeschichte«, † (nach dem syrischen Martyrologium) 30.5. 339[3] ). Er schrieb eine Apologie (Verteidigungsrede) für die Christen an Mark Aurel (161 – 180) und gab selber an, nach Palästina gereist zu sein, um dort ein Verzeichnis der kanonischen Schriften des Alten Testaments zu erstellen. Dies war ein ungewöhnlicher Vorgang, da es ungefähr Anfang bis Mitte des 2. Jahrhunderts im Christentum eine Strömung gab, die das Alte Testament nur als eine zweitrangige Schrift ansah. Die Liste, die Meliton um ca. 150 aufstellte, stimmte mit den Büchern überein, die die Rabbiner in der Zeit zwischen 70 und 100 in ihren Kanon aufgenommen haben. Hiervon ausgenommen ist das Buch Esther. In dieser Zusammenstellung sind somit die Anfänge einer normativen christlichen Schrift zu finden. Diese Tatsache ist in den späteren Ausführungen über die Homilie[4] wichtig.

Die meisten der sechzehn oder siebzehn Werke sind, wie gesagt, verloren gegangen. Der Inhalt von dreien seiner Schriften ist jedoch von Eusebius überliefert: Zwei Bücher über das Pascha (ta peri tou pasca duo), eine Apologie an Antoninus (to pros Antwninon biblidion) und die Auszüge (eklogai). Verwunderlich vor allem in seiner Apologetik ist, dass er, neben den üblichen Aussagen in solch einer Schrift, das römische Imperium positiv würdigt. Außerdem sagt er aus, dass das Christentum ausschließlich unter schlechten Herrschern wie Nero oder Domitian verfolgt wurde. Dies lässt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit darin begründen, dass, trotz der Hinrichtung Jesu durch Pontius Pilatus, die römischen Behörden die sich entwickelnde Christengemeinde nicht unterdrückten, zumal diese für sie vom Judentum kaum zu unterscheiden war. Eine Ausnahme bildete jedoch die neronische Christenverfolgung im Jahre 64. Die Christen wurden aber zu dieser Zeit nicht wegen ihrer Religion verfolgt, sondern wegen der angeblichen Brandstiftung in Rom.

Nachdem also Melito die kanonische Aufstellung der Schriften in Palästina selbst vorgenommen hatte, prägte er den Begriff „Altes Testament“ (h palaia diaJhkh). Somit war die erste christliche Aufzählung des alttestamentlichen Kanons entstanden. Das wichtigste Werk Melitos (lateinisch übrigens Meliton) ist seine Schrift über das Pascha (peri pasca). In ihr finden wir die älteste erhalten Osterhomilie. Durch sie wird Melito zum ersten so genannten Dichter des „Gottesmordes“, indem er in der Homilie die Verantwortung für den Tod Jesu dem Volke Israel auferlegt.

Melitos Vorstellungen von Kirche und Staat haben weite Verbreitung gefunden. Sie wurden von vielen Kirchenschriftstellern zu seiner Zeit und auch später aufgenommen. In seiner Osterpredigt erscheint Melito als Wegbereiter einer griechischen christlichen Rhetorik, wobei er wohl ebenso orientalische wie griechische Stilmittel verwendet. Das Werk Melitos ermöglicht der heutigen theologischen Forschung einen Einblick in das gottesdienstliche Leben und die Theologie in Kleinasien im 2. Jahrhundert.

2 Was ist der Gottesmordvorwurf an sich?

Der Gottesmordvorwurf, auch Christusmordvorwurf genannt, bezichtigt die Juden, also das Volk Israel, des Mordes durch die Verurteilung und Hinrichtung von Jesus Christus. Ausgesagt wird, dass der römische Stadthalter Pontius Pilatus aufgrund der Anklage des jüdischen hohen Rates Jesus hat hinrichten lassen[5]. Der Christusmordvorwurf wurde trotz vieler Widersprüche von vielen Kirchen nicht nur im Mittelalter weitergeführt. Erst mit dem zweiten Vatikanischen Konzil (1962 – 65) wurde der Vorwurf für nicht mehr gültig erklärt. (Vgl. Punkt 5)

In Literatur und Kunst war der Gottesmordvorwurf immer wieder ein beliebtes Motiv (z.B. bei Albrecht Dürer).

3 Ablösung des Christentums vom Judentum - Geschichtlicher Hintergrund der Osterhomilie

Die wechselseitige Trennung von Juden und Christen, von Synagoga und Ecclesia begründet sich letztendlich in der Frage der Messianität Jesu[6]. War also Jesus der Messias und Gottes Sohn, oder nicht? Die positive Beantwortung der Frage widersprach nämlich grundsätzlich den jüdischen Vorstellungen und hätte außerdem das Eintreten der eschatologischen Heilszeit impliziert. Diese Frage hat die Mitglieder der Urgemeinde, die ja alle Juden waren und somit nach jüdischen Gesetzen lebten, geteilt. Die Uneinigkeit über diese Frage hatte mehrere Konsequenzen. Zum ersten Mal gab es Differenzen darüber, wie die Schrift auszulegen sei. Daraus resultierend war die Einhaltung der streng jüdischen Gesetze nicht mehr selbstverständlich. Außerdem war es nicht mehr möglich genau zu differenzieren, wer letztendlich zu Gottes auserwähltem Volk gehört und wer nicht. Das Gottesvolk wurde nun als Kirche Christi bezeichnet. Das so genannte Heidenchristentum verbreitete sich nämlich sehr schnell in der römisch–hellenistischen Welt, da unter anderem die Beziehung der Gottesherrschaft auf Jesu Person sehr wichtig war. Dies bedeutete, dass auch Nicht–Juden zum Christentum konvertierten. Als Zeichen des Bundes galt nun nicht mehr die Beschneidung und das Gesetz, welches jetzt nur noch als ethische Norm galt, sondern der Glaube an Jesus und die Taufe. Dadurch wurden kulturelle und soziale Differenzen enorm vergrößert. Die Juden–Feindschaft auf Seiten der Heiden–Christen förderte die Ausstoßung der Christen aus den Synagogen. Dies resultierte zusätzlich aus der Tatsache, dass die Christen sich teilweise nicht an jüdischen Aufständen gegen die Römer (z. B 66–70 n. Chr.) beteiligten, was auf Unverständnis der jüdischen Bevölkerung traf. Die vollständige Ablösung des Christentums vom Judentum hatte zur Folge, dass auch die Judenchristen, die eigentlich an den jüdischen Bräuchen und Gesetzen festhielten, im 2. Jahrhundert als Häretiker, also als eine Gruppe, die im Widerspruch zu dem Kirchendogma stand, ausgestoßen wurden. Diese Krise förderte in immer größerem Maße die Bildung einer Großkirche. Die Ablehnung des Judentums wurde nun sogar so groß, dass zum Beispiel im Barnabasbrief nachzulesen ist, dass die Juden die heilige Schrift und das Gesetz von Anfang an völlig missverstanden hätten und einen gottwidrigen Tempel– und Opferkult eingeführten hätten. Somit wären sie niemals das auserwählte Volk Gottes gewesen. Dennoch blieben gewisse Bräuche und jüdische Traditionen Teil der christlichen Theologie, wie ich später noch bei der Homilie aufzeigen werde. Somit folgten zu dieser Zeit theologische Konzepte und Schriftauslegungen prinzipiell keinem einheitlichen Muster. Verschiedene Komplexe und unkonturierte Vorstellungen bestanden nebeneinander. Im 2. – 4. Jahrhundert bildete sich also, wie ausgeführt, eine grobe Ablehnung der religiösen Denkrichtungen der Juden heraus. Diese Ablehnung wird als Antijudaismus bezeichnet. Konkret bildete sich dieser erst im 4. Jahrhundert aus, wurzelte aber im Prinzip schon im 2. und 3. Jahrhundert in der Aussage, die Juden hätten Christus getötet. Dadurch entwickelte sich der polemisch stereotype Ausdruck von Juden als Gottesmördern. Es entstand ein regelrechter Judenhass. Diese Polemik wurde nun das erste Mal bei Melito von Sardes in seiner Osterhomilie deutlich.

[...]


[1] Vgl. Andresen, C., Art. Melito, in: RGG 3. u. 4. Aufl., Bd. IV, Tübingen 1960, Sp. 846.

Vgl. Hall, S.G., Art. Melito von Sardes, in: TRE Bd. XXII, Berlin – New York 1992, S. 424 – 428.

Vgl. Auf der Maur, J., Art. Meliton von Sardes „Über das Pascha“ – Die älteste bekannte christliche Osterpredigt (2.Jh.) Jüdische Wurzeln – christliche Neuinterpretation – antijüdische Polemik, in: IDCIV – Vorträge (Informationszentrum im Dienste der christlich – jüdischen Verständigung) Nr.36, Wien März 1988, S. 1.

[2] Sardes : Antike Stadt in Kleinasien, am nördlichen Fuße des Tmolosgebirges, etwa 100km nordöstlich

von Smyrna (heute Izmir, Türkei). Sardes erlebte als Sitz der lydischen Könige im 7./6. Jahrhundert v.

Chr. seine Blütezeit. 546 v. Chr. kam die Stadt unter persische Herrschaft, 188 v. Chr. unter

pergamenische, und etwa 60 Jahre später kam sie zur römischen Provinz Asia.

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[3] Vgl. http://www.bautz.de/bbkl/e/eusebius_v_cae.shtml .

[4] Homilie, formlose Predigt über einen Abschnitt aus der Bibel, die die wörtliche oder moralische

Bedeutung des Textes erklären soll. Der Brauch, bei Gottesdiensten aus der Heiligen Schrift zu lesen und die Lehre in allgemeinverständlicher Form zu erklären, war zuerst bei den Juden verbreitet und wurde von der christlichen Frühkirche übernommen. Ein großer Teil der mittelalterlichen Literatur ist homiletischer Natur. Microsoft® Encarta® Professional 2002. © 1993-2001 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

[5] Vgl. Vogt, B., Art. Christusmord–Vorwurf, in: Neues Lexikon des Judentums, hg. v. Schoeps, J.H.,

Gütersloh – München 1998, S. 168.

[6] Vgl. Hauschild, W.-D., Lehrbuch der Kirchen – und Dogmengeschichte, Bd. 1, 2.Aufl. Gütersloh 2000,

S. 63, 64, 65.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Melito von Sardes und der Gottesmordvorwurf
Hochschule
Universität Münster  (Evangelisch Theologische Fakultät)
Veranstaltung
Luther und die Juden
Note
2
Jahr
2004
Seiten
12
Katalognummer
V34964
ISBN (eBook)
9783638350334
Dateigröße
394 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Melito, Sardes, Gottesmordvorwurf, Luther, Juden
Arbeit zitieren
Anonym, 2004, Melito von Sardes und der Gottesmordvorwurf, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/34964

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