Die Inszenierung des Unheimlichen in dem Suspense Horrorfilm "Der weiße Hai" (engl. "Jaws")


Hausarbeit, 2016

23 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung – Das Horrorgenre in Bezug auf Der weiße Hai

2. Die Geschichte des Horrorgenres
2.1 Die Darstellung des Unheimlichen

3. Der Film – Der weiße Hai (engl. Jaws)

4. Die Inszenierung des Weißen Hais im Film

5. Fazit – Das Spiel mit der Gespanntheit (Suspense)

Literaturverzeichnis

Anhang

1. Einleitung – Das Horrorgenre in Bezug auf Der weiße Hai

Das Horrorgenre ist ein nicht mehr wegzudenkender Bestandteil unserer Kultur – die Lust am filmischen Horror ist ein Massenphänomen das auf allgemeinmenschlichen Urängsten beruht und in der Geisteswelt des 19. Jahrhunderts verwurzelt ist. Das Genre des Horrorfilms fasziniert. Nicht nur seine Fans oder das Mainstream-Publikum, sondern vor allem auch die Kritiker und Analytiker haben ein großes Interesse an dem Genre. Für die einen ist es gute Unterhaltung, für die anderen wiederum schlechte und für die nächsten die Gefährdung des/der jugendlichen Rezipienten/innen. Horrorfilme rufen gezielt bei dem/den Rezipienten/innen Angst, Panik, Schrecken, Gruseln und Ekel aus, indem sie den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse, Gewalt und die Rache der Natur thematisieren (vgl. Vossen 2009, 10). Diese kathartische Wirkung, die schon Aristoteles in seiner Katharsis Theorie beschrieben, wird in Horrorfilmen ausgelöst durch die perfekte Inszenierung des Unheimlichen. Der Horrorfilm sowie jedes andere Medium des fiktionalen Horrors lebt von diesen negativen Emotionen der Menschen. Sobald nichts mehr existieren würde, was uns Menschen Angst einjagen und ekeln würde, würde das Genre aussterben.

Im Rahmen dieser Arbeit mit dem Thema Die Inszenierung des Unheimlichen möchte ich anhand ausgewählter Szenen des Filmes Der weiße Hai (Original Jaws) von Steven Spielberg aus dem Jahre 1974 die Darstellung des Haies in Bezug auf die Mise en Scène, den Ton und die Kameraführung analysieren. In Bezug auf den Forschungsgengenstand der Geschichte des Horrorgenres und Freuds Theorie des Unheimlichen beschäftigt sich diese Arbeit mit der Frage: Mithilfe welcher filmischen Mittel deutet Steven Spielberg den weißen Hai an und ruft Schreckensmomente bei den Zuschauern hervor?

Denn neben den aufwändigen Spezialeffekten setzt Spielberg eine Reihe von Schaueffekte ein, die Jaws zu einem der effektvollsten und wirksamsten Filme machten. Der Regisseur bedient sich dabei der Kameratechnik des britischen Filmregisseurs und Produzenten Alfred Hitchcocks und setzte gezielt auf „Suspense“ (Vortäuschung von Gefahr). So basiert die Spannung des Films im Wesentlichen auf dem „Spiel mit den Erwartungen und Ängsten des Zuschauers“ (Koebner 1995, 364).

Denn der/die Zuschauer/innen weiß von der Existenz des Hais, bekommt ihn aber bis zur Hälfte des Filmes nicht zu sehen.

2. Die Geschichte des Horrorgenres

Historisch stammt der Horrorfilm vom Bühnen-Melodrama des 19. Jahrhunderts ab, das sich oft an den Schauromanen orientiert. Schon Marx stellte die gegebene Ordnung in Frage, Darwin begründetet die Theorie vom „survial oft the fittest“, als antichristliches Symbol des Lebenskampfes und Freud blickte ins Unterbewusste und fokussierte den Schrecken, der wir selber sind (vgl. Vossen 2009, 9). Die Entwicklung des filmischen Horrorgenres begann fast zeitgleich mit der Entwicklung des Films selbst. Horrorfilme, die wie Science Fiction und Fantasy als Teil des phantastischen Kinos gelten, da sie nicht an die Gesetzte der Wirklichkeit gebunden sind, thematisieren Urängste und negative Erfahrungen der Kindheit, auf Dinge, die selbst Erwachsenen noch Alpträume bescheren (vgl. Vossen 2009, 12). Dramaturgisch lebt der Horrorfilm von der paradoxen Gegenüberstellung von Ausnahme und Regel – wenn die Regel erwartet wird, reagiert die Ausnahme, und umgekehrt. Es besteht ein ewiger Kampf zwischen Gut und Böse, um Gewalt, die Rache der Natur und die Angst vor dem Unbekannten (vgl. Vossen 2009, 10). Dennoch ist im Horrorgenre die Welt der Fiktion mit der Welt unserer Realität weitestgehend deckungsgleich, bis auf eine entscheidende Störung. Diese Deckungsgleichheit ist die Vorrausetzung dafür, dass bei den Rezipienten/innen überhaupt Emotionen hervorgerufen werden können. Damit dieser Effekt des Grauens entstehen kann, versucht der Horrorfilm eine starke emotionale Identifikation des/der Zuschauers/innen mit den/der bedrohten Protagonisten/in zu erzeugen. Das Genre ist darauf angewiesen, dass der/die Rezipient/innen das Filmgeschehen mit den Augen der Filmperson betrachtet. Diese Gefühle, die das Horrorkino bei dem/der Betrachter/innen auslöst, sind ebenso individuell, wie zeitabhängig. Denn Filme sind soziale Konstruktionen, das heißt sie sind involviert in einen bestimmten sozialen und kulturellen Rahmen (vgl. Pechmann 2010, 3). Somit führen die Änderungen der Rahmenbedingungen zu Änderungen in der Darstellungsweise von Filmen. Horrorfilme sind hierbei besonders sensibel, da jede Zeit ihren eigenen Schrecken hat und die Gesellschaft einem ständigen Wandel unterzogen ist. Die daraus ziehende Konsequenz ist, dass sich das Konzept der Filme parallel zur Gesellschaft verändert und den sozialen Wandel widerspiegelt.

Bereits in den 30er und 40er Jahren entstanden in den USA entscheidende Schlüsselfiguren für das Genre, die die Situation der Gesellschaft verdeutlichen. Frankenstein (1931), Freaks (1932) und Cat Peaple (1942) verkörperten den sozialen Außenseiter, die es schwer haben sich in der Gesellschaft zurecht zu finden. Dies macht deutlich, dass es in der Gesellschaft keinen Platz für Menschen gibt, die sich den Normen nicht anpassen können (vgl. Pechmann 2010, 17).

Die Horrorfilme der 50er Jahre wurden geprägt von fast schon krankhaften Paranoia. Die Filme stellten die USA als die Nation dar, die die Welt vor einer fremden Invasion beschützen sollte. Die US-amerikanische Gesellschaft wurde überlegen und fortschrittlich repräsentiert. Der Ursprung für diesen Wandel lag im Kalten Krieg und damit in der Konfrontation zweier Ideologien (vgl. Pechmann 2010, 19).

Die 60er Jahre waren stark geprägt von gesellschaftlichen Veränderungen, wie die Emanzipation der Frau, die Suche nach sozialen Alternativen der jungen Menschen und der Kampf um die Gleichberechtigung der Rassen. Somit löst dieses Jahrzehnt eine plötzliches Fremdsein und damit ein soziales Unbehagen aus, welches sich auch in den Filme widerspiegelt (vgl. Pechmann, 30). Speziell die Horrorfilme, wie Psycho (1960) thematisieren die Angst vor dem Fremden, die Zunahme des Vertrauensverlust und damit die Zunahme des Unheimlichen in der Gesellschaft.

Was die Moderne versuchte in Ordnung zu bringen, brachte die Postmoderne durcheinander. Sie verwies keinesfalls auf ein klares, eindeutiges Weltbild in dem Frieden herrschte. In den 70er Jahren entstand ein soziales Chaos und Krisenbewusstsein, das sich auf individueller, gesellschaftlicher Ebene abspielt und die Grenzen zwischen Gut und Böse, Wahrheit und Lüge, Richtig und Falsch verschwimmen ließ. Die Katastrophe kann jederzeit hereinbrechen und jegliche menschliche Existenz vernichten. Wie zuvor entdeckt das Horrorgenre diese und ähnliche Weltuntergangsvisionen für sich, da diese ein enormes Potential an sozialen Ängsten offenbarte (vgl. Pechmann 2010, 41), wie in den Filmen Der Exorzist (1973) und Jaws (1975 ).

In den 80ern legte das Horrorgenre dann seine Ernsthaftigkeit ab und offenbarte sich als Form der Satire mit Ironie und schwarzem Humor. Beispielhaft dafür die ist Horror-Komödie Ghostbusters (1984).

Einige Jahre später kennzeichnetet sich in Hollywood in den 90er Jahren eine Schaffenskrise. Es fehlte den Regisseuren/innen und Produktionsfirmen an guten Drehbüchern. Zudem befanden sich, durch die Globalisierung des Filmmarktes, immer mehr japanische und thailändische Produktionen in den Kinos. Auch die europäischen Filmindustrien erhielten Aufwind. Das Genre reagierte darauf mit zahlreichen Remakes, Bearbeitungen, Fortsetzungen sowie Ripp-offs und Spin-offs, die im Idealfall versuchen einen Schrecken für ihre Zeit zu erzeugen.

Mit diesen Entwicklung folgt der Horrorfilm seinem grundlegenden Bestreben, der Gesellschaft einen zeitgemäßen Spiegel vorzuhalten.

Das Genre ist ein reflexives Moment, das den Zuschauer immer wieder auf sich selbst zurückweist (vgl. Vossen 2009, 13).

2.1 Die Darstellung des Unheimlichen

„Das Unheimliche ist [...] [ein] Gefühl des Schreckhaften, der Angst und [des] Grauen [..] [und] beunruhigt den Menschen als verstörende Irritation nicht selten in alltäglichen Situationen (Online Wörterbuch, Stichwort Unheimlich). Schon früh zeigte sich, dass etwas derart Unangenehmes wie Schauer, Schrecken oder Ekel etwas sehr viel Angenehmeres wie Unterhaltung erzeugen kann. „Die Lust am filmischen Horror ist ein Massenphänomen, das auf allgemeinmenschlichen Urängsten beruht“ (Vossen 2009, 9). Bereits in der Literatur waren E.T.A. Hoffmann (vgl. Bibliographie von E.T.A. Hoffmann, E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft e.V.) und Franz Kafka (vgl. Franz Kafka, Danielle Schippers) Meister darin, ihren Erzählungen eine unheimliche Atmosphäre zu verleihen. In der bildenden Kunst lassen sich Johann Heinrich Füssli (vgl. Wikipedia, Stichwort Johann Heinrich Füssli) und A. Paul Weber (vgl. A. Paul Weber – Das Werk, Dr. Klaus J. Dorsch) nennen und ein Beispiel aus der Musik ist die Komposition Eine Nacht auf dem kahlen Berge von Mussorgsky (vgl. 1867 Modest Mussorgski (1839-1881) Symphonische Dichtung „Eine Nacht auf dem kahlen Berge“, Klaus Heitmann)

Der Film vereint diese verschieden Medien zu einem neuen und führt somit auf komplexe Weise Motive des Unheimlichen an. Filmemacher, wie Alfred Hitchcock und David Lynch beschäftigten sich in ihren Filmen mit der Verbindung zwischen Vertrauten und Unbekannten, die die Ästhetik des Unheimlichen hervorruft (vgl. Angst im Kino, Jürgen Dreyer). Auch Steven Spielberg wandte diese Technik in dem Suspense Horrorfilm Jaws an.

Um eine Antwort auf die Frage über die Lust am Horror zu bekommen, sollte ein Blick auf Sigmund Freuds Essay über Das Unheimliche aus dem Jahr 1919 geworfen werden. Obwohl sich diese psychoanalytische Überlegung nicht namentlich mit dem Phänomen des Horrors befasst, können sie dennoch als eine Untersuchung zur Thematik gesehen werden.

Freud verstand unter dem Unheimlichen nicht nur das Unvertraute, wie Ernst Jentsch, sondern zugleich auch das Vertraute. Er begreift das Gefühl des Unheimlichen als eine bestimmte Form der Angst, die auf zwei Quellen zurückzuführen sind: auf die Widerkehr des Verdrängten und auf die Wiederbelebung eines überwundenen Verständnisses von Realität, welches sich im Unterbewusstsein verborgen hielt (vgl. Moldenhauer 2016, 51).

Die Etymologie des Wortes „unheimlich“ kommt der Freudschen Analyse entgegen. „Unheimlich“ entwickelt sich als Gegenteil zum Wort „heim“ und dessen Assoziationen zu „Heimatlich“ und „Häuslich“, also das Vertraute (vgl. Freud 2012, 18ff.). Demzufolge wird das Heimliche mit dem Unheimlichen nahezu identisch. So erklärt sich Freud, dass das Unheimliche nichts Fremdes oder Neues darstellt, sondern etwas Vertrautes, dass nur durch den Prozess der Verdrängung entfremdet worden ist (vgl. Moldenhauer 2016, 54).

Für das Genre des Horrors bedeutet das, dass das Grauenerregende nur durch das Vertraute mittelbar gemacht werden kann, was sich insbesondere auf der visuellen Ebene, vor allem im Medium Film zeigt. Das Monster des Genres sei somit nicht nur der Auslöser von Angst und Ekel, sondern zugleich auch Objekt der Neugier des/der Zuschauers/innen (vgl. Moldenhauer 2016, 54). Der/die Rezipient/in hat/haben also letztlich nicht Angst vor dem Unbekannten, sondern, dass dieses sich als ähnlich furchtbar erweisen könnte wie das Bekannte. Wichtig dabei ist nur, dass die Grenzen zwischen der Realität des/der Rezipienten/innen und der Fiktion verschwimmen und der/die Zuschauer/innen sich somit mit den Protagonisten/innen identifizieren kann.

3. Der Film – Der weiße Hai (engl.Jaws)

Der weiße Hai (1974) ist einer der erfolgreichsten und wichtigsten Werke der amerikanischen Filmgeschichte und schaffte in den siebziger Jahren zusammen mit The Exorcist (1973) und The Omen (1976) einen Meilenstein auf dem Weg zur Massenakzeptanz des modernen Horrorfilms (vgl. Vossen 2009, 212). Der Regisseur Steven Spielberg markierte damit den Beginn der Blockbuster – Ära und brach regelmäßige Zuschauerrekorde in den Kinos. Als erster Film der Filmgeschichte überschritt er bei den Einspielergebnissen die 100-Millionen-Dollar-Grenze (vgl. Vossen 2009, 213).

Damals wie heute gilt die Bedrohung, um die es in Jaws geht, als zeitlos und stellt die menschlichen Urängste von dem Mysterium der Tiefen dar. Gerade weil Spielberg auf alles Übernatürliche verzichtet und es kein phantastisches Monster darstellt, hat sich der Film tief in das Bewusstsein der Menschen eingegraben.

Der Film spielt auf der kleinen Urlaubsinsel Amity vor der US-amerikanischen Ostküste zwischen dem 1. und 12. Juli 1916. In Folge dessen, dass am Strand des Orts ein Mädchen von einem Hai angegriffen wurde und getötet wurde, möchte der Polizeichef der Stadt, Martin Brody, den Strand sperren lassen. Der Bürgermeister Vaughn widersetzt sich aber diesem Vorhaben, da das erste Ferienwochenende ansteht und in seinen Augen, wäre eine Sperrung ein großer kommerzieller Verlust. Der Bürgermeister möchte den tragischen Fall vertuschen und vertraut darauf, dass der Hai weiterzeiht. Doch gleich am nächsten Tag greift der Hai den kleinen Jungen Alex Kintner an und töten ihn. Seine Mutter setzt daraufhin 3.000 Dollar zur Belohnung an, den Hai zu töten. Der Haijäger Quint wurde das Tier für 10.000 Dollar versuchen zu töten, welches der Bürgermeister aber ablehnt. Kurz darauf geht eine große Anzahl von selbst ernannten Haifängern in vergnüglicher Stimmung auf die Jagt, die tatsächlich auch erfolgreich war. Einige der Amateurfischer erlegten einen großen Hai, doch der junge Meeresbiologe Matt Hooper, der von der Polizei angefordert wurde, bezweifelt, dass es sich bei dem Fisch um den gesuchten Hai handelt. Gemeinsam mit Brody untersucht er den Mageninhalt des Tieres, um für seine Vermutung ein Beweis zu finden. Tatsächlich zeigt sich, dass der Hai nicht der gesuchte Mörder sein kann, da keine menschlichen Überreste im Magen des Tieres zu finden waren. Noch in der selben Nacht machen sich Hooper und Brody auf den Weg, um den Hai zu finden. Ihre Suche endet, als sie ein demoliertes Fischerboot entdeckten. Bei einem Tauchgang stoß Hooper auf die Leiche des Fischers und auf einen großen Zahn von einem Weißhai. Doch auch von diesem Fund lässt sich der Bürgermeister nicht beeinflussen und befielt die Eröffnung des Strandes für die Touristen. Genau zum Unabhängigkeitstag taucht der Hai erneut auf und frisst einen Ruderer von den Augen der Kinder Chief Brodys. Endlich ist der Bürgermeister bereit, das Angebot des Haifischjägers Quint anzunehmen, der das Tier für eine Prämie von 10.000 Dollar zu töten versucht. Gemeinsam mit Hooper und Brody macht sich Quint auf die Suche nach dem Hai. Schon kurz darauf werden sie fündig, doch ihnen gelingt es nicht den Hai zu fangen. Hooper misslingt es, den Hai mit einer Giftspritze zu töten und kann dem gefährlichen Tier gerade noch entkommen. Der Hai demoliert daraufhin das Boot und tötet Quint. Schließlich gelingt es Brody dem Fisch eine Pressluftflasche in den Rachen zu werfen und diese durch einen Schuss zum explodieren zu bringen. In Zusammenarbeit mit Hooper rettet sich Brody zum Strand zurück (vgl. Film: Der weiße Hai).

4. Die Inszenierung des Weißen Hais im Film

„Das Unsichtbare flößt mehr Angst ein, als das Sichtbare“ (Der weiße Hai, o.V.).

Diesen Leitsatz verfolgte nicht nur the master of suspense Alfred Hitchcock in seinen Filmen wie zum Beispiel bei The Birds (vgl. Schwanebeck 2015, 63), sondern auch Steven Spielberg in dem Blockbuster Der weiße Hai.

Indem er dem Publikum das rund acht Meter lange Hai-Modell (s. Abbild 1) für die längste Zeit des Filmes vorenthält und sogar in späteren Sequenzen nur die Resultate seiner Handlungen gezeigt werden, erzeugt Spielberg durch die Erwartung des/der Zuschauers/innen Spannung und Dramaturgie. „Nichts wird dem Zufall überlassen, jeder Schreckensmoment ist sorgfältig vorbereitet und minutiös getimt“ (Vossen 2009, 214). Die Zutaten für eine spannungsgeladene Stimmung in einem Horrorfilm, sind Musik, Geräusche und die jeweilige Atmosphäre. Doch entscheidend für die Entstehung der Spannung ist vor allem die Art und Weise der Verwendung dieser Elemente in Zusammenhang mit Frequenz, Kameraführung, Timing und Lautstärke. Am Anfang des Filmes sind nur die charakteristischen Rückenflossen des Hais und ein dunkler Schatten zu erkennen. Die Angriffsszenen werden hauptsächliche auf der Perspektive des Haies gefilmt. Erst nachdem der Film eine Stunde gelaufen ist, sieht man den monströsen Fisch zum ersten Mal.

Bereits die ersten Sekunden des Filmes verdeutlichen die Inszenierung des Tieres sehr gut:

In dem 1:21 minütigen Vorspann sieht der/die Zuschauer/in die Unterwasserwelt aus der Sicht des Haies, es wird der point-of-view-shot angewandt. Es gibt dem/der Rezipienten/in das Gefühl, er/sie schwimmt wie der Hai durch das Meer, durch Algen und verschiedene Pflanzen. Die Gefahr des Fisches wird verstärkt durch die immer lauter werdende, bedrohlich klingende Musik des Komponisten John Williams (vgl. Wikipedia, Suchwort Der weiße Hai). Der Vorspann endet mit einer abrupten Ausblendung der Musik und einem weichen Schnitt (soft-cut).

Der erste Haiangriff folgt wenige Minuten später in der 3. Szene (s. Tabelle). Ein Mädchen aus der Gruppe Jugendlicher rennt zum Strand und macht einen Kopfsprung ins dunkle Wasser. Durch die Kameraeinstellung extreme-long-shot, sieht der/die Zuschauer/in das ganze Meer, den Horizont und ungefähr in der Mitte des Bildes schwimmt das Mädchen von einer Bildseite zur nächsten. Nur ein schwarzer Umriss ist von ihr zu erkennen, da das Licht den natürlichen Umständen angepasst wurde. Das Meer sowie der Himmel sind dunkel, einzig das Mondlicht spiegelt sich im Wasser. Zudem hört man nur die Wellen rauschen, es wurden somit die Geräusche der Drehumgebung aufgenommen (Atmo). Nachdem sie, immer noch in der gleichen Einstellung, kurzzeitig untergetaucht ist, erfolgt ein harter Schnitt (straight-cut). Sie ruft ihrem Freund nach, indem ein close- up angewandt wurde. Der/die Zuschauer/in erkennt durch die dunklen Lichtverhältnisse nur den Umriss vom Kopf in einer Normalsicht. Nach einem harten Schnitt sieht der/die Betrachter/in das Mädchen aus Sicht des Haies in einem point-of-view-shot (s. Abbild 2). Das Wasser ist tiefblau, nur dort wo sie schwimmt leuchtet das Meer durch die Mondeinstrahlung hellblau und der/die Zuschauer/in erkennt aus der Untersicht den Umriss der jungen Frau. Leise erhört man noch die Wellengeräusche, doch die Musik von John Williams übertönen diese beinah. Die eingespielten Klänge ertönen aber weniger bedrohlich. Die Kameraeinstellung wechselt wieder durch einen harten Schnitt zur Totale (very-long-shot) und der/die Betrachter/in sieht das Mädchen in der Normalsicht schwimmen. Das Rauschen der Wellen ist zu hören und die Musik bleibt die gleiche. Durch einen harten Schnitt verändert sich die Einstellung der Kamera zu einem close-up und der/die Rezipient/in sieht den Kopf des Mädchen im Detail. Anschließend sieht der/die Zuschauer/in mithilfe eines point-of-view-shots und der Untersicht das schwimmende Mädchen erneut aus der Sicht des Haies, der sich langsam auf seine Beute zubewegt. Dieses Mal ist der Hai aber sehr viel näher dran und das Wasser ist einheitlich dunkelblau. Durch einen Zoom und das Schwenken der Kamera unter Wasser fühlt sich der Zuschauer ins Geschehen involviert. Zeitgleich wechselt die Musik ins bedrohliche und ertönt immer lauter je näher der Fisch an die junge Frau herankommt. Kurz bevor der Hai das Mädchen attackiert, wechselt die Kamera durch einen harten Schnitt wieder ihre Perspektive in einen medium close-up. Es wird der Kopf und die Schultern des Mädchens über Wasser gezeigt, die Musik bleibt die selbe. Ruckartig wird sie zwei Mal hintereinander ins Wasser gezogen, wobei der Kopf des Mädchens in einem clos- up zu sehen ist. Der erste Versuch des Haies das Mädchen runterzuziehen wird verstärkt durch einen laute Akzentuierung des Sounds, darauf folgend ertönt die Musik eher leiser, aber dennoch bedrohlich. Das Mädchen fängt an zu schreien und die Kamera wechselt durch einen unsichtbaren Schnitt zum medium-long-shot, bei dem der/die Zuschauer/in durch eine Normalsicht sieht, dass die junge Frau vom Hai durch das Meer gezehrt wird. Schreiend wird sie von einer Bildseite zur anderen gezogen und durch einen kurzen Einstellungswechsel zum close-up kann der/die Zuschauer/in ihr hilfloses Gesicht genau erkennen (s. Abbild 3). Dieses hat eine emotionale und identifikationsstiftende Wirkung auf den/die Rezipienten/in. Die Musik von Williams wird während des Angriffs immer lauter und bedrohlicher und der/die Zuschauer/in verspürt das Gefühl am Kampf beteiligt zu sein. Durch einen harten Schnitt wechselt die Kamera für einen kurzen Augenblick ans Ufer, an dem sich ihr betrunkener Freund befindet. Die Musik geht abrupt aus und für ein paar Sekunden ist es ganz ruhig. Die Spannung wird kurzzeitig abgebaut und man bekommt das Gefühl als sei der Angriff vorbei, da sich das Licht abdunkelt. Nach einem weichen Schnitt sieht der/die Zuschauer/in durch eine Normalsicht und in einem clos- up erneut das schreiende Mädchen im Wasser. Die Musik erklingt erneut in beängstigten Tönen, welche aber von den Schreien übertönt werden. Der/die Zuschauer/in bekommt bei diesen Aufnahmen den Eindruck, als schwimme er/sie unmittelbar neben der jungen Frau, denn das Meerwasser schwappt durch die hektischen Bewegungen des Mädchens teilweise über die Kameralinse. Nach einem unsichtbaren Schnitt zu einem medium close- up wird sie vom Hai in einer Normalsicht zu einer Boje gezogen, an der sie sich festhält. Dies geschieht durch eine Kamerafahrt (tracking-shot). Die Seitfahrt wird dafür verwendet, den Zuschauer in den Handlungszusammenhang hinein zu versetzten. Während sie sich an der Boje festkrallt, wird die Musik ausgeblendet. Zuhören sind nun die Geräuschen der Wellen. Die Einstellung wechselt zum medium close-up, die bedrohliche Musik ertönt wieder und der Hai zieht sie immer näher zur Kamera bis sie in einem close-up zu sehen ist. Durch die Übereinstimmung der Handlungs- und Blickachse fühlt sich der/die Zuschauer/in durch den Angriff bedroht und involviert. Als der Hai sie herunterzieht, wird die Musik abrupt ausgeblendet, einzig die Klänge der Wellen sind noch zu hören (Atmo). Durch einen harten Schnitt wird noch ein letztes Mal in einer Totale (very-long-shot) das Strandufer gefilmt, an dem sich ihr Freund schlafend vorfindet. Das Licht dunkelt ab und durch einen letzten weichen Schnitt wird wie bereits zur Anfangsszene in einem extreme-long-shot das ruhige Meer gezeigt, als wäre nichts vorgefallen.

Deutlich wird die Inszenierung und Andeutung des Haies auch in der Szenen 13 (s. Tabelle), bei der zwei Inselbewohner versuchen den Hai nachts mit einem Köder an einem Autoreifen zu fangen.

Der Reifen, welcher in einem medium long shot zu sehen ist, schwimmt auf dem ruhigen Meer. Einzig das Pfeifen der beiden Bewohner und das Wellenrauschen sind zu hören. Durch eine leichte Aufsicht sieht der/die Zuschauer/in, wie der Reifen plötzlich runtergezogen wird und wider auftaucht.

[...]

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Die Inszenierung des Unheimlichen in dem Suspense Horrorfilm "Der weiße Hai" (engl. "Jaws")
Hochschule
Universität zu Köln  (Philosophische Fakultät)
Veranstaltung
Medienanalyse
Autor
Jahr
2016
Seiten
23
Katalognummer
V346923
ISBN (eBook)
9783668363052
ISBN (Buch)
9783668363069
Dateigröße
735 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Weiße Hai, Jaws, Medienanalyse, Horrorgenre, Horrorfilm, Suspense, Inszenierung
Arbeit zitieren
Franziska Drews (Autor:in), 2016, Die Inszenierung des Unheimlichen in dem Suspense Horrorfilm "Der weiße Hai" (engl. "Jaws"), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/346923

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