Die Transition in Mali und Togo

Eine akteurszentrierte Betrachtung


Hausarbeit, 2013

30 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretische Grundlagen
2.1. Demokratisierung in Afrika
2.2. Die Transformationstheorien
2.2.1. Paradigmenwechsel in der Transformationsforschung
2.2.2. Die Akteurstheorien
2.2.2.1. Deskriptiv-empirischer Ansatz
2.2.2.2. Rational choice-Ansatz
2.2.2.3. Die Bedeutung des Neopatrimonialismus in Afrika

3. Methode und Vorgehensweise

4. Historische Herkunft und politische Ereignisse in den Staaten Mali und Togo

5. Die Akteure
5.1. Die Rolle der Präsidenten
5.1.1. Traoré und Touré (Mali)
5.1.2. Gnassingbé Eyadema und Faure Gnassingbé (Togo)
5.2. Die Rolle des Militärs
5.2.1. Das Militär von Mali
5.2.2. Das Militär von Togo
5.3. Die Rolle der Nationalkonferenz
5.3.1. Die Nationalkonferenz von Mali
5.3.2. Die Nationalkonferenz von Togo

6. Fazit und Ausblick

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Anfang der 1990er Jahre kam es zu einer Welle von Demokratisierungsbemühungen in fast allen Ländern Subsahara-Afrikas, die sich scheinbar nahtlos in die Dritte Welle der Demokratisierung einfügte. Auch heute noch stehen die Erfolge und Rückschläge afrikanischer Länder auf dem Weg zu einem demokratischen System im Blickpunkt internationaler Aufmerksamkeit (z.B. Militärputsch 2012 in Mali; Wahlen 2005 und 2010 in Togo und 2013 in Mali). Ihre Untersuchung und Erforschung schreitet stetig voran - sei es in Einzelfallstudien (so Hanke 2001 und Meinhardt/Patel 2003) oder vergleichenden Fallstudien (u.a. Hartmann 1999) - und wirft auch Fragen bezüglich der Angemessenheit des Transitionskonzeptes auf (Carothers 2002; Hartmann 2001). Da die Erfolge afrikanischer Demokratisierungsversuche gemessen an funktionierenden liberalen Demokratien als Misserfolge gewertet werden müssen, soll mit der vorliegenden Arbeit nicht nach den Defiziten afrikanischer Demokratien im internationalen Vergleich gesucht werden, sondern - wie schon Hartmann (2001: 136) forderte - nach den Variablen gesucht werden, die zu einem erfolgreichen Systemwechsel (gemessen an afrikanischen Maßstäben) beitragen. Die Arbeit konzentriert sich daher auf den unterschiedlichen Transitionsverlauf zweier afrikanischer Länder und die unterschiedlichen Faktoren, die dabei wirkten. Unter einer erfolgreichen Transition wird der Übergang eines autokratischen Systems zu einem demokratischen verstanden, der sich in die Phasen Liberalisierung, Demokratisierung und Konsolidierung gliedert (vgl. u.a. Merkel 1999). Liberalisierung bedeutet dabei die Öffnung des politischen Systems, die Gewährung individueller Rechte und Schutz vor Willkür - aber noch innerhalb eines autoritären Systems. Demokratisierung meint hingegen die Einrichtung demokratischer Strukturen wie Gewaltenteilung und die Einrichtung eines Mehrparteiensystems (vgl. O´Donnell/Schmitter 1986: 7f). Transitionen müssen nicht zwingend in der Umsetzung demokratischer Strukturen enden, sondern können nach diesem Verständnis also auch scheitern bzw. stecken bleiben. Mit Mali wird in dieser Arbeit eines der wenigen Länder Afrikas herangezogen, das bis 2011 für einen erfolgreichen Transformationsprozess stand (vgl. Tetzlaff/Jakobeit 2005: 179; Hanke 2001). Zum Vergleich wird mit Togo ein ebenfalls frankophones afrikanisches Land gewählt, dessen Demokratisierungsbemühungen schon früh durch den autoritären Herrscher zunichte gemacht wurden (vgl. Helm 2004) und, dass sich nach den Wahlen 2005 und 2010 weiterhin in einem mühsamen Prozess zur Transition befindet (vgl. Dirksen 2010). Der ähnliche Kolonialisierungshintergrund der beiden Länder soll die Kolonialisierung als Ursache für unterschiedliche Transitionsverläufe weitestgehend ausschließen. Diese Annahme kann in der vorliegenden Arbeit zwar nicht untersucht werden, stützt sich aber auf die Untersuchungen anderer vergleichender Arbeiten (vgl. Hanke 2001: 55ff).

Es wurde schon viel über den möglichen Zusammenhang zwischen Demokratie und Entwicklung geschrieben (vgl. Lipset 1960; Przeworski/Limongi 1997) und lange Zeit wurde es als unmöglich angesehen, dass Länder wie Mali oder Togo einen erfolgreichen Demokratisierungsprozess vorweisen können (vgl. Tetzlaff/Jakobeit 2005).Vermeintliche Positivbeispiele wie der Fall Malis (bis Ende 2011) und die neuerliche Entwicklung in Togo widerlegen diese Annahme. Diese Debatte soll jedoch in die vorliegende Arbeit keinen Eingang finden; die Transitionsverläufe in Mali und Togo sollen unabhängig von ihrem jeweiligen Entwicklungsstand untersucht werden. Auch der Einfluss externer Faktoren soll in dieser Arbeit nicht thematisiert werden, obwohl beide Länder in den 80er Jahren an den Strukturanpassungsprogrammen von Weltbank und IWF teilnahmen und dadurch einen gewissen Druck erfuhren, Liberalisierungsmaßnahmen durchzuführen. Dieses kann aber in beiden Ländern als nicht ausschlaggebend für den Transitionsprozess angesehen werden.

Die Transitionsverläufe der beiden Länder sollen daraufhin untersucht werden, warum der Transitionsverlauf in Mali und Togo so unterschiedlich war und, welche internen Faktoren und Akteure für den unterschiedlichen Verlauf und das Scheitern verantwortlich waren. Ferner soll untersucht werden, welche Rolle hierbei das Militär spielte. Beiseite gelassen werden soll die Betrachtung der protestierenden Bevölkerung und zivilen Oppositionsgruppen. Ihre Entstehung und Aktivitäten gleichen sich in den beiden Ländern: In Mali als auch in Togo formierte sich Widerstand gegen das autoritäre Regime aufgrund wirtschaftlicher Engpässe und Krisen. Dieser Widerstand organisierte sich zuerst überwiegend in Beamten- und Studentenkreisen, die von dem Verlust staatlicher Arbeitsstellen und damit dem Rückgang klientelistischer Versorgung in diesen Staaten am meisten betroffen waren. Aufgrund mangelnder Reformmaßnahmen schlug dies rasch in Protest gegen den Herrschenden und das bestehende politische System um. Dieser Protest exkludierter Gruppen, die ihren Zugang zum klientelistischen System forderten, bezeichnet Hanke als mitverantwortlich für die Transitionsbemühungen in Mali (vgl. Hanke 2001: 107-111).

Begonnen wird mit der Erläuterung der zugrunde gelegten theoretischen Grundlage. Der sich innerhalb der Transformationsforschung vollzogene Paradigmenwechsel von der entwicklungstheoretischen hin zur akteurszentrierten Forschung erklärt die Konzentration auf die akteurszentrierte Betrachtungsweise dieser Arbeit. Auch die Bedeutung des Neopatrimonialismus in Afrika soll daher erläutert werden.

Das Konzepts neopatrimonialer Herrschaft war für den afrikanischen Kontinent von herausragender Bedeutung und ist nach Bratton/van de Walle (1997) auch Implikator für den Transitionsverlauf in afrikanischen Staaten

Danach wird jeweils der Verlauf des Transitionsprozesses in Mali und Togo Anfang der 90er Jahre skizziert und seine Vorgeschichte seit der Unabhängigkeit miteinbezogen. Als Faktoren, die für Erfolg oder Scheitern des Transitionsverlaufs sorgten, werden als Akteure die Präsidenten, das Militär und die Nationalkonferenz untersucht und systematisch miteinander verglichen.

2. Theoretische Grundlagen

2.1. Demokratisierung in Afrika

“Africa is on the move” ist der Einleitungssatz des Grundlagenpapiers der Europäischen Kommission zur EU Afrikastrategie aus dem Jahre 2005 (vgl. Commission of the European Communities 2005). Die Demokratisierungseuphorie begann Anfang der 1990er Jahre als Afrika von einer Welle von Demokratisierungsprozessen erfasst wurde. Zur gleichen Zeit brachen in zahlreichen afrikanischen Staaten Bürgerkriege als Vorboten oder Folge von Staatszerfallsprozessen aus (vgl. Schmidt 2006: 9). In diesem Zuge wurde eine politische Entwicklung ausgelöst die auch als zweite Befreiung bzw. zweite Demokratisierung betitelt wurde. Gemeint ist hiermit die erneute Ablösung der autokratischen Herrschaftsformen, die nach der kurzen Phase einer demokratischen Herrschaft im Zuge der nachkolonialen Entwicklung wieder prägend gewesen ist (vgl. Meyns 2006: 3). Der demokratische Aufbruch war zwischen 1989 und 1994 dadurch gekennzeichnet, dass in 40 von 53 afrikanischen Staaten Wahlen mit Wettbewerbscharakter stattgefunden haben (vgl. Bratton/ van de Walle 1997: 114f.).

Nur in wenigen Ländern Sub-Sahara-Afrikas ist jedoch die demokratische Transition gelungen. In den meisten Ländern herrscht ein Mischsystem, in dem zwar Wahlen stattfinden aber trotzdem patrimoniale Herrschaftsstrukturen dominieren (vgl. Erdmann 2007). Zahlreiche Arbeiten beschäftigen sich mit der theoriegeleiteten Erklärung von Transformationsverläufen. Man spricht hier von Transformationstheorien

2.2. Die Transformationstheorien

Die theorieorientierte Transformationsforschung hat ihren Ursprung in den 1950er Jahren. In der Anfangszeit prägten makrosoziologisch-funktionalistische oder makrosoziologisch-strukturalistische Konzepte die Theoriebildung. In den 1990er Jahren kamen akteurstheoretische Überlegungen hinzu (vgl. Merkel 2007: 20). Es wird derzeit zwischen System- und Modernisierungstheorien, Strukturtheorien, Kulturtheorien und Akteurstheorien differenziert.

2.2.1. Paradigmenwechsel in der Transformationsforschung

Bis in die 1980er Jahre dominierten in der Transformationsforschung die modernisierungstheoretischen und strukturalistischen Ansätze mit ihrem entwicklungstheoretischen Paradigma der Modernisierung, die dem politischen Einfluss nur eine untergeordnete Rolle beigemessen haben und vielmehr die strukturellen oder externen Hemmnissen des Transformationsprozesses betonten. Erst im Zuge der Transitionsprozesse in Lateinamerika gelangten die politischen Akteure, Institutionen und Prozesse in den Mittelpunkt des Interesses. Die akteurstheoretischen Arbeiten von O´Donnell und Schmitter (1996) und Przeworski (1991) wurden zu einer nicht mehr „hintergehbaren konzeptionellen Referenz der empirischen Transitionsforschung“ (vgl. Merkel 1996: 303). Ich wende daher die Akteurstheorie(n) an und grenze mich von den oben genannten Theorieansätzen ab.

2.2.2. Die Akteurstheorien

Anders als die auf der Makroebene angesiedelten sozioökonomischen, machtstrukturellen oder kulturalistischen Theorieansätze setzen die Akteurstheorien auf der Mikroebene der handelnden Akteure an (vgl. Merkel 2007: 26f). Die Akteurstheorien begreifen den Wandel als das Ergebnis von Aushandlungsprozessen strategisch handelnder Akteure. Der Transitionsprozess ist somit das Ergebnis offener Prozesse und nicht durch systemische und strukturelle Rahmenbedingungen deterministisch festgelegt (vgl. Przeworski 1986: 47f.). Das Akteurshandeln setzt den Fokus auf das Verhalten der Eliten. Dieses kann als Schwäche angesehen werden, da eine Neigung dahingehend besteht, die gesamtgesellschaftliche Entwicklung und hemmende strukturelle Hindernisse aus dem Blick zu verlieren (vgl. Bos 1996: 81f.). Akteurstheorien unterscheiden sich aufgrund ihrer Bedeutung, die sie den individuellen Kosten-Nutzen-Kalkülen handelnder Akteure und ihrer Ausgangsprämissen beimessen (vgl. Merkel 2007: 27).

Hierbei lassen sich zwei Hauptströme, nämlich die deskriptiv-empirische Strömung und der deduktiv vorgehende rational choice-Ansatz unterscheiden (ebd.).

2.2.2.1. Deskriptiv-empirischer Ansatz

Der deskriptiv-empirische Ansatz richtet den Blick auf die sich verändernden Akteurskonstellationen innerhalb und zwischen den einzelnen Phasen der Transition. Das Nachgeben des Regimes und die Zustimmung zur Einleitung des Demokratisierungsprozesses ist dann das Ergebnis rationaler Kostengesichtspunkte. Ohne direkten Zwang entscheiden sich die Regimeeliten dann zur Demokratisierung, wenn die zu erwartenden politischen und sozialen Repressionskosten, die bei einer erneuten autoritären Schließung des Regimes anfallen würden, höher ausfallen würden, als die angenommenen Kosten der Demokratisierung (vgl. Dahl 1971: 15f).

2.2.2.2. Rational choice-Ansatz

Die den rational choice-Ansatz zugrundeliegende Handlungstheorie geht davon aus, dass Individuen systematisch auf Anreize reagieren, die sich aus ihren Präferenzen ergeben. Unter den zur Auswahl stehenden Handlungsalternativen wählen sie diejenige Alternative aus, die den maximalen Nutzen verspricht. Danach müsste das Militär, wenn es im Zuge eines Transitionsprozesses den Verlust von Privilegien zu fürchten hätte, eher am Erhalt des Status quo interessiert sein (vgl. Hanke 2001). Wenn keine entsprechenden Verluste zu befürchten stehen oder aber sich sogar ein positiver Effekt für das Militär ergeben könnte, könnte es mit Unterstützung des Militärs zu einem positiv verlaufenen Transitionsprozess kommen. Daher kann und muss dem Militär eine Schlüsselrolle bei der Demokratisierung zugesprochen werden. Kurtenbach (2013) spricht den staatlichen Sicherheitskräften die Rolle des „Schiedsrichters bzw. des “Züngleins an der Waage“ zu.

Das Handeln des Militärs soll daher neben anderen unabhängigen Variablen (Präsident, Nationalkonferenz) als entscheidende unabhängige Variable untersucht werden. Hierbei will ich mich mit dem rational choice Erklärungsansatz der Fragestellung nähern und klären ob dieser in den gewählten Fallbeispielen bestätigt werden kann.

Ebenfalls einen akteurszentrierten Hintergrund hat das neopatrimonialistische Herrschaftssystem. Aufgrund der besonderen Bedeutung dieses Theoriansatzes und der parallelen zum rational choice-Ansatz sollen die genannten Variablen aufbauend auf den Annahmen des Neopatrimonialismus konzeptualisiert werden.

2.2.2.3. Die Bedeutung des Neopatrimonialismus in Afrika

Bratton und van de Walle hoben 1997 die Bedeutung des neopatrimonialen Herrschaftssystems für die afrikanischen Staaten hervor. Sie gehen davon aus, dass der Neopatrimonialismus Einfluss auf den Verlauf der Transition hat.

Neopatrimonialismus zeichnet sich durch drei wesentliche Charakteristika aus (vgl. Bratton/van de Walle 1997: 63-68):

1. Ein starker Präsident, der alle politische Macht in seinen Händen hält und einen Kult um seine eigene Person aufbaut.
2. Eine systematische gesellschaftliche Verankerung des Klientelismus, der sich vor allem durch die Vergabe von Posten in staatlichen Unternehmen kennzeichnet und
3. die Verwendung staatlicher Ressourcen und Gelder für eigene Zwecke.

[...]

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Details

Titel
Die Transition in Mali und Togo
Untertitel
Eine akteurszentrierte Betrachtung
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Politikwissenschaft)
Note
2,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
30
Katalognummer
V346893
ISBN (eBook)
9783668361492
ISBN (Buch)
9783668361508
Dateigröße
555 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mali, Togo, Transition, Demokratie, Afrika, Scheitern, gescheitert, Bratton, Walle, Militär
Arbeit zitieren
M.A. Peter Krey (Autor:in), 2013, Die Transition in Mali und Togo, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/346893

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