Exegese von Joel 3. Geistausgießung über alles Fleisch


Hausarbeit, 2005

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einführung

Teil I: Arbeitsübersetzung

Teil II: Textkritisches Problem in Vers 5d

Teil III: Sprachliche Analyse

Teil IV: Literarkritik
IV.1. Kontext
IV.2. Kohärenzanalyse

Teil V: Formkritik und -geschichte
V.1. Form
V.2. Gattung
V.3. Sitz im Leben

VI. Überlieferungskritik und -geschichte

VII. Traditionskritik und -geschichte
VII.1. Zionצִיּוֹן
VII.2. Tag Jahwesיוֹם יהוה

VIII. Redaktionskritik

IX. Theologische Betrachtung

Literaturangaben
Quellen
Hilfsmittel
Sekundärliteratur

Einführung

Die Perikope Joel 3 soll hier im Rahmen einer alttestamentlichen Proseminararbeit exegetisiert werden. Gleich zu Beginn findet sich eine Arbeitsübersetzung, die schon z.T. die erarbeiteten Ergebnisse vorwegnimmt. Es folgen die Klärung der textkritischen Probleme und anschließend die klassischen Arbeitsschritte einer Exegese, die sich jedoch nicht strikt voneinander trennen lassen, sondern sich gegenseitig, wie Schnittmengen eines Ganzen, vervollständigen. Auf eine abschließende Betrachtung dieses Ganzen soll nicht verzichtet werden.

Teil I: Arbeitsübersetzung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Teil II: Textkritisches Problem in Vers 5d

Die Septuaginta bietet eine andere Lesart für V. 5d[1]:

MT:וּבַשְּרִידִים ...

LXX: καὶ εὐαγγελιζόμενοι ... =וּמְבַשְּרִים ...

Man muss mehrere Textverderbnisse gleichzeitig nachweisen, um die Septuagintalesart zu rechtfertigen (darunter Haplographie und aberratio occuli). Zudem ist das rückübersetze Partizip im AT nicht belegt, nur mit femininer Pluralendung. Die Lesart ist deshalb mit großer Wahrscheinlichkeit nicht die ursprüngliche.

Ansonsten liegen keine weiteren wesentlichen textkritischen Probleme vor. Die abweichende Lesart zeigt jedoch auf, dass V. 5d Verständnisschwierigkeiten verursachte.

Eine Konjektur für 5d wäre deshalb denkbar. Dazu müssteוּבִירוּשָׁלַםִaus V. 5b in 5d verschoben werden:

5d שְׂרִידִים אֲשֶׁר יהוה קֹרֵאוּבִירוּשָׁלַםִ= „Und in Jerusalem werden die Überlebenden sein, die Jahwe beruft.“

Damit entstünde ein Parallelismus zu V. 5b wodurch 5d sich besser in den Kontext einfügen ließe. Die in der BHS vorgeschlagene Konjektur ist allerdings nur schwer zu begründen. Sie müsste durch Haplographie und παράβλεψις entstanden sein. M.E. ist die lectio difficilior vorzuziehen. Deshalb wird in der Literarkritik noch einmal auf dieses Problem einzugehen sein.

Teil III: Sprachliche Analyse

Joel 3 ist in drei Abschnitte zu gliedern. Nach einer kurzen Einleitung in V. 1a, die auch die Perikope vom Kontext abtrennt, folgen zwei Prophezeiungen Jahwes in direkter Rede (VV. 1f. und VV. 3-4a.). Wie die Einleitung beginnt auch V. 5 mitוְהָיָה, einem Signal für eine folgende Prophezeiung. Hier spricht der Prophet im Namen Jahwesכַּאֲשֶׁר אָמַר יהוה)).

Gehen wir nun genauer auf strukturelle und stilistische Merkmale dieses kunstvoll gearbeiteten Textes ein.

Die erste Verheißung Jahwes (1f.) ist mit seiner heilvollen Tat gerahmt: Er will seinen Geist ausgießen. Innerhalb dieser Rahmung werden die Empfänger aufgezählt, zunächst in der holistischen Aussage „עַל־כָּל־בָּשָׂר­­­­­“, die dann in ebenfalls holistischen Merismen konkretisiert wird (Söhne – Töchter, Alte – Junge, Sklaven – Sklavinnen). Die Geistgabe an alles Fleisch hat Mehrfaches zur Folge, was in einem System aus Parallelismen und Chiasmen zum Ausdruck gebracht wird.

VV. 1b und c sind parallel aufgebaut, beginnen jedoch mit zwei in der Diathese kontrastierenden Verben. Durch das aktive Handeln Gottes, dem Ausgießen (אֶשְׁפּוֹQal) des Geistes, werden die Kinder Israels „von prophet. Begeisterung ergriffen s[ein]“[2] (נִבְּאוּNifal, passivum divinum). Jahwe handelt also auch nach der Ausgießung weiter, indem sein Geist unmittelbar dessen Empfänger berührt und sie zu Propheten werden lässt.

In chiastischer Stellung zu 1bc stehen die VV. 1de, die in einem synonymen parallelismus membrorum die weiteren Geistesfrüchte beschreiben. Alte werden „Träume/Traumgesichte/Orakel träumen“ (figura etymologica), die jungen Männer Gesichte/Visionen/göttliche Offenbarungen sehen. Hinzu kommt der chiastisch zu 1b, bzw. parallel zu 1d und e, gefügte V. 2, der durch die Anapher (עַל) die holistische Zusage Jahwes nochmals verdeutlicht, und auch die Ausweitung der Geistgabe auf die Leibeigenen betont. Es fällt auf, dass die beiden Wörter im Gegensatz zu den anderen Merismen determiniert und ohne Suffix gebildet sind, und sich damit von den anderen Geistempfängern unterscheiden.

Beide Verse sind nicht nur durch ihre Struktur eng miteinander verflochten, auch ihre Metrik zeugt von einem harmonischen Aufbau. Wählt man die Methode, nur die Konsonanten zu zählen, so ergibt sich folgendes Schema: Die VV. 1b und 1c sind aus je 18 Konsonanten aufgebaut, d und c aus je 17, und V. 2 aus 2x20 Konsonanten. Die restlichen Verse weisen diese Harmonie nicht auf.[3]

Bemerkenswert ist die mehrfache Benutzung von Wörtern, die wie das Wortרוּחַ, den Konsonantenחenthalten (,חֶזְיֹנוֹת,בַּחוּרֵיכֶם,יַחֲלֹמוּן,חֲלֹמוֹת,אַחֲרֵיהַשְּפָחוֹת, לְחֹשֶׁ,וְהַיָּרֵחַ), wodurch die Ausgießung der rauschenden Ruach und ihre Wirkung hörbar und „anschaulich“ gemacht werden.

Gleichzeitig[4] mit dem Wirken an den Menschen wird Jahwe kosmisch-apokalyptische Wunderzeichen am Himmel und auf Erden (wieder eine Merismus, der die Universalität des Handeln Jahwes betont) tun, „wodurch d. Wahrheit [s]einer Weissagung bestätigt [...] w[ird]“[5].

In chiastischer Stellung zum oberen Merismus werden zunächst in V. 3b die Zeichen auf der Erde benannt, dann in 4a die kosmischen Ereignisse am Himmel. Gerahmt wird die Aufzählung vom Stichwortדָּם, das zum Einen wieder die genannte Universalität hervorhebt, zum Anderen irdisches mit überirdischem Geschehen verknüpft. D.h. die ganze Schöpfung ist vom künftigen schrecklichen Tag (4b) betroffen.

Während in den VV. 1-4a Jahwe der Sprecher ist, verkündet in 4b-5 der Prophet seine Botschaft. Zudem sind die Verse nicht mehr so kunstvoll geknüpft wie oben, und nur durch Motive miteinander verbunden.

Der Prophet kündigt den Tag Jahwes an, dem nur die entkommen werden, die ihn anrufen. Das Rettungshandeln Jahwes wird durch drei Worte immer wieder erwähnt und so zum prägenden Leitmotiv für diese Passage:מלט= er wird entrinnen/entkommen/ gerettet werden;פְּלֵיטָה= Rettung/Entrinnen, die beide den gleichen Wortstammt haben[6] ;שָׂרִיד= Überlebender.

Die Rettung, die mittels einer figura etymologica dargestelt wird, geschieht durch Jahwe, indem er die Anrufenden/Betenden (כֹּל אֲשֶׁר־יִקְרָא בְּשֶׁם יהוה) selbst zu sich beruft (יהוה קֹרֵא).

Teil IV: Literarkritik

In diesem Schritt soll nun weiterhin analytisch vorgegangen werden, die Perikope vom Kontext abgegrenzt und auf ihre literarische Integrität geprüft werden. Hierauf wird sich v.a. die Redaktionsgeschichte stützen, um damit u.a. die Einbindung der Perikope in den Kontext des Joelbuches zu untersuchen, und die Verfasserfrage zu klären.

IV.1. Kontext

In den ersten beiden Kapiteln des Joelbuchs klagt der Prophet über das Hereinbrechen zweier Naturkatastrophen, einer Heuschreckenplage und einer Dürre, die sich beide derart verheerend auswirken, dass es zu Hungersnöten kommt (1,4.10-12.16f.), und demzufolge auch der Opferkult im Tempel (1,9.13) nicht mehr stattfinden kann. Deshalb ruft er zu Volksklage und Bußhandlungen auf (1,13f.; 2,12-17). Ob dies vom Volk eingehalten wird, ist nicht ersichtlich.

Dennoch findet sich in 2,18-27 eine wohlwollende Reaktion Jahwes auf die desolate Situation des Volkes. Er wird die Heuschrecken vernichten, die hier mit einem gewaltigen Heer verglichen werden[7]. Auch verheißt er wieder Regen (2,23) und reiche Ernten (2,19.22.24f.), die all das Leid in leibliches Wohl (2,19.22.26) umkehren werden.

Zudem werden diese wunderbaren Geschehnisse zur Erkenntnis des einen Gottes führen, eines Gottes, der mitten unter seinem Volk solche Wunder vollbringt und es in Ewigkeit nicht zuschanden werden lässt (2,27).

An diese Zusage Jahwes schließen sich in Joel 3 weitere, darüber hinaus reichende Heilszusagen, an. Es geht jedoch nicht mehr um Nahrung, Wohlstand und Ergiebigkeit der Landwirtschaft, sondern um geistige Themen, wie Prophetie, Visionen etc. Hierzu wurde das Stichwort „Gotteserkenntnis“ aus 2,27 aufgenommen, breit ausgebaut und in einen eschatologischen Kontext gestellt (3,3-5).

Auch durch sprachliche Beobachtungen lässt sich die Perikope Jo 3 abgrenzen. Die Jahwerede aus Kapitel 2 wird zwar fortgeführt, doch scheint sie mit der universalen Heilszusage in 2,27 einen Höhepunkt, wenn nicht schon einen Abschluss erreicht zu haben (וְלֹא יֵבֹשׁוּ עַמִּי לְעוֹלָם)[8]. Das gewichtigste Merkmal der Abgrenzung ist allerdings die Einleitungs- oder Trennformel in V. 3,1a[9], die mit einem „ח–Wort“ die Geistausgießung schon jetzt klanglich vorbereitet.

Die Perikope endet in V. 5 mit einer endzeitlichen Heilszusage. Am Tag Jahwes wird für die Jahwetreuen auf dem Berg Zion Rettung sein. Liest man in Kapitel 4 weiter, so konkretisiert Jahwe hier seine Rettungspläne und kündigt ein Gericht über die feindlichen Völker an. Dies geschieht mit einer doppelten temporalen Einleitung[10] im parallelismus membrorum (וּבָעֵת הַהִיא + בָּיָּמִים הָהֵמָּה).

Die Perikope ist damit eindeutig vom Kontext abgegrenzt.

IV.2. Kohärenzanalyse

Hierfür wurden bereits in Schritt III wesentliche Beobachtungen gemacht.

Ein erstes Problem ist in V. 2 sichtbar. Die lockere Anbindungוְגַם, aber v.a. die oben herausgestellte sprachliche Disharmonie zwischen dem Merismus (Sklaven-Sklavinnen) aus V. 2 und den drei Anderen aus V. 1, welche doch alle vierבָּשָׂרkonkretisieren, lassen eine spätere Hinzufügung vermuten. Zudem stellt der Inhalt ein „sozialrevolutionäre[s] Moment“[11] dar, indem die Geistausgießung Jahwes auch auf die wahrscheinlich nichtisraelitischen Sklaven (vgl. Lev 25,39-46) ausgedehnt wird. Doch es scheint, dass beide Verse durch dieses Moment charakterisiert sind, zumal Jahwe auch keinen Unterschied bezüglich Geschlecht und Alter macht.

Der weggelassene Possessivsuffix-כֶםund die damit entstandene Disharmonie könnten durchaus auch gewollt sein, um die Freiheit und Unbesitzbarkeit der Sklaven noch mehr herauszustellen.

Außerdem ist V. 2 in das oben genannte sprachstrukturelle System eingebaut, und auch ein „ח–Wort“ machen ihn kohärent.

VV. 3-4a sind durch die Konsekutivform unumstritten an VV. 1f. gebunden, trotz bzw. gerade auch wegen des Themenwechsels.[12] Wie oben ersichtlich, folgen die Verse zwar einer anderen Metrik, weisen aber ähnliche Strukturmerkmale auf, enthalten einen Merismus und gleich zwei „ח–Wörter“.

Die VV. 4b-5 lassen sich dagegen, sprachlich gesehen, nicht so einfach in den Kontext einbinden. Die prägenden Strukturmerkmale aus 1-4a fehlen, ebenso die „ח–Wörter“, und auch der Sprecher wechselt. Doch die Verse sind durch Stichwörter miteinander vernetzt: 4b nimmt mitיוֹםdie Zeitangabeבַּיָּמִים הָהֵמָּהaus V. 2 auf, und V. 5a beginnt parallel zu V. 1 mitוְהָיָהund verwendet ebenso die Mengenangabeכל. Auch die Verwendung von Nifal-Formen (1c, 4a, 4b, 5a) macht die Verse kohärent. Von literarkritischen Operationen ist daher abzusehen, und die Gegenargumente mit der Überlieferungsgeschichte zu entkräften.

Als Zusatz kann mit höchster Wahrscheinlichkeit nur V. 5d gelten[13], trotz der in Teil III herausgearbeiteten figura etymologica. Die exponierte Stellung nach der prophetischen Formel 5c ist sehr ungewöhnlich, und nicht zuletzt ist dies auch an den Übersetzungsschwierigkeiten erkennbar (vgl. die Textkritik).

[...]


[1] Vgl. BHK3.

[2] Gesenius: Wörterbuch, S. 478 (Markierung nicht im Original).

[3] Vgl. Loretz: Regenritual, S. 34f.

[4] Konsekutivformוְנָתַתִּי!

[5] Gesenius: Wörterbuch, S. 407. Vgl. Wagner, S.: Art.מוֹפֵת. IN: ThWAT. Bd. IV. Sp. 751.

[6] Vgl. Hasel: Art.פָּלַט. IN: ThWAT. Bd. VI. Sp. 593.

[7] Es ist nicht von einem realen Heer die Rede. Vgl. Jo 2,25!; 2,3-10 beschreibt eindeutig die Physiognomie der Tiere, und stellt die Katastrophe in poetischen Worten dar. Vgl. auch Rudolph: Joel, S. 24.

[8] Dazu später in der Redaktionsgeschichte.

[9] Vgl. Dahmen: Joel, S. 80.

[10] Vgl. Crenshaw: Joel, S. 171.

[11] Wolff: Joel, S. 80.

[12] Vgl. Anm. 4 und 5.

[13] Vgl. Deissler: Joel, S. 81; Loretz: Regenritual, S. 56; Jeremias: Festschrift, S. 45.; Wolff: Joel, S. 66.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Exegese von Joel 3. Geistausgießung über alles Fleisch
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Ev. Fakultät)
Veranstaltung
Proseminar zur Einführung in die Methoden der alttestamentlichen Exegese
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
20
Katalognummer
V346409
ISBN (eBook)
9783668358621
ISBN (Buch)
9783668358638
Dateigröße
601 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Joel, Altes Testament, Exegese, Geist, Pneuma, Pneumatologie, Textkritik, Literarkritik
Arbeit zitieren
Christian Elias (Autor:in), 2005, Exegese von Joel 3. Geistausgießung über alles Fleisch, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/346409

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