Weibliche Genitalverstümmelung als Menschenrechtsverletzung

Das Beispiel Afrika


Projektarbeit, 2013

46 Seiten, Note: 1,3

Stefanie Spies (Autor:in)


Leseprobe


1. Einleitung

2. Die Praktik weiblicher Genitalverstümmelung
2.1 Definition und Begrifflichkeiten
2.2 Formen von FGM
2.3 Verbreitung von FGM in Afrika
2.4 Soziodemografische Merkmale Betroffener
2.5 Folgen und Komplikationen der FGM
2.5.1 Körperliche Folgen
2.5.2 Psychische Folgen
2.5.3 Psychosexuelle Folgen
2.5.4 Risiken für Schwangerschaft und Geburt

3. FGM als Menschenrechtsverletzung
3.1 Die Frauenrechte als Menschenrechte
3.2 Rechtliche Regelungen
3.2.1 Internationale Ebene
3.2.2 Nationale Ebene - Afrika
3.2.3 Ländervergleich anhand 8 ausgewählter Länder

4. Ansätze gegen FGM

5. Fazit

Anlagen

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Nach Schätzungen der World Health Organization (WHO) sind weltweit zirka 130 - 140 Millionen Mädchen und Frauen von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen, wobei jährlich weitere 3 Millionen Mädchen gefährdet sind, dieser unterzogen zu werden (vgl. WHO 2011:1 ). Insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent ist die weibliche Genitalverstümmelung verbreitet. Durch zunehmende Migrationsströme sehen sich auch die westlichen Gesellschaften mit den Problemen dieser Praktik konfrontiert. Die Politik, Justiz sowie die Gesundheitsfürsorge beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit diesem Thema. Dennoch zeigt sich, dass die weibliche Genitalverstümmelung noch immer gesellschaftlich tabuisiert, verharmlost oder missverstanden wird. Im Rahmen dieser Projektarbeit wird betrachtet, inwiefern die Praktik der weiblichen Genitalverstümmlung eine Menschenrechtsverletzung darstellt und welche Ansatzmöglichkeiten es gibt, um diese zu beenden. Zunächst werden die Begrifflichkeiten in Kapitel 2.1 vorgestellt und eine Definition weiblicher Genitalverstümmelung vorgenommen. In Kapitel 2.2 erfolgt weiterhin die Darstellung der Formen weiblicher Genitalverstümmelung. Im Anschluss werden in Kapitel 2.3 die Verbreitungsgebiete der weiblichen Genitalverstümmelung auf dem afrikanischen Kontinent behandelt sowie in Kapitel 2.4 die wesentlichen soziodemografischen Merkmale der Betroffenen heraus gearbeitet. Diese Projektarbeit bezieht sich auf den afrikanischen Kontinent, da dies das derzeitige Hauptverbreitungsgebiet der weiblichen Genitalverstümmelung darstellt. Um die Reichweite und Fatalität dieser Praktik nachzuvollziehen werden in Kapitel 2.5 die Folgen weiblicher Genitalverstümmelung in verschiedenen Aspekten wie körperliche, psychische, psychosexuelle Konsequenzen sowie Risiken für Schwangerschaft und Geburt behandelt. Die intensivere Auseinandersetzung mit den Folgen, dient dem besseren Verständnis des nächsten Kapitels 3. FGM als Menschenrechtsverletzung. In Kapitel 3.1 erfolgt ein Diskurs zu den Frauenrechten als Menschenrechte. Da diese die Grundlage der Durchsetzung von Gegenmaßnahmen auf nationaler und internationaler Ebene darstellen. Nachfolgend wird in Kapitel 3.2 eine Einordnung der weiblichen Genitalverstümmelung als Menschenrechtsverletzung anhand rechtlicher Regelungen, auf internationaler (Kapitel 3.2.1) und nationaler (3.2.2) Ebene vorgenommen. Anhand von ausgewählten Beispielen wird Kapitel 3.2.3 ein Ländervergleich durchgeführt, um die tatsächliche Durchsetzung rechtlicher Regelungen in Bezug auf FGM zu betrachten. Außer den gesetzlichen Regelungen werden in Kapitel 4 weitere Lösungsansätze gegen die Weiterführung der weiblichen Genitalverstümmelung ausgeführt. Hierbei wird insbesondere auf das Beispiel Kenia eingegangen, um die Maßnahmen an einem länderspezifischen Beispiel zu beleuchten. In einem Fazit werden schließlich die zentralen Ergebnisse zusammengefasst und eventuelle Schlussfolgerungen für das Thema FGM gefasst.

2. Die Praktik weiblicher Genitalverstümmelung

Die weibliche Genitalverstümmelung stellt einen gravierenden Eingriff in die körperliche sowie psychische Einheit dar. Dabei zeigt sich schon in der Debatte diverser Nicht -Regierungsorganisationen, um das Thema der weiblichen Genitalverstümmelung, dass es sich schwierig gestaltet eine allgemeingültige, angemessene Definition für diese Praktik zu bestimmen.

2.1 Definition und Begrifflichkeiten

Je nach Einsatzgebiet, Betrachtungswinkel sowie Deutungsmustern wird von weiblicher Genitalverstümmelung oder weiblicher Beschneidung gesprochen. Die englischen Begriffe Female Genital Mutilation (FGM) oder Female Cutting (FC) sind ebenfalls geläufig. Die World Health Organization (WHO) definiert mit dem Begriff der weiblichen Genitalverstümmelung alle Prozeduren, welche die partielle oder ganzheitliche Entfernung von externen weiblichen Genitalien oder andere Verletzungen weiblicher Geschlechtsorgane aus nicht medizinischen Gründen, beinhalten (vgl. WHO 2010:1). Der Begriff Female Circumcision (FC) wurde, zumindest im politischen Kontext, zugunsten des Begriffs Female Genital Mutilation (FGM) weitestgehend aufgegeben. Der zuletzt genannte Begriff wurde im Jahr 1990 vom Inter - African Committée on Harmful Traditional Practices (IAC) beschlossen. Die afrikanischen Aktivistinnen sahen es als irreführend und verharmlosend an den Begriff der Beschneidung für die weibliche Genitalverstümmelung zu benutzen. Die starke Ablehnung dieses Terminus resultiert aus der nicht legitimierten Gleichsetzung des Eingriffes mit der männlichen Beschneidung. Die männliche (Vorhaut-) Beschneidung ist nicht mit der weiblichen Genitalverstümmelung zu vergleichen oder zu verwechseln.

„Das anatomische Äquivalent zu einer „weiblichen Beschneidung“ wäre die teilweise oder komplette Amputation des Penis, nicht lediglich die Entfernung von Teilen der Vorhaut.“ (Richter, Schnüll 2003:16)

Zudem lässt sich der Terminus Verstümmelung durch die Zerstörung der Funktionalität und Integrität des weiblichen Körpers begründen. In Gegenwart oder Interaktion mit betroffenen Frauen von einer Verstümmelung zu sprechen, kann jedoch stigmatisierend oder verletzend wirken. Daher sollte der Gebrauch verschiedener Begrifflichkeiten situationsangemessen abgewogen werden. In dieser Arbeit wird der Begriff Female Genital Mutilation (FGM) oder weibliche Genitalverstümmelung verwendet, um die Dramatik dieses Eingriffs zu verdeutlichen. Die Verwendung dieses Begriffs in diesem Zusammenhang soll keineswegs stigmatisierenden oder wertenden Charakter gegenüber den entsprechenden Kulturen darstellen.

2.2. Formen von FGM

Die weibliche Genitalverstümmelung versteht sich als Sammelbegriff für verschiedene traditionelle Praktiken bei denen die äußeren weiblichen Geschlechtsorgane ganz oder teilweise entfernt werden. Die WHO teilt die Formen weiblicher Genitalverstümmelung in vier verschiedene Kategorien ein, aufsteigend nach ihrem Schweregrad. (vgl. WHO 2010:1ff.) Zusätzlich zu diesen Hauptformen, existieren weitere Zwischen- und Mischformen, welche regional und kulturell variieren. Eine bildliche Darstellung der vier Hauptformen findet sich in Anlage 1.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Im Zusammenhang mit der Infibulation stehen zwei weitere, schmerzvolle Eingriffe. Die Vagina muss häufig, wieder geöffnet werden (Defibulation), um den Geschlechtsakt zu ermöglichen. Zudem muss bei einer Geburt ebenfalls defibuliert werden, um einen ausreichenden Geburtsvorgang zu gewährleisten. Im Anschluss an die Geburt wird oftmals sich die schmerzhafte Prozedur, in Form einer Reinfibulation, wiederholt. Bei dieser Prozedur wird die Vaginalöffnung erneut verschlossen d.h. die Infibulation wiederholt.

2.3 Verbreitung von FGM in Afrika

Die Verbreitung von FGM konzentriert sich hauptsächlich auf dem afrikanischen Kontinent. Es gibt jedoch einige Länder außerhalb Afrikas, wie den Jemen und Irak sowie islamische Minderheiten in Indien und Pakistan, in denen FGM praktiziert wird (vgl. Gruber, Kulik, Binder 2005:8). In Afrika ist für 29 Staaten dokumentiert, dass diese FGM praktizieren. Die Angaben erfolgen einschließlich der beiden Länder der arabischen Halbinsel Jemen und dem Irak. Für den Irak liegen nur Daten von UNICEF vor. Die nachfolgende Abbildung 1 sowie die Anlage 2 zeigen den Verbreitungsgrad von FGM nach Ländern.

Die Verbreitung von FGM ist je nach Land und Region sehr unterschiedlich. Bei allen Angaben ist zu beachten, dass sich die Erhebung genauer und zuverlässiger Daten in den betroffenen Ländern sehr schwierig gestaltet. Durch die Benutzung unterschiedlicher und mehr oder weniger verlässlicher Quellen, variieren die Angaben zur Verbreitung von FGM teilweise erheblich. Des Weiteren ist eine Tendenz zu beobachten, dass in ländlich geprägten Räumen FGM stärker verbreitet ist als in städtisch geprägten Arealen. Besonders große Unterschiede gibt es, wie in Anlage 3 ersichtlich, in Kenia, Liberia und Mauretanien. Ägypten, Sierra Leone, Burkina Faso sowie Äthiopien weisen ebenfalls eine höhere Verbreitung von FGM im ländlich geprägten Raum auf. Der überwiegend niedrigere Verbreitungsgrad von FGM in städtischen Räumen, lässt sich z.B. auf eine heterogenere Zusammensetzung der Bevölkerung in städtisch geprägten Arealen zurückführen. In Ballungsgebieten sind die Berührungspunkte zwischen denjenigen welche FGM praktizieren mit jenen welche FGM ablehnen höher, so dass ggf. ein Austausch stattfinden kann (vgl. UNICEF 2013:118). Zudem stellen Städte Bildungszentren dar. Daraus kann eine höhere Aufklärungsrate über FGM resultieren. Außerdem herrscht in ländlichen Gebieten eine tendenziell höhere soziale Kontrolle und es wird häufiger an alten Traditionen festgehalten (vgl. Gruber, Kulik, Binder 2005: 9).

Auch wenn die weibliche Genitalverstümmelung in bestimmten Ländern und Regionen gehäuft vor kommt, so beschränkt sich die Praktik dennoch nicht auf Staatsgrenzen. Vielmehr spielt die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie eine Rolle. Nach UNICEF 2013 (vgl. Anlage 4) variiert die Verbreitung von FGM nach Ethnien. Auch in Ländern in denen die weibliche Genitalverstümmelung stark präsent ist, existieren Ethnien welche diese nicht praktizieren. So führen z.B. nicht alle Ethnien in Äthiopien oder dem Tschad FGM durch. In Eritrea und Guinea hingegen, findet sich keine Ethnie die FGM nicht praktiziert, wobei FGM in diesen beiden Ländern generell sehr stark verbreitet ist. Die Ergebnisse zwischen den Ethnien mit der höchsten und niedrigsten Verbreitung sind jedoch signifikant. Dies spricht dafür, dass die weibliche Genitalverstümmelung mit sozialen Gegebenheiten der Ethnien zusammenhängt und von diesen mitgetragen wird z.B. von sozialen Normen, Erwartungen, Rollenvorstellungen u.a. (vgl. UNICEF 2013: 33ff.). Neben der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie ist es außerdem von Bedeutung wo diese Ethnie vorzufinden ist. Ob und inwiefern FGM praktiziert wird hängt demnach auch davon ab, in welchem geografischen und kulturellen Raum die Ethnien leben. In folgender Abbildung 2 ist die Verbreitung von FGM im Stamm der Peulh2 nach deren Aufenthaltsort in verschiedenen Ländern dargestellt. Es zeigt sich, dass die Verbreitung von FGM unter den Peulh in den verschiedenen Ländern teilweise stark variiert z.B. zwischen dem Tschad mit 12% und Guinea mit 99%. Zwischen den in Gambia und Guinea lebenden Peulh gibt es kaum Unterschiede (vgl. UNICEF 2013: 33ff.).

(Quelle: UNICEF 2013: 35)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Ethnien passen sich eher an die geltenden sozialen und kulturellen Normen der dominanten Gruppen an. Je nach Aufenthaltsort kann es demnach vorkommen, dass die Verbreitung von FGM innerhalb einer ethnischen Gruppe, teilweise stark variiert. Neben den ausgeführten Gesichtspunkten werden nachfolgend weitere soziodemografische Merkmale der betroffenen Mädchen und Frauen untersucht.

2.4 Soziodemografische Merkmale Betroffener

In Regionen, in denen FGM als Tradition fest etabliert ist, sind so gut wie alle Mädchen und Frauen von dieser Praktik betroffen z.B. Somalia. In welchem Lebensjahr und zu welchem Zeitpunkt die FGM vorgenommen wird variiert entsprechend der Ethnie, Region oder dem Land. Die FGM wird entweder kurz nach der Geburt, im Kindesalter, der Pubertät oder kurz vor der Hochzeit vorgenommen. In manchen Fällen erfolgt sie auch erst nach der Entbindung des ersten Kindes. Häufig wird die weibliche Genitalverstümmelung im Alter zwischen 12 und 14 Jahren durchgeführt, im Rahmen eines Initiationsrituals3. Die betroffenen Mädchen scheinen jedoch immer jünger zu werden (vgl. Schnüll 2003:30). Ob und inwiefern FGM durchgeführt wird hängt teilweise auch vom Bildungsgrad sowie den ökonomischen Verhältnissen ab. Bei den meisten höher gebildeten Mädchen und Frauen, Grundschule/Sekundarstufe, nimmt die Zahl von FGM Betroffener ab. Ähnlich verhält es sich mit den ökonomischen Verhältnissen (vgl. UNICEF 2013:118,175). Allerdings können auch hier keine allgemein gültigen Aussagen getroffen werden, denn in einigen intellektuellen Kreisen hat sich eine Medikalisierung der Praktik etabliert. Der Eingriff wird in Krankenhäusern oder durch geschultes, medizinisches Personal durchgeführt (vgl. Baumgarten, Finke 2003: 127).

Dennoch ist Bildung beziehungsweise die Aufklärung über dieses Thema eine wichtige Voraussetzung zur Beendigung der Praktik. Die Mädchen und Frauen welche die Grundschule oder Sekundarstufe absolvierten, befürworten weniger die Weiterführung von FGM als Ungebildete (vgl. UNICEF 2013: 40ff.). Angesichts der gravierenden Folgen ist eine Aufklärung über die gesundheitlichen Problematiken dringend erforderlich.

2.5 Folgen und Komplikationen der FGM

Die Verstümmelung der weiblichen Genitalien, bringt erhebliche gesundheitliche Folgen für die Betroffenen mit sich. Diese sind von zahlreichen Faktoren abhängig. Je nach Ablauf, Form, hygienischen Bedingungen sowie dem gesundheitlichen Grundzustand der Betroffenen können die Konsequenzen des Eingriffs gravierende Ausmaße annehmen und zu einer dauerhaften starken Beeinträchtigung des körperlichen sowie seelischen Wohlbefindens führen. Überdies können der Eingriff selbst oder durch den Eingriff verursachte Langzeitfolgen zum Tod führen. Wie viele Frauen und Mädchen aufgrund einer FGM sterben unterliegt Schätzungen, durch die Schwierigkeit der statistischen Erfassung dieser Fälle. Schätzungen der WHO zufolge sterben zirka 10% der Betroffenen an den akuten Folgen von FGM, sowie weitere 25% an langfristigen Komplikationen des Eingriffs (vgl. Gruber, Kulik, Binder 2005:12)

2.5.1 Körperliche Folgen

Aufgrund der Vielzahl an Komplikationen, ist zu beachten, dass die Folgen einer FGM individuell variieren können. Die körperlichen Beeinträchtigungen einer FGM betreffen direkte- bis hin zu Spätfolgen und chronische Komplikationen. Da insbesondere die äußeren weiblichen Geschlechtsorgane ein dichtes Netz an Nervenbahnen und Arterien aufweisen, führt die FGM zu sehr großen Schmerzen, schon während des Eingriffs. Zudem kann es zu einem enormen Blutverlust (Hämorrhagie), Schockzuständen oder Blutarmut (Anämie) mit tödlichem Ausgang kommen. Durch gewaltsame Fixierung, bei der Durchführung ohne Anästhesie ist es möglich, dass zusätzlich Quetschungen, Knochenbrüche oder Zungenbisse hinzu kommen. Aus häufig nur unzureichenden, medizinischen Kenntnissen der Ausführenden können außerdem unbeabsichtigte Verletzungen benachbarter Organe erfolgen. Spätfolgen dieser Verletzungen sind z.B. der Verlust von Urin oder Stuhl (Inkontinenz). Durch FGM unter unhygienischen Bedingungen werden Infektionen wie Blutvergiftung (Sepsis, Septikämie), Wundbrand (Gangrän), Wundstarrkrampf (Tetanus), Kinderlähmung (Polio), Hepatitis oder HIV, begünstigt. Akute Infektionen können ohne Behandlung chronisch werden. Besonders häufige Spätfolgen sind, Harnwegs,- oder Beckeninfektionen, welche auf Harnblase, Harnleiter und die Nieren übergreifen können. Hinzu kommen wiederkehrende Schmerzen während der Menstruation und Störungen bei der Blasenentleerung. Dies betrifft insbesondere infibulierte Frauen, da der Blutabfluss durch die enge Vaginalöffnung gestört ist. Die äußerst schmerzhaften Stauungen können bis in die Gebärmutter und die Eileiter reichen und zur Unfruchtbarkeit (Infertilität) führen (vgl. Wolf, Eljelede 2013: 373ff.) und (vgl.WHO 2008:33ff.).

2.5.2 Psychische Folgen

Die körperlichen Strapazen wirken sich auf das soziale Leben und das psychische Wohlbefinden aus. Vor allem Unfruchtbarkeit als Folge einer FGM wirkt sich insbesondere in Kulturkreisen, in denen die Frauen ökonomisch und sozial vom Mann anhängig sind, negativ auf diese aus. Eine Scheidung oder Verstoß seitens des Mannes sind nicht ausgeschlossen. Die seelische Verfassung nach einer Genitalverstümmelung fällt teilweise oder ganz aus dem Blickfeld. Die psychischen Folgen unterliegen verschiedenen Faktoren z.B. unter welchen Umständen und an welchem Ort die Genitalverstümmelung durchgeführt wurde. Oftmals hinterlässt die FGM jedoch ein schwerwiegendes, seelisches Trauma. Dieses geht mit einem Vertrauensverlust in die Bezugspersonen einher, da diese die Betroffene einer traumatischen Gewalterfahrung aussetzen (vgl. Schnüll 2003: 34ff.). z.B. wird die Beschneidung von engen Bezugspersonen arrangiert und die betroffenen Mädchen und Frauen durch diese an die Beschneiderin übergeben. Wenn keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Verfügung stehen, ist es möglich, dass die FGM von der eigenen Familie z.B. Mutter oder Großmutter durchgeführt wird. Langfristig können die betroffenen Frauen und Mädchen ein Gefühl des Unvollständig seins ausbilden. FGM hinterlässt einen tiefen Einschnitt in der Psyche der Betroffenen und verletzt massiv das Selbstvertrauen sowie Selbstwertgefühl. Angstzustände, Depressionen, chronische Reizbarkeit, Schlaf-, Ess-, und Verhaltensstörungen sowie Depressionen können psychosomatische Folgen der weiblichen Genitalverstümmelung sein (vgl. Wolf, Eljelede 2013: 373ff.). Darüber hinaus sind weitere psychische Belastungen denkbar, welche mit der FGM einher gehen, z.B. das Miterleben von Todesfällen aufgrund von FGM bei Freundinnen, Schwestern oder Cousinen. Diese Erlebnisse können darüber hinaus zu Neurosen oder gar zum Suizid führen. Die psychischen Folgen werden oftmals von den betroffenen Mädchen und Frauen nicht direkt mit der früheren Genitalverstümmelung in Verbindung gebracht. In manchen Fällen kommt es, aufgrund des akuten Traumas, zu einer Verdrängung oder Abspaltung des Ereignisses (Dissoziation). Die Betroffenen erinnern sich in Folge der Dissoziation nicht mehr an die Beschneidung. Außerdem stellt das Thema der Genitalverstümmelung in den meisten betroffen Ländern noch immer ein Tabuthema dar. Dementsprechend fehlt es den Mädchen und Frauen an Ansprechpartnern.

2.5.3 Psychosexuelle Folgen

Neben den ausgeführten Folgen, leiden die von Genitalverstümmelung betroffenen Frauen häufig unter einer eingeschränkten Sexualität. Die psychosexuelle und funktionelle Ganzheit der Frau ist zerstört beziehungsweise gestört. Aufgrund der eingeschränkten, sexuellen Erlebnisfähigkeit kann es zu Frigidität, Verlust der Orgasmusfähigkeit und Partnerschaftskonflikten kommen. Mit dem Verlust der Klitoris ist eine eindeutige Einschränkung sexuellen Empfindens gegeben, dennoch sind verallgemeinernde Aussagen nicht möglich. Es gibt durchaus infibulierte Frauen die Befriedigung erlangen. Allerdings ist es vielen Frauen aufgrund ihrer schmerzhaften Erfahrungen oft unmöglich, Sexualität lustvoll zu erleben. Außerdem ist Geschlechtsverkehr, aufgrund der verkleinerten Vaginalöffnung oft schmerzhaft oder unmöglich. Bei infibulierten Frauen ist daher eine Defibulation nötig, um überhaupt geschlechtlichen Kontakt zu ermöglichen. Vielfach wird diese Prozedur von den Ehemännern selbst ausgeführt, um persönlich nicht bloß gestellt zu werden. Nach der Defibulation ist es von Nöten häufig Geschlechtsverkehr auszuüben, um ein erneutes Verschließen der Öffnung zu verhindern (vgl. Schnüll 2003:28). Eine liebevolle Beziehung welche über Sexualität gestützt wird, ist unter diesen Umständen kaum möglich.

2.5.4 Risiken für Schwangerschaft und Geburt

Besonders bei infibulierten Frauen kommt es währen der Schwangerschaft und Geburt zu Komplikationen. Die WHO führte hierzu eine Studie in 6 verschiedenen afrikanischen Ländern (Burkina Faso, Ghana, Kenia, Nigeria, Senegal und den Sudan), mit 28.393 Frauen durch. 75% der Schwangeren wurden hierbei in der Vergangenheit einer genitalen Verstümmelung unterzogen. Von den von FGM betroffenen, schwangeren Frauen waren insgesamt 23% von der schwersten Form (Variante III) betroffen. Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass die FGM teilweise beträchtliche negative Auswirkungen auf die Gesundheit von Müttern und Kindern hat. In die Studie wurden der Bildungsstand, die sozioökonomische Stellung, das Alter der Frauen sowie deren Teilnahme an der Schwangerschaftsvorsorge mit einbezogen. Es zeigte sich eine erhöhte neonatale4 Sterblichkeit und das Risiko von postportalen Blutungen bei Schwangeren mit FGM. Insbesondere die von FGM Typ III betroffenen Frauen hatten ein 30% höheres Risiko eines Kaiserschnitts sowie ein 70% höheres Risiko postportaler Blutungen, als Frauen die nicht von FGM betroffen waren. Außerdem zeigte sich eine erhöhte Säuglingssterblichkeit (55%) bei Frauen die Typ III der weiblichen Genitalverstümmelung unterzogen wurden (vgl. WHO 2008:1ff.). Der Geburtsprozess stellt sich unter diesen Bedingungen als langwieriger (durch die längere Austreibungszeit bedingt) und schmerzhafter Prozess dar.

3. FGM als Menschenrechtsverletzung

Wie im vorherigen Kapitel dargestellt, stellt die weibliche Genitalverstümmelung mit ihren gravierenden Folgen einen Einschnitt in die körperliche sowie psychische Unversehrtheit von Mädchen und Frauen dar. Daher wird im Folgenden die Einordnung dieser Praktik als Menschenrechtsverletzung vorgenommen sowie die rechtliche Lage in ausgewählten, besonders von FGM betroffenen, afrikanischen Staaten betrachtet.

3.1 Die Frauenrechte als Menschenrechte

Die Grundlage für die Forderung und Durchsetzung von Frauenrechten, stellt zunächst das Konzept der Allgemeinen Menschenrechte dar. Ihm liegt der Gedanke zugrunde, dass alle Menschen, allein wegen ihres Menschseins, mit den gleichen Rechten ausgestattet sind. Diese aus Gleichheit begründeten Rechte sind nicht veräußerlich, unteilbar und universell (vgl. Koenig 2005: 9). Mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) der Vereinten Nationen am 10.12.1984 wurde der Grundstein für den weilweiten Schutz der menschlichen Würde gelegt. Diese ist mit allen 30 Artikeln in Anlage 5 zu finden. In Artikel 1. Satz 1 heißt es:

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“ (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 1984: Artikel 1, Satz1)

Nachdem die schon 1945 in der UN Charta formulierten Menschenrechte in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte konkretisiert und festgehalten wurden, folgte nun die Umsetzung dieser in völkerrechtlichen, verbindlichen Verträgen. Die Umsetzung geschah im Rahmen verschiedener Konventionen. Die Frauenrechtskonvention von 1979 stellt eine der 7 Menschenrechtskonventionen dar, welche die Umsetzung dieser auf nationaler Ebene garantieren sollen. Zu Menschenrechtskonventionen zählen neben der Frauenrechtskonvention (1979/1981), der Sozialpakt (1966/1976), Zivilpakt (1966/1976), die Anti - Rassismus Konvention (1965/1969), die Anti - Folter - Konvention (1984/1987), die Kinderrechtskonvention (1989/1990) und die Wanderarbeiterkonvention (1990/2003). Zwei zusätzliche, neue Konventionen sind die Behindertenkonvention (2006/2008) und die Konvention gegen Verschwindenlassen (2006/2010). Im Zusammenhang mit weiblicher Genitalverstümmelung stellen die Frauenrechtskonvention sowie die Kinderrechtskonvention zwei wichtige Instrumente dar. Mit der Verabschiedung der Frauenrechtskonvention 1979 und deren Inkrafttreten 1981, wurden erstmals auf internationaler Ebene, Standards zur Beseitigung der Diskriminierung von Frauen, in so gut wie allen Lebensbereichen und auf allen Ebenen, formuliert. Im Vergleich zur Menschenrechtserklärung von 1948 ist in der Frauenrechtskonvention die Verantwortlichkeit der Vertragsstaaten bei Rechtsverletzungen auf nicht-staatliche Akteure erweitert worden.

[...]


1 Aus dem lat. von labium pudendum, labium = „Lippe“, pudendum = „Scham“. Bezeichnung für die Schamlippen. 3

2 Ein ursprünglich, nomadisches Hirtenvolk, welches in Westafrika verbreitet ist. 5

3 Als Zeichen des Übergangs vom Mädchen zur Frau bzw. gesellschaftlichen Reife, wird die FGM durchgeführt.

4 Das Neugeborene betreffend.

Ende der Leseprobe aus 46 Seiten

Details

Titel
Weibliche Genitalverstümmelung als Menschenrechtsverletzung
Untertitel
Das Beispiel Afrika
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Soziologie)
Veranstaltung
Menschenrechte aus der Perspektive soziologischer Theorie der Weltgesellschaft und Globalisierung
Note
1,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
46
Katalognummer
V346299
ISBN (eBook)
9783668356795
ISBN (Buch)
9783668356801
Dateigröße
4900 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
An das Lektorat: Ich möchte meine Arbeit gern unter einem Pseudonym veröffentlichen. Ich möchte diese Arbeit gern für 5,00 anbieten, wenn dies möglich ist.
Schlagworte
Soziologie, Makrosoziologie, Menschenrechte, FGM, Genitalverstümmelung, WHO
Arbeit zitieren
Stefanie Spies (Autor:in), 2013, Weibliche Genitalverstümmelung als Menschenrechtsverletzung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/346299

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