Zur Theodizeefrage aus philosophischer und theologischer Perspektive anhand "Oskar und die Dame in Rosa" von Eric-Emmanuel Schmitt (Religion, 9. Klasse)


Unterrichtsentwurf, 2014

24 Seiten, Note: 1,3

Ute Corell (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Persönlicher Zugang

2. Lerngruppe und Lehrkraft

3. Fachwissenschaftliche Analyse
3.1 Die Theodizeefrage und ausgewählte Lösungsansätze
3.2 Theodizee in der Literatur am Beispiel Oskar und die Dame in Rosa
3.2.1 Bedeutung der Theodizeefrage für Oskar
3.2.2 Bedeutung der Theodizeefrage für Oskars Eltern
3.2.3 Bedeutung der Theodizeefrage für Oma Rosa

4. (Fach-) Didaktische Analyse

5. Kompetenzbezüge und Stundenziele

6. Methodische Überlegungen und Medien

7. Verlaufsplan (Kurzentwurf)

8. Literatur

9. Anhang
9.1 Sequenzplan
9.2 Arbeitsblatt

1. Persönlicher Zugang

Schule ist eine Institution, die nicht nur Leistungsansprüche zu definieren hat, sondern gleichermaßen den Identitätsbildungsprozess der Schüler[1] unterstützen und sie über die Welt und die Gesellschaft, in der sie leben, aufklären soll, um ihnen so die Teilhabe an dieser zu ermöglichen. Die Frage um die Rechtfertigung Gottes in einer Gegenwart, in der Schüler durch die Medien konstant über Leid und Tod informiert werden, muss aus diesem Grund Einzug in den gesellschaftlichen Diskurs erhalten und somit in der Schule thematisiert werden.

Mein persönlicher Zugang zu dem Thema der Theodizeefrage ist geprägt durch regelmäßige, intensive Gespräche und Einblicke in die Hospizarbeit. Besonders im Zusammentreffen mit Angehörigen, die einem anstehenden Verlust eines Familienmitgliedes bevorstehen, wird die Frage, warum Gott Leid zulässt, immer wieder aufgeworfen. Besonders einprägsam ist aber häufig der unterschiedliche Umgang mit dem herannahenden Tod von Angehörigen im Gegensatz zu der betroffenen Person. Leid wird von Betroffenen tendenziell eher akzeptiert als von Familienmitgliedern oder Freunden.

Darüber hinaus ist mein persönlicher Zugang zu einer Erarbeitung der Theodiezeefrage mit dem literarischen Werk Oskar und die Dame in Rosa von Eric-Emmanuel Schmitt eng mit meinen Studienfächern und Interessen verbunden.

2. Lerngruppe und Lehrkraft

Die Unterrichtseinheit wird im Evangelischen Religionsunterricht einer 9. Klasse eines allgemeinbildenden Gymnasiums durchgeführt. In der Klasse herrscht ein angenehmes Lernklima, und der Großteil der Schüler beteiligt sich engagiert und motiviert am Unterrichtsgeschehen. Die Lerngruppe zeigt eine gute Leistungs- und eine hohe Gesprächsbereitschaft, das Leistungsniveau kann insgesamt als durchschnittlich beschrieben werden. Als Alternative zum herkömmlichen Religionsunterricht gibt es das Alternativfach Werte und Normen. Die Schüler sind aus diesem Grund alle evangelisch, kommen vornehmlich aber nicht aus strak christlich geprägten Elternhäusern. Ihr religiöses Vorwissen beschränkt sich auf gelernte Inhalte aus Religions- und Konfirmandenunterricht. Inhaltlich beschäftigt sich die Lerngruppe seit drei Wochen mit dem Kompetenzbereich Gott und speziell dem für den 9. und 10. Jahrgang vorgeschriebenem Leitthema Glaube – Erkenntnis – Zweifel. In den vorangegangenen Stunden zeigte sich, dass die Schüler bei diesem Unterrichtsthema über wenig Vorwissen verfügen, dies allerdings ein Thema ist, welches sie aber emotional berührt. Dies hat zur Folge, dass die Mehrheit der Lerngruppe ein großes Mitteilungsbedürfnis zum Ausdruck bringt. Im Rahmen dieser Unterrichtssequenz lesen die Schüler zu jeder Unterrichtsstunde ausgewählte Briefe aus dem Werk Oskar und die Dame in Rosa von Eric-Emmanuel Schmitt. Es wird von einer kompletten Lektüre des Werkes im Vorfeld der Unterrichtseinheit abgesehen, da zum einen Ausschnitte genügen, um sich ein Bild von Figuren und Handlungen zu machen und grundlegende Inhalte anhand dieser Ausschnitte ausreichend thematisiert werden können und zum anderen die Schüler durch die Lektüre nicht überfordert bzw. abgeschreckt werden. Eine Lektüre ist dennoch für diese Unterrichtseinheit sinnvoll, denn Literatur bietet immer einen Raum für geschütztes Handeln. In den literarischen Figuren können Schüler Denkmuster erproben und Handlungsmöglichkeiten eröffnen.

Als Basis für diese Unterrichtsstunde gilt somit, dass die Schüler ein fundiertes Wissen über Gottesbild, Glaube und Leiderfahrungen haben.[2] Zudem sind sie vertraut mit der Methode des szenischen Interpretierens.

Es muss angenommen werden, dass sich die Mehrzahl der Schüler auf der dem Fowlerschen Stufenmodell nach benannten Stufe des synthetisch-konventionellen Glaubens befinden. Der Glaube wird mechanistisch vollzogen, die Glaubenden vermögen sich noch kein eigenes Urteil bilden. Die Schüler befinden sich demnach in einer Situation, in der die Welterfahrung einen hohen Stellenwert einnimmt. „Der Glaube muß [sic!] eine kohärente Orientierung inmitten dieser komplexeren und vielfältigeren Reihe von Bindungen [im Bereich Familie, Schule, Peer-Group, Medien] bieten.“[3] Dieser Komplex von Bindungen, in denen sich der Schüler zwangsläufig befindet, beeinflusst seinen Glauben stark. Aus diesem Grund sind Begebenheiten, die ein Zweifeln an der Güte oder Existenz Gottes aufkommen lassen, für den Glauben eines Schülers besonders irritierend. Die Frage der Theodizee wird jedem Schüler begegnen und der Religionsunterricht muss Handlungsmöglichkeiten in dem Glauben und für den Glauben bereitstellen. „In religiöser Hinsicht brechen Fragen und Zweifel immer früher auf. Schon Kinder im Grundschulalter und in der Orientierungsstufe vermuten, daß [sic!] Gott vielleicht nur eine Sage ist, und sie sind irritiert, daß [sic!] er einerseits Wunder tun kann, wie die Bibel überliefert, andererseits Jesus nicht vor dem Tod bewahrt hat. Die Eltern sind erst recht in diesem Bereich in aller Regel überfordert. Man überlässt alles dem Religionsunterricht.“[4]

In dieser Unterrichtseinheit wird also ein erster, notwendiger Schritt für die Religiosität und den beständigen Glauben der Schüler gelegt. Ziel soll langfristig ein Erreichen des individuierend-reflektierten Glaubens im frühen Erwachsenenalter sein. Der schulische Religionsunterricht bildet das Fundament dafür, dass Menschen fähig sind „zur kritischen Reflexion über Identität (Selbst) und Weltanschauung (Ideologie)“[5] und Verantwortung für die eigenen Glaubensinhalte übernehmen können.

Darüber hinaus ist anzunehmen, dass sich die religiöse Urteilbildung in einer nach Oser/Gmünder (1984) beschriebenen Übergangsphase befindet. Vom 11. bis zum 18. Lebensjahr interpretieren Jugendliche, die sich noch auf der 2. Stufe des Entwicklungsmodells befinden, „menschliches Leid als Strafe Gottes“[6], wohingegen die Jugendlichen auf der Stufe 3 „dieses Leiden von allen kausalen und strafenden Einflussmöglichkeiten Gottes [entkoppeln]. In diesem Sinn wird das Leiden nicht theologisch, sondern auf eine natürliche Art und Weise interpretiert. Die Bedingungen für das Leiden liegen nicht in der Transzendenz, sondern im menschlichen Leben selbst, sei es, dass dafür natürliche Ursachen oder moralische Gründe angeführt werden.“[7] Das Theodizee-Problem ist mit dem vollständigen Erreichen der Stufe 3 weniger relevant, denn hier wird die Existenz Gottes nicht geleugnet, dafür „aber sein Einwirken auf den Bereich des Menschen“[8]. Aus diesem Grund sollte Religionsunterricht Schüler entwicklungsorientiert an diese Stufe heranführen.

Für eine gewinnbringende Lektüre des Romans Oskar und die Dame in Rosa, in dem der junge Oskar letztlich den tödlichen Folgen seiner Krankheit erliegt, sollten die Schüler zudem über ein realistisches Todeskonzept verfügen. Nach Plieth (2002) entwickeln Kinder und Jugendliche dieses mit dem Eintritt in die Pubertät, sodass anzunehmen ist, dass Schüler bereits ab der 5. Klasse die Begriffe „Irreversibilität, Kausalität und Universalität des Todes“[9] in voller Konsequenz begreifen. Sie verstehen, dass Tod ein endgültiger und unumkehrbarer Stillstand der physischen und geistigen Funktionen ist, welcher jeden Menschen einmal treffen wird.

3. Fachwissenschaftliche Analyse

3.1 Die Theodizeefrage und ausgewählte Lösungsansätze

Der Begriff Theodizee (gr. theós: Gott; gr. díke: Gerechtigkeit/Rechtsstreit) ist von Gottfried Wilhelm Leibniz geprägt[10] und beschreibt die „Rechtfertigung Gottes angesichts des Vorwurfs der Verantwortlichkeit für die Übel in der Welt“[11]. Sofern man Gott als „Schöpfer und lenkende[n] Erhalter der Welt, allmächtig, allgütig, allwissend und gerecht“[12] versteht, so ist das Übel, das die Menschheit in individuellen Schicksalen erleidet, als eine „Anfechtung, Gefährdung und Störung eines theistischen Glaubens“[13] anzusehen. Die essentielle Problematik ist folglich die Frage, warum dieser gute Gott das Böse in der Welt zulässt, und „in letzter Konsequenz [ist] die Frage nach der Existenz Gottes“[14] unvermeidbar.

Aus philosophischer Sicht muss zunächst thematisiert werden, ob es sich bei einem Gott, dem die Prädikate „Güte, Allmacht und Gerechtigkeit“[15] zugeschrieben werden, der aber dennoch das Übel über den Menschen kommen lässt, um einen widersprüchlichen Gott handelt.

Der Philosoph Leibniz untergliedert das ‚Übel‘ in drei verschiedene Kategorien und schafft so eine Antwort auf die Theodizeefrage. Das metaphysische Übel (malum metaphysicum) entsteht durch die Unvollkommenheit des Menschen und grenzt diesen dadurch vom vollkommenden Gott ab. Das physische Übel (malum physicum) zeigt sich im körperlichen und seelischen Leiden des Menschen. Gott wirkt hier durch Schmerz und Leid, da dies notwendig ist, um die Menschen vom Schädlichen abzuhalten und zum Nützlichen zu drängen. Das moralische Übel (malum morale) wird von Gott gestattet, aber vom Menschen verübt. Inbegriffen ist hier das ethische Fehlverhalten, Sünde und Schuld sowie Unrecht gegenüber anderen und sich selbst.[16] Nach Leibniz ist das Übel von Gott intendiert und führt langfristig zu einer Verbesserung der Welt. Übel ist aber keinesfalls gleichzusetzen mit dem Bösen. Außerdem postuliert er: „Es gibt eine unendliche Anzahl möglicher Welten. Von diesen hat Gott nur eine geschaffen, nämlich die Vollkommenste, in der das Übel den kleinsten Raum hat.“[17] Die Existenz des Übels kann demnach mit der Existenz der Welt begründet werden.

Aus theologischer Sicht bleibt die Frage, „woher das Leid kommt und warum es Schuldige wie Unschuldige treffen kann, letztlich unbeantwortet. Der Glaube bietet keine Garantie für eine gerechte Vergeltung.“[18] Der Vorbehalt der Theologie lässt aber nicht auf einen ungerechten Gott schließen, sondern besagt, dass Glaube irdisches Leid ertragbar macht. Die Existenz des Übels erfährt keine Begründung. Diese Unvereinbarkeit von philosophischem und theologischem Antwortverhalten zeigt auf, dass für grundlegende Sinnfragen häufig die eine richtige Antwort nicht existiert. Aus diesem Grund sind umfassende, weitblickende Kenntnisse über den Sachverhalt sowie eine individuelle Reflexion dessen von hoher Bedeutung.

3.2 Theodizee in der Literatur am Beispiel Oskar und die Dame in Rosa

Will man Theodizeefrage im Unterricht thematisieren, so gibt es drei grundlegende Perspektiven auf diese: Zum ersten gibt es eine Perspektive, die eine Entwicklungsprozess im Individuum erkennbar macht. In ihr sind sowohl philosophische als auch theologische Gedanken prägend, diese gründen auf den externen Einflussfaktoren. Letztendlich wird in der Theodizeefrage die Frage nach der Existenz Gottes als irrelevant anerkannt und stattdessen dem Beistand Gottes im Leid schätzen gelernt (Oskar). Zum zweiten gibt es die philosophische Perspektive, in der man sich fragt warum Gott – falls er existiere – das Leid am Menschen zulässt und eine Begründung fordert (Eltern Oskars). Zum dritten besteht die theologische Perspektive, die von einer Existenz Gottes ausgeht, Glaube nicht als Schutzmantel für irdisches Leid anerkennt und sich keinen Erklärungsversuchen annimmt (Oma Rosa). Die zentralen Figuren in Oskar und die Dame in Rosa sind so angelegt, dass sie die Hauptdimension der Theodizeefrage abdecken und damit besonders geeignet für die Behandlung im Unterricht sind.

3.2.1 Bedeutung der Theodizeefrage für Oskar

Oskar, der Protagonist in Schmitts Werk Oskar und die Dame in Rosa, ist ein 10-jähriger Junge, der sterbenskrank auf der Kinderstation eines Krankenhauses liegt. Obwohl er aus einem nichtgläubigen Elternhaus kommt und der Existenz Gottes zunächst skeptisch gegenübersteht, beginnt er auf den Rat der ehrenamtlichen Stationsmitarbeiterin – von ihm Oma Rosa genannt – Briefe an Gott zu schreiben. Mit dem Fortschreiten seiner Krankheit werden die Briefe intensiver, Oskar teilt seine Gefühle, Geheimnisse und Wünsche Gott mit und wartet auf einen Besuch im Geiste. Ein Schild auf seinem Nachtschrank, das Oma Rosa nach Oskars Tod entdeckt und in ihrem einzigen und finalen Brief erwähnt, bestätigt das intensive Vertrauen in Gott, das Oskar kurz vor seinem Tod hat.

Zunächst ist Oskar skeptisch, „weil [er] nämlich nicht dran glaub[t], dass es [Gott] gibt“[19], aber er lässt sich dennoch auf seine Vertraute Oma Rosa ein und schreibt an Gott. Für Oskar ist Gott eine reale Figur, die vorbeikommen kann, wenn er nicht schläft. Weil er nicht verstehen kann, wie die Briefe Gott erreichen, fragt er Gott in dem ersten Brief nach seiner Adresse. Die Briefe scheinen Gott aber auch ohne diese zu erreichen. Der Leser kann nur vermuten, auf welche Weise die Briefe tatsächlich von Oskars Nachtschrank verschwinden. Bereits in seinem dritten Brief wird die Intensität des Verhältnisses von Oskar zu Gott höher. Er verrät Gott ein Geheimnis, das er nicht einmal Oma Rosa verraten hat und macht somit Gott zu seinem engsten Vertrauten. In der Auseinandersetzung mit Gott stellt er Fragen sein persönliches Schicksal betreffend. „Warum lässt Gott zu, dass man krank wird? Entweder ist er böse. Oder er ist eine Flasche.“[20] Diese Aussage zeigt, dass er eine Existenz Gottes voraussetzt. Oskar stellt selbst die Theodizeefrage und überlässt dem Leser ihre Reflexion. Dennoch erfährt der Leser, dass Oskar weder wütend noch enttäuscht von Gott ist. Oskar entwickelt in der fortschreitenden Handlung ein unabdingbares Vertrauen zu Gott. Er lässt sich auf Gott ein, er hofft auf Gutes, auf Wohl und auf Heil. Dieser Glaube gibt ihm mehr, als sein menschliches Umfeld ihm geben kann. Denn Oskar fühlt sich von Gott angenommen und geschätzt. Sehnsüchtig wartet Oskar auf eine Rückmeldung von Gott in Form eines – wie von Oma Rosa vorausgesagtem – Besuches im Geiste. Tatsächlich erlebt Oskar diesen Besuch: „Ich habe gespürt, dass du da warst. Dass du mir dein Geheimnis verraten hast: Schau jeden Tag auf diese Welt, als wäre es das erste Mal.“[21]

Diese Aussage ist Oskars persönliche Antwort auf die Theodizeefrage. Für Oskar ist es irrelevant geworden, ob Gott böse oder eine Flasche ist, denn diese Frage stellt er sich nicht mehr. Er hat begriffen, dass das Leben geliehen ist und der Mensch die Fähigkeit entwickeln muss, diese Leihgabe Gottes schätzen zu lernen.[22]

3.2.2 Bedeutung der Theodizeefrage für Oskars Eltern

Ein starkes Kontrastbild zu Oskar bilden die Eltern Oskars. Sie glauben nicht an die Existenz Gottes.[23] Zwar lernt der Rezipient die Eltern nur in aus der Perspektive Oskars kennen, allerdings beschreibt dieser ihr Verhalten so detailreich, dass der Leser sich Gedanken und Gefühle erschließen kann. In dem Verhalten der Eltern zeigt sich, dass sie Oskars bevorstehenden Tod aus dem Weg gehen und daher eine direkte Konfrontation mit ihm scheuen. Sie haben Angst, dass Oskar sie leiden sieht. „‘Dazu fehlt mir der Mut‘, sagte [Oskars] Mutter. ‚Er soll und besser nicht in diesem Zustand sehen‘, hat [sein] Vater hinzugefügt.“[24] Dass dieses abweisende Verhalten in Oskar ein Gefühl von Einsamkeit auslöst, nehmen sie nicht wahr. Sie sind von ihrer Trauer eingenommen und können die verbleibende Zweisamkeit mit ihrem Sohn nicht genießen. Oskar ist feinfühlig genug um dies zu erkennen, folglich beschwert er sich: „‘Sie fürchten sich vor mir. Sie trauen sich nicht, mit mir zu reden. Und je weniger sie sich trauen, um so mehr komm ich mir wie ein Monster vor.‘“[25]

Aus dem Brief Oma Rosas geht hervor, dass die Eltern in einem intensiven Austausch mit dieser stehen und mit Oskars Tod ein unermessliches Leid erfahren.[26] In dem Moment, in dem sie den Glauben ihres Sohnes an die Existenz Gottes wahrnehmen, werden sie sich als trauernde Eltern die Frage stellen, warum Gott, falls er existiert, das Leid zulässt? Die Frage nach einer Existenz Gottes ist für die Figuren der Eltern Oskars als Konsequenz anzunehmen.

3.2.3 Bedeutung der Theodizeefrage für Oma Rosa

Oskar weiß: „Wenn man im Krankenhaus ‚sterben‘ sagt, hört keiner zu. Man kann darauf wetten, alle schnappen nach Luft und wechseln das Thema.“[27] Allein Oma Rosa, die dienstälteste Krankenschwester, nimmt Oskar mit einer Mischung aus kindlichem Witz und erwachsener Sachlichkeit ernst. Sie leugnet Oskars anstehenden Tod nicht, sondern entwickelt mit ihm ein Spiel, welches ihn seine letzten zwölf Lebenstage intensiv ausleben lässt. Teil dieses Spiels, in dem er in zwölf Tagen um 120 Jahr altert, ist ein Briefwechsel mit Gott.

Oma Rosa entfacht in dem kranken Oskar eine Reflexion über die Existenz Gottes. Da die Briefe zunächst alle aus der Perspektive Oskars verfasst sind, wird sie von ihm als stark gläubig dargestellt. In dem Brief an Gott, der nach Oskars Tod als einziger von Oma Rosa verfasst ist, gesteht sie, dass Oskar ihr geholfen hat, an Gott zu glauben.[28] Nach Oskars Tod ist sie „so voll Liebe, daß es [sie] verbrennt, hat er [Oskar] [ihr] doch so viel davon gegeben, daß sie [sie] die paar Jahre, die [ihr] noch bleiben, erfüllen wird.“[29]

[...]


[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird immer nur das generische Maskulinum verwendet. Gemeint sind jedoch stets Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, etc.

[2] Detaillierte Angaben befinden sich im Sequenzplan, siehe Anhang.

[3] FOWLER, James: Stufen des Glaubens. Die Psychologie der menschlichen Entwicklung und die Suche nach Sinn. Gütersloh 1991.S. 191.

[4] Evangelische Kirche in Deutschland: Identität und Verständigung. Standort und Perspektiven des Religionsunterrichts in der Pluralität. Gütersloh 1994. URL: http://ekd.de/download/identitaet_und_verstaendigung_neu.pdf [Stand: 17.05.2014]. S. 5.

[5] Fowler, 1991. S. 195.

[6] Rommel, Herbert: Mensch – Leid – Gott. Eine Einführung in die Theodizee-Frage und ihre Didaktik. Paderborn 2011. S. 34.

[7] Ebd. S. 36.

[8] Fricke, Michael: Von Gott reden im Religionsunterricht. Göttingen 2007. S. 20.

[9] Plieth, Martina: Kind und Tod. Zum Umgang mit kindlichen Schreckensvorstellungen und

Hoffnungsbildern. Münster, 2002. S. 78.

[10] Vgl. Fricke, 2007. S. 53.

[11] Geyer, Carl-Friedrich: Theodizee VI. In: Müller, Gerhard (Hg.): Theologische Realenzyklopädie. Bd. 33. Berlin 2002. S. 231.

[12] Rosenau, Hartmut: Theodizee IV. In: Müller, Gerhard (Hg.): Theologische Realenzyklopädie. Bd. 33. Berlin 2002. S. 222.

[13] Ebd.

[14] Ebd.

[15] Geyer, 2002. S. 232.

[16] Vgl. Fricke, 2007. S. 54.

[17] FRICKE, 2007. S. 54.

[18] Gerlitz, Peter: Theodizee I. In: Müller, Gerhard (Hg.): Theologische Realenzyklopädie. Bd. 33. Berlin 2002. S. 210 .

[19] Schmitt, Eric-Emmanuel: Oskar und die Dame in Rosa. Frankfurt am Main 62008. S. 10.

[20] Ebd. S. 72.

[21] Ebd. S. 10.

[22] Vgl. SCHMITT, 2008. S. 101.

[23] Vgl. ebd. S. 33.

[24] Ebd. S. 27.

[25] Ebd. S. 85.

[26] Vgl. ebd. S. 104.

[27] Ebd. S. 17.

[28] Vgl. SCHMITT, 2008. S. 105.

[29] Ebd.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Zur Theodizeefrage aus philosophischer und theologischer Perspektive anhand "Oskar und die Dame in Rosa" von Eric-Emmanuel Schmitt (Religion, 9. Klasse)
Note
1,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
24
Katalognummer
V345595
ISBN (eBook)
9783668379312
ISBN (Buch)
9783668379329
Dateigröße
647 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Religion, 9. Klasse, Gymnasium
Schlagworte
Oskar und die Dame in Rosa, Theodizeefrage, Eric-Emmanuel Schmitt, Unterrichtsentwurf, Vertrauen in Gott
Arbeit zitieren
Ute Corell (Autor:in), 2014, Zur Theodizeefrage aus philosophischer und theologischer Perspektive anhand "Oskar und die Dame in Rosa" von Eric-Emmanuel Schmitt (Religion, 9. Klasse), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/345595

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