Klettern und Selbstkonzept


Bachelorarbeit, 2013

59 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Theorien der Selbstkonzepte
2.1 Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie
2.1.1 Das psychodynamische Paradigma
2.1.2 Das behavioristische Paradigma
2.1.3 Das Eigenschaftsparadigma
2.1.4 Das Informationsverarbeitungs-/ sozial- kognitive Paradigma
2.2 Historische Betrachtung des Begriffs Selbstkonzept und aktuelle Diskussionen
2.3 Selbstkonzepttheorien
2.3.1 Selbstwerttheorien
2.3.2 Theorien sozialer Interaktion
2.3.3 Theorie der Selbstwirksamkeit
2.4 Selbstkonzeptstruktur
2.4.1 Das eindimensionale Modell
2.4.2 Das hierarchische Modell

3. Sport und Selbstkonzept
3.1 Sozialisationshypothese und Selektionshypothese – Überblick und Kritik
3.2 Aktuelle Diskussionen

4. Klettern – Begriffsbestimmung und Formen

5. Methoden

6. Analyse der Dokumente
6.1 Zeitschriftenartikel
6.1.1 Lernen fürs Leben- STEFAN WINTER
6.1.2 „Klettern macht stark“- CARMEN DEFFNER
6.1.3 „Mit dem Fels Tanzen...“- HANS GRUBER
6.2 Empirische Untersuchungen
6.2.1 Differentielle Effekte primärpräventiver, sportlicher Aktivität – OLIVER STOLL, R. BRAUN, C. SCHMIDT, K. DUERRENFELD
6.2.2 Sportklettern und Persönlichkeit – THOMAS BRANDAUER
6.2.3 Persönlichkeitsentwicklung durch Outdoor- Aktivitäten? - GÜNTER AMESBERGER
6.3 Erfahrungsberichte und Abschlussarbeiten
6.3.1 „Zur Psychologie des Bergsteigens“- Ulrich Aufmuth
6.3.2 Risikosportarten in der Sozialarbeit - ROLAND WOLFF
6.3.3 Sportklettern als persönlichkeitsbildendes Medium in der Kinder- und Jugendarbeit – RALF LEHMANN

7. Auswertung
7.1 Selbstkonzept und Klettern in den Zeitschriftenartikeln
7.2 Selbstkonzept und Klettern in den Empirischen Untersuchungen
7.3 Selbstkonzept und Klettern in den Erfahrungsberichte und Abschlussarbeiten
7.4 Analysekategorie Rahmendaten
7.5 Analysekategorie Klettern

Literatur

1. Einleitung

Klettern erfordert Vertrauen und Verantwortungsgefühl (MATHIAS BRÜGGEMEIER, 2012), verursache die Entstehung eines neuen Selbstwertgefühls (MANUEL SCHWARZ, 2010). Es fördere die Körperwahrnehmung, Selbsteinschätzung und -sicherheit (BIRGIT KOXEDER, 2011). Außerdem bewegen sich Bergsteiger „oft in gefahrvoller Umgebung und sind vielfach auch ganz auf sich alleine gestellt. Dies erfordert und fördert ein starkes Selbstbewusstsein sowie eine ausgeglichene, stabile psychische Grundstruktur. Hierzu gehört in der Regel auch ein starker Überlebenswille und die Fähigkeit, auf unerwartete und bedrohliche Situationen ohne Angst oder Panik adäquat zu reagieren“ (WALTER TREIBEL, 2011).

Diese beispielhaft aus Zeitungsartikeln entnommenen Bilder und Begriffe rund um die Sportart Klettern und Bergsteigen, sprechen meines Erachtens (m.E.) für sich. Die Liste ließe sich bei einer weiteren Internetrecherche beliebig verlängern. Namen wie REINHOLD MESSNER (vgl.[1] ) oder HORST KAMMERLANDER (vgl.[2] ) vermitteln scheinbar den Duft des Abenteuers - teils kopfschüttelnd, teils bewundernd wird ihr Tun beobachtet und bewertet (KATHRIN ZEILMANN, 2009; TOBIAS HEYL, 2010; ACHIM ZONS, 2010). Sie verkörpern vorgeblich außergewöhnliche Persönlichkeiten - mutig, etwas verrückt und tollkühn, werden betitelt als Aussteiger aus der „normalen“ Gesellschaft. Aber nicht nur in seiner extremen Ausführung scheint der Bergsport Aufmerksamkeit zu erlangen. In Schulen, Sportvereinen, auf Klassenfahrten, als Therapie – in verschiedenen Kontexten tauchen Klettern und kletterähnliche Angebote, beispielsweise erlebnispädagogische Inhalte[3], auf. Meist verbunden mit den am Anfang genannten Schlagworten. Häufig sollen Selbstbewusstsein, Selbstwertgefühl oder Selbstwahrnehmung entwickelt oder gefördert werden. So bewirbt beispielsweise die Firma SCHATTENSPRINGER, welche erlebnispädagogische Klassenfahrten anbietet, diese wie folgt:

„Gemeinschaft spüren, Grenzen überwinden, Neues ausprobieren – seit über 13 Jahren stärkt Schattenspringer gezielt Gruppen und Einzelpersonen. Erlebnispädagogische Programme fördern das Selbstvertrauen von Schulklassen und Jugendgruppen. Familien erleben gemeinsam Abenteuer im Herzen der Natur. Unternehmen profitieren von speziellen Teamtrainings, erlebnisorientierten Incentives und Outdoor-Trainings“[4]

Es wird von einer Wirkung u.a. auf die Persönlichkeit ausgegangen. Offen bleibt jedoch bisweilen die Erklärung, wie eine diese entsteht, wie sie genau aussehen soll und vor allem, wie die Zusammenhänge zwischen einer Aktivität und einem Einfluss auf die sie betreibenden Menschen detailliert aussehen. Ein ganz ähnliches Bild entsteht bei einem Blick in den derzeit gültigen Berliner Rahmenlehrplan für die Sekundarstufe I in Sport. Dort ist Folgendes zu lesen:

„Sportunterricht beeinflusst die individuelle Persönlichkeitsentwicklung der Schülerinnen und Schüler positiv und fördert die Entwicklung des Leistungswillens, der Anstrengungs- und Risikobereitschaft. Außerdem wird durch das Streben nach der persönlichen Bestleistung und das Erkennen individueller Leistungssteigerung gleichzeitig ein stabiles Selbstwertgefühl herausgebildet (…) Der Sportunterricht bietet ein ergiebiges Feld für soziales Lernen, Hilfsbereitschaft und Rücksichtnahme. Fairness und mitverantwortliches Handeln werden herausgebildet. Insbesondere im Spiel, das Konflikte oft hautnah erfahrbar macht, können Strategien zur Konfliktlösung thematisiert und faires Verhalten geübt werden. Die Fähigkeit zum klärenden Gespräch ist hierfür genauso wichtig wie die gemeinschaftliche Bewältigung von Problemen und Gefahren in einem erlebnisorientierten Schulsport“ (Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport, in Kraft gesetzt 2006/2007).

Vergleichbare Wirksamkeitserwartungen beschäftigen die allgemeine sportwissenschaftliche Forschung:

„Dass sportliche Aktivität das Selbst positiv beeinflusst, ist sowohl Inhalt grundlegender Forderungen sportpraktischen Handelns als auch eine zentrale Annahme sportwissenschaftlicher Forschung zu den Effekten sportlicher Aktivität. In sportpraktischen Handlungsfeldern wie dem Schulsport, dem freizeitorientierten Kinder- und Jugendsport sowie dem Gesundheits- bzw. Rehabilitationssport wird auf die entwicklungs- und gesundheitspsychologisch wichtige Rolle einer positiven Selbstwahrnehmung und -einschätzung hingewiesen. Dabei wird angenommen, bzw. gefordert, dass durch sportliche Aktivität über funktional- somatische Verbesserungen hinaus auch eine Positivierung des Selbst anzustreben ist. Dieser pädagogisch und/ oder gesundheitlich orientierte Impetus spiegelt sich in der sportwissenschaftlichen Modellbildung und empirischen Forschung zum Selbst wider“ (Hänsel, in Conzelmann & Hänsel, 2008, S. 27f).

Die Annahme, Sport trage im positiven Sinne zur Persönlichkeitsentwicklung bei, ist scheinbar aktuell und findet sich ebenso in der Verbindung Klettern und Persönlichkeit wieder.

Ich arbeite seit einigen Jahren sowohl als Erlebnispädagogin und Trainerin im Bereich Klassenfahrten, Firmenevents und -fortbildungen, als auch als Klettertrainerin. Mit den soeben genannten Thesen wurde ich in meinem Alltag häufig konfrontiert. Jedoch irritierte mich zumeist, dass näher nachgefragt, welche Begründung für den „Glauben“ an die Wirksamkeit bestimmter Herangehensweisen und Methoden herhalten sollte, dies nicht beantwortet werden konnte. Oftmals wurden die eben beschriebenen Annahmen als bestätigt und gesichert angesehen. Daher möchte ich mich in dieser Bachelorarbeit mit folgender Frage beschäftigen:

Welche Untersuchungen und Studien gibt es, die sich mit einem Zusammenhang zwischen dem Selbstkonzept eines Menschen und der Ausübung der Sportart Klettern auseinandersetzen?

Und außerdem:

Welche Erkenntnisse wurden in diesen gewonnen? Können sie die oben genannten Hypothesen zu einer positiven Wirkung der Sportart Klettern rechtfertigen?

In meiner Arbeit möchte ich einen Einblick in die Forschung zum Thema Klettern und Selbstkonzept entwickeln. Zunächst schaffe ich dafür in Kapitel 2 einen zusammenfassenden Überblick über die verschiedenen Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie, in welcher die Selbstkonzepttheorien zu verorten sind. Demnach leite ich den Begriff Selbstkonzept historisch her und diskutiere aktuelle Fragestellungen. Außerdem gehe ich detaillierter auf einige Selbstkonzepttheorien ein. Im 3. Kapitel beschäftige ich mich näher mit Entwicklungen und aktuellen Diskussionen zum Selbstkonzept und Sport. In dem kurzen 4. Kapitel möchte ich daraufhin den Begriff Klettern beleuchten. Nach einer Einführung in die von mir verwendeten Methoden in Kapitel 5, beschäftige ich mich im folgenden, großne Abschnitt, dem 6. Kapitel, mit der Analyse der von mir ausgewählten Dokumente und Studien zum Thema Klettern und Selbstkonzept. Dazu entwickele ich aus den bereits vorangehenden theoretischen Grundlagen Analysekategorien und Fragen, anhand derer die Analyse stattfinden wird. Am Ende möchte ich in Kapitel 7 zum einen die gewonnenen Ergebnisse zusammenfassen. Bereits am Anfang dieser Einleitung versuche ich deutlich zu machen, dass die Betrachtungen des Themas Klettern und Persönlichkeit m. E. weites gehend bestimmt sind von empirisch gar nicht oder nur unzureichend belegten Annahmen und Hypothesen. Dieser Sachverhalt wird sich in meiner Analyse bestätigen. Daher werde ich in der Auswertung zum anderen immer wieder Vorschläge und Ausblicke auf mir relevant erscheinende, zukünftige Forschungsfragen geben.

2. Theorien der Selbstkonzepte

In diesem Kapitel beschreibe ich zunächst die verschiedenen Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie. Nachfolgend verorte ich das Selbstkonzept in seiner historisch- wissenschaftlichen Entwicklung innerhalb der Paradigmen. Am Schluss umreiße ich eine Auswahl an Selbstkonzepttheorien ausführlicher. Ich habe mich dabei auf die Theorien beschränkt, die im weiteren Verlauf, insbesondere der Analyse der Forschungsarbeiten, eine Rolle spielen. Außerdem gebe ich einen Einblick in mögliche Strukturen des Selbstkonzepts.

2.1 Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie

Die Durchsicht der Literatur ergab, dass sich die Einordnung der Selbstkonzepttheorien in einen wissenschaftlichen Rahmen als schwierig herausstellt. Selten findet eine präzise Einordnung oder Kategorisierung des Begriffs und der dazugehörigen Konzepte statt. Oft werden Begriffe wie Selbstkonzept, Selbstwert, Identität oder Persönlichkeit synonym verwendet. In anderen Fällen werden die Konzepte nicht explizit voneinander abgegrenzt und sollen doch sehr unterschiedliche Bedeutungen, häufig normativer Art, innetragen (vgl. MUMMENDEY, 2006). Diese Problematik ergibt sich für mich vor allem aus einer alltagspsychologischen Sicht und Interpretation.

„Die Alltagspsychologie ist ein System kulturell tradierter Überzeugungen über menschliches Erleben und Verhalten und dessen Ursachen. (…); sie enthält nicht nur Meinungen, die wir schnell ändern könnten, sondern viele tiefsitzende Überzeugungen, die aufzugeben uns äußerst schwer fällt. (…) Diese Skepsis dürfte eine Grund dafür sein, dass[5] es den meisten Menschen schwerfällt, Alltagspsychologie und Psychologie auseinander zu halten. Ein weiterer Grund ist sicherlich, dass psychologische Begriffe oft denselben Namen tragen wie alltagspsychologische Konzepte, obwohl sie als wissenschaftliche Begriffe eine präzisere und teilweise auch vom alltagspsychologischen Konzept abweichende Bedeutung haben“ (ASENDORPF, 1996, S.1f).

Verdeutlichen lässt sich das am Beispiel der Persönlichkeit: Im alltäglichen Gebrauch wird als Persönlichkeit meist die Gesamtheit der Eigenschaften einer Person verstanden. Oft ist der Begriff positiv konnotiert (eine Persönlichkeit sein - eine Persönlichkeit haben) (vgl. EBERSPÄCHER, 1993). Persönlichkeitspsychologie als wissenschaftliche Disziplin hingegen, versucht auf individueller und differentieller Ebene Beschreibungen, Vorhersagen und Erklärungen über das Verhalten der Mitglieder einer Population, also einer definierten Gruppe Menschen, zu treffen (vgl. ASENDORPF, 1996, S.99). Ich gehe davon aus, dass sie auch das Verhalten im Bezug zur eigenen Person erklären und beschreiben kann und folglich das Selbstkonzept als Unterkonzept der Persönlichkeitstheorien zu verstehen ist. Aus diesem Grund stelle ich weiter unten die verhandelten Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie vor.

Angelehnt an die forschungsleitenden Paradigmen der Psychologie wird auch das Konstrukt Persönlichkeit innerhalb eines jeden wissenschaftlichen Rahmens verschieden untersucht. Wichtig wird die Einordnung in eine der Grundhaltungen bei der Bewertung von Untersuchungen und methodischem Vorgehen, Konstrukten und Theorien. Denn je nach verwendetem Leitbild variiert auch der Zugang zum Thema und der gewählte Erklärungsansatz. Außerdem kann eine „psychologische Fragestellung (...) aus unterschiedlichen Perspektiven differenzierter betrachtet werden; dadurch werden verschiedene Aspekte eines Phänomens sichtbar, (…).“ ( vgl. RENNER, MACK& MENDZHERITSKAYA, 2012, S.80)

Meine Literaturrecherche ergab ein einheitliches Bild der kanonisierten Paradigmen. Aus diesen habe ich

1. das psychoanalytische Paradigma
2. das behavioristische Paradigma
3. das Eigenschaftsparadigma und
4. das Informationsverarbeitungs- oder sozial kognitive Paradigma

(vgl. ASENDORPF, 1996 ; PERVIN, 1981; RENNER, MACK und MENZHERITSKAYA, 2012; PERVIN, CERVONE UND JOHN, 2005) als besonders relevant für die Bearbeitung meines Themas ausgewählt. Hier spielte die Relevanz bezüglich der Analyse der Arbeiten zum Selbstkonzept und Klettern die entscheidende Rolle.

2.1.1 Das psychodynamische Paradigma

Auf Grund der langen Entwicklung ist es schwierig „das“ psychodynamische Paradigma zu besprechen (vgl. ASENDORPF, 1996). Trotzdem gehe ich von einer Art Kern bezüglich Grundannahmen über menschliches Leben und Verhalten und einem daraus folgenden grundlegenden methodischen Ansatz aus. M.E. stellt die Psychoanalyse FREUDS eine der bekanntesten Theorien innerhalb dieses Kontextes dar. Für die empirische Persönlichkeitspsychologie sind zwar nur einige wenige Konzepte FREUDs heute noch haltbar. Dennoch haben sie die Entwicklung der Persönlichkeitsforschung wesentlich beeinflusst und einige Konzepte haben sich auch in empirisch- quantitativen Studien bestätigen lassen (vgl. ASENDORPF, 1996). Vor allem im alltagstheoretischen Wissen und Diskursen tauchen FREUDsche Konzepte auf. Beispielhaft seien hier der Ödipus- Komplex, die frühkindlichen Entwicklungsphasen oder der FREUDsche Versprecher genannt (vgl. zeit.de/schule, S.2, 2006; PERVIN, 1981; ASENDORPF, 1996). Ebenso wird, wie ich später in der Analyse der Forschungsarbeiten in Kapitel 6 detaillierter zeigen werde, im Zusammenhang mit dem Bergsteigen durchaus ein Bezug zu psychodynamischen Theorien hergestellt. So wurde die „Psychologie des Bergsteigens“ von AUFMUTH (1997) fast ausschließlich auf diesen Annahmen basierend verfasst und wird in aktuellen Untersuchungen und Studien als grundlegende Literatur genutzt und vielfach zitiert (vgl. Kapitel 6.1.3 und 6.3.2).

In der psychoanalytischen Persönlichkeitstheorie wird davon ausgegangen, dass der Mensch ein Energiesystem sei. Nach FREUD kann es sich im Gleichgewicht und Ungleichgewicht befinden und Energie wird in verschiedenen Formen aufgebaut, gespeichert und abgezogen. Für diese Prozesse existieren bestimmte Gesetzmäßigkeiten, wobei ein Großteil der bestimmenden Kräfte, so vermutete FREUD, außerhalb des Bewusstseins des Menschen liegt. Es werde laut ihm dementsprechend viel Energie darauf verwendet, akzeptable Ausdrucksmöglichkeiten des Unbewussten zu finden oder dieses unbewusst zu halten. Handlungen können somit verdeckt oder offen verschiedenen Motive zum Ausdruck bringen. Nach FREUD lassen sich grundsätzlich alle Motive auf aggressive (Destruktionstrieb) oder sexuelle Triebe (Libido) zurückführen. Laut FREUD gerät der Wunsch nach Bedürfnisbefriedigung wiederkehrend in Konflikt mit gesellschaftlichen Anforderungen. Eine seiner Grundannahmen war der enge Zusammenhang zwischen der frühkindlichen Entwicklung, welche eingeteilt ist in verschiedene Phasen, und späteren psychopathologischen Störungsbildern und Verhaltensweisen (vgl. FREUD, 1977; PERVIN, 1986; ASENDORPF, 1996; RENNER, MACK und MENZHERITSKAYA, 2012).

2.1.2 Das behavioristische Paradigma

Im Prinzip als Gegenbewegung zu den psychodynamischen Theorien kann die Entwicklung des behavioristischen Paradigmas betrachtet werden. Nach der ausschließlichen Konzentration auf das „Innere“ des Menschen, gingen Behaviorist_innen vom Individuum als „black box“ aus (vgl. ASENDORF, 1996; RENNER, MACK und MENZHERITSKAYA, 2012). Begriffe wie Seele oder Bewusstsein wurden vermieden, da die Innenwelt des Menschen nicht als Gegenstand einer naturwissenschaftlichen Methode angesehen werden sollte. Analysierbar wurde dadurch lediglich das Verhalten in der aktuellen Situation einer Person, wobei als Verhalten die beobachtbaren Veränderungen des Körpers definiert wurden. Der Behaviorismus ist im strengen Sinne eine Lerntheorie. Die Reiz-Reaktionstheorie macht die menschliche Entwicklung vorhersagbar, erklärbar und auch bewusst veränderbar. Am bekanntesten sind dabei das klassische Konditionieren nach PAWLOW und das operante Konditionieren von dem BANDURA ausgeht. Außerdem vertrat BANDURA den Lernmechanismus der stellvertretenden Belohnung und Bestrafung. Die genannten körperlichen Veränderungen wurden dabei systematisch mit Veränderungen in der Umgebung in Verbindung gesetzt. Im weiteren Verlauf orientierte BANDURA sich im Übrigen mehr und mehr innerhalb sozial- kognitiver Grundannahmen (vgl. EDELMANN, 2000; MIETZEL, 2007; Kapitel 2.3.4).

Auch dieses Paradigma ist beim heutigen Stand der Forschung nur noch bedingt haltbar. Der radikale Behaviorismus selbst wurde alsbald nicht mehr von vielen Forscher_innen vertreten. Der Neobehaviorismus ließ bereits hypothetische Konstrukte wie Gedächtnis oder Motive zu. Aktuell wird von einer genetischen Disposition zum Erlernen bestimmter Lerninhalte ausgegangen (ASENDORPF, 1996). Außerdem würden Situationen bereits selektiv aufgesucht, verändert, vermieden und hergestellt (vgl. ebd.). Somit nimmt die Persönlichkeit Einfluss auf den Lernprozess, der_die Lernende ist aktiv. Diese Annahme einer Aktivität des Lernenden markiert den Übergang zum sozial- kognitiven Paradigma, welches im Kapitel 2.1.4 dargelegt wird. Trotz der fraglichen empirischen Validierung finden sich auch behavioristische,und somit lerntheoretische Annahmen und Konzepte, wie sich in meiner Analyse im Kapitel 6 zeigen wird, in aktuellen Forschungsfragen wieder (vgl. 6.3.3).

2.1.3 Das Eigenschaftsparadigma

Das Eigenschaftsparadigma entstand aus den Konzepten der Alltagspsychologie und ist weiterhin an diese angelehnt. Die Vertreter_innen gehen davon aus, dass der Mensch - ähnlich dem Behaviorismus - auf Reizkonstellationen reagiert. Diese - Situationen genannt - sind ein Ausschnitt der aktuellen Umwelt einer Person und üben konkreten Einfluss auf deren Verhalten aus. Die Art und Weise wie das Individuum reagiert, ist abhängig von einer sogenannten Verhaltensdisposition, bzw. mittelfristig stabilen Eigenschaften.

Im Rahmen des Eigenschaftsparadigmas wird versucht einerseits die individuellen Besonderheiten eines Menschen zu beschreiben (individuumzentrierter Ansatz). Andererseits können Individuen innerhalb einer Gruppe (Referenzpopulation) miteinander verglichen werden (differentieller Ansatz). Viele der aktuellen Persönlichkeitstests basieren auf den Annahmen des Eigenschaftsparadigmas (vgl. GABLER, SINGER & NITSCH, S.292f). Die bekannteste Theorie sind die sogenannten Big Five (vgl. ASENDORPF, 1996). Angelehnt an die Theorie des trait – relativ überdauernde, zeitlich stabile Persönlichkeitsdispositionen – beschreiben sie die Wahrscheinlichkeit eines Verhaltens in bestimmten sozialen Situationen. Beispielhaft sei hier das Merkmal der Extraversion, bzw. Introversion genannt, welches auch in den Analysen der Persönlichkeitsmerkmalen von Kletter_innen (vgl. BRANDAUER, 1992) bedeutsam ist. Ergänzend zu den traits, werden states als aktueller Zustand, z.B. die Aufmerksamkeit im Verlauf eines Tages, und habits als Gewohnheiten, definiert (vgl. ASENDORPF, 1992).

2.1.4 Das Informationsverarbeitungs-/ sozial- kognitive Paradigma

Wiederum in gewisser Hinsicht als ein Gegenentwurf zu radikalen, behavioristischen Theorien entwickelte sich in den 1950er Jahren das sozial- kognitive oder Informationsverarbeitungsparadigma. Es entstand interdisziplinär aus Informatik, Linguistik, Philosophie und Neurowissenschaften. Der Mensch wird als informationsverarbeitendes System, angelehnt an die Funktionsweisen eines Computers, angesehen.

„Die Grundannahme, dass der Mensch als informationsverarbeitendes System und als aktiver Konstrukteur seines Wissens zu betrachten ist, impliziert zunächst, dass das interne Selbstmodell und die sie konstituierenden Einheiten zu verstehen sind als die jeweils zu einem Zeitpunkt gegebenen Endprodukte, die aus dem Prozess der Verarbeitung selbstbezogener Informationen resultieren“ (FILIPP, 1984, S.131).

Der sogenannte Input wird demnach selektiv und bedürfnisgeleitet entkodiert, führt zu einer internen Repräsentation, wird verarbeitet und mündet in einem bestimmten Output. Im Mittelpunkt des sozial- kognitiven Paradigma steht dabei das „Wie“ der Informationsverarbeitung - die internen, mentalen, geistigen Prozesse. In seinem Schema-Konzept geht NEISSER (1979) davon aus, dass Wissen in abstrahierten Strukturen gespeichert wird. Hierarchisch organisierte Schemata werden durch bestimmte Stimuli aktiviert und auch nachfolgende Informationen werden immer auf Grundlage dessen interpretiert und ergänzt. Ein einfaches Beispiel solcher Schemata sind Stereotype, die eine besonders schnelle Generierung von Informationen ermöglichen.

Auch im CRUM (Computational Respresentational Understanding of Mind)- Modell THAGARDS (1996) vermutet dieser representationale Strukturen und Prozesse, die das Denken im Gehirn ergeben. Die Verarbeitungsprozesse (Computationen) können nach ihm auf verschiedene Weisen erklärt werden: Das symbolorientierte Modell wird durch Sprache repräsentiert und ist schemagesteuert, wie bereits beschrieben. Das konnektivistische Modell beschreibt Wissen als neuronales Aktivierungsmuster vernetzter Knoten. Diese Aktivierungsmuster, so THAGARD, müssen zunächst gelernt werden. Dann können sie jederzeit abgerufen werden. Die neuronalen Netzwerke, deren Verknüpfungen in ihrer Anzahl und Stärke variieren können, entstehen individuell oder evolutionär durch wiederholte Interaktionen mit der Umwelt. Besonders interessant erscheint mir in dieser Hinsicht die Einbettung der kognitiven Prozesse in den Körper, also Konzepte wie „embodied cognitive science“, „situatedness“ oder „mind embodied and embedded“, wie sie beispielsweise in der Arbeit von VARELA, THOMSON und ROSCH vorgenommen werden (vgl. VARELA, THOMPSON & ROSCH, 1992) .[6]

2.2 Historische Betrachtung des Begriffs Selbstkonzept und aktuelle Diskussionen

Historisch betrachtet ist der Begriff des Selbst noch eine recht neue „Erfindung“. Seine Wurzeln im Konzept des Seelischen oder der Seele findend, entwickelte er sich Anfang des 18. Jahrhunderts im englischsprachigen Raum als „self“. Von jeher beschäftigte die Trennung zwischen einem „Leib“ und einer „Seele“ die Theoretiker_innen. Eine genaue Betrachtung dessen würde zwar den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Dennoch halte ich eine grobe Einordnung der Theorie des Selbstkonzepts innerhalb dieser Problematik für sehr wichtig, da sie nach meiner Auffassung die Grundlage für die aktuelle Selbstkonzeptforschung darstellt. In seiner substantialisierten Form erscheint das „Selbst“ als etwas eigenständig handelndes und existierendes, aktives innerhalb eines jeden Individuums. Eines der kantianischen Postulate ist etwa, dass ein denkendes Subjekt eine Seele sei. Bereits die deutschen Idealisten wie HEGEL, FICHTE und KANT können somit in gewisser Weise als frühe Selbst- Forscher bezeichnet werden. Denn das in seinem Denken auf sich selbst bezogene Subjekt beweist letztlich Selbstbewusstsein (RENNER, MACK und MENZHERITSKAYA, 2012; MUMMENDEY, 2006). Eine solche Annahme, dass ein Selbst in welcher Form auch immer, existiere, bereitete m. E. den Weg für die Entwicklung einer Selbstkonzeptforschung wie sie heute besteht.

Eine systematische, psychologische Betrachtung des Selbst wurde dann erstmals von WILLIAM JAMES verfasst.

„Schon 1890 schlägt William James eine für das Verständnis des Selbst wesentliche Differenzierung vor. Das Wissen über sich selbst und die Bewertung der eigenen Person (Wer bin ich? Was weiß ich über mich? Wie bewerte ich mich?) bezeichnet James als das „Me“. Das Selbst ist sozusagen Objekt der eigenen Erkenntnis. Das Selbst ist aber auch Subjekt der eigenen Erkenntnis. Es ist Träger des Erkenntnisprozesses, durch den eine Person erst Wissen von sich selbst erlangt. James bezeichnet das Selbst unter dieser Perspektive als „I“. Diese Unterscheidung (…) des Selbst wird in der Literatur in wechselnden Begriffspaaren mehrfach aufgegriffen, (…). Es kann als Konsens in der psychologischen Forschung zum Selbst bezeichnet werden (…)“ (HÄNSEL, S.26. In: CONZELMANN & HÄNSEL, 2008).

Während der folgenden Jahre geriet diese Theorie in Vergessenheit. Die Konzeption des Selbst in der von psychodynamischen und behavioristischen Strömungen geprägten Zeit spielte eine eher implizite und untergeordnete Rolle. Im Rahmen der psychoanalytischen Theorien ließe sich der Begriff des „Selbst“ am ehesten mit dem „Ich“ als Sitz der Persönlichkeit und des Bewusstseins oder Instanz der Subjektivität in Verbindung bringen. Allerdings richtet in FREUDs Theorie dieses „Ich“ seine Erkenntnisfunktion nicht primär auf die eigene Person (vgl. MUMMENDEY, 2006, S.34f). Trotzdem kann FREUDs psychoanalytische Lehre Denkanstöße bieten für die aktuelle Selbstkonzeptforschung. Beispielhaft sind hier Untersuchungen zur sozialen Erwünschtheit und einem resultierenden Schutz des „Selbst“ vor einer Einflussnahme von außen oder innen auf das idealisierte Selbstbild (vgl. WEINBERGER et al., 1979). Auch die Selbstkonzepttheorie der sozialen Interaktion konnte mit dem Konzept des imaginierten significant other (vgl. Kapitel 2.3.2) eine empirische Unterstützung FREUDs Theorie der Übertragung, also der emotionalen Gleichsetzung des Therapeuten mit einer Bezugsperson des Patienten, bieten (vgl. ASENDORPF, 1996, S.26; ANDERSEN et al., 1995, ROSENBLATT & SANDLER, 1962).

Mit der kognitiven Wende, die ich ebenfalls bereits einführend skizzierte, wurde der Begriff des Selbst wieder entdeckt. Im Rahmen dieses Paradigmas lässt sich, angelehnt an FILIPP (1984), das Selbstkonzept als Wissen über die eigene Person definieren. Etwas anders formuliert umfasst der Begriff „Selbstkonzept“ die Gesamtheit der kognitiven Repräsentationen der eigenen Person, welche im Gedächtnis abgespeichert sind. Sie können sich auf verschiedene Inhalte beziehen und so zum Beispiel die eigenen intellektuellen Fähigkeiten, Aspekte des eigenen Körpers oder das eigene Erleben und Verhalten umfassen. Strukturierende Modelle zu dieser Einteilung werde ich in Kapitel 2.4 genauer betrachten. Es geht um einen Prozess, innerhalb dessen ein Individuum sich „einen Begriff (oder eine Vielzahl von Begriffen) von der eigenen Person“ macht, „es geht demnach um Prozesse der Selbstkonzeptualisierung“ (MUMMENDEY, 2006, S.25). Jedoch übt das Selbstkonzept gleichzeitig „die Funktion eines kognitiven Schemas aus: Es beeinflusst die Verarbeitung selbstbezogener Informationen (…). Dies lässt sich empirisch demonstrieren, indem man untersucht, wie Menschen Informationen über zentrale Aspekte ihres Selbstkonzepts verarbeiten“ (vgl. ASENDORPF, 1996, S.192). Diese Ansicht steht damit in der Denkweise der oben genannte Einteilung des Selbst in „Me“ und „I“, welche JAMES vornahm. Das Selbstkonzept vereint strukturierende Anteile der Informationsaufnahme (als Subjekt) und wird gleichzeitig durch die Informationsverarbeitung strukturiert (als Objekt) (vgl. HÄNSEL, 2008. In: CONZELMANN & HÄNSEL; ASENDORPF, 1996). Daran anschließend können die psychischen Prozesse des Wahrnehmens, Erinnerns, Denkens, Sprechens, Beurteilens, Vorstellens, Fühlens und Wollens im Bezug zum Selbstkonzept betrachtet und analysiert werden. Im Rahmen aller dieser Vorgänge beschäftigt das Individuum sich potentiell mit sich selbst in verschiedenen Ebenen. Innerhalb des Selbstkonzept sind demzufolge kognitive, konative und affektive Anteile angelegt (vgl. MUMMENDEY, 2006; SYGUSCH, 2007; DEUSINGER & HAASE, 1996).

Es eröffnet sich nun die Frage nach dem Zustandekommen des Wissens über die eigene Person. FILIPP (1984) bietet fünf verschiedene mögliche Quellen selbstbezogener Informationen an.

- direkte Prädikatenzuweisungen durch andere Personen

Die direkte Zuweisung von Merkmalen und Eigenschaften durch Interaktionspartner_innen führt demnach zu einer unvermittelten Widerspiegelung im Selbstkonzept des Individuums.

- indirekte Prädikatenzuweisungen durch andere Personen

Interaktionspartner_innen vermitteln durch ihr Verhalten Einschätzungen und Urteile, die eine Person mittels einer interpretativen Schlussfolgerung zu Informationen über sich selbst verarbeitet.

- komparative Prädikatenzuweisungen

Individuum erzielt auf Grund von Vergleichen mit anderen eine Einschätzung und weist sich selbst bestimmte Prädikate zu.

- reflexive Prädikaten- Selbstzuweisungen

Beobachtung des eigenen Verhaltens und Schlussfolgerung über Fähigkeiten, Einstellung etc.

- Ideationale Prädikaten- Selbstzuweisungen gespeicherte Informationen über die eigene Person werden abgerufen und aus ihnen werden neue Informationen gewonnen

Besonders interessant ist m. E. auch die Frage nach den Wechselwirkungen zwischen bereits vorhandenem Wissen und der Aufnahme neuer Informationen. Auf diesen Punkt werde ich in Kapitel 4 im Bezug auf verschiedene Attribuierungsstile noch eingehen.

2.3 Selbstkonzepttheorien

2.3.1 Selbstwerttheorien

Die Selbstwerttheorien beziehen sich vor allem auf die affektiv- evaluative Komponente des Selbstkonzepts. Im Mittelpunkt steht die Bewertung der eigenen Person. Allerdings kann dieser Prozess nicht entkoppelt von anderen Vorgängen wie Wahrnehmung und Kognition betrachtet werden. Wird trotzdessen eine Trennung vorgenommen, dient diese lediglich der besseren Erklärbarkeit.

Die scheinbare Tendenz des Individuums ist das Streben nach einem hohen Selbstwert, welcher durch Strategien des Selbstwertschutzes, der Selbstwerterhaltung und Selbstwerterhöhung gesichert wird. Der Prozess der Herstellung eines Selbstwertgefühls scheint andauernd stattzufinden (vgl. MUMMENDEY, 2006, S.144). Für diese Tendenzen bestehen unterschiedliche Theorien. In FESTINGERS (1954) Theorie der sozialen Vergleichsprozesse finden Beurteilungen der eigenen Person auf Basis physikalischer, objektiver Bezugsgrößen statt. Ist dies nicht möglich, werden soziale Bezugsgrößen herangezogen.[7] Der Selbstwerterhaltung und -erhöhung, bzw. dem Selbstwertschutz dienen dementsprechende kognitive, selektive Prozesse, die die Aufmerksamkeit besonders auf dem Selbstwert dienliche Informationen lenken. Dies können der Bezug auf die eigene Person, im Falle eines Erfolgs (externe Attribution- „ich habe das geschafft“) oder auf andere, im Falle eines Misserfolgs (externe Attribution- „andere haben das verursacht“) sein. Auf die verschiedenen Attribuierungsstile werde ich im Kapitel 4 noch ausführlicher eingehen. Im Widerspruch zu einer Theorie der Selbstwerterhöhung steht die Theorie der inneren Konsistenz. Demzufolge sucht das Individuum eine weites gehend widerspruchsfreie Selbstkonzeption herzustellen. Es besteht keine Bestrebung die eigene Person besonders positiv zu bewerten (vgl. MUMMENDEY, 2006).

2.3.2 Theorien sozialer Interaktion

In Theorien der sozialen Interaktion kommt der Rolle des sozialen Umfelds als Quelle für das Wissen über die eigene Person große Wichtigkeit zu. Eine bestimmte Gruppe an Interaktionspartner_innen (significant others) wirken ständig an der Ausformung und Veränderung des Selbstkonzept mit (vgl. ANDERSEN, CHEN & MIRANDA, 2002). Diese können vorgestellt, bzw. nicht bewusst repräsentiert und müssen daher nicht tatsächlich anwesend sein (vgl. ANDERSEN & GLASSMANN, 1996). In COOLEYS Spiegelbild- Selbst halten die wichtigen Interaktionspartner_innen dem Individuum den imaginierten Spiegel vor. Die Fremdwahrnehmung der eigenen Person wäre demnach alleiniger Konstituent des Selbstkonzepts eines jeden Menschen. Wahrscheinlicher ist jedoch eine Wechselwirkung zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung. Selbstbild und Beurteilung beeinflussten sich demnach wechselseitig (vgl. MUMMENDEY, 2006; MADON, SMITH, JUSSIM, RUSSEL, ECCLES, PALUMBO & WALKIEWICZ, 2001).

2.3.3 Theorie der Selbstwirksamkeit

Einer der bekanntesten Theoretiker der Selbstwirksamkeit ist ALFRED BANDURA (VGL. MUMMENDEY, 2006; MIETZEL, 1998). Im Mittelpunkt seiner Theorie steht die Fähigkeit eines Individuums Vorhersagen über ein zukünftiges Verhalten zu treffen. Bestimmte Verhaltensweisen werden, so BANDURA, abhängig von den Selbstwirksamkeitserwartungen entweder als realisierbar oder nicht eingestuft. „Nur wer glaubt, durch sein Handeln bestimmte gewünschte Ergebnisse erreichen zu können, wird angemessene Anreize für sein Handeln haben und Schwierigkeiten bewältigen“ (vgl. ebd.). Das Wissen über die eigene Selbstwirksamkeit entsteht nach BANDURA sowohl durch eigenes erfolgreiches oder weniger erfolgreiches Verhalten. Es kann jedoch auch über Beobachtung (klassisches Modelllernen) erfolgen. Die Theorie der Selbstwirksamkeit tritt, so werde ich in meiner Untersuchung des Forschungsstandes zeigen, mehrmals als Grundlage für Untersuchungen zur Wirkung von Klettern auf das Selbstkonzept auf. Sie wird daher im Kapitel 6 in einzelnen Analysen weiter spezifiziert.

[...]


[1] http://www.reinhold-messner.de / Zugriff am 1.7.2013. Zu Reinhold Messner vergleiche auch Sabine Boomers, Reisen als Lebensform, 2004. Außerdem interessant hierzu der Film: „Jäger des Augenblicks“, von Philip Manderla mit Stefan Glowacz, Holger Heuber und Kurt Albert, 2013.

[2] http://www.kammerlander.com/dt-aktuell-hans.htm Zugriff am 1.7.2013

[3] Erlebnispädagogische Inhalte sind auf Basis des Erlebens aufbauende Konzepte. Die nicht in sich geschlossenen Theorie orientiert sich meist an handlungs- und erfahrungsorientierten Lernmöglichkeiten, besonders werden Medien und Methoden der Naturerfahrungen und – sportarten (z.B. Segeln, Klettern, Kanu) gebraucht. Historische Grundlage ist meist die Erlebnistherapie Kurt Hahns, welche als Reformbewegung zur einseitigen, geistigen Bildung der Schulen einem körperlichen Verfall vorbeugen wollte (vgl. Bauer, 2002, S.273).

[4] http://www.schattenspringer.de/ Zugriff am 1.7.2013

[5] Im Folgenden werden alle Zitate an die neue deutsche Rechtschreibung angepasst.

[6] An dieser Stelle kann darauf nicht genauer eingegangen werden. Jedoch sollten diese Arbeiten im Hinblick auf ein Untersuchungsdesign auf jeden Fall weitergehend in Betracht gezogen und studiert werden.

[7] TIETJENS (2008) untersuchte in einer Studie zum Internal / External Frame of reference (s. Kapitel 4) die Bezugsgrößen einer Genese von Fähigkeitskonzepten im Sport. Sie kam zu dem Schluss, dass besonders soziale Vergleichsinformationen einen Einfluss auf das aufgabenbezogene Fähigkeitskonzept der an der Untersuchung teilnehmenden Schüler_innen hatte. Auch dimensionale Vergleichsprozesse (also der Vergleich mit einer eigenen, vorhergehenden Leistung) scheinen einen Einfluss zu haben, jedoch nur, falls soziale Vergleichsmöglichkeiten fehlen.

Ende der Leseprobe aus 59 Seiten

Details

Titel
Klettern und Selbstkonzept
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Sportwissenschaft)
Veranstaltung
Sportpädagogik
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
59
Katalognummer
V345481
ISBN (eBook)
9783668390232
ISBN (Buch)
9783668390249
Dateigröße
826 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Klettern, Selbstkonzept, Persönlichkeitsentwicklung, Erlebnispädagogik
Arbeit zitieren
Katrin Germonprez (Autor:in), 2013, Klettern und Selbstkonzept, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/345481

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Titel: Klettern und Selbstkonzept



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