Dialektische Anthropologie


Essay, 2016

14 Seiten


Leseprobe


Abstrakt

Es gibt unzählige wissenschaftliche und philosophische Anthropologien. Fast alle liefern triftige Einsichten in die jeweils untersuchten Aspekte des Menschseins.

Dialektische Anthropologie besteht darauf, daß es eine unauflösbare Einheit der Einheit und Nichteinheit von kausalem Determiniertsein und präzedenzloser (aus nichts Vorhergehendem ableitbarer) Kreativität des menschlichen Geistes gibt.

Zu allen Zeiten haben Philosophien und Religionen dem Menschen im Gefüge ihrer Ontologien einen Platz zugewiesen. Aber erst im ersten Drittel des vorigen Jahrhunderts ist der Mensch selbst, das Menschsein des Menschen zur offenen Frage geworden, deren Beantwortung der neu geschaffenen Subdisziplin ‚Philosophische Anthropologie‘ übertragen wurde. Deren Aufgabe ist es nicht, zu dem das Geistige und das Materielle umfassenden Forschungsfeld der Humanwissenschaften einen Beitrag zu liefern.

Ihr Gegenstand ist die subjektive, introspektive Dimension des Menschseins.

Im Zentrum steht dabei das (in den Einzelwissenschaften vom Menschen unreflektiert vorausgesetzte) Vermögen des Menschen, sein Ich - Selbst-Sein wahrzunehmen und als ein solches bewusst , selbständig und kreativ in den Lauf der Dinge einzugreifen und sie -in heute immer weiteren Grenzen- förderlich und teils bedrohlich zu verändern.

In den nachfolgenden Ausführungen wird die dialektische Anthropologie als eine Lehrmeinung erörtert werden, die einen grundlegenden Aspekt der Hominitas akzentuiert: Sie entfaltet die Einheit von Einheit und Nichteinheit zwischen dem kausalen Determiniertsein des menschlichen Tuns und Lassens und der aus Nichts ableitbaren Fähigkeit des Menschen, präzedenzlos Neues zu erdenken und zu erschaffen.

Während das Forschungsziel der Humanwissenschaften darin besteht, die objektiv erfassbaren Strukturen, Prozesse und ‚Sachzwänge‘ aufzudecken, ist das Selbstbewusstsein der Handelnden in der Regel davon überzeugt, daß, soweit nicht Routinen und Regeln Befolgung fordern (und auch noch innerhalb solcher „Zwänge“), der Mensch das von ihm Gewollte mit zielstrebiger Entschlossenheit durchzusetzen vermag. Er weiß sich fähig, Gegebenes absichtsvoll zu vernichten und Sachverhalte in noch nie Dagewesenes umzuwandeln. Die Fähigkeit, durch Wort und Tat ungünstige Zustände, widrige Umstände und veraltete Arbeitstechniken durch etwas Neues und zumeist Besseres ersetzen zu können, ist die unspektakuläre Gewissheit jedes Werktätigen.

Die Geschichte der Philosophie bietet parallel oder im Widerspruch zu den Lehren von der göttlichen, schicksalhaften, kausalen oder genetischen (Vorher-) Bestimmtheit des Menschendaseins immer wieder neue Darlegungen des Nicht-Festgestelltseins menschlichen Entschließens und Vollbringens, des von der Schöpfung freigelassenen Lebewesens und des Werkmeisters seiner selbst (dies auch unter der Chiffre vom ‚Ebenbild Gottes‘). In zahlreichen originären Variationen apostrophier(t)en Philosophen die jedem Menschen auferlegte Not oder Würde der Selbstführung, der eigenverantwortlichen Gestaltung seines Lebenslaufs und schließlich des „Geworfenseins“ der Menschen in die Bodenlosigkeit ihrer Existenz.

Keine dieser Theorien ist objektiv, durch allgemein überprüfbare und bestätigte (valide und reliabele) Tatsachen belegbar. Der erhellende Ursprung dieser Gewissheiten liegt allein in der Selbstreflexion individueller Personen, denen es auch überlassen bleibt, derartige Anthropologien zu verwerfen.

Die von der einfallsreichen Lösung handwerklicher Schwierigkeiten bis zu wissenschaftlicher und künstlerischer Genialität sich erstreckende Kreativität des menschlichen Geistes unterläuft das erforschbare Geflecht des Faktischen mit auf nichts Vorgegebenes zurückführbaren Schöpfungen (Erkenntnissen, Verfahren, Werken). Problemlösungen, zündende Ideen und konstruktive Einfälle („Eingebungen“, “Erleuchtungen“) werden nicht - planmäßig - ‚hergestellt‘; sie ereignen sich bei der unermüdlichen Arbeit an der Aufgabe (oder auch in deren Ruhepause).

[...]

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Details

Titel
Dialektische Anthropologie
Autor
Jahr
2016
Seiten
14
Katalognummer
V345380
ISBN (eBook)
9783668353282
ISBN (Buch)
9783668353299
Dateigröße
188 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
dialektische Anthropologie, Determinismus, menschlicher Geist, Menschsein
Arbeit zitieren
Dr. Werner Schneider (Autor:in), 2016, Dialektische Anthropologie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/345380

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