Sind Kindergartenkinder fähig zur Kooperation? Die Entwicklung des Sozialverhaltens bei Kindern von 3 bis 6 Jahren


Seminararbeit, 2016

21 Seiten, Note: 3,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Operationalisierung von Begriffen im Zusammenhang mit Sozialverhalten in
der Entwicklungspsychologie

3. Zusammenfassung zur Entwicklung vor Kindergarteneintritt

4. Entwicklung des Sozialverhaltens im Kindergartenalter
4.1. Entwicklung im vierten Lebensjahr
4.2. Entwicklung im fünften Lebensjahr
4.3. Entwicklung im sechsten Lebensjahr
4.4. Stand zu Beginn des siebten Lebensjahres bzw. Anforderungen für den Schulbesuch

5. Schluss

6. Literaturverzeichnis

7. Internetquellenverzeichnis

1. Einleitung

Kooperation im Kindergarten – darunter wird in der Regel hauptsächlich die Zusammenarbeit einer Tageseinrichtung mit verschiedenen fördernden Institutionen sowie der beschäftigten Fachkräfte mit den Erziehungsberechtigten verstanden. Über diese Beziehungen wird vielfach aufgeklärt und diskutiert. Doch wie sieht Kooperation grundsätzlich unter denjenigen aus, denen sämtliche Hilfsmaßnahmen eigentlich zu Gute kommen sollen? Wie funktioniert kooperatives Verhalten und Solidarität bei Klein- und Kindergartenkindern? Beziehungsweise: Sind diese dessen überhaupt fähig und kann man in kindlichem Verhalten und Handeln bereits kooperative Züge beobachten und begründen? Meine folgende Seminararbeit wird wichtige Gesichtspunkte aufgreifen und zusammenführen, um diesen Fragen auf den Grund zu gehen.

In meiner Ausbildung zur Kinderpflegerin, die ich vor etwa zwei Jahren abgeschlossen habe, war ich zuerst ein Jahr in einem Regelkindergarten und anschließend in einer Eltern-Kind-Kurklinik in der Betreuung der Unter-2-Jährigen beschäftigt, wo ich viele Erfahrungen mit kleinen Kindern gesammelt habe. Für mich war gerade deren Sozialverhalten sowie dessen Entwicklung und Förderungsmöglichkeiten interessant zu beobachten, da ich – als Einzelkind aufgewachsen – zuvor nie die Entwicklung eines Kindes miterleben durfte.

Innerhalb eines Jahres kann sich gerade auch im sozialen Entwicklungsbereich nämlich jede Menge verändern. Ich frage mich seither zunehmend, welche Faktoren Einfluss auf positive oder negative Veränderungen im Auftreten des Kindes innerhalb einer Gruppe haben. Ich möchte darüber mehr herausfinden und zudem klären, wie Richtlinien für Beurteilungen der Sozialkompetenz (wie z.B. die Einschätzung über Eignung zum Schuleinstieg) festgelegt werden und wie dann mit Abweichungen von einer eventuellen „Norm“ umgegangen wird.

Diese und viele weitere Fragen werde ich in meiner Seminararbeit wissenschaftlich klären und einen umfassenden Überblick über die Entwicklung des Sozialverhaltens im Kindergartenalter geben.

2. Operationalisierung von Begriffen im Zusammenhang mit Sozialverhalten in der Entwicklungspsychologie

Zunächst ist die Klärung zentraler Begriffe, die sich auf dieses Thema beziehen, von Bedeutung.

„Unter Sozialverhalten wird jegliches Verhalten eines Menschen, das die Gemeinschaft und den Umgang mit anderen Menschen betrifft, verstanden.“ [1]

„Bei Entwicklung handelt es sich um Veränderungen, die aufeinander aufbauen, sich einer bestimmten Altersstufe zuordnen lassen, deren Wirkung nachhaltig ist und deren Ablauf kontinuierlich erfolgt.“ [2]

Es muss also sowohl für den sozialen, als auch für alle sonstigen Bereiche, die die Entwicklungspsychologie abdeckt, eine bestimmte Reihenfolge geben, die einen durchschnittlichen Entwicklungsverlauf in verschiedenen Phasen oder Stadien beschreibt und nach der man sich richten kann. Diese Veränderungen im Erleben und Verhalten beziehen sich auf die verschiedenen Altersstufen des jeweiligen Individuums und beeinflussen essentiell, wie sich die fortschreitende Entwicklung gestaltet. Außerdem findet Entwicklung in Laufe des Lebens ohne Unterbrechung statt. [3]

Bedeutenden Einfluss auf den Entwicklungsverlauf haben die Faktoren Anlage, Umwelt und Selbststeuerung.

Anlage ist hierbei der innere Faktor. Sie bezeichnet das biologische Erbe. Anlagebedingte Vorgänge und Veränderungen werden nicht Entwicklung, sondern Reifung genannt.

Mit Umwelt sind die äußeren Einflüsse des persönlichen Umfelds gemeint. „Den Vorgang, der durch Umweltreize in Gang gesetzt und gehalten wird, bezeichnet man als Lernen.“ [4] Erfahrungen, die der Mensch macht, können also Verhalten aufbauen und bestehendes verändern.

Schon im jungen Alter hat jeder Mensch seinen eigenen Kopf. Das soll heißen, dass die Entwicklung zum Teil auch vom Individuum selbst gesteuert wird. „Den Vorgang, der durch den eigenen Willen in Gang gesetzt wird, bezeichnet man als Selbststeuerung.“[5]

Diese drei Faktoren wirken sich wechselseitig aufeinander aus, beeinflussen und erfordern sich gegenseitig.

Erziehungsziele, die im Bereich der Sozialkompetenz formuliert werden, sind: „[…] der Erwerb von Fähigkeiten wie Kontakt- und Kommunikationsfähigkeit, Kooperation, soziale Sensibilität (Empathie), Umgang mit Regeln, Konfliktfähigkeit und Konfliktverarbeitung, Gruppenfähigkeit und Übernahme verschiedener Rollen und Solidarität.“ [6]

Die Kooperationsfähigkeit wird in Bildungs- und Erziehungsrichtlinien als Basiskompetenz bezeichnet und folgendermaßen beschrieben:

„Kinder lernen, in der Tageseinrichtung mit anderen Kindern und Erwachsenen bei gemeinsamen Aktivitäten – vom Tischdecken über Spiele bis hin zu Projekten – zusammenzuarbeiten. Dabei lernen sie z.B., sich mit anderen abzusprechen, gemeinsam etwas zu planen, dieses abgestimmt durchzuführen und danach über ihre Erfahrungen zu sprechen. Das pädagogische Personal eröffnet den Kindern Kooperationsmöglichkeiten (z:b: bei der Gestaltung der Räume, der Essensplanung, bei Vorbereitung von Festen und bei der Planung täglicher Aktivitäten).“ [7]

Hinzuzufügen ist, dass die soziale Entwicklung häufig stark mit der Entwicklung in anderen Bereichen zusammenhängt bzw. von diesen abhängt. Aus diesem Grund sind stellenweise Erläuterungen oder Anmerkungen nötig, die sich auf andere Entwicklungsbereiche beziehen und dem Verständnis dienen.

3. Zusammenfassung zur Entwicklung vor Kindergarteneintritt

Der Eintritt in den Regelkindergarten erfolgt normalerweise im Alter von drei Jahren und der Besuch des Kindergartens dauert bis zum Schuleintritt. Um Entwicklungsphasen im Kindergartenalter umfassend beschreiben und auch verstehen zu können, muss man jedoch auch anführen, dass es bereits im vorgeburtlichen Stadium, sowie auch im Kleinkind- oder Krippenalter wichtige Schritte in Richtung sozial kompetentes Wesen gibt, die in keinem Fall außer Acht gelassen werden dürfen.

Anders als oft vermutet wird, beginnt die Sozialentwicklung schon vor dem Geburtstermin, im Embryonalstadium. Dabei wird sich vom Embryo immer mehr an Reize angepasst, die um diesen herum geschehen. Hier kann man durchaus von Reaktionen sprechen. Auch kommuniziert das ungeborene Kind zunehmend gewissermaßen sozial mit der Mutter und seiner Umwelt. Dies findet durch Bewegungen und Reflexe statt. Beispielsweise nehmen viele Mütter während ihrer Schwangerschaft zeitweise starke Tritte oder ein Zwicken im Bauch wahr, das vom Kind ausgesendet wird.

Ab dem ersten Lebensjahr, also von der Geburt an, kann man erkennen, dass Menschenbabys aufgeschlossen gegenüber anderen Menschen sind. Diese positive Einstellung dient dem Zurechtkommen in der sozialen Welt und entspricht der eigentlichen Grundvoraussetzung für das Zusammenleben mit anderen, ohne die es unmöglich wäre, Beziehungen aufzubauen und zu interagieren. Die Eltern sind die nahesten und wichtigsten Bezugspersonen in diesem Alter. „Vor allem in ‚Alarmsituationen‘, wenn es müde oder krank ist, wenn es Trost braucht, sucht es die Nähe der Bezugspersonen.“ [8] „Die Skepsis unbekannten Erwachsenen gegenüber wächst von Monat zu Monat.“ [9] Dies bezeichnet man als Fremdeln und ist wichtig für die Ich-Entwicklung [10] und das Unterscheiden zwischen vertrauten und (relativ) fremden Personen. Nonverbale Kommunikation entwickelt sich langsam von Gesten und Gesichtsausdrücken über unverständliche Laute, Lallen und Plappern bis hin zu ersten Wörtern und kommt somit einer verbalen Verständigung immer näher.

Im zweiten Lebensjahr treten Gefühle noch ziemlich spontan auf und variieren teils enorm in ihrer Intensität. Diese Gefühle nach außen zu zeigen hat das unbewusste Ziel, Trost, Zuwendung oder Unterstützung zu erhalten. [11] Man spricht in diesem Zusammenhang oft von der Trotzphase, wobei die Bezeichnung Autonomiephase die passendere ist, da es sich um ein „völlig gesundes Verhalten“[12] handelt. Das Kind realisiert die eigene Identität, was zur Entwicklung von Selbstständigkeit und dem Erkennen des Unterschiedes zwischen Ich und Du führt. Es können zu diesem Zeitpunkt erstmals empathische und prosoziale Züge erkannt werden. („Prosoziales Verhalten ist ein positives, konstruktives, hilfsbereites Verhalten und das Gegenteil von antisozialem Verhalten.“ [13] ) Diese Züge zeigen sich in der Neigung, mit anderen, vertrauten Personen mitzufühlen [14] und von sich aus auf diese zuzugehen. Dieses Auf-die-anderen-zugehen findet natürlich entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand abgeschwächt statt, zum Beispiel durch einen freundlichen Blick, Berührungen oder indem das Kind Augenkontakt sucht. Außerdem lernen Einjährige Umgangsregeln kennen und können diese bereits beachten, sich jedoch nicht zuverlässig an diese halten, da die Verarbeitung dieser im Gehirn noch nicht einwandfrei funktioniert. [15] Das Kind, das zuvor kaum von den Eltern oder Hauptbezugspersonen abzulösen war, wird in dieser Zeit hingegen auch geselliger und neugieriger im Spiel mit Altersgefährten [16]

Etwa ab dem Alter von zwei Jahren geschieht erneut ein starker Zuwachs des Wortschatzes. Dadurch können die Kinder sicherer Dinge beschreiben, Erlebtes ausdrücken und somit am Sozialleben teilnehmen. Die bis dahin ausgeprägte Kognition ermöglicht nun, im Spiel, sowie im Alltag einfache Symbole zu erkennen und zu deuten. „Die damit verbundene Ausbildung einer inneren Welt der Vorstellungen und Fantasien stellt einen Meilenstein in der kindlichen Entwicklung zu einem sozialen Wesen dar.“[17] Es gestaltet sich nun leichter, das Kind dazu zu bringen, unabhängig von den Eltern mit anderen Kindern zu spielen. Man kann hier schon von Kooperationsbereitschaft sprechen, da den Kleinkindern anzusehen ist, dass sie den Erfolg genießen, der sich aus der Zusammenarbeit ergibt.

„Nicht selten helfen sich die Kinder untereinander (‚Ich helfe dir‘ oder ‚Ich zeige dir‘). Sich gegenseitig zu helfen und zu kooperieren sind wichtige soziale Kompetenzen, die aus solchen frühen Kind-Kind-Kontakten entstehen können.“ [18]

Wenn das Kind sich in sozialen Gruppen aufhält, dann nimmt es jetzt darin seine Rolle oder seinen eigenen Platz ein. Damit sind Gruppen wie die Kinderkrippe, Spielgruppe o.ä. gemeint. Je nachdem, ob eine qualitative, sichere Bindung zu der/den Bezugsperson(en) gegeben ist, wird das Kind an dieser Stelle viel selbstbewusster und sein Interesse verschiebt sich immer mehr weg von den Eltern und hin zu anderen Kindern. [19] „Es beginnt nun ein langsamer, aber ständig voranschreitender Ablösungsprozess.“ [20]

Es scheint also, als würden im Vorkindergartenalter, die Grundbausteine für eine Ausbildung kooperativen Verhaltens gelegt und als seien beim Mensch die Voraussetzungen dafür gegeben, schon im frühen Alter das Zusammenarbeiten mit anderen zu erlernen. Dazu folgen in den folgenden Teilkapiteln nähere Informationen.

4. Entwicklung des Sozialverhaltens im Kindergartenalter

4.1. Entwicklung im vierten Lebensjahr

Mit dem Eintritt in den Kindergarten erweitert sich die Welt des Kindes und das „soziale Bezugssystem“ [21] bedeutend und ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Es muss nun viele neue Dinge kennen- und damit umzugehen lernen, angefangen bei Personen, über Gegenstände, Verhaltensweisen und Regeln bis hin zu Grundwissen in einigen Bereichen.

[...]


[1] Metzinger (2011), S. 59

[2] Altenthan (2009), S. 229

[3] Vgl. Altenthan (2009), S. 229ff.

[4] Altenthan (2009), S. 241

[5] Altenthan (2009), S. 242

[6] Metzinger (2011), S. 59

[7] Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen/Staatsinstitut für Frühpädagogik München (2012), S. 50

[8] Vgl. Altenthan (2009), S. 297

[9] Gebauer-Sesterhenn (2011), S. 41

[10] Vgl. Gebauer-Sesterhenn (2011), S. 41

[11] Vgl. Kasten (2008), S. 176

[12] Kasten (2008), S. 176

[13] http://lexikon.stangl.eu/4226/prosoziales-verhalten/

[14] Vgl. Gebauer-Sesterhenn (2011), S. 176

[15] Vgl. Kasten (2008), S. 176f.

[16] Vgl. Kasten (2008), S. 176

[17] Kasten (2008), S. 177

[18] Gebauer-Sesterhenn (2011), S. 316

[19] Vgl. Kasten (2008), S. 176

[20] Altenthan (2009),S. 297

[21] Altenthan (2009), S. 298

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Sind Kindergartenkinder fähig zur Kooperation? Die Entwicklung des Sozialverhaltens bei Kindern von 3 bis 6 Jahren
Note
3,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
21
Katalognummer
V345271
ISBN (eBook)
9783668349643
ISBN (Buch)
9783668349650
Dateigröße
577 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
sind, kindergartenkinder, kooperation, entwicklung, sozialverhaltens, kindern, jahren
Arbeit zitieren
Lisa Mayr (Autor:in), 2016, Sind Kindergartenkinder fähig zur Kooperation? Die Entwicklung des Sozialverhaltens bei Kindern von 3 bis 6 Jahren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/345271

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