Das prospektive Gedächtnis im Erwachsenenalter


Hausarbeit, 2015

13 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Zusammenfassung

Das prospektive Gedächtnis, das sozusagen ein Gedächtnis für die Zukunft ist, speichert all unsere Handlungsabsichten oder Ziele, die wir in Zukunft ausführen oder erreichen wollen. Nur mit Hilfe des prospektiven Gedächtnisses schaffen wir es Termine einzuhalten oder selbst gesetzte Ziele auf lange Sicht zu verfolgen. Einige Leistungseinbußen im prospektiven Gedächtnis zeigen sich in stressigen Situationen, aber auch im Alter lässt sich eine Leistungsabnahme im prospektiven Gedächtnis finden. So zeigt sich beispielsweise eine Leistungsabnahme bei älteren Menschen in laborbasierten prospektiven Gedächtnisaufgaben, jedoch verschwinden diese vollkommen, wenn die prospektive Gedächtnisaufgabe in einer natürlichen Umgebung durchgeführt wird. In folgender Arbeit werde ich den Fokus auf Altersdefizite im prospektiven Gedächtnis legen und die Leistungsfähigkeit des prospektiven Gedächtnisses von älteren Menschen mit der von jüngeren Menschen vergleichen. Ebenfalls werden potentielle Erklärungsansätze, wie zum Beispiel das Multiprocess Framework Modell von Einstein und McDaniel vorgestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einleitung

Sich an das Treffen mit der Freundin um 19 Uhr zu erinnern, die Medikamente abends um 20 Uhr pünktlich einzunehmen oder die Hausarbeit fristgerecht abzugeben - all diese Tätigkeiten haben eine Gemeinsamkeit, sie alle beruhen auf dem prospektiven Gedächtnis. Das prospektive Gedächtnis kommt immer dann zum Einsatz, wenn wir Handlungen planen, die in der Zukunft liegen und zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgeführt werden müssen. Einerseits muss somit die auszuführende Tätigkeit und andererseits der Zeitpunkt, an dem die Tätigkeit auszuführen ist, abgespeichert und abgerufen werden (Einstein, & McDaniel, 1996). Das prospektive Gedächtnis spielt somit eine große Rolle im Alltag, sowohl im Privatleben, als auch im Berufsleben. Demnach sind beispielsweise Piloten sehr häufig prospektiven Gedächtnissituationen ausgesetzt (Bsp.: Pilot muss vor der Landung daran denken das Fahrwerk auszufahren). Treten hier Gedächtnisfehler auf, so kann es zu katastrophalen Konsequenzen kommen.

Wie bereits erwähnt, basiert die Ausführung prospektiver Gedächtnisaufgaben, einerseits darauf, sich an die Handlung, also deren Inhalt, zu erinnern und andererseits darauf sich an den Zeitpunkt für die Ausführung der Handlung zu erinnern. Das prospektive Erinnern setzt sich somit aus zwei Komponenten zusammen, welche als prospektive und retrospektive Komponente bezeichnet werden. Die prospektive Komponente ist somit das Erinnern daran, dass etwas getan werden muss und die retrospektive Komponente hingegen das Erinnern, was getan werden muss. Die beiden Komponenten sind demnach, in gewissem Maße, voneinander abhängig. Müssen beispielsweise viele oder komplexe Handlungsabsichten gespeichert werden und das retrospektive Gedächtnis aufgrund dessen versagt, so kann die Intention später auch nicht umgesetzt werden (Einstein & McDaniel, 1990, 2000, 2005).

Schaut man sich nun den Ablauf des prospektiven Erinnern genauer an, so zeichnen sich vier aufeinander bauende Phasen ab. Zu Beginn muss erst einmal die Handlungsabsicht gebildet werden, das bedeutet, dass gespeichert werden muss, dass man etwas tun möchte, was man tun möchte und wann man es tun möchte. Der Umfang der ersten Phase kann dabei ganz unterschiedlich lang sein, von einem kurzen gedanklichen Vorsatz bis hin zu einer detaillierten Planung. Im Anschluss an die erste Phase, kommt es zur zweiten Phase: der Speicherung der Intention. Die zweite Phase ist somit die Zeitspanne zwischen Fassen der Absicht und dem Ausführungszeitpunkt. Hierbei muss die Intention über ein längeres Zeitfenster gespeichert werden, während andere Tätigkeiten in den Vordergrund rücken. Im Anschluss daran folgt der Abruf der Intention (Phase 3). Hierbei muss die Person selbst erkennen, dass nun der richtige Kontext (z.B. richtige Uhrzeit) für die Handlungsumsetzung gekommen ist. In der letzten Phase (Phase 4) kommt es zur Ausführung der Intention. Diese wird natürlich nur dann ausgeführt, wenn die Umsetzung aufgrund räumlich-zeitlicher Faktoren möglich ist oder wenn keine andere Tätigkeit zu diesem Zeitpunkt Vorrang hat (Ellis, 1996).

Prospektive Gedächtnisaufgaben lassen sich zudem in ereignisbasierte und zeitbasierte Gedächtnisaufgaben unterteilen. Bei ereignisbasierten Gedächtnisaufgaben erhält man einen speziellen Hinweisreiz, der den richtigen Moment zur Umsetzung der geplanten Handlung signalisiert. Dies kann beispielsweise das Erscheinen eines bestimmten Wortes auf dem Bildschirm sein, woraufhin man eine vorher festgelegte Handlung ausführt. Im Gegensatz dazu stehen die zeitbasierten Gedächtnisaufgaben. Hierbei muss sich an eine Handlung, zu einem vorher definierten Zeitpunkt, selbstständig erinnert werden. Es wird kein externer Hinweis gegeben, der die Handlung einleitet. Betrachtet man nun diese beiden prospektiven Gedächtnisaufgaben, so scheinen die zeitbasierten Gedächtnisaufgaben schwieriger zu bewältigen und fehleranfälliger zu sein, da sie ein selbstständiges und strategisches Überwachen (Monitoring) des Zeitablaufs erfordern im Gegensatz zu ereignisbasierten Gedächtnisaufgaben, welche aufgrund des externen Hinweisreizes oft mit Hilfe automatischer Prozesse bewältigt werden können (Bastin, & Meulemans, 2002).

Ob prospektive Gedächtnisfehler, sowohl für zeitbasierte als auch für ereignisbasierte Gedächtnisaufgaben, im Alter zunehmen, wird im folgenden Abschnitt näher drauf eingegangen.

zeitbasierte vs. ereignisbasierte Aufgaben

In Anlehnung daran, dass zeitbasierte prospektive Gedächtnisaufgaben schwieriger zu bewältigen und fehleranfälliger sind, scheinen besonders in dieser Art von Aufgaben Alterseffekte aufzutreten (Maylor, 1995).

Kvavilashvili, Kornbrot und Mash (2009) konnten in ihrer Studie Alterseffekte in zeitbasierten prospektiven Gedächtnisaufgaben nachweisen. Sie verglichen dafür die Leistung in einer zeitbasierten prospektiven Gedächtnisaufgabe zwischen jungen Erwachsenen (18-30 Jahre), Erwachsenen (61-75 Jahre) und alten Erwachsenen (71-80 Jahre). Das Experiment selbst bestand aus einer dual-task. Es musste einerseits eine Hintergrundaufgabe, die sogenannte ongoing-task und andererseits die zeitbasierte prospektive Gedächtnisaufgabe bearbeitet werden. In der ongoing-task hatten die Probanden die Aufgabe auf eine Reihe von Allgemeinfragen zu antworten, welche auf einem Computerbildschirm präsentiert wurden. In der zeitbasierten prospektiven Gedächtnisaufgabe hatten sie die Aufgabe alle drei Minuten die Zahlen 1, 2, 3, 4, 5 und 6 in den Computer einzutippen. Beide Aufgaben wurden parallel bearbeitet. Die Ergebnisse zeigten, dass die jungen Erwachsenen (18-30 Jahre) signifikant bessere Leistungen erzielten als die Erwachsenen (61-75 Jahre) und die alten Erwachsenen (71-80 Jahre), welche sich in ihrer Leistung wiederum nicht voneinander unterschieden.

In einem weiteren Experiment untersuchten Park, Hertzog, Kidder, Morrell und Mayhorn (1997) die Leistung von jungen (M = 19.21, SD = 0.94) und älteren Probanden (M = 69.77, SD = 5.61) sowohl in einer zeitbasierten als auch in einer ereignisbasierten prospektiven Gedächtnisaufgabe. Die ereignisbasierte prospektive Gedächtnisleistung wurde auch hier wieder innerhalb einer dual-task gemessen. In der ongoing-task wurden den Probanden auf einem Computerbildschirm unterschiedliche Wörter präsentiert. Jedes mal, wenn das Wort wechselte, änderte sich auch das Hintergrundbild (insgesamt sechs verschiedene Muster) des Computerbildschirms. Die Aufgabe der Probanden war es, sich immer die letzten drei präsentierten Wörter zu merken. Wenn das Wort „Recall“ auf dem Bildschirm erschien, so hatten sie die letzten drei präsentierten Wörter laut zu sagen. Die ereignisbasierte prospektive Gedächtnisaufgabe war es, immer dann einen Hebel zu drücken, wenn ein bestimmtes Hintergrundbild erschien, welches vorher festgelegt wurde. Es zeigte sich, dass die älteren Probanden auch hier schlechtere Leistungen als die jüngeren Probanden hatten. Jedoch ließen sich keine Alterseffekte in der Kontrollgruppe der älteren Probanden finden. Auch hier bearbeiteten die Probanden dieselbe ereignisbasierte prospektive Gedächtnisaufgabe wie in der Experimentalgruppe, sie hatten jedoch keine zusätzliche ongoing-task zu bearbeiten.

In der zeitbasierten prospektiven Gedächtnisaufgabe erhielten die Probanden die Anweisung, jede Minute den Hebel zu drücken. Die ongoing-task war dabei dieselbe wie die aus der ereignisbasierten prospektiven Gedächtnisaufgabe. Eine Uhr neben dem Computermonitor diente ihnen dabei die Zeit einzuschätzen. Die Ergebnisse wiesen einen signifikanten Haupteffekt für das Alter auf. Die jüngeren Erwachsenen bewältigten die Aufgabe besser als die älteren Erwachsenen, dies galt sowohl für die Kontroll- als auch für die Experimentalgruppe der jüngeren Erwachsenen. Die Kontrollgruppe der älteren Erwachsenen zeigte ebenfalls wesentlich bessere Leistungen auf als ihre Experimentalgruppe. Vergleicht man jedoch die Kontrollgruppe der älteren mit der Kontrollgruppe der jüngeren Erwachsenen so zeigt sich, dass die jüngeren Erwachsenen fast perfekte Leistungen aufwiesen, d.h. sie betätigten den Hebel fast immer auf die Sekunde genau. Die Kontrollgruppe der älteren Erwachsenen hingegen wiesen erhebliche Fehler in der Zeitüberwachung auf und betätigten den Hebel nicht zeitgenau.

Die Befundlage für Alterseffekte in prospektiven Gedächtnisaufgaben ist nicht ganz eindeutig. Manche Studien konnten Alterseffekte in ereignisbasierten prospektiven Gedächtnisaufgaben finden (Cherry, Martin, Simmons-D’Gerolamo, Pinkston, Griffing & Gouvier, 2001; Maylor, 1993; West & Covell, 2001) wohingegen in anderen Studien keine auftraten (Einstein & McDaniel, 1990; Einstein, McDaniel, Richardson, Guynn & Cunfer, 1995). Für zeitbasierte prospektive Gedächtnisaufgaben scheint die Befundlage schon etwas konsistenter zu sein. Alterseffekte wurden dort wesentlich öfter gefunden (d’Ydewalle, Bouckaert & Brunfaut, 2001; Park et al., 1997).

Die bisher vorgestellten Studien haben alle den Versuch unternommen Alterseffekte in Bezug auf ereignis- und zeitbasierte Aufgaben aufzuzeigen. Ob diese Unterscheidung zwischen ereignis- und zeitbasierten prospektiven Gedächtnisaufgaben für das Aufzeigen von Alterseffekten sinnvoll ist wird sich im nächsten Abschnitt zeigen. Hier wird näher auf Unterschiede in der prospektiven Gedächtnisleistung zwischen laborbasierten und naturalistischen Aufgaben eingegangen und aufgezeigt, dass es hier interessanterweise zu anderen Ergebnissen in der prospektiven Gedächtnisleistung bei älteren Menschen kommt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Das prospektive Gedächtnis im Erwachsenenalter
Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen
Note
1,7
Autor
Jahr
2015
Seiten
13
Katalognummer
V344481
ISBN (eBook)
9783668342323
ISBN (Buch)
9783668342330
Dateigröße
464 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
gedächtnis, erwachsenenalter
Arbeit zitieren
Katrin Simon (Autor:in), 2015, Das prospektive Gedächtnis im Erwachsenenalter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/344481

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Das prospektive Gedächtnis im Erwachsenenalter



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden