Effekte der Zugehörigkeit zu einer Minderheit auf Leistungsziele


Masterarbeit, 2016

60 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theoretischer und empirischer Hintergrund
2.1 Die Achievement Goal Theorie
2.1.1 Antezedenzien der Leistungsziele
2.1.2 Konsequenzen der Leistungsziele
2.2 Herleitung der Fragestellung
2.2.1 akademische Selbstwirksamkeit
2.2.2 Zugehörigkeitsgefühl
2.2.3 Kovariaten
2.2.4 Zusammenfassung und Hypothesen

3 Methode
3.1 Stichprobe
3.2 Erhebungsinstrumente
3.2.1 Achievement Goal Questionnaire - Revised (AGQ-R)
3.2.2 Psychological Sense of School Membership - Brief (PSSM-Brief)
3.2.3 Patterns of Adaptive Learning Scales (PALS)
3.2.4 Leistung
3.3 Durchführung

4 Ergebnisse
4.1 Vorgehen bei der Datenanalyse
4.2 Ergebnisse der Frauen
4.3 Ergebnisse der Männer

5 Diskussion

6 Literaturverzeichnis

Zusammenfassung

Vorliegende Arbeit soll Aufschluss darüber geben, ob die Zugehörigkeit zu einer Minderheit die verfolgten Leistungsziele signifikant beeinflusst. Minderheiten sind in dieser Arbeit Geschlechtsminderheiten in bestimmten Studienfächern. Demnach gelten Frauen in typischen Männerstudienfächern (z.B. Maschinenbau) und Männer in typischen Frauenstudienfächern (z.B. Psychologie) als Minderheiten. Durch eine Online - Befragung wurden die verfolgten Leistungsziele und zusätzlich die akademische Selbstwirksamkeit und das Zugehörigkeitsgefühl von N = 261 Studierenden erfasst. Die Ergebnisse zeigten entgegensetzt der aufgestellten Hypothese, dass Frauen in der Mehrheit signifikant mehr vermeidungsorientierte Performanzziele verfolgen als Frauen in der Minderheit. Ebenso lieferten die Ergebnisse signifikante Effekte dahingehend, dass Frauen in der Minderheit über eine niedrigere akademische Selbstwirksamkeit und ein niedrigeres Zugehörigkeitsgefühl verfügen als Frauen in der Mehrheit. Es zeigte sich zudem kein Unterschied zwischen Männern in der Minderheit und Männern in der Mehrheit hinsichtlich der verfolgten Leistungsziele, der akademischen Selbstwirksamkeit und dem Zugehörigkeitsgefühl. Mögliche Erklärungsansätze werden diskutiert.

Schlüsselwörter: Minderheit, Leistungsziele, akademische Selbstwirksamkeit, Zugehörigkeitsgefühl

1 Einleitung

Jeder der früher oder später eine Hochschule besucht stellt sicherlich fest, dass es verschiedene Typen von Studierenden gibt. So gibt es manche, die jede Pflichtliteratur lesen und wiederum andere, die fast nie ein Buch aufschlagen. Hinsichtlich der Lernstrategien lassen sich ebenfalls Unterschiede zwischen Studierenden beobachten. Demnach gibt es diejenigen, die den Prüfungsstoff einfach nur Auswendiglernen und andere, die sich intensiv mit dem Prüfungsstoff auseinandersetzen und sorgfältig ausarbeiten. Wahrscheinlich kennt auch jeder den Studierenden, der alles, sei es das Lernen für Prüfungen oder Referatsvorbereitungen, bis zur letzten Sekunde aufschiebt. Doch wieso unterscheiden sich Studierende so stark voneinander? Gründe dafür liegen vor allem in der Motivation. Demnach ist neben kognitiven Variablen wie Intelligenz, auch die motivationale Ausrichtung einer Person ausschlaggebend für ihren Lernerfolg. Abgesehen von der Stärke der Motivation spielt dabei auch die Art der Motivation eine wichtige Rolle. Einer der bekanntesten Ansätze der Leistungsmotivationsforschung, welcher sich vor allem mit der Art der Motivation befasst und den Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit bildet, ist die Achievement Goal Theorie. Der Theorie zufolge können Personen aus den verschiedensten Gründen motiviert sein. Im Laufe der Zeit haben sich dahingehend folgende vier verschiedene Leistungsziele herauskristallisiert, welche die Lernaktivität von Personen lenken: annäherungsorientierte Lern- und Performanzziele und vermeidungsorientierte Lern- und Performanzziele (Elliot & McGregor, 2001). So kann eine Person lernmotiviert sein, weil sie eine gute Note bekommen möchte, um dadurch wiederum ihre hohen Fähigkeiten vor anderen Personen, sei es vor Kommilitonen/-innen, Dozenten, Freunden oder Verwandten, zu demonstrieren (annäherungsorientiertes Performanzziel). Andere Personen können hingegen deswegen motiviert sein, weil sie danach streben ihre nicht vorhandenen Fähigkeiten vor anderen Personen zu verbergen (vermeidungsorientiertes Performanzziel). Wieder andere Personen sind weniger darauf bedacht ihre hohen beziehungsweise fehlenden Fähigkeiten vor anderen Personen zu demonstrieren beziehungsweise zu verbergen, sondern streben vielmehr danach ihr Wissen und ihre Fähigkeiten zu erweitern und zu verbessern (annäherungsorientiertes Lernziel). Im Gegensatz dazu gibt es Personen, welche danach streben, ihr erworbenes Wissen nicht wieder zu vergessen, um somit eine Verschlechterung ihrer Leistung zu verhindern (vermeidungsorientiertes Lernziel). Es ist hierbei jedoch anzumerken, dass eine Person nicht immer nur eines der genannten Ziele verfolgt, sondern durchaus mehrere Ziele gleichzeitig verfolgen kann (Barron & Harackiewicz, 2001).

Personen, welche vermeidungsorientierte Lern- und Performanzziele verfolgen sind demnach durch Angst vor Misserfolg motiviert. Hingegen zeichnen sich Personen, welche annäherungsorientierte Lern- und Performanzziele verfolgen durch eine hohe Erfolgsmotivation aus. Aufgrund dessen gehen annäherungsorientierte Lern- und Performanzziele auch mit günstigeren Konsequenzen einher als vermeidungsorientierte Lern- und Performanzziele, welche unter anderem durch Angst vor Misserfolg entstehen (siehe Kapitel 2.1.1). Eine Vielzahl von Studien wurde in diesem Bereich durchgeführt. Fokus vieler Forschungsarbeiten liegt dabei auf den Konsequenzen der jeweiligen Leistungsziele, welche im nachfolgenden Kapitel 2.1.2 näher beschrieben werden. Andere Forschungsarbeiten konzentrieren sich wiederum auf die Antezedenzien der Leistungsziele, wobei der Fokus dabei hauptsächlich auf Personeneigenschaften, wie beispielsweise Angst vor Misserfolg und Erfolgsmotivation (Elliot & McGregor, 2001) oder dem Annäherungs- und Vermeidungstemperament (Elliot & Thrash, 2002, 2010) liegt. Neben individuellen Dispositionen können jedoch auch noch andere Variablen einen Einfluss darauf haben, welche Leistungsziele eine Person primär verfolgt. Neben Personeneigenschaften kann demnach auch die soziale Umwelt die Leistungsziele beeinflussen. So zeigt sich beispielsweise im Schulkontext, dass die wahrgenommenen Zielstrukturen im Klassenraum (z.B. Unterrichtsstil, Bewertungsverfahren) die Zielübernahme von Schülern/-innen beeinflusst. So zeigt sich, dass Schüler/-innen stärker Performanzziele verfolgen, wenn im Unterricht eine soziale Bezugsnorm bei der Leistungsbeurteilung angewendet wird oder kompetitive Klassenraumstrukturen vorherrschen (Ames, 1992; Maehr & Midgley, 1991). Des Weiteren zeigt sich eine Veränderung in den verfolgten Leistungszielen bei Schülern/-innen, welche von der Grundschule auf die weiterführende Schule wechseln. Demzufolge werden während der Grundschulzeit stärker Lernziele statt Performanzziele verfolgt. Beim Wechsel auf die weiterführende Schule kommt es dann jedoch zu einer stärkeren Verfolgung von Performanzzielen und zu einer Abnahme in der Verfolgung von Lernzielen (Anderman & Midgley, 1997).

Ziel vorliegender Arbeit ist es herauszufinden, ob eine bestimmte situative Bedingung einen Effekt auf die verfolgten Leistungsziele hat. Es soll demnach überprüft werden, ob die Zugehörigkeit zu einer Minderheit im Hochschulkontext die verfolgten Leistungsziele beeinflusst. Zusätzlich soll die Arbeit einen Beitrag dazu leisten, ob die Zugehörigkeit zu einer Minderheit die akademische Selbstwirksamkeit und das Zugehörigkeitsgefühl beeinflusst. Minderheiten sind in dieser Arbeit Geschlechtsminderheiten in bestimmten Studienfächern. Demnach stellen Frauen in typischen Männerstudienfächern, wie Maschinenbau eine Geschlechtsminderheit dar, ebenso stellen Männer in typischen Frauenstudienfächern, wie Psychologie eine Geschlechtsminderheit dar. Es ist davon auszugehen, dass Minderheiten andere Leistungsziele verfolgen als Mehrheiten und sie sich in ihrer akademischen Selbstwirksamkeit und ihrem Zugehörigkeitsgefühl voneinander unterscheiden. Dies soll in den folgenden Kapiteln näher erläutert werden.

2 Theoretischer und empirischer Hintergrund

2.1 Die Achievement Goal Theorie

Eine der bekanntesten und einflussreichsten Motivationstheorien, welche das Verhalten in Leistungssituationen erklärt, ist die Achievement Goal Theorie. Im Allgemeinen gibt die Theorie Aufschluss darüber, wie eine Person motiviert ist und aus welchem Grund sie Leistungen erbringt (Anderman, Urdan, & Roeser, 2003). Die Forschung rund um die Leistungszielorientierung begann in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren. So entwickelte die Arbeitsgruppe um Carol S. Dweck (Diener & Dweck, 1978; Dweck & Leggett, 1988), um John G. Nicholls (Nicholls, 1978, 1984), als auch die Arbeitsgruppe um Carol Ames (Ames, 1990, 1992; Ames & Archer, 1988) jeweils theoretische Ansätze in diesem Bereich, welche im Folgenden kurz beschrieben werden.

Der Ansatz der Arbeitsgruppe um Carol Dweck entwickelte sich aufgrund der Untersuchung der erlernten Hilflosigkeit bei Kindern in Lern- und Leistungssituationen (Diener & Dweck, 1978). In mehreren Studien konnte an einer Reihe von Kindern zwei unterschiedliche Verhaltensmuster nach einem Misserfolg beobachtet werden. Manche Kinder zeigten ein bewältigungsorientiertes Verhaltensmuster, was sich durch das Suchen von herausfordernden Aufgaben, Ausdauer bei auftretenden Problemen und positiven Emotionen kennzeichnete. Im Vergleich dazu reagierten manche Kinder nach einem Misserfolg mit einem hilflosen Verhaltensmuster, welches durch Aufgabenvermeidung und frühzeitigem Aufgeben gekennzeichnet war. Als Erklärung für die Entstehung dieser unterschiedlichen Verhaltensmuster gehen Dweck und Leggett (1988) davon aus, dass verschiedene Ziele das Verhalten in Leistungssituationen bestimmen. Es wurde ein dichotomes Modell postuliert, welches zwischen Lernzielen (engl.: learning goals) und Leistungszielen (engl.: performance goals) unterscheidet. Lernziele sind durch eine Kompetenzerweiterung gekennzeichnet. Ziel ist es demnach die eigene Kompetenz zu steigern, neue Fähigkeiten zu erlernen und bereits vorhandene Fähigkeiten zu verbessern.

Eine lernzielorientierte Person ist somit darauf bedacht neue Informationen zu verstehen und zu lernen und neue Fähigkeiten zu entwickeln. Verfolgt eine Person jedoch ein Leistungsziel, so ist sie eher darauf bedacht ihre hohen Fähigkeiten zu demonstrieren und geringe Fähigkeiten zu verbergen. Im Gegensatz zu Lernzielen steht bei Leistungszielen nicht der Kompetenzerwerb im Fokus, sondern das Bemühen eine positive Bewertung zu erzielen beziehungsweise negative Bewertungen zu vermeiden. Ob eine Person eher lern- oder leistungszielorientiert ist, hängt nach Dweck und Leggett (1988) von ihrer impliziten Intelligenztheorie ab. Es wird zwischen einer Veränderbarkeitstheorie (inkrementelle Theorie) und einer Unveränderbarkeitstheorie (Entitätstheorie) unterschieden. Personen, die eine Lernzielorientierung entwickeln, halten ihre Intelligenz demnach für veränderbar. Im Vergleich dazu entwickeln Personen eine Leistungszielorientierung, wenn sie ihre Intelligenz für unveränderbar halten (Dweck & Leggett, 1988).

Ein weiterer Ansatz stammt aus der Arbeitsgruppe um John G. Nicholls (Nicholls, 1978, 1984). Untersucht wurde die Entwicklung des Fähigkeitskonzepts bei Kindern, woraus dann das Konzept der Aufgaben- und Ich-Orientierung (engl.: task involvement & ego - involvement) entstand. Jüngere Kinder verfügen demnach noch über ein undifferenziertes Fähigkeitskonzept, denn sie können noch nicht zwischen Anstrengung und Fähigkeit unterscheiden. Sie gehen davon aus, dass sie durch Anstrengung ihre Fähigkeiten verbessern können. Da sie ihre eigenen Leistungen noch nicht mit denen von anderen Personen vergleichen können, verfolgen sie demnach primär eine Aufgabenorientierung. Um das 12. Lebensjahr herum fangen Kinder an zwischen Anstrengung und Fähigkeit zu unterscheiden und erlangen folglich ein differenziertes Fähigkeitskonzept. Ab diesem Zeitpunkt bewerten sie ihre eigenen Leistungen anhand sozialer Vergleiche und verfolgen somit stärker eine Ich - Orientierung.

Im Gegensatz zu den Ansätzen von Dweck (1986) und Nicholls (1984) geht die Arbeitsgruppe von Carol Ames (Ames, 1990, 1992; Ames & Archer, 1988) davon aus, dass die Klassenstruktur die Zielentwicklung ausschlaggebend beeinflusst. Auch sie identifizierten zwei Zieltypen, welche sie Bewältigungszielorientierung (engl.: mastery goal orientation) und Leistungszielorientierung (engl.: performance goal orientation) nennen. Bewältigungszielorientierung ist dabei analog zu der Aufgabenorientierung von Nicholls, wohingegen Leistungszielorientierung dem Konzept von Dweck sehr ähnlich ist. Ames (1992) entwickelte das sogenannte TARGET-Programm (Tasks, Autonomy, Recognition, Grouping, Evaluation, Time), welches die Bewältigungszielorientierung fördern und die Leistungszielorientierung vermindern soll. Tasks, Autonomy, Recognition, Grouping, Evaluation und Time fasst Ames (1992) zu folgenden drei Dimensionen zusammen:

1) Aufgaben (task): Aufgaben sollten herausfordernd, vielfältig und abwechslungsreich gestaltet sein. Ebenso sollten sie die Entwicklung und den Gebrauch von effektiven Lernstrategien fördern.
2) Einflussnahme (authority): Lernende sollten an Entscheidungen beteiligt werden. Sie sollten die Möglichkeit haben, Verantwortung und Unabhängigkeit zu entwickeln. Ebenso sollten sie bei der Entwicklung und Anwendung von effektiven Lern- und Selbstmanagementstrategien unterstützt werden.
3) Rückmeldung (evaluation/recognition): Rückmeldungen sollten privat und nicht öffentlich gegeben werden. Bei der Leistungsbeurteilung ist eine individuelle Bezugsnorm heranzuziehen. Anstrengung sollte anerkannt werden, Möglichkeiten zur Verbesserung sollten geschaffen werden und zudem sollten Fehler als Teil des Lernprozesses akzeptiert werden.

Durch die Unterteilung in Aufgaben-/Lern-/Bewältigungsziele und Leistungs-/Egoziele konnte gezeigt werden, dass verschiedene Leistungsziele mit unterschiedlichen Emotionen, Kognitionen und Verhaltensweisen einhergehen. Das dichotome Modell erwies sich somit als sehr nützlich. Positive Konsequenzen wurden dabei mit Aufgaben/Lern/Bewältigungszielen in Verbindung gebracht, neutrale oder negative Konsequenzen hingegen mit Leistungs-/Egozielen (Moller & Elliot, 2006). Auf die Konsequenzen der Zielorientierungen wird in Kapitel 2.1.2 näher eingegangen.

Das dichotome Modell wurde jedoch von anderen Forschern wiederholt kritisiert, da die Unterscheidung zwischen dem Bedürfnis nach Erfolg und dem Bedürfnis nach Vermeidung von Misserfolg in diesem Modell unberücksichtigt bleibt (Harackiewicz, Barron, Pintrich, Elliot, & Thrash, 2002). Elliot und Harackiwicz (1996) schlugen demnach eine Modifizierung des dichotomen Modells vor. Sie entwickelten das dichtome Modell weiter zu einem trichotomen Modell, welches zwischen einer Annäherungs- und Vermeidungsvariante der Leistungs-/Egoziele unterscheidet. Es ergeben sich somit folgende drei Zieltypen: Lernziele (engl.: mastery approach goals), annäherungsorientierte Performanzziele (engl.: performance approach goals) und vermeidungsorientierte Performanzziele (engl.: performance avoidance goals). Die Bezeichnungen der verschiedenen Zieltypen sollen in vorliegender Arbeit beibehalten werden.

Annäherungsorientierte Performanzziele entsprechen demnach dem Streben nach Erfolg und somit dem Ziel, bessere Leistungen als andere Personen zu erbringen und überlegene Fähigkeiten demonstrieren zu wollen. Vermeidungsorientierte Performanzziele entsprechen hingegen dem Streben nach Vermeidung von Misserfolg und somit dem Ziel, keine schlechteren Leistungen als andere Personen zu erbringen und Inkompetenz nach Möglichkeit zu verbergen. Die Unterteilung in annäherungsorientierte und vermeidungsorientierte Performanzziele stellt eine wichtige Erweiterung der Theorie dar, da dadurch inkonsistente Befunde hinsichtlich der Performanzziele geklärt werden konnten (Elliot, 1999). Betrachtet man das trichotome Modell etwas näher, so kann man sich fragen, weshalb nicht auch die Lernziele in Annäherung und Vermeidung unterteilt wurden. Diese Unterteilung der Lernziele in Annäherung und Vermeidung nahmen Elliot und McGregor (2001) in ihrem 2x2 Modell auf. Das 2x2 Modell geht somit von einem vierten Zieltyp aus: das vermeidungsorientierte Lernziel (engl.: mastery avoidance goal). Das vermeidungsorientierte Lernziel beschreibt das Streben nach der Vermeidung von Kompetenzverlust. Personen, die ein vermeidungsorientiertes Lernziel verfolgen, sind demnach darauf bedacht, ihr bereits erworbenes Wissen nicht zu vergessen, bestehende Fähigkeiten und Fertigkeiten nicht zu verlieren, neues Lernmaterial nicht misszuverstehen oder eine Aufgabe unvollendet zu lassen. Durch die Angst den aktuellen Leistungsstand nicht aufrechterhalten zu können und schlechtere Leistungen als in der Vergangenheit zu zeigen, werden diese Personen angetrieben. Personen, welche diesen Zieltyp verfolgen werden auch häufig als Perfektionisten bezeichnet, die darauf fokussiert sind, so viel wie möglich zu lernen, um somit negative Konsequenzen zu vermeiden (Elliot, 1999; Elliot & McGregor, 2001). Es ergeben sich demnach folgende vier Zieltypen: annäherungsorientierte Lernziele, annäherungsorientierte Performanzziele, vermeidungsorientierte Lernziele und vermeidungsorientierte Performanzziele. Diese vier Zieltypen lassen sich in eine 2x2 Matrix mit zwei Dimensionen einordnen (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1. Das 2x2 Modell der Leistungszielorientierung (Elliot & McGregor, 2001)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anmerkung. Definition und Valenz repräsentieren die zwei Dimensionen von Kompetenz. Lern- und Performanzziele repräsentieren die zwei Möglichkeiten, wie Kompetenz definiert werden kann. Annäherung und Vermeidung repräsentieren die zwei Möglichkeiten, wie Kompetenz bewertet werden kann.

Die erste Dimension stellt die Definition der Kompetenz beziehungsweise die Bezugsnorm dar, mit den Ausprägungen Lernziele versus Performanzziele. Eine Person kann ihre eigene Leistung entweder mit vergangenen Leistungen vergleichen (intrapersonale Bezugsnorm) und wäre demnach lernzielorientiert. Eine Person kann jedoch auch die eigene Leistung mit den Leistungen von anderen Personen vergleichen (normative Bezugsnorm) und wäre somit performanzzielorientiert. Die zweite Dimension stellt die Valenz der Kompetenz dar, mit den Ausprägungen Annäherung versus Vermeidung. Unter Annäherung wird das Bestreben von positiven Ereignissen, wie zum Beispiel Erfolg verstanden, unter Vermeidung hingegen das Vermeiden von negativen Ereignissen, wie zum Beispiel Misserfolg. Vermeidungsorientierte Lernziele unterscheiden sich demnach zu annäherungsorientierten Lernzielen in der Valenz der Kompetenz. Vermeidungsorientierte Lernziele haben eine negative Valenz, das bedeutet Personen streben nach Vermeidung von Misserfolg. Annäherungsorientierte Lernziele haben hingegen eine positive Valenz, Personen streben demnach nach Erfolg. In der Bezugsnorm unterscheiden sich die beiden Ziele nicht voneinander, da für beide Ziele die eigene Person als Vergleich dient. Der Unterschied zwischen vermeidungsorientierten Performanzzielen und annäherungsorientierten Performanzzielen liegt ebenfalls in der Valenz der Kompetenz. So haben vermeidungsorientierte Performanzziele eine negative Valenz, wohingegen annäherungsorientierte Performanzziele eine positive Valenz besitzen. Als Bezugsnorm werden bei beiden Zielen die Leistungen von anderen Personen herangezogen. Der Unterschied zwischen vermeidungsorientierten Lernzielen und vermeidungsorientierten Performanzzielen liegt hingegen in der Bezugsnorm. Bei vermeidungsorientierten Lernzielen vergleichen Personen ihre Leistung mit vergangenen Leistungen. Bei vermeidungsorientierten Performanzzielen vergleichen Personen ihre Leistung hingegen mit den Leistungen von anderen Personen. Hinsichtlich der Valenz der Kompetenz zeigt sich kein Unterschied zwischen den beiden Zielen. Sowohl vermeidungsorientierte Lernziele als auch vermeidungsorientierte Performanzziele haben eine negative Valenz, das bedeutet, Personen streben nach Vermeidung von Misserfolg. Für den Vergleich zwischen annäherungsorientierten Lernzielen und annäherungsorientierten Performanzzielen verhält es sich ähnlich. So unterscheiden sich die beiden Ziele ausschließlich in ihrer Bezugsnorm. Personen mit annäherungsorientierten Lernzielen vergleichen ihre Leistung mit Leistungen aus ihrer Vergangenheit. Bei annäherungsorientierten Performanzzielen hingegen vergleichen Personen ihre Leistung mit den Leistungen von anderen Personen. Die Valenz der Kompetenz ist bei beiden Zielen positiv, in beiden Fällen wird also ein positiver Zustand, wie Erfolg angestrebt.

Ein großer Vorteil des 2x2 Modells zeigt sich in den Befunden zu den Konsequenzen. So war die Befundlage im Hinblick auf Performanzziele in früheren Studien häufig inkonsistent. Durch die Einteilung in die 2x2 Matrix zeigte sich jedoch, dass vor allem vermeidungsorientierte Performanzziele negative Konsequenzen nach sich ziehen. Ebenso wurde das positive Potenzial der annäherungsorientierten Performanzziele deutlicher (Elliot, 2005). Die Idee auch die Lernziele in Annäherung und Vermeidung zu trennen, fand in der Forschung bisher relativ wenig Beachtung. Ein möglicher Grund dafür ist die Altersgruppe der untersuchten Stichproben. Größtenteils setzten sich die Stichproben in vielen Studien aus Schülern oder Studenten zusammen. Vermeidungsorientierte Lernziele lassen sich jedoch vor allem bei älteren Menschen beobachten, da diese sich stärker darauf konzentrieren müssen ihre Fähigkeiten zu erhalten (Elliot, 2005).

Eine weitere Modifizierung der Achievement Goal Theorie fand im Jahr 2011 statt. Elliot, Murayama und Pekrun (2011) entwickelten das 2x2 Modell weiter zu einem 3x2 Modell. Empirisch fand das 3x2 Modell starke Unterstützung. So testeten Elliot et al. (2011) das 3x2 Modell gegen zehn alternative Modelle, darunter auch gegen das dichotome, das trichotome und das 2x2 Modell und konnten zeigen, dass das 3x2 Modell das passendste Modell ist. Die Forschungslage in diese Richtung ist bis zum jetzigen Zeitpunkt jedoch sehr dünn, weshalb auch wenige Ergebnisse bezüglich des neuen Modells vorliegen. Demzufolge werde ich mich in der vorliegenden Arbeit auf das 2x2 Modell beziehen.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass zu Beginn der Forschung im Bereich der Leistungsmotivation zunächst ein dichotomes Modell mit der Unterscheidung zwischen Lern- und Leistungszielen angenommen wurde. Vorherrschend war zu der Zeit die Meinung, dass sich Lern- und Leistungsziele gegenseitig ausschließen (Nicholls, 1984). Ebenfalls wurden Lernziele mit positiven Konsequenzen und Leistungsziele ausschließlich mit negativen oder neutralen Konsequenzen in Zusammenhang gebracht (Harackiewicz et al., 2002). Durch die Modifizierung des Modells hin zu einem 2x2 Modell, welches zwischen Annäherung und Vermeidung differenziert, wurde die positive Wirkung der annäherungsorientierten Performanzziele jedoch immer deutlicher. Es zeigte sich, dass vor allem vermeidungsorientierte Performanzziele negative Konsequenzen mit sich bringen. Aus diesen Erkenntnissen heraus entwickelte sich die Multiple-Goals Perspektive. Demzufolge schließen sich die vier Zieltypen nicht gegenseitig aus und eine Person kann in einer Leistungssituation multiple Ziele verfolgen. Da auch annäherungsorientierte Performanzziele positive Konsequenzen mit sich bringen, scheint vor allem das Verfolgen von annäherungsorientierten Lern- und Performanzzielen zu einer optimalen Motivation und Konsequenzen zu führen (Barron & Harackiewicz, 2001; Harackiewicz et al., 2002).

2.1.1 Antezedenzien der Leistungsziele

Motivationale Dispositionen werden als wesentliche Antezedenzien für die verschiedenen Leistungsziele gesehen (Elliot & Church, 1997). In ihrem hierarchischen Modell der Leistungsmotivation nehmen Elliot und Church (1997) an, dass Angst vor Misserfolg und Erfolgsmotivation (engl.: need for achievement) direkte Antezedenzien für die Leistungsziele des trichotomen Modells sind. Tatsächlich zeigte sich, dass eine hohe Erfolgsmotivation Lernziele vorhersagt.

Vermeidungsorientierte Performanzziele werden durch Angst vor Misserfolg vorausgesagt. Erfolgsmotivation als auch Angst vor Misserfolg konnten hingegen als Prädiktoren für annäherungsorientierte Performanzziele festgestellt werden. Annäherungsorientierte Performanzziele können sich somit aus Erfolgsmotivation als auch aus Angst vor Misserfolg entwickeln. Somit weisen annäherungsorientierte Performanzziele ein komplexeres Muster auf als die restlichen Zieltypen (Elliot, 1999). Für das 2x2 Modell der Leistungsmotivation zeigte sich ebenfalls, dass die motivationalen Dispositionen Angst vor Misserfolg und Erfolgsmotivation als Antezedenzien für die vier verschiedenen Zieltypen fungieren. Erfolgsmotivation erwies sich als positiver Prädiktor für annäherungsorientierte Lernziele, annäherungsorientierte Performanzziele und für vermeidungsorientierte Lernziele. Hingegen zeigte sich Angst vor Misserfolg als positiver Prädiktor für vermeidungsorientierte Lernziele, vermeidungsorientierte Performanzziele und für annäherungsorientierte Performanzziele (Elliot & Murayama, 2008).

Wie bereits in Kapitel 2.1 beschrieben, geht die Arbeitsgruppe von Dweck (Dweck & Leggett, 1988) davon aus, dass die unterschiedlichen Zieltypen auf unterschiedliche implizite Intelligenztheorien zurückzuführen sind. Demnach kann Intelligenz als veränderbar (inkrementelle Theorie) oder unveränderbar (Entitätstheorie) angesehen werden. Demzufolge verfolgen Personen Lernziele, wenn sie der Ansicht sind, dass Intelligenz veränderbar ist und Performanzziele, wenn sie Intelligenz als unveränderbar einschätzen. Cury, Elliot, Da Fonseca und Moller (2006) untersuchten diese Annahmen in Bezug auf das 2x2 Modell der Leistungsmotivation. Es zeigte sich ein starker Zusammenhang zwischen der Entitätstheorie und den annäherungsorientierten und vermeidungsorientierten Performanzzielen, sowie zwischen der inkrementellen Theorie und den annäherungsorientierten und vermeidungsorientierten Lernzielen.

Eine weitere Variable, welche Einfluss auf das Setzen von Leistungszielen hat, ist die Selbstwirksamkeit, also die subjektive Überzeugung einer Person, eine bestimmte Situation erfolgreich zu meistern. In ihrem hierarchischen Modell gehen Elliot und Church (1997) davon aus, dass neben den motivationalen Dispositionen auch die Selbstwirksamkeit ein Prädiktor der Leistungsziele des trichotomen Modells ist. Es zeigte sich, dass Personen mit einer hohen Selbstwirksamkeit Lernziele und annäherungsorientierte Performanzziele verfolgen, wohingegen Personen mit einer niedrigen Selbstwirksamkeit eher vermeidungsorientierte Performanzziele anstreben. Liem, Lau und Nie (2008) führten diesbezüglich ebenfalls eine Studie durch und fanden heraus, dass Selbstwirksamkeit ein direkter Prädiktor für die Leistungsziele des trichotomen Modell der Leistungsmotivation ist. Selbstwirksamkeit erwies sich demnach als positiver Prädiktor für Lernziele und annäherungsorientierte Performanzziele und als negativer Prädiktor für vermeidungsorientierte Performanzziele. Zusätzlich konnte auch eine Studie von Greene, Miller, Crowson, Duke und Akey (2004) zeigen, dass Selbstwirksamkeit ein positiver Prädiktor von annäherungsorientierten Lernzielen und annäherungsorientierten Performanzzielen ist.

In einer Studie von Elliot und McGregor (2001), welche Bezug auf das 2x2 Modell der Leistungsmotivation nimmt, konnten ebenfalls verschiedene Antezedenzien für die vier Zieltypen empirisch nachgewiesen werden. So zeigte sich beispielsweise für annäherungsorientierte Lernziele, dass diese durch eine hohe Selbstbestimmung und Erfolgsmotivation vorhergesagt werden. Eine niedrige Selbstbestimmung hingegen sagte vermeidungsorientierter Lern- und Performanzziele vorher. Ebenso fanden sie heraus, dass Angst vor Misserfolg vermeidungsorientierte Lern- und Performanzziele, als auch annäherungsorientierte Performanzziele vorhersagt. Wird der Unterricht als interessant wahrgenommen (engl.: perceived class engagement), so bewirkt dies ebenfalls das Annehmen von annäherungsorientierten und vermeidungsorientierten Lernzielen.

In der Arbeit von Elliot und Thrash (2010) wurde das Annäherungs- und Vermeidungs-Temperament in Bezug auf das 2x2 Modell der Leistungsmotivation berücksichtigt. Das Annäherungs-Temperament umfasst dabei die Konstrukte Extraversion, positive Emotionalität und das Verhaltens-Aktivierungssystem. Neurotizismus, negative Emotionalität und das Verhaltens-Hemmungssystem bilden hingegen die Grundlagen für das Vermeidungs-Temperament. Die Ergebnisse zeigten, dass ein Annäherungs-Temperament dazu führt, dass eine Person annäherungsorientierte Lern- und Performanzziele verfolgt. Ein Vermeidungs-Temperament hingegen führt zur Verfolgung von vermeidungsorientierten Lern- und Performanzzielen.

Neben Personenvariablen hat auch die Umwelt Einfluss auf die Leistungsziele. Church, Elliot und Gable (2001) untersuchten den Einfluss der Lehrkraft auf das trichotome Modell der Leistungsmotivation. Als positiver Prädiktor für Lernziele stellte sich das Engagement der Lehrkraft heraus. Damit ist gemeint, inwiefern die Gestaltung des Unterrichts durch die Lehrkraft als interessant wahrgenommen wird. Ein starker Fokus auf Bewertungen (d.h. inwieweit Schüler/-innen denken, dass die Lehrkraft großen Wert auf die Leistungsbeurteilung legt) und strenge Bewertungen (d.h. die Wahrnehmung, dass das Erreichen von guten Noten sehr schwierig ist) erwiesen sich hingegen als negative Prädiktoren für Lernziele. Dagegen zeigte sich, dass ein Fokus auf Bewertungen zu annäherungsorientierten und vermeidungsorientierten Performanzzielen führt. Strenge Bewertungen erwiesen sich zudem als positive Prädiktoren für vermeidungsorientierte Performanzziele. Es ist demzufolge ebenso möglich die Wahl für ein Leistungsziel nicht nur durch individuelle Dispositionen, sondern auch durch situative Bedingungen hervorzurufen (Elliot, 2005).

2.1.2 Konsequenzen der Leistungsziele

Die Untersuchung der Konsequenzen der verschiedenen Leistungsziele zeigt, dass diese einen unterschiedlichen Einfluss auf Emotionen, Kognitionen und das Verhalten haben. An einer Stichprobe von amerikanischen und deutschen Studierenden untersuchten Pekrun, Elliot und Maier (2006) den Einfluss des trichotomen Modells der Leistungsmotivation auf Emotionen. Die Ergebnisse ihrer Studie zeigten, dass Lernziele positive Prädiktoren für Freude, Hoffnung und Stolz sind und negative Prädiktoren für Langeweile und Ärger. Annäherungsorientierte Performanzziele erwiesen sich als positive Prädiktoren für Stolz, wohingegen vermeidungsorientierte Performanzziele positive Prädiktoren für Angst, Hoffnungslosigkeit und Scham sind. Lernziele und annäherungsorientierte Performanzziele gehen demnach mit positiven Emotionen einher, vermeidungsorientierte Performanzziele hingegen mit negativen Emotionen. Elliot und McGregor (2001) konnten zudem belegen, dass vermeidungsorientierte Performanz- und Lernziele positive Prädiktoren für Prüfungsangst und Sorge sind.

Elliot und Harackiewicz (1996) untersuchten den Einfluss der Leistungsziele des trichotomen Modells der Leistungsmotivation auf die intrinsische Motivation in einer experimentellen Studie mit einer Puzzle Aufgabe. Die intrinsische Motivation wurde über die aufgebrachte Zeit in die Bearbeitung des Puzzles und die empfundene Freude erfasst. Es zeigte sich, dass Probanden mit Lernzielen und mit annäherungsorientierten Performanzzielen mehr Zeit mit dem Puzzle verbrachten und zudem mehr Freude zeigten als Probanden mit vermeidungsorientierten Performanzzielen. Ähnliche Ergebnisse konnten auch Elliot und Church (1997) in einer Studie mit Collegestudenten nachweisen. Es zeigte sich ein besonders positiver Effekt der Lernziele und der annäherungsorientierten Performanzziele auf die intrinsische Motivation. Ein negativer Effekt auf die intrinsische Motivation zeigte sich bei vermeidungsorientierten Performanzzielen. Für vermeidungsorientierte Lernziele konnte in einer anderen Studie ein negativer Effekt auf die intrinsische Motivation nachgewiesen werden (Cury et al., 2006).

Auch der Zusammenhang zwischen den Leistungszielen und Lernstrategien wurde untersucht. Elliot und McGregor (2001) zeigten, dass annäherungsorientierte und vermeidungsorientierte Performanzziele zu oberflächlichen Lernstrategien, wie reines Auswendiglernen führen. Ein positiver Zusammenhang zeigte sich hingegen zwischen annäherungsorientierten Lernzielen und tiefgehenden Lernstrategien. Für vermeidungsorientierte Lernziele zeigte sich weder ein Zusammenhang mit oberflächlichen Lernstrategien noch mit tiefgehenden Lernstrategien. Zudem zeigte sich für Personen, welche vermeidungsorientierte Lern- und Performanzziele verfolgen, ein unstrukturiertes und unorganisiertes Vorgehen beim Lernen.

Zahlreiche Studien haben sich mit dem Zusammenhang zwischen Leistungszielen und Leistungsergebnissen beschäftigt. Die Befundlage in diesem Bereich ist allerdings sehr inkonsistent. Finney, Pieper und Barron (2004) fanden demnach einen positiven Effekt der annäherungsorientierten Lernziele auf die Semesterabschlussnoten. Kein Zusammenhang fand sich hingegen zwischen den Semesterabschlussnoten und den annäherungsorientierten Performanzzielen. Ebenfalls zeigte eine Metaanalyse von Utman (1997), dass annäherungsorientierte Lernziele durchschnittlich zu besseren Leistungen führen als annäherungsorientierte Performanzziele. Ein besonderer Vorteil der annäherungsorientierten Lernziele gegenüber den annäherungsorientierten Performanzzielen lässt sich bei komplexen Aufgaben beobachten. Andere Studien konnten diese Ergebnisse jedoch nicht replizieren. So fanden beispielsweise Elliot und McGregor (2001) einen positiven Zusammenhang zwischen annäherungsorientierten Performanzzielen und guten Prüfungsleistungen. Für annäherungsorientierte Lernziele ließ sich hingegen ein solcher Zusammenhang nicht finden. Für vermeidungsorientierte Performanzziele zeigte sich dagegen ein negativer Zusammenhang. Auch die Ergebnisse einer Metaanalyse von Harackiewicz et al. (2002) zeigten einen positiveren Effekt der annäherungsorientierten Performanzziele im Vergleich zu den annäherungsorientierten Lernzielen auf die Leistungsergebnisse. Für vermeidungsorientierte Lernziele wurde kein Zusammenhang mit Leistungen gefunden (Elliot & McGregor, 2001; Elliot & Murayama, 2008). Ob nun eher annäherungsorientierte Lernziele oder annäherungsorientierte Performanzziele zu besseren Leistungen führen ist womöglich aufgaben- und situationsabhängig. So ist zu vermuten, dass es immer nur dann zu einer Nullkorrelation zwischen annäherungsorientierten Lernzielen und Leistungsergebnissen kommt, wenn sich eine Person in einer Wettbewerbssituation, beispielsweise in einer Prüfung befindet (Harackiewicz, Barron, Tauer, Carter, & Elliot, 2000). Ebenfalls ist zu vermuten, dass annäherungsorientierte Lernziele immer dann zu besseren Leistungen führen, wenn Prüfungen offene Fragen und keine Multiple-Choice Fragen beinhalten, da für offene Fragen ein tiefergehendes Verständnis nötig ist (Barron & Harackiewicz, 2000). Ein weiterer großer Nutzen von annäherungsorientierten Lernzielen zeigt sich demnach beim Bearbeiten von komplexen Aufgaben, zum Beispiel bei Problemlöseaufgaben. Bei einfachen Aufgaben, wie dem Auswendiglernen zeigt sich kein größerer Vorteil von annäherungsorientierten Lernzielen gegenüber annäherungsorientierten Performanzzielen (Utman, 1997).

Die Konsequenzen von annäherungsorientierten Lernzielen sind also durchweg positiv. So zeigen Personen, welche annäherungsorientierte Lernziele verfolgen vermehrt positive Emotionen (Pekrun et al., 2006) und eine höhere intrinsische Motivation (Elliot & Church, 1997; Elliot & Harackiewicz, 1996). Zudem konnte festgestellt werden, dass Personen mit annäherungsorientierten Lernzielen tiefgehende Lernstrategien verwenden (Elliot & McGregor, 2001). Ebenso wurde häufig ein positiver Zusammenhang mit guten Leistungen gefunden (Utman, 1997).

Die Konsequenzen von annäherungsorientierten Performanzzielen sind hingegen gemischt. So weisen auch Personen mit annäherungsorientierten Performanzzielen positive Emotionen (Pekrun et al., 2006) und eine hohe intrinsische Motivation auf (Elliot & Church, 1997; Elliot & Harackiewicz, 1996). Im Hinblick auf gute Leistungen ließ sich manchmal ein Effekt (Harackiewicz et al., 2002) und manchmal kein Effekt der >annäherungsorientierten Performanzziele finden (Finney et al., 2004). Personen, die annäherungsorientierte Performanzziele verfolgen, verwenden eher oberflächliche Lernstrategien, was einen effektiven Lernprozess verhindert (Elliot & McGregor, 2001). Im Hinblick auf vermeidungsorientierte Performanzziele zeigt sich generell, dass diese ausschließlich mit negativen Konsequenzen einhergehen. So zeigen Personen, welche diese Art von Zielen verfolgen vermehrt negative Emotionen (Pekrun et al., 2006; Elliot & McGregor, 2001) und weisen eine geringere intrinsische Motivation auf (Elliot & Church, 1997). Ebenso verwenden sie oberflächliche Lernstrategien (Elliot & McGregor, 2001), gehen beim Lernen unstrukturiert und unorganisiert vor (Elliot & McGregor, 2001) und erbringen schlechte Leistungen (z.B. Church et al., 2001; Elliot & McGregor 2001). Zusätzlich zeigt sich, dass Personen mit dieser Art von Zielen häufiger Self-handicapping, beispielsweise durch Prokastrination betreiben. Ebenso vermeiden sie herausfordernde Aufgaben und Mogeln häufiger (Urdan, Ryan Anderman, & Gheen, 2002). Sie ziehen einfache Aufgaben herausfordernden Aufgaben vor, da dadurch negatives Feedback verhindert wird. Das Wählen von einfachen Aufgaben bewirkt infolgedessen jedoch auch einen geringeren Lerneffekt (Elliot & Dweck, 1988).

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Ende der Leseprobe aus 60 Seiten

Details

Titel
Effekte der Zugehörigkeit zu einer Minderheit auf Leistungsziele
Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen  (Personal- und Organisationspsychologie)
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
60
Katalognummer
V344479
ISBN (eBook)
9783668344419
ISBN (Buch)
9783668344426
Dateigröße
581 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lernmotivation, Minderheiten, Zugehörigkeitsgefühl, Sense of Belonging, akademische Selbstwirksamkeit, vermeidungsziele, annäherungsziele, Lernziele, Performanzziele, achievement goal theorie
Arbeit zitieren
Katrin Simon (Autor:in), 2016, Effekte der Zugehörigkeit zu einer Minderheit auf Leistungsziele, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/344479

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